Zustimmungsersetzung - Umgruppierung eines Maschinenbedieners - Entgeltrahmenabkommen für die Hessische Metall- und Elektroindustrie (TV ERA Hessen)
Leitsatz
Die Eingruppierung nach dem Entgeltrahmenabkommen für die Hessische Metall- und Elektroindustrie (TV ERA Hessen) erfolgt auf der Grundlage der übertragenen und auszuführenden Arbeitsaufgabe. Die dabei vorgesehene ganzheitliche Betrachtung erfordert die Einbeziehung sämtlicher Tätigkeiten in die tarifliche Bewertung. Wird der Arbeitnehmer in einem Teilbereich der übertragenen Arbeitsaufgabe zunächst nicht eingesetzt, hat im Rahmen des Zustimmungsersetzungsverfahrens gegebenenfalls eine Prognose zu erfolgen, in welchem zeitlichen Umfang die einzelnen zugewiesenen Tätigkeiten ausgeübt werden sollen.
Gesetze: § 1 TVG, § 99 Abs 1 BetrVG
Instanzenzug: Az: 9 BV 1/17 Beschlussvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 5 TaBV 182/17 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung eines Arbeitnehmers in die Entgeltgruppe E2 des Entgeltrahmenabkommens für die Hessische Metall- und Elektroindustrie (TV ERA Hessen).
2Die antragstellende Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1.), ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, entwickelt und produziert flexible Leitungssysteme. In ihrem Betrieb in K, in dem etwa 250 Arbeitnehmer beschäftigt sind, ist ein Betriebsrat gebildet (Beteiligter zu 2.).
3Die Arbeitgeberin schrieb im September 2016 für die Abteilung „Schlauchcenter“ die Stelle „Maschinenbediener: Großflechter und Wickelschlauchanlagen im 2/3 Schichtbetrieb“ aus. Der Aufgabenbereich umfasst im Wesentlichen folgende Tätigkeiten:
4Der bei der Arbeitgeberin tätige Arbeitnehmer E, ein ausgebildeter Werkzeugmacher, bewarb sich erfolgreich auf die ausgeschriebene Stelle.
5Mit Schreiben vom unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die beabsichtigte „Versetzung und Eingruppierung“ des Arbeitnehmers. Die Unterrichtung bezog sich auf die „Tätigkeit: Maschinenbediener am Großflechter und Wickelschlauch (siehe auch interne Stellenausschreibung, liegt anbei)“, die die Arbeitgeberin der „Lohn-/Gehaltsgruppe: E2“ des bei ihr angewendeten TV ERA Hessen zuordnete.
6Der Betriebsrat stimmte mit Schreiben vom der beabsichtigten Versetzung zu, widersprach aber der „Eingruppierung“. Diese verstoße gegen den Tarifvertrag. Die Anforderungen an den Stelleninhaber seien höher zu bewerten.
7Der Arbeitnehmer wurde nach seiner Versetzung zum ausschließlich am Großflechter, nicht aber an der Wickelschlauchanlage eingesetzt. Das Rüsten und Umrüsten der Maschinen im Bereich Großschlauch (Großflechter) nimmt etwa 30 vH der dortigen Arbeitszeit in Anspruch. Bei den Flechtmaschinen ist die einzusetzende Drahtstärke über den jeweiligen Fertigungsauftrag festgelegt. Die erforderliche Zahnradpaarung für das Umrüsten ist je nach Nennweite und Geflechtstyp vorgegeben. Sie kann einer dem Auftrag beigefügten Tabelle entnommen werden. Sonstige Beschreibungen über Arbeitsabläufe an der Flechtmaschine, insbesondere eine Dokumentation für das Rüsten, den Wechsel von Spulen und Klöppeln oder das Vorgehen beim Abriss von Drähten im laufenden Produktionsprozess sind nicht vorhanden.
8Die Arbeitgeberin hat in dem von ihr eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahren die Auffassung vertreten, die Tätigkeiten des Arbeitnehmers seien „weitgehend“ iSd. Entgeltgruppe E2 TV ERA Hessen festgelegt. Eine Festlegung fehle lediglich für das Rüsten der Großflechtmaschinen. „Weitgehend“ im Tarifsinne erfordere keine vollständige Festlegung des Arbeitsablaufs. Vielmehr sei ein Wert von 70 vH der Arbeitszeit ausreichend. Die erforderliche systematische Anlernzeit betrage auch ohne einschlägige Berufserfahrung nicht mehr als sechs Monate.
9Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,
10Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Die von der Arbeitgeberin beabsichtigte Eingruppierung sei tarifwidrig. Die Aufgaben des Arbeitnehmers seien nur überwiegend bis teilweise festgelegt. Auch sei eine längere Anlernzeit erforderlich.
11Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat deren Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr Begehren weiter.
12B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte den Antrag der Arbeitgeberin nicht mit der gegebenen Begründung abweisen. Das führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.
13I. Bei der Zuordnung des Arbeitnehmers zu den Anforderungsmerkmalen der Entgeltgruppen nach §§ 3, 5 TV ERA Hessen durch die Arbeitgeberin handelt es sich um einen nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Vorgang. Entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts und dem Vorbringen der Beteiligten in den Tatsacheninstanzen liegt allerdings nicht eine Eingruppierung, sondern eine Umgruppierung vor.
14Eine Eingruppierung ist die erstmalige, eine Umgruppierung die erneute Einreihung eines Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Sie besteht in der Zuordnung der verrichteten Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu einer bestimmten Gruppe der Vergütungsordnung nach Maßgabe der dafür gültigen Kriterien. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, dessen Eingruppierung - wie hier - bereits erfolgt ist, eine veränderte Tätigkeit zu, ist er gehalten, die Übereinstimmung mit der bisherigen Eingruppierung zu überprüfen. Gelangt er dabei zu dem Ergebnis, der Arbeitnehmer sei aufgrund der geänderten Tätigkeit einer anderen Vergütungsgruppe zuzuordnen, liegt eine Umgruppierung vor ( - Rn. 19 mwN). Dementsprechend hat die Arbeitgeberin ihren Antrag in der Anhörung vor dem Senat klargestellt.
15II. Die tarifliche Bewertung der dem Arbeitnehmer übertragenen und von ihm auszuführenden Tätigkeit durch das Landesarbeitsgericht, die zugleich das Zustimmungsersetzungsbegehren bestimmt, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
161. Die maßgebenden tariflichen Vorschriften des TV ERA Hessen lauten:
172. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Entscheidung nicht - wie erforderlich - die gesamte Arbeitsaufgabe des Arbeitnehmers berücksichtigt.
18a) Nach § 3 Abschnitt I Ziff. 1 TV ERA Hessen ist Grundlage der Eingruppierung der Beschäftigten die übertragene und auszuführende Arbeitsaufgabe. Dabei erfolgt eine ganzheitliche Betrachtung, die alle übertragenen und auszuführenden Tätigkeiten umfasst. Übt ein Beschäftigter dauerhaft mehrere Tätigkeiten aus, die in verschiedenen Entgeltgruppen beschrieben sind, erfolgt eine Eingruppierung in diejenige Gruppe, die der gesamten Tätigkeit des Beschäftigten das Gepräge gibt.
19b) Die dem Arbeitnehmer übertragene und von ihm auszuführende Arbeitsaufgabe ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht nur die Tätigkeit eines Maschinenbedieners im Bereich Großschlauch (Großflechter), sondern auch die eines Maschinenbedieners im Bereich Wickelschlauch.
20aa) Die Stelle war in der Ausschreibung als „Maschinenbediener: Großflechter und Wickelschlauchanlagen im 2/3 Schichtbetrieb“ bezeichnet. Auf diese hat sich der Arbeitnehmer beworben und wurde von der Arbeitgeberin ausgewählt. Entsprechend unterrichtete sie den Betriebsrat über die „Versetzung und Eingruppierung gem. § 99 BetrVG“ bezogen auf die „Tätigkeit: Maschinenbediener am Großflechter und Wickelschlauch (siehe auch interne Stellenausschreibung, liegt anbei)“. Zu dieser Umgruppierung hat der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert.
21bb) Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die Arbeitgeberin habe dem Arbeitnehmer entgegen den Angaben in ihrem Zustimmungsersuchen vom eine Tätigkeit ausschließlich am Großflechter übertragen. Das Beschwerdegericht hat lediglich festgestellt, der Arbeitnehmer sei nach der Versetzung ausschließlich am Großflechter eingesetzt worden. Der Umstand, dass er danach - jedenfalls zunächst - tatsächlich nicht im Bereich Wickelschlauch tätig geworden ist, ist jedoch für die Umgruppierung unbeachtlich. § 3 Abschnitt I Ziff. 1 TV ERA Hessen stellt auf die „übertragene und auszuführende“ und damit nicht auf die tatsächlich ausgeübte Arbeitsaufgabe ab (sh. auch - Rn. 36 zur Übertragung zweier unterschiedlicher Tätigkeiten im Rotationssystem).
22cc) Die dem Arbeitnehmer übertragene Arbeitsaufgabe im Bereich Wickelschlauch kann auch nicht deshalb außer Betracht bleiben, weil dessen Einsatz bei Übertragung der Tätigkeit nach dem Vortrag der Arbeitgeberin weit überwiegend am Großflechter erfolgen sollte. Gemäß § 3 Abschnitt I Ziff. 1 Satz 3 TV ERA Hessen hat eine ganzheitliche Betrachtung der Arbeitsaufgabe zu erfolgen, die alle übertragenen und auszuführenden Tätigkeiten umfasst. Für den Fall, dass ein Beschäftigter dauerhaft mehrere Tätigkeiten ausübt, die in verschiedenen Entgeltgruppen beschrieben sind, erfolgt eine Eingruppierung in diejenige Entgeltgruppe, die der gesamten Tätigkeit das Gepräge gibt (§ 3 Abschnitt I Ziff. 2 TV ERA Hessen). Danach bedarf es in jedem Fall einer Betrachtung und Bewertung aller übertragenen und auszuführenden Tätigkeiten (§ 3 Abschnitt I Ziff. 1 TV ERA Hessen). Diese hat das Landesarbeitsgericht nicht vorgenommen.
23III. Ob der Zustimmungsersetzungsantrag in der Sache begründet ist, kann der Senat mangels der erforderlichen Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht nach § 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG iVm. § 563 Abs. 3 ZPO nicht selbst entscheiden. Das Beschwerdegericht hat zu der dem Arbeitnehmer - auch - übertragenen und von diesem auszuübenden Tätigkeit eines Maschinenbedieners an der Wickelschlauchanlage weder hinsichtlich des Maßes der Festlegung von Ablauf und Ausführung der Tätigkeit noch der erforderlichen Dauer des systematischen Anlernens und des zeitlichen Verhältnisses dieser Tätigkeit zu der am Großflechter Feststellungen getroffen, die es dem Senat ermöglichen würden, die erforderliche ganzheitliche Bewertung der Arbeitsaufgabe selbst vorzunehmen.
24IV. Das Landesarbeitsgericht wird bei der erneuten Anhörung und Entscheidung die erforderlichen Tatsachen festzustellen und eine rechtliche Bewertung unter Berücksichtigung der folgenden Erwägungen durchzuführen haben.
251. Es sind sowohl weitere Feststellungen zur Tätigkeit des Arbeitnehmers im Bereich Großschlauch als auch - überhaupt - im Bereich Wickelschlauch zu treffen.
26a) Dazu gehört zunächst das Maß der Festlegung von Ablauf und Ausführung der Tätigkeit. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts muss sich dieses nicht zwingend aus schriftlichen Anweisungen oder entsprechenden Richtlinien ergeben. Eine solche Dokumentationspflicht ist den tariflichen Vorschriften nicht zu entnehmen. Vielmehr kann eine Festlegung im tariflichen Sinne auch aus der Natur der Tätigkeit, etwa den Voreinstellungen der zu bedienenden Maschine oder einem tatsächlich vorgegebenen Arbeitsablauf resultieren.
27b) Ferner wird das Landesarbeitsgericht die für ein systematisches Anlernen erforderliche Zeitspanne zu ermitteln haben.
28aa) Dabei ist zu beachten, dass die Tarifvertragsparteien nach § 5 Ziff. 4 TV ERA Hessen bei den vorgegebenen Zeiten von dem durch eine Hauptschulausbildung mindestens vermittelten Wissen ausgegangen sind, welches üblicherweise bei durchschnittlich geeigneten Mitarbeitern vorausgesetzt werden kann. Auf die Vorkenntnisse des konkret betroffenen Arbeitnehmers kommt es danach nicht an.
29bb) Verfahrensrechtlich hat die Ermittlung des erforderlichen Zeitraums nach § 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG unter Berücksichtigung des eingeschränkten Amtsermittlungs- bzw. Untersuchungsgrundsatzes zu erfolgen.
30(1) Grundsätzlich ist das erkennende Tatsachengericht dafür verantwortlich, dass die gerichtliche Entscheidung auf einem zutreffenden und vollständig aufgeklärten Sachverhalt beruht. Die Aufklärungspflicht zwingt das Gericht aber nicht, wie die Arbeitgeberin offenbar meint, zu einer unbegrenzten Amtsermittlung und Beweisaufnahme. Liegt entsprechender Sachvortrag vor, ist der Sachverhalt zu überprüfen. Zur Aufklärungspflicht gehört auch die Ermittlung von Tatsachen, die bisher von keinem Verfahrensbeteiligten in das Verfahren eingeführt worden sind, soweit sie für die Entscheidung über den gestellten Antrag von Bedeutung sind. Das Gericht kann von einer weiter gehenden Sachverhaltsaufklärung erst absehen, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen von einem der Verfahrensbeteiligten vorgetragen worden sind, sie nicht wirksam bestritten werden und sich überdies keine Zweifel an ihrer Richtigkeit aufdrängen ( - Rn. 87 mwN, BAGE 156, 213). Hält danach das Landesarbeitsgericht den erforderlichen Vortrag der Beteiligten für nicht ausreichend „substantiiert“, muss es diese darauf hinweisen und ihnen die Möglichkeit geben, ihr Vorbringen zu ergänzen. Die gerichtliche Bewertung des Vorbringens in einem Beschlussverfahren als nicht ausreichender Vortrag ist nur zulässig, wenn das Landesarbeitsgericht die betreffende Partei auf seine Einschätzung hingewiesen und zur Ergänzung des Vorbringens anhand konkreter richterlicher Fragestellungen aufgefordert hat ( - zu B I 4 c der Gründe, BAGE 88, 188).
31(2) Danach wird das Landesarbeitsgericht der Arbeitgeberin konkret aufzugeben haben, zur erforderlichen Zeitspanne eines systematischen Anlernens im Einzelnen vorzutragen. In der Sache geht die Arbeitgeberin dabei zu Recht davon aus, dass ein solches der Ausübung der Tätigkeit nicht vorgeschaltet sein muss, sondern auch in deren Rahmen erfolgen kann. Entgegen ihrer Auffassung ist ihr ein weiteres Vorbringen nicht unzumutbar. Insbesondere wird von ihr nicht verlangt, „einen Vortrag zu leisten, den nur ein Sachverständiger so wiedergeben“ könnte. Das Anlernen von Arbeitnehmern an den beiden Maschinen umfasst ihren Organisations- und Verantwortungsbereich und ist von ihr durchzuführen. Sie kann daher den ihr obliegenden Tatsachenvortrag erbringen. Das kann beispielsweise mithilfe der Kenntnisse des bei ihr beschäftigten Arbeitnehmers M erfolgen, der nach ihrer Darstellung dem Arbeitnehmer E zur Einarbeitung „dauerhaft beiseite“ gestellt war.
32c) Schließlich wird das Landesarbeitsgericht den zeitlichen Umfang der übertragenen und auszuübenden Tätigkeiten sowohl im Bereich Großschlauch als auch im Bereich Wickelschlauch festzustellen haben. Anders als etwa das Entgeltrahmenabkommen für die Metall- und Elektro-Industrie Thüringen (TV ERA TH) (vgl. - Rn. 40, BAGE 154, 235) schließt der TV ERA Hessen das zeitliche Element bei der tariflich angeordneten Gesamtbetrachtung nicht aus. Soweit eine entsprechende Aufteilung nicht schon tatsächlich erkennbar ist, hat dies unter Zugrundelegung einer Prognose zu erfolgen. Auch insoweit ist den Beteiligten ggf. aufzugeben, ergänzend vorzutragen.
332. Bei der Bewertung der Arbeitsaufgabe nach Maßgabe von § 3 TV ERA Hessen ist die sog. summarische Methode zugrunde zu legen.
34a) Nach § 3 Abschnitt I Ziff. 1 Satz 3 TV ERA Hessen erfolgt die Eingruppierung im Wege einer summarischen, dh. ganzheitlichen Betrachtung der Arbeitsaufgabe. Anders als die ERA-Tarifverträge in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die eine analytisch orientierte Arbeitsbewertung (Stufenwertzahlverfahren bzw. Punktbewertungsverfahren) vorsehen, schließt dies eine Überprüfung des Vorliegens einzelner, kumulativ zu erfüllender Anforderungsmerkmale, wie erforderliche Ausbildung, Ausmaß an vorgegebenem Handlungsspielraum und Schwierigkeitsgrad der zu erfüllenden Aufgaben, aus. Die in den Eingruppierungsmerkmalen in § 5 Ziff. 4 TV ERA Hessen genannten Kriterien kennzeichnen das Niveau der Tätigkeit insgesamt und werden für eine ganzheitliche Betrachtung des Schwierigkeitsgrades nicht jeweils einzeln, sondern in einer Gesamtschau herangezogen. Die Betrachtung der verschiedenen tariflichen Kriterien als einzelne, kumulativ zu erfüllende Anforderungsmerkmale entspräche nicht der von den Tarifvertragsparteien festgelegten und von den Gerichten damit anzuwendenden Art und Weise der tariflichen Bewertung einer Tätigkeit (vgl. zum TV ERA TH - Rn. 28, 40, BAGE 154, 235). Da sich das Erfordernis der ganzheitlichen Betrachtung auf sämtliche Kriterien bezieht, kann dem Begriff der „weitgehenden“ Festlegung kein eindeutiger Prozentsatz zugeordnet werden. Die Erfüllung des Kriteriums ist für den Einzelfall insbesondere unter Berücksichtigung qualitativer Gesichtspunkte zu ermitteln.
35b) Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer dauerhaft mehrere Tätigkeiten übertragen hat, die in verschiedenen Entgeltgruppen beschrieben sind, wird es - wiederum im Wege einer ganzheitlichen Betrachtung - zu bestimmen haben, welche Tätigkeit der gesamten Arbeitsaufgabe das Gepräge gibt (§ 3 Abschnitt I Ziff. 2 TV ERA Hessen).
36c) Bei der Zuordnung der Arbeitsaufgabe kann schließlich auf die Niveaubeispiele zurückgegriffen werden. Nach § 5 Ziff. 6 TV ERA Hessen dienen diese „als zusätzliche Informations-, Orientierungs- und Entscheidungshilfe bei der Bewertung und Zuordnung der übertragenen und auszuführenden Arbeitsaufgabe(n) zu den Entgeltgruppen“. Ihnen kommt danach zwar, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht die Funktion von Richtbeispielen zu. Sie ermöglichen aber eine Plausibilitätskontrolle der vorzunehmenden Eingruppierung unter Berücksichtigung der ganzheitlichen Betrachtung (vgl. zum TV ERA TH - Rn. 32, BAGE 154, 235). Von Interesse kann im Entscheidungsfall etwa sein, dass die Tarifvertragsparteien das „Bedienen von Bearbeitungsmaschinen“ (Kennziffer .10) als eine Tätigkeit ansehen, die der Entgeltgruppe E2 TV ERA Hessen zuzuordnen ist, während das „Vorbereiten und Bedienen von Bearbeitungsmaschinen“ (Kennziffer .12) der Entgeltgruppe E3 TV ERA Hessen und das „Rüsten und Bedienen von Bearbeitungsmaschinen“ (Kennziffer .15) der Entgeltgruppe E4 TV ERA Hessen entsprechen sollen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:030719.B.4ABR28.18.0
Fundstelle(n):
QAAAH-32233