BAG Urteil v. - 6 AZR 577/17

Instanzenzug: ArbG Kempten Az: 4 Ca 744/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 9 Sa 930/16 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Einkommenssicherungszulage.

2Der Kläger war bei der Beklagten seit 1986 im Wachdienst als Diensthundeführer im Bundeswehrdienstleistungszentrum K beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst im Bereich des Bundes (TVöD [Bund]), den Sonderregelungen für Beschäftigte im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung nach § 46 TVöD-BT-V (Bund) und dem Tarifvertrag über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw). Der TV UmBw lautet in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 3 vom auszugsweise wie folgt:

3Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 4 vom zum TV UmBw wurden in diese Protokollerklärung mit Wirkung zum in Satz 2 nach dem Wort „bezahlten“ die Wörter „sowie der der Entgeltfortzahlung unterliegenden“ eingefügt.

4Im Jahr 2007 wurde das Wachpersonal in die Territoriale Wehrverwaltung eingegliedert. Nach § 46 Nr. 4 Abs. 3b TVöD-BT-V (Bund) in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 3 vom war mit Einverständnis der Betroffenen ab dem eine durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von bis zu 65 Stunden zulässig (sog. Opt-out-Regelung). Diese Regelung trat mit Ablauf des außer Kraft. Folglich stellte die Beklagte den Dienstbetrieb für das Wachpersonal ab dem von einem 24-Stunden-Schichtmodell auf ein 12-Stunden-Schichtmodell um. Diese Umorganisation des Wachdienstes wurde in einem ministeriellen Schreiben vom als „Maßnahme nach dem TV UmBw gewertet“. Ergänzend zu der Umstellung des Schichtmodells trat eine Dienstvereinbarung in Kraft, welche den Schichtdienst für das Wachpersonal mit durchschnittlich 204 Stunden monatlicher Arbeitszeit in Ansatz brachte.

5Von Dezember 2010 bis einschließlich September 2013 war der Kläger dementsprechend mit durchschnittlich 204 Arbeitsstunden monatlich im Schichtbetrieb beschäftigt (17 Schichten zu jeweils 12 Stunden). Wegen der damit verbundenen Reduzierung seiner Arbeitszeit erhielt er in diesem Zeitraum eine Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A TV UmBw.

6Anlässlich der Schließung des Standortes K vereinbarten die Parteien für die Zeit ab dem wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes den Verzicht der Beklagten auf die Arbeitsleistung des Klägers und die Gewährung einer sog. Ausgleichszahlung nach der Härtefallregelung des § 11 TV UmBw.

7Die Leistung der Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw stellte die Beklagte zum ein. Zur Vermeidung einer „Doppelsicherung“ wegen der bereits seit dem gewährten Einkommenssicherung sei für die Ermittlung eines etwaigen Anspruchs entgegen Satz 2 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw nicht auf einen Zeitraum von 48 Kalendermonaten abzustellen, sondern auf die 34 Kalendermonate von Dezember 2010 bis einschließlich September 2013. Die vorangegangenen Monate seien bereits beim ersten Fall der Einkommenssicherung anlässlich der Umorganisation des Wachdienstes berücksichtigt worden. Zudem seien nach der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw in der bis zum geltenden Fassung nur die im Referenzzeitraum tatsächlich geleisteten Stunden in die Berechnung einzustellen. Zeiten von Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder Erholungsurlaub seien deshalb unbeachtlich. Ferner sei zu berücksichtigen, dass nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) die über 168 Stunden hinausgehende Zeit bei der Bemessung des Entgelts nur mit 50 vH als Arbeitszeit gewertet und mit dem Überstundenentgelt vergütet werde. Die durchschnittliche Zahl der im Referenzzeitraum geleisteten Überstunden sei daher nur zur Hälfte in die Berechnung, ob die nach der Protokollerklärung erforderliche Reduzierung von mehr als 20 Stunden vorliege, einzubeziehen. Im Falle des Klägers bestehe deshalb seit dem kein Anspruch mehr auf eine Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw. Er habe in den maßgeblichen 34 Monaten 4.717,00 Stunden Arbeitszeit erbracht, dh. durchschnittlich 138,73 Stunden monatlich. Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit habe sich ausgehend von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT) auf 169,57 Stunden belaufen. Es seien daher im Durchschnitt keine monatlichen Überstunden angefallen.

8Der Kläger hat sich zunächst mit Schreiben vom erfolglos gegen diese Berechnung gewandt und schließlich mit seiner Klage die Zahlung einer ergänzenden Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw vom bis zum gefordert.

9Er hat gemeint, der Bezug von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsentgelt sei Teil des nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw zu sichernden Einkommens. Ausgangspunkt der nach der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw vorzunehmenden Differenzberechnung sei daher die seit Dezember 2010 zu erbringende Arbeitszeit von durchschnittlich 204 Stunden monatlich. Die hierauf bezogene Differenz zur regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit seit dem sei nicht nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) zu halbieren. Diese Vorschrift beziehe sich nur auf die Bemessung des Entgelts und stehe der Berücksichtigung der Anzahl der geleisteten Stunden bei der hier vorzunehmenden Differenzberechnung nicht entgegen. Erst bei der Berechnung der Höhe der Zulage sei die Faktorisierung nach § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) zu berücksichtigen. Seiner Berechnung nach habe die Beklagte für die drei streitgegenständlichen Monate noch jeweils 237,08 Euro brutto zu zahlen.

10Der Kläger hat daher beantragt,

11Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und auf die von ihr vorgenommene Berechnung verwiesen.

12Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers dieses Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit Beschluss vom (- 6 AZN 700/17 -) hat das Bundesarbeitsgericht die Revision zugelassen. Mit dieser erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Gründe

13Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte mit der von ihm gegebenen Begründung nicht nach dem Klageantrag erkennen. Ob der Kläger bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf eine Zulage als Ergänzung der Einkommenssicherung gemäß § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw hat, steht jedoch noch nicht fest. Fraglich ist, ob seit dem eine wesentliche Verminderung der Arbeitszeit im Sinne der Sätze 1 und 2 der zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw ergangenen Protokollerklärung vorliegt. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen kann der Senat hierüber noch nicht abschließend entscheiden.

141. Die Anwendbarkeit des TV UmBw steht zwischen den Parteien außer Streit. Als Angehöriger des Wachdienstes war der Kläger von der Schließung des Standortes K im Sinne des § 1 Abs. 1 TV UmBw betroffen. Vor diesem Hintergrund vereinbarten die Parteien mit Wirkung zum unstreitig die Härtefallregelung nach § 11 TV UmBw. Damit trat ein Wechsel der Beschäftigung im Sinne von § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw ein (vgl.  - Rn. 36). Der Kläger erfüllt als langjährig ununterbrochen im Wachdienst Beschäftigter, der Entgelt nach § 46 TVöD-BT-V (Bund) erhalten hat, auch die persönlichen Voraussetzungen für eine Ergänzung der Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw.

152. Der Anspruch auf eine Zulage nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw setzt jedoch weiter voraus, dass durch den Wechsel der Beschäftigung eine wesentliche Verminderung der Arbeitszeit eintritt. Eine wesentliche Verminderung liegt nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw vor, wenn die über die regelmäßige monatliche Arbeitszeit hinausgehenden Stunden um mehr als 20 Stunden absinken. Die Ermittlung der Differenz erfolgt nach Satz 2 der Protokollerklärung. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw nicht um eine Auslegungshilfe, sondern um eine normative Regelung (vgl. zur Unterscheidung  - Rn. 23; - 6 AZR 129/15 - Rn. 31; vgl. auch  - Rn. 29). Der Wille der Tarifvertragsparteien zur Normsetzung kommt deutlich zum Ausdruck, da die zwingend formulierte Protokollerklärung das Kriterium der wesentlichen Verminderung der Arbeitszeit inhaltlich ausgestaltet. Sie definiert nicht nur das erforderliche Maß der Verminderung (Satz 1), sondern gibt auch den Rechenweg zur Ermittlung der Verminderung vor (Satz 2). Die Ermittlung der über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehenden Stunden nach Satz 2 der Protokollerklärung erfolgt dergestalt, dass alle dienstplanmäßig geleisteten und bezahlten Stunden der letzten 48 Kalendermonate zu addieren und danach durch 48 zu dividieren sind, um den gemäß Satz 1 der Protokollerklärung erforderlichen Monatsbezug herzustellen ( - Rn. 33 ff.). Die Protokollerklärung bezweckt damit offensichtlich eine rechtssichere Handhabung des § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw durch verbindliche Vorgaben. Etwaige Auslegungsschwierigkeiten ändern nichts an dieser Zielsetzung.

163. Die Tarifvertragsparteien haben demnach einen Referenzzeitraum von ausnahmslos 48 Kalendermonaten vorgegeben. Dies lässt das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Fall außer Acht.

17a) Das Landesarbeitsgericht hat die Prüfung einer wesentlichen Verminderung der Arbeitszeit des Klägers auf den Zeitraum von Dezember 2010 bis einschließlich September 2013 bezogen und damit ebenso wie die Parteien einen Referenzzeitraum von 34 Kalendermonaten als maßgeblich angesehen. Das widerspricht dem eindeutigen Wortlaut von Satz 2 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw.

18b) Die Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw kann auch nicht wegen der Gefahr einer „Doppelsicherung“ im Falle mehrerer, innerhalb von 48 Kalendermonaten entstehender Tatbestände der Einkommenssicherung dahingehend ergänzend ausgelegt werden, dass in solchen Konstellationen ein kürzerer Referenzzeitraum gelten soll, welcher nur die Monate ab dem Eintreten des letzten Sicherungsfalls berücksichtigt. Selbst bei Unterstellung einer diesbezüglich unbewussten Regelungslücke könnte diese nicht durch den Senat geschlossen werden. Eine solche ergänzende Tarifauslegung ist den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt, wenn den Tarifvertragsparteien ein Spielraum in der Frage bleibt, wie die Lücke zu schließen ist, und es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen ist, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden ( - Rn. 24). Den Tarifvertragsparteien verblieben hier neben der Verkürzung des Referenzzeitraums noch andere Gestaltungsmöglichkeiten. So könnten sie den 48-monatigen Referenzzeitraum beibehalten und besondere Berechnungsvorgaben machen.

19c) Es kann daher unentschieden bleiben, ob es sich bei der Arbeitszeitreduzierung des Klägers infolge des zum erfolgten Auslaufens der sog. Opt-out-Regelung (§ 46 Nr. 4 Abs. 3b, § 50 Abs. 4 Buchst. a TVöD-BT-V [Bund]), die die Beklagte als Maßnahme nach dem TV UmBw „gewertet“ hat, tatsächlich um einen Fall der Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw handelte und deshalb eine „Doppelsicherung“ zu vermeiden war. In der Sache ist das allerdings zweifelhaft. Eine tarifliche Einkommenssicherung setzt eine Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 1 TV UmBw voraus. Erforderlich ist eine durch die Umstrukturierung der Bundeswehr veranlasste Organisationsentscheidung (vgl.  - Rn. 23, BAGE 157, 23; - 6 AZR 94/12 - Rn. 35; - 6 AZR 619/11 - Rn. 26). Selbst wenn eine bloße Änderung der Arbeitszeitorganisation eine solche Entscheidung sein könnte (vgl.  - Rn. 28, 40), beruhte diese hier nicht erkennbar auf einer Neuausrichtung der Bundeswehr. Das Auslaufen der sog. Opt-out-Regelung zum zwang selbstredend zu einer Umstrukturierung des zivilen Wachdienstes. Die Beklagte hat bislang aber nicht hinreichend dargelegt, dass dessen ungeachtet der eigentliche Grund für die Umstrukturierung des Wachdienstes eine Organisationsentscheidung war, welche durch die Umstrukturierung der Bundeswehr bedingt war und nicht nur den Wegfall der Opt-out-Regelung arbeitszeitrechtlich nachvollzog.

204. Bezogen auf einen Referenzzeitraum von 48 Kalendermonaten kann der Senat mangels hinreichender Feststellungen keine Berechnung nach Satz 2 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw vornehmen. Es kann daher nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch auf eine Zulage als Ergänzung der Einkommenssicherung gemäß § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw hat. Dies führt gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht. Im Rahmen des fortgesetzten Berufungsverfahrens wird Folgendes zu beachten sein:

21a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Regelung des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund), wonach ua. beim Wachpersonal die über 168 Stunden hinausgehende Zeit bei der Bemessung des Entgelts mit 50 vH als Arbeitszeit gewertet und mit dem Überstundenentgelt vergütet wird, bei der Ermittlung der vor dem Wechsel der Beschäftigung dienstplanmäßig geleisteten und bezahlten Stunden nach Satz 2 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw nicht zu berücksichtigen ist. § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) regelt nur die „Bemessung des Entgelts“, dh. die Bewertung und Vergütung der Arbeitszeit. Hierfür nimmt er in Abweichung von den Vorgaben des TVöD-AT eine monatsbezogene Pauschalierung vor (vgl.  - Rn. 26 ff.). Es handelt sich mithin nicht um eine Arbeitszeitregelung. Ein Bezug zur Ergänzung der Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw besteht daher nur hinsichtlich der Höhe der Zulage. Bei deren Berechnung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw iVm. der Protokollerklärung zu § 8 Abs. 1 Satz 1 TVöD-AT ist die spezielle Vergütungsregelung des § 46 Nr. 4 Abs. 3 Satz 6 TVöD-BT-V (Bund) zu berücksichtigen. Dies entspricht dem Zweck der Ergänzung der Einkommenssicherung, welche das aufgrund von Mehrarbeit bislang erzielte Einkommen sichern soll ( - Rn. 51).

22b) Hinsichtlich der Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit ist zu differenzieren.

23aa) Hat ein Beschäftigter wegen Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistung erbracht und keine Leistungen nach § 22 TVöD-AT in Form von Entgeltfortzahlung und Krankengeldzuschuss mehr beanspruchen können, sind keine fiktiven Arbeitszeiten in die Berechnung nach Satz 2 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw einzustellen. Für solche Zeiträume wurde kein Einkommen bezogen, so dass eine Einkommenssicherung nicht veranlasst ist. Auch der tarifliche Gesamtzusammenhang lässt darauf schließen, dass solche Zeiten nicht zu berücksichtigen sind (vgl.  - Rn. 29 ff.).

24bb) Zeiten der Arbeitsunfähigkeit mit Entgeltfortzahlung nach § 22 Abs. 1 TVöD-AT sind hingegen zu berücksichtigen. Seit dem ist dies in der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw ausdrücklich vorgesehen. Für zurückliegende Zeiträume kann der Neuregelung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wegen des einschränkungslosen Stichtags ihres Inkrafttretens zwar keine Rückwirkung im Sinne einer Klarstellungsfunktion beigemessen werden. Dies ist jedoch letztlich unerheblich, da Sinn und Zweck der ergänzenden Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw ohnehin die Einstellung der Entgeltfortzahlungszeiträume in die Referenzbetrachtung gebieten. Die Entgeltfortzahlung nach § 22 Abs. 1 TVöD-AT soll das Einkommensniveau im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit erhalten und bildet damit einen Teil des Einkommens, welches durch § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw gesichert werden soll. Der Beschäftigte hat wegen seiner Arbeitsunfähigkeit zwar keine Leistung erbracht, die entsprechenden Stunden ausgefallener Arbeitszeit wurden aber auf gesetzlicher und tariflicher Grundlage „bezahlt“ im Sinne des Satzes 2 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw. Die Leistung von Entgeltfortzahlung gehört zur Realität des Arbeitsverhältnisses, welche bezogen auf den Referenzzeitraum abgebildet werden soll (vgl.  - Rn. 37). Im Arbeitsverhältnis sind bei der Vergütung der Arbeitsleistung auch entgeltfortzahlungspflichtige „unproduktive“ Ausfallzeiten (zB aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder Urlaub) zu berücksichtigen. Sie sind Teil des arbeitsvertraglichen Synallagmas (vgl.  - Rn. 21 mwN, BAGE 163, 271).

25cc) Soweit der Entscheidung des Senats vom (- 6 AZR 907/12 - Rn. 29 ff.) wegen des Abstellens auf die Voraussetzung der Arbeitsleistung im Wortlaut der Protokollerklärung („geleistet“) und auf den systematischen Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TV UmBw entnommen werden könnte, dass auch Zeiten von Arbeitsunfähigkeit mit Entgeltfortzahlung nach § 22 Abs. 1 TVöD-AT unberücksichtigt bleiben sollen, hält der Senat hieran nicht fest. Diese Erwägungen waren auf den damals zu entscheidenden Fall zugeschnitten, in dem keine der Entgeltfortzahlungspflicht unterliegenden Zeiträume in Streit standen. Die Beklagte kann sich diesbezüglich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Es fehlt insoweit schon an einer gefestigten, dh. ständigen Rechtsprechung (vgl.  - Rn. 43).

26dd) Ob Zeiten der Leistung von Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs. 2 TVöD-AT im Referenzzeitraum einzubeziehen sind, bedarf hier keiner Entscheidung.

27c) Zeiten der Inanspruchnahme von Erholungsurlaub mit Bezug von Urlaubsentgelt nach § 26 Abs. 1 iVm. § 21 TVöD-AT sind stets als dienstplanmäßig geleistete und bezahlte Stunden im Sinne des Satzes 2 der Protokollerklärung zu § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw anzusehen. Dies folgt zwar nicht aus dem Wortlaut der Protokollerklärung, aber aus dem Zweck der Einkommenssicherung. Diese würde praktisch leerlaufen, wenn das Stundenvolumen des jeweiligen Jahresurlaubs im Referenzzeitraum unbeachtet bliebe und nur das um die Urlaubsdauer reduzierte Stundenvolumen durch 48 zu dividieren wäre. Ein solches Tarifverständnis wäre zudem mit dem Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach § 1 BUrlG nicht vereinbar, da sich die Inanspruchnahme des Erholungsurlaubs dann bezogen auf die Einkommenssicherung nach § 7 Abschnitt A Abs. 1 TV UmBw anspruchshindernd auswirken würde (anders bei Verkleinerung von Dividend und Divisor, vgl.  - Rn. 22). Eine solch negative Folge der Urlaubsnahme wäre von der Öffnungsklausel für Tarifverträge in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht getragen (vgl.  - Rn. 31 ff.). Beschäftigte könnten aus wirtschaftlichen Erwägungen sogar davon abgehalten werden, ihren Anspruch auf Erholungsurlaub geltend zu machen. Die Schaffung eines Anreizes, auf den Urlaub zu verzichten, ist aber jedenfalls bzgl. des auch unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs nicht mit dem Ziel vereinbar, dass der Arbeitnehmer zum wirksamen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit über eine tatsächliche Ruhezeit verfügen soll (vgl.  - [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 42).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:130619.U.6AZR577.17.0

Fundstelle(n):
CAAAH-30794