Eingruppierung - Überleitung eines Arbeitnehmers während der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses - Tarifverträge Deutsche Rentenversicherung
Gesetze: § 256 Abs 1 ZPO, § 1 TVG
Instanzenzug: ArbG Erfurt Az: 5 Ca 711/16 Urteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht Az: 2 Sa 9/18 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin in der Freistellungsphase ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.
2Die Beklagte respektive deren Rechtsvorgängerin beschäftigten die Klägerin seit dem , zuletzt als Hauptsachbearbeiterin Regress. In § 2 des Arbeitsvertrags vom vereinbarten die Parteien die Anwendung des Tarifvertrags zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - für Angestellte vom und der diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung. Im Jahr 2005 vergütete die Beklagte die Tätigkeit der Klägerin nach der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT-TgRV-O.
3Mit Inkrafttreten des Tarifvertrags für die Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung vom (TV-TgDRV) und des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung und zur Regelung des Übergangsrechts vom (TVÜ-TgDRV 2006) wurde die Klägerin mit Wirkung zum von der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT-TgRV-O in die neu geschaffene Entgeltgruppe 9 TV-TgDRV übergeleitet.
4Unter dem vereinbarten die Parteien, ihr Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom bis zum und einer sich unmittelbar anschließenden Freistellungsphase bis zum fortzuführen (Änderungsvertrag). Der unter § 4 des Änderungsvertrags in Bezug genommene Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom in der Fassung vom (TV ATZ-TgRV) regelt ua. Folgendes:
5Am trat der Tarifvertrag über die Entgeltordnung der Deutschen Rentenversicherung vom (TV EntgO-DRV) in Kraft. Die bisherige Entgeltgruppe 9 wurde dabei in die Entgeltgruppen 9a, 9b und 9c aufgespalten. Die Vergütung nach der neuen Entgeltgruppe 9b entspricht der Vergütung nach der vorherigen Entgeltgruppe 9.
6Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom erfolglos auf, ihre Vergütung ab dem an der Entgeltgruppe 9c zu orientieren.
7Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei in Entgeltgruppe 9c eingruppiert. Die im Tarifwerk vorgesehene Überleitung sei unabhängig von ihrem Eintritt in die Freistellungsphase ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erfolgt. Der zeitversetzt in der Freistellungsphase zu erfüllende Vergütungsanspruch sei der Höhe nach nicht auf die Vergütung beschränkt, die ihr während der Arbeitsphase zugestanden habe.
8Die Klägerin hat zuletzt beantragt
9Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der Grundsatz der Eingruppierungsautomatik setze am Einführungsstichtag, dem , eine tatsächlich auszuübende Tätigkeit voraus. Ein Arbeitnehmer, der sich - wie die Klägerin - in der Freistellungsphase seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befinde, schulde aber keine Arbeitsleistung mehr. Deshalb bleibe für deren Eingruppierung die in der Arbeitsphase auszuübende Tätigkeit maßgeblich. § 4 TV ATZ-TgRV, der lediglich Bestimmungen zur Berechnung des Entgelts enthalte, treffe hinsichtlich der Eingruppierung des Arbeitnehmers keine Regelung.
10Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel, die Abweisung der Klage, weiter.
Gründe
11Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die Tätigkeit der Klägerin ab dem nach der Entgeltgruppe 9c TV-TgDRV zu vergüten. Die Tätigkeit der Klägerin, die in der Freistellungsphase ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses infolge § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV fingiert wird, erfüllt die Tarifmerkmale, an die § 27 Abs. 2 TVÜ-TgDRV 2016 eine Eingruppierung in der Entgeltgruppe 9c der Anlage A zum TV-TgDRV knüpft.
12I. Die Klage ist in der Form, in der das Landesarbeitsgericht über sie entschieden hat, als Eingruppierungsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
131. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr Vergütung nach Maßgabe der Entgeltgruppe 9c der Anlage A zum TV-TgDRV zu zahlen. Der Antrag entspricht einer im Öffentlichen Dienst üblichen Eingruppierungsfeststellungsklage (vgl. - Rn. 13).
142. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt unabhängig davon vor, dass die Klägerin die von ihr begehrte Feststellung auf die Entgeltgruppe beschränkt und nicht zusätzlich die Feststellung der für sie zutreffenden Entgeltstufe verlangt.
15a) Das Interesse des Klägers an einer gerichtlichen Feststellung setzt voraus, dass durch die begehrte Entscheidung nicht nur eine Vorfrage geklärt, sondern der Streit zwischen den Parteien insgesamt beseitigt wird ( - Rn. 15). Bemisst sich die tarifliche Entgelthöhe nicht nur nach einer Entgeltgruppe, sondern ist sie darüber hinaus von einer Entgeltstufe abhängig, hat der Kläger das Feststellungsverlangen grundsätzlich auf die seiner Ansicht nach zutreffende Entgeltstufe zu erstrecken (vgl. - Rn. 14). Etwas anderes gilt, wenn lediglich die Entgeltgruppe, nicht aber die im Falle des Obsiegens zutreffende Entgeltstufe zwischen den Parteien streitig ist ( - Rn. 15).
16b) Im Streitfall bemisst sich das seitens der Beklagten geschuldete Tabellenentgelt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 TV-TgDRV) sowohl nach der Entgeltgruppe als auch nach der Entgeltstufe (§ 15 Abs. 1 Satz 2 TV-TgDRV) gemäß der Anlage A zum TV-TgDRV (§ 15 Abs. 2 Satz 1 TV-TgDRV). Zwischen den Parteien ist jedoch allein die Entgeltgruppe, nicht aber die Entgeltstufe streitig. Beschäftigte der Entgeltgruppe 9, zu denen die Klägerin zählt, sind, sofern für sie keine besonderen Stufenregelungen gelten, stufengleich und unter Beibehaltung der in ihrer Stufe zurückgelegten Stufenlaufzeit in die Entgeltgruppe 9b, die die Beklagte für zutreffend erachtet, oder Entgeltgruppe 9c, die die Klägerin für tarifgerecht hält, übergeleitet (§ 27 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-TgDRV 2016). Da das Landesarbeitsgericht weder Feststellungen getroffen hat, die im Streitfall auf besondere Stufenregelungen schließen lassen, noch die Parteien diesbezügliche Tatsachen vorgetragen haben, ist davon auszugehen, dass die Klägerin stufengleich übergeleitet wurde. Die Beklagte kann deshalb bei Obsiegen der Klägerin das dieser zustehende Entgelt ohne Weiteres berechnen.
17II. Die Klage ist begründet. Das seitens der Beklagten ab dem zu leistende Tarifentgelt richtet sich nach der Entgeltgruppe 9c der Anlage A zum TV-TgDRV. Aufgrund der Regelung in § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV iVm. § 25 Abs. 1 TVÜ-TgDRV 2016 steht der Umstand, dass ein Arbeitnehmer sich in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet, einer Überleitung in den TV EntgO-DRV nicht entgegen.
181. Nach § 24 Satz 1 TVÜ-TgDRV 2016 richtet sich die Eingruppierung eines in den TV-TgDRV übergeleiteten Beschäftigten ab dem nach den Tarifvorschriften des § 12 TV-TgDRV iVm. TV EntgO-DRV. Der Beschäftigte ist mit Wirkung zum gemäß den Regelungen des Abschnitts V des TVÜ-TgDRV 2016 in den TV EntgO-DRV übergeleitet. Gemäß § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV erhält der Arbeitnehmer als Bezüge die sich für entsprechende Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften ergebenden Beträge.
192. Auf das Altersteilzeitarbeitsverhältnis der Parteien sind kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die Regelungen des TV-TgDRV und des TVÜ-TgDRV (§ 1 des Altersteilzeitarbeitsvertrags) sowie die Regelungen des TV ATZ-TgRV (§ 4 des Altersteilzeitarbeitsvertrags) anzuwenden.
203. Aufgrund der Regelung in § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV iVm. § 27 Abs. 2 TVÜ-TgDRV 2016 ist ein Arbeitnehmer auch dann in den TV EntgO-DRV überzuleiten, wenn er sich zum Zeitpunkt der Überleitung in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befindet. § 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nur für die Berechnung der Teilzeitvergütung, sondern auch für die Eingruppierung eines Altersteilzeit leistenden Arbeitnehmers heranzuziehen. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnormen (vgl. zu den für Tarifverträge maßgeblichen Auslegungsgrundsätzen - Rn. 17).
21§ 4 Abs. 1 TV ATZ-TgRV enthält mit Ausnahme einer Ergänzung für bestimmte Bezügebestandteile keine eigenständige Regelung der Vergütung im Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Die Tarifnorm verweist lediglich auf „die sich für entsprechende Teilzeitkräfte bei Anwendung der tariflichen Vorschriften … ergebenden Beträge“. Daraus folgt, dass auch ein Altersteilzeitarbeitnehmer im Blockmodell grundsätzlich die Bezüge erhält, die eine entsprechende Teilzeitkraft bei Anwendung der tariflichen Vorschriften erhielte. Damit fingiert die Vorschrift die auszuübende Tätigkeit in der Freistellungsphase. Der Arbeitnehmer ist deshalb im Hinblick auf die Überleitung so zu behandeln, als wäre ihm eine auszuübende Tätigkeit zugewiesen (vgl. - Rn. 25 für den Fall der Höhergruppierung nach dem hier vorliegenden Tarifvertrag).
224. Die Klägerin ist infolge der Fiktion ihrer Tätigkeit in der Freistellungsphase mit Wirkung zum in die Entgeltgruppe 9c übergeleitet worden. Die während der Arbeitsphase tatsächlich auszuübende und für den Zeitraum der Freistellungsphase fingierte Tätigkeit der Klägerin erfüllte die tariflichen Voraussetzungen, an die § 27 Abs. 2 TVÜ-TgDRV eine Überleitung in die Entgeltgruppe 9c der Anlage A zum TV-TgDRV knüpft. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend erklärt, dass die Tätigkeit, die die Klägerin ausgeübt hätte, wenn sie während der Freistellungsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses gearbeitet hätte, die Tarifmerkmale der Entgeltgruppe 9c erfüllt hätte.
23III. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:250619.U.9AZR401.18.0
Fundstelle(n):
ZAAAH-32042