Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Ergotherapeut für die Beigeladene zu 1) im Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 31. Dezember 2009 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Der Kläger ist ausgebildeter Ergotherapeut. Nach Abschluss seiner Ausbildung war er zunächst für ca. 1 Jahr im Angestelltenverhältnis als Ergotherapeut tätig, bevor er in der Zeit von Januar 2008 bis März 2012 in der Praxis der Beigeladenen zu 1) als Ergotherapeut arbeitete. In dieser Zeit verfügte er mangels eigener Betriebsstätte nicht über eine Krankenkassenzulassung als Heilmittelerbringer nach § 124 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V). Im Sommer 2012 eröffnete der Kläger seine eigene Ergotherapiepraxis. Die Beigeladene zu 1) ist ebenfalls Ergotherapeutin und betreibt eine Ergotherapiepraxis mit insgesamt fünf Behandlungsräumen, die jeweils unterschiedlich ausgestattet sind. Sie verfügt über eine Krankenkassenzulassung als Heilmittelerbringerin und beschäftigte im streitigen Zeitraum zwei festangestellte Mitarbeiter zu je 30 Stunden pro Woche. Des Weiteren war eine Ergotherapeutin in freier Mitarbeit tätig, die überwiegend nur Hausbesuche durchführte und diese über die Beigeladene zu 1) abrechnete. Der Kläger und die Beigeladene zu 1) vereinbarten für ihre Zusammenarbeit mündlich, dass die Beigeladene zu 1) die vom Kläger erbrachten therapeutischen Leistungen gegenüber der jeweiligen Krankenkasse abrechnet und der Kläger hiervon 70 Prozent erhält. Die bei der Beigeladenen zu 1) verbliebenen 30 Prozent sollten nicht nur die Kosten für die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten und Therapiematerialien, sondern auch die Aufwendungen für ihre Verwaltungstätigkeit gegenüber den Krankenkassen abdecken. Schriftliche Absprachen gab es nicht. Für seine Tätigkeit schloss der Kläger eine eigene Berufshaftpflichtversicherung ab. Er war zudem Mitglied der Berufsgenossenschaft. Eigene Mitarbeiter beschäftigte der Kläger nicht. Aufgrund der Auslastung der Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) war der Kläger zu Beginn seiner Tätigkeit in der Praxis der Beigeladenen zu 1) im Jahr 2008 zunächst für alle neuen Patienten zuständig. Die Annahme von neuen Patienten erfolgte über das Praxistelefon. Alle praktizierenden Ergotherapeuten nahmen je nach Verfügbarkeit eingehende Telefonate entgegen und vereinbarten Termine anhand des Wochenkalenders, in welchem im streitigen Zeitraum auch eine eigene Spalte für den Kläger angelegt war. Sofern die Patienten um persönliche Kontaktaufnahme mit ihrem behandelnden Therapeuten baten oder Nachrichten auf dem Anrufbeantworter der Praxis hinterließen, wurde dies durch den aufnehmenden Therapeuten in einem am Tresen ausliegenden Notizbuch eingetragen und sodann durch den zuständigen behandelnden Therapeuten abgearbeitet. Die Verteilung von neuen Patienten erfolgte anschließend nach Terminstand der einzelnen Therapeuten ohne eine irgendwie geartete Priorisierung. Sofern notwendig wurde im Rahmen von Terminbesprechungen zwischen den Therapeuten abgesprochen, wer neue Patienten übernimmt, wer welche Behandlung wann in welchem Behandlungsraum vornimmt und wie Urlaubsvertretungen organisiert werden. Gelegentlich übernahm der Kläger Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretungen für die anderen Therapeuten, wobei er diese der Beigeladenen zusätzlich in Rechnung stellte. Ebenso wurde er von den Mitarbeitern im Falle einer Erkrankung oder während seiner Urlaubsabwesenheit vertreten. Vorgaben hinsichtlich der Arbeits- und Anwesenheitszeit des Klägers bestanden nicht. Seine eigenen Urlaubszeiten musste er sich nicht von der Beigeladenen zu 1) genehmigen lassen. Entgeltfortzahlung im Fall von Urlaub und Krankheit wurde nicht geleistet. Der Kläger führte darüber hinaus Hausbesuche durch, die er gesondert abrechnete; im Jahr 2008 zunächst über eine andere Ergotherapiepraxis und sodann im Jahr 2009 über die Beigeladene zu 1). Weisungen zur konkreten Behandlung von Patienten wurden dem Kläger nicht erteilt. Die notwendigen Dokumentationen der Behandlung sowie die Berichte an die verordnenden Ärzte fertigte der Kläger auf den bereitgestellten Praxisunterlagen. Die Patientenakten der vom Kläger behandelten Patienten verblieben nach Ausscheiden des Klägers aus der Praxis bei der Beigeladenen zu 1). Die Abrechnung der durch die Therapeuten erbrachten Leistungen gegenüber den Krankenkassen erfolgte durch die Beigeladene zu 1) einheitlich für alle Mitarbeiter über ein Abrechnungszentrum. Die Rechnungslegung des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1) erfolgte in unregelmäßigen Abständen; im Jahr 2009 überwiegend in Sammelrechnungen für mehrere Monate, wobei er jeweils nur 70% des Kassensatzes in Ansatz brachte. Diese beglich die Beigeladene nachschüssig unregelmäßig in Teilbeträgen, ab dem Jahr 2009 zu meist in Teilbeträgen in Höhe von je 1.000,00 Euro nebst anschließenden Restzahlungen. Zu Einbehalten aus den vom Kläger erstellten Abrechnungen aufgrund von Abrechnungsmängeln gegenüber der Krankenkasse kam es dabei nicht. Wegen der der Beigeladenen zu 1) vom Kläger erstellten Rechnungen wird auf Bl. 260 bis Bl. 288 und auf Bl. 395 bis 406 der Gerichtsakte Bezug genommen. In der Zeit vom 11. April 2011 bis zum 6. Juni 2012 führte die Beklagte bei der Beigeladenen zu 1) eine Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2009 durch. Nach Anhörung der Beteiligten teilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) durch Prüfmitteilung vom 6. Juni 2012 mit, dass die stichprobenweise durchgeführte Prüfung keine Feststellungen im Zusammenhang mit der Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages ergeben habe. Zugleich wies sie darauf hin, dass bezüglich der durchgeführten Statusfeststellung eine gesonderte Nachricht erfolge. Sodann erließ die Beklagte am 11. Juni 2012 gegenüber dem Kläger einen Bescheid, mit welchem sie feststellte, dass für den Kläger bei der Beigeladenen zu 1) in der Zeit von Juni 2008 bis Dezember 2009 ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt nicht bestanden habe. Den hiergegen vom Kläger am 10. Juli 2012 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach Anhörung der Beigeladenen zu 1) und Befragung der in deren Ergotherapiepraxis tätigen Mitarbeiter mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2013 als unbegründet zurück. Es sei zu Recht festgestellt worden, dass für den Kläger ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt nach § 7 SGB IV nicht bestanden habe. Aus den erfolgten Ermittlungen ergebe sich, dass der Kläger aufgrund der angestrebten Eröffnung einer eigenen Ergotherapiepraxis an keiner abhängigen Beschäftigung interessiert gewesen sei und lediglich übergangsweise als freier Mitarbeiter habe tätig werden wollen. Eine Einbindung in die betriebliche Organisation habe nicht vorgelegen, da er weder an einen Dienst- bzw. Urlaubsplan noch an Weisungen gebunden gewesen sei. Sämtliche Terminvereinbarungen seien persönlich durch den Kläger erfolgt. Die Teilnahme an Dienstbesprechungen sei freiwillig gewesen, die Arbeitszeiten hätten frei bestimmt werden können. Daher überwögen die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit. Hiergegen hat der Kläger am 13. August 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Mit Urteil vom 18. September 2015 hat das SG den Bescheid vom 11. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2013 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger in der Zeit von Juni 2008 bis Dezember 2009 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Zur Begründung legte das SG dar, dass nach der Gesamtwürdigung aller Umstände ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, da der Kläger sowohl hinsichtlich der Patientenannahme und -verteilung, als auch hinsichtlich der Raumaufteilung umfassend in den betrieblichen Ablauf und die Organisation bei der Beigeladenen (einschließlich Teambesprechungen) eingebunden gewesen sei. Dass er Patienten habe ablehnen können, falle diesbezüglich nicht ins Gewicht. Die Einbindung ergebe sich zudem aus dem Umstand, dass die Abrechnung der Behandlungen gegenüber der Krankenkasse durch die Beigeladene zu 1) erfolgt sei und diese auch die Patientendokumentation geführt habe. Allein die Beigeladene zu 1) sei als Heilmittelerbringerin nach § 124 SGB V aufgetreten. Für eine selbständige Tätigkeit spreche lediglich die freie Zeiteinteilung des Klägers unter Berücksichtigung der Patientenwünsche. Ein Unternehmerrisiko habe demgegenüber nicht bestanden. Dem Umstand, dass der Kläger in seiner konkreten Tätigkeit inhaltlich weisungsfrei gearbeitet habe, komme keine maßgebliche Bedeutung zu, da die Angaben der Beigeladenen zu 1) hierzu in der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft gewesen seien. Gegen das am 29. September 2015 zugestellte Urteil hat die Beigeladene zu 1) am 19. Oktober 2015 Berufung eingelegt. Sie behauptet, dass der Kläger selbst ausdrücklich nur eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter gewollt habe, da er beabsichtigt habe, alsbald eine eigene Ergotherapiepraxis zu eröffnen. Ihm angebotene Stellen als abhängig Beschäftigter bei anderen Ergotherapiepraxen habe er ebenso abgelehnt wie das Angebot der Beigeladenen zu 1) im Jahr 2011. Sie behauptet weiter, dass sie gegenüber dem Kläger nicht weisungsbefugt gewesen sei und dieser auch nicht habe an den Teambesprechungen teilnehmen müssen. Ebenso habe er von ihr keine Vorgaben hinsichtlich der Dokumentation der Behandlung erhalten. Sie habe diese auch nicht inhaltlich kontrolliert.
Fundstelle(n): DStR 2020 S. 558 Nr. 11 JAAAH-30984
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