BGH Beschluss v. - 4 StR 195/19

Tateinheitliche Begehung mehrerer Betäubungsmitteldelikte

Gesetze: § 29 Abs 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 StGB, § 53 StGB, § 73c StGB, § 73d StGB

Instanzenzug: LG Essen Az: 51 KLs 12/18

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten G.     wegen „unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 40 Fällen, davon in 5 Fällen in Tateinheit mit unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in weiterer Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handel-treiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 72 Fällen“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt; außerdem hat es die „Einziehung von Wertersatz“ in Höhe von 501.475 Euro angeordnet. Den Angeklagten Gr.    hat es wegen „unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in weiterer Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 22 Fällen sowie wegen unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt; ferner hat es gegen diesen Angeklagten die „Einziehung von Wertersatz“ in Höhe von 43.725 Euro angeordnet. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen; der Angeklagte Gr.    erhebt ferner die Verfahrensrüge „in allgemeiner Form“. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte G.     habe sich in den Fällen 3 bis 23 des Tatkomplexes 1 des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 21 Fällen schuldig gemacht, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen übergab der gesondert verfolgte S.     dem Angeklagten G.    wiederholt Marihuana in 100 Gramm-Paketen, welches dieser je nach Bedarf und ausschließlich gegen sofortige Barzahlung an die gesondert verfolgte Sch.    auslieferte. Hierbei stockte S.     den bei G.     vorhandenen Marihuana-Bestand bei jeder seiner Lieferungen auf 500 Gramm auf, wobei G.     bei jeder Lieferung des S.     für die zuvor an Sch.     weitergegebene Lieferung 150 Euro erhielt. In der Zeit von Anfang August 2015 bis einschließlich November 2015 lieferte S.     auf diese Weise mindestens 21 Mal Marihuana an den Angeklagten G.    .

4b) Die Annahme selbständiger, real konkurrierender Taten hält recht-licher Nachprüfung nicht stand. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom ausgeführt:

„Der gleichzeitige Besitz verschiedener Betäubungsmittel erfüllt den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal. Leistet der Angeklagte bezüglich dieser Betäubungsmittel zugleich Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, behält der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge seinen Unrechtsgehalt und verklammert die an sich selbständigen Beihilfetaten zur Tateinheit (, juris Rn. 10; Beschlüsse vom - 4 StR 144/13, NStZ 2014, 163; vom - 4 StR 298/17, juris Rn. 7).

Nach den Feststellungen veräußerte der gesondert verfolgte S.     Marihuana an die gesondert verfolgte Sch.   . Hierzu übergab er in 21 Fällen jeweils Pakete mit 100 Gramm Marihuana an den Angeklagten G.     , wobei er den so bei G.    vorhandenen Bestand an Marihuana bei jeder Lieferung auf 500 Gramm aufstockte und G.     gegen Entlohnung von S.    das Marihuana bedarfsabhängig an Sch.    überbrachte sowie den von dieser erhaltenen Kaufpreis an S.     ablieferte (UA S. 9). Aus dieser Depothaltung ist ersichtlich, dass der Angeklagte den Besitz an dem Marihuana zwar nicht in allen 21 Fällen gleichzeitig, aber sukzessive mit einer oder bis zu vier jeweils vorangegangenen Lieferungen gleichzeitig in Form einer einheitlichen Vorratshaltung ausgeübt hat und sich so diese Besitzausübungen bis zur letzten der 21 Lieferungen überschnitten haben. Der demnach in Folge der Überschneidungen vorliegende gleichzeitige Besitz verklammert deshalb die an sich selbständigen Beihilfeleistungen zu einer materiell-rechtlichen Tat (vgl. , aaO).“

5Dem tritt der Senat bei. Er ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO). Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil ausgeschlossen werden kann, dass sich der geständige Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

6c) Die Schuldspruchänderung zieht den Wegfall der für die Taten 4 bis 23 des Tatkomplexes 1 verhängten Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten nach sich. Mit Blick auf Anzahl und Höhe der verhängten weiteren Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass die Strafkammer ohne Berücksichtigung der in Wegfall kommenden sechsmonatigen Einzelstrafen eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt hätte; der Unrechts- und Schuldgehalt der Taten wird ohnehin von der geänderten konkurrenzrechtlichen Beurteilung nicht berührt.

72. Der jeweilige Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen bedarf bei beiden Angeklagten der aus dem Tenor ersichtlichen Er-gänzung. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Nach den Feststellungen zum Tatkomplex 2 teilten die Angeklagten G.     und Gr.    den ‚Gewinn‘ aus den von Gr.    getätigten Weiterveräußerungen der Betäubungsmittel in den Fällen 6, 11, 15, 19, 23-39, wobei ersichtlich nicht nur die Gewinne im betriebswirtschaftlichen Sinn, sondern die Einnahmen aus diesen Veräußerungen insgesamt gemeint sind. Dies folgt auch daraus, dass die Kammer etwaige Aufwendungen nicht festgestellt hat und sich der Nichtabzugsfähigkeit solcher Kosten bewusst war (vgl. UA S. 35 f.). Daraus, dass die beiden Angeklagten den Feststellungen zufolge diese Einnahmen untereinander aufteilten (UA S. 12-17) und nicht etwa Gr.    lediglich Teile der Gelder an G.    auszahlte, lässt sich eine Mitverfügungsgewalt der beiden Angeklagten über die von Gr.    vereinnahmten Gelder in voller Höhe hinreichend entnehmen; hiervon ist die Kammer ersichtlich auch ausgegangen, denn sie hat die Einnahmen bei der Berechnung des Einziehungsbetrages bei jedem der Angeklagten in voller Höhe in Ansatz gebracht (UA S. 35 f.). In einem solchen Fall haften - was das Landgericht nicht bedacht hat - die Tatbeteiligten in Höhe des angeordneten Wertes der Taterträge als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 516/11; vom - 3 StR 77/18 - jew. mwN). Dies bedarf der Kennzeichnung im Tenor, wobei die Angabe des Namens des (jeweiligen) weiteren Gesamtschuldners nicht erforderlich ist (, juris Rn. 16; Beschlüsse vom - 2 StR 245/18; vom - 2 StR 305/18, jew. mwN). Der Senat kann den Ausspruch über die gesamtschuldnerische Haftung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nachholen (BGH, aaO, mwN).“

8Der Senat tritt diesen zutreffenden Ausführungen bei und ändert die Maßnahmenaussprüche entsprechend ab.

93. Im Übrigen erweisen sich die Revisionen der Angeklagten als unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil ergeben hat.

104. Der jeweils geringe Erfolg der Rechtsmittel gebietet es nicht, die Gebühren zu ermäßigen oder einen Teil der notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 Satz 1 StPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:170719B4STR195.19.0

Fundstelle(n):
WAAAH-32095