Zulässigkeit einer Durchsuchungsanordnung in frühem Stadium der Ermittlungen
Gesetze: § 102 StPO, § 105 StPO, § 129a Abs 1 S 1 Nr 1 StGB
Instanzenzug: nachgehend Az: StB 10/19 Beschluss
Gründe
I.
1Der Generalbundesanwalt hat gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer und der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung geführt.
2Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts mit Beschluss vom (3 BGs 333/17) die Durchsuchung der Person des Betroffenen, der von ihm mitgeführten Sachen, der von ihm genutzten Wohn- und Nebenräume einschließlich der dazugehörigen Kellerräume und Garagen sowie des auf ihn zugelassenen und von ihm genutzten Fahrzeugs nach näher umschriebenen Beweismitteln angeordnet. Die anlässlich der am vollzogenen Durchsuchung aufgefundenen Beweismittel haben den Tatverdacht nicht erhärten können. Der Generalbundesanwalt hat das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
3Mit Schreiben vom hat der Betroffene Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung eingelegt. Er macht im Wesentlichen geltend, ein Anfangsverdacht im Sinne des § 102 StPO habe zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht vorgelegen, jedenfalls sei die angeordnete Maßnahme angesichts des geringen Verdachtsgrades unverhältnismäßig gewesen. Die Entscheidung des Ermittlungsrichters sei ausschließlich auf die Angaben des Anzeigeerstatters, des Zeugen F. gestützt, deren Wahrheitsgehalt mit Blick auf das widersprüchliche Aussageverhalten und das Eigeninteresse des F. an der Anzeigeerstattung zweifelhaft gewesen sei, zumal auch die schon vor Erlass des Beschlusses durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen den Tatverdacht nicht hätten erhärten können.
4Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
5Das Rechtsmittel ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht insbesondere nicht entgegen, dass das durch den Generalbundesanwalt gegen den Betroffenen geführte Ermittlungsverfahren zwischenzeitlich seit längerer Zeit gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, weil deswegen nicht ohne Weiteres ein Fortfall des Rechtsschutzinteresses anzunehmen ist (vgl. , juris Rn. 2).
61. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) waren im Zeitpunkt, in dem der Beschluss erlassen wurde, gegeben. Hierzu gilt:
7a) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; vgl. , NJW 2007, 1443; BGH, Beschlüsse vom - StB 26/08, NStZ-RR 2009, 142, 143; vom - StB 8/15, NStZ 2016, 370 f.). Ein solcher ausreichend konkreter Verdacht kann auch dann allein durch die Angaben eines Zeugen begründet werden, wenn weitere Ermittlungen den Tatverdacht weder erhärten noch entkräften konnten, zumal die Durchsuchung in einem frühen Stadium eines Ermittlungsverfahrens gerade auch dazu dienen kann, die Qualität der Angaben eines Zeugen zu überprüfen und neben der Belastung auch zur Entlastung des Beschuldigten beitragen kann.
8b) Gemessen an diesen Maßstäben lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sachlich zureichende Gründe für die Anordnung der Durchsuchung vor. Insbesondere konnte der Tatverdacht auf die Angaben des Anzeigeerstatters gestützt werden. Im Einzelnen:
9aa) Der Zeuge F. hat sich eigeninitiativ am an die Verfassungsschutzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen gewandt und mitgeteilt, im Laufe des Oktober 2017 den Betroffenen zufällig in Fr. auf einem Stadtfest getroffen zu haben, bei dem dieser geäußert habe, er wolle ein Gewehr erwerben, mit dem man auch nachts weit schießen könne, denn er wolle Politiker liquidieren. Insbesondere habe der Betroffene, um ein starkes Zeichen zu setzen, einen Anschlag auf den Bundespräsidenten und dessen Familie ins Auge gefasst. Er habe eine ausländerfeindliche Gesinnung und eine Affinität zum Nationalsozialismus. Der Betroffene wisse, dass der Anzeigeerstatter nebenberuflich als Büchsenmacher tätig und als solcher in der Lage sei, Scharfschützengewehre zu bauen. Auf den Hinweis, die Herstellung der von dem Betroffenen gewünschten Waffe verursache Kosten in Höhe von ca. 25.000 €, habe dieser erwidert, er zähle zu seinem Umfeld Personen, die ein solches "Projekt" finanziell unterstützen würden, Geld spiele daher keine Rolle. In seinen polizeilichen Vernehmungen vom und hat der Anzeigeerstatter den Kern seiner Angaben wiederholt und ergänzend ausgeführt, zu dem zufälligen Zusammentreffen mit ihm sei es anlässlich eines Festes, das er zusammen mit seiner Freundin besucht habe, unweit der Wohnung des Betroffenen gekommen. Als "Gegenleistung" für seine Informationen hat der Zeuge u.a. die Einstellung eines gegen ihn wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Waffengesetz geführten Strafverfahrens verlangt.
10Nachdem die Lebensgefährtin des Anzeigeerstatters in ihrer Vernehmung vom einen gemeinsamen Aufenthalt in Fr. anlässlich eines Volksfestes in Abrede gestellt, aber einen Café-Besuch im Oktober 2017 erinnert hatte, hat der Zeuge den Ermittlungsbehörden noch am selben Tag schriftlich sinngemäß mitgeteilt, es sei möglich, dass das Gespräch mit dem Betroffenen bereits am stattgefunden habe. An diesem Tag habe er sich mit seiner Freundin in Fr. zum Kaffeetrinken getroffen. Zur Bestätigung hat der Anzeigeerstatter einen Auszug aus der über den Messengerdienst "WhatsApp" mit seiner Partnerin geführten Kommunikation vom vorgelegt.
11Die weiteren verdeckt durchgeführten Ermittlungen (Erhebung retrograder Verkehrsdaten nach § 100g StPO, Telefonüberwachungsmaßnahmen, Observationsmaßnahmen) haben keinen Beweis für das durch den Zeugen behauptete Vorhaben des Betroffenen ergeben, dieses jedoch auch nicht widerlegt. Das in der Anzeigeerstattung geschilderte Randgeschehen ist indes zumindest teilweise bestätigt worden. So ergibt sich aus den durch den Zeugen F. übergebenen Protokollen seines Chatverkehrs mit dem Betroffenen, dessen Profilinformationen bei "WhatsApp" und nachrichtendienstlichen Erkenntnissen seine ausländerfeindliche Gesinnung. Zudem haben die Ermittlungen des Generalbundesanwalts ergeben, dass der Anzeigeerstatter, der zeitweise als Büchsenmacher tätig war, aufgrund seiner Kenntnisse und Geschäftsbeziehungen in der Lage gewesen wäre, die durch den Betroffenen angefragte Waffe nebst Zubehör zu beschaffen und entsprechend etwaigen Kundenwünschen zu modifizieren.
12Bei dieser Beweislage bestand mit Blick auf das zu Tage getretene Eigeninteresse des Zeugen an der Anzeigeerstattung, dessen Aussageverhalten und dem im Kerngeschehen detailarmen Inhalt seiner Angaben zwar Anlass dafür, die Glaubhaftigkeit der Aussage kritisch zu hinterfragen. Indes handelte es sich gerade vor dem Hintergrund, dass zumindest das mitgeteilte Randgeschehen in den weiteren Ermittlungen Bestätigung fand, nicht um eine augenscheinliche Falschbelastung, so dass Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben des Anzeigeerstatters nicht dazu führten, dass ihnen keinerlei Beweiswert mehr zukam. Eine weitergehende individuelle Glaubhaftigkeitsanalyse war in diesem Stadium des Verfahrens zudem weder rechtlich geboten noch tatsächlich möglich (vgl. BGH, Beschlüsse vom - StB 43-44/18, juris Rn. 33; vom - StB 29/17, juris Rn. 28). Die angeordnete Durchsuchungsmaßnahme, die gerade auch dazu diente, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen zu verifizieren, konnte daher auf die Aussage des Anzeigeerstatters gestützt werden.
13bb) Unter Zugrundelegung der Angaben des Zeugen F. lagen auch noch zureichende Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Betroffene mit weiteren noch unbekannten Personen zu einer terroristischen Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB zusammenschloss, um Tötungsdelikte zu begehen und sich später an dieser mitgliedschaftlich beteiligte. Angesichts des von dem Anzeigeerstatter bekundeten Unvermögens des Betroffenen, mit der bestellten Waffe selbst umzugehen, und seines Hinweises auf Personen, die den Kauf der Waffe finanzieren würden, lag jedenfalls ein Anfangsverdacht für das Bestehen eines auf Dauer angelegten, organisierten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen vor, der mit der beabsichtigten Ermordung des Bundespräsidenten und gegebenenfalls weiterer Politiker, womit ein politisches Fanal gesetzt werden sollte, ein übergeordnetes Ziel verfolgte und darauf ausgerichtet war, Straftaten im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu begehen.
14Wegen der Einzelheiten wird auf die zutreffenden, ausführlichen Erwägungen des angefochtenen Beschlusses vom Bezug genommen.
152. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war gewahrt. Die Durchsuchungsanordnung war geeignet, zur Klärung des Tatverdachts beizutragen. Gegenüber der Durchsuchung stand auch kein gleichwirksames milderes Mittel zur Verfügung. Schließlich stand die Anordnung der Durchsuchung in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des bestehenden Tatverdachts (vgl. , NJW 2014, 2265 Rn. 17 mwN). Dem Betroffenen lag der Verdacht eines Verbrechens der Gründung und mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) zur Last. Der gegen ihn gerichtete Tatverdacht ergab sich nicht lediglich aus vagen Indizien, sondern der Aussage eines über die strafrechtlichen Konsequenzen einer falschen Verdächtigung belehrten Zeugen. Der Wahrheitsgehalt dieser Zeugenaussage war zum Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Entscheidung durch die weiteren Ermittlungen weder bestätigt noch widerlegt. Auch unter Berücksichtigung des mit der Anordnung der Durchsuchung regelmäßig verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die durch das Grundrecht aus Art. 13 GG geschützte Lebenssphäre des Betroffenen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 1118/80, BVerfGE 59, 95, 97; vom - 2 BvR 9/10, NJW 2014, 2265 Rn. 16/17) ist die Verhältnismäßigkeit der Anordnung nicht zweifelhaft.
163. Ob eine erhebliche Überschreitung der Vorlagefrist des § 306 Abs. 2 StPO im Einzelfall einer Beschwerde (mit) zum Erfolg verhelfen kann (vgl. , NStZ 2016, 370, 371; , NStZ-RR 2015, 18 mwN), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Zwar ist die Beschwerde nicht gemäß § 306 Abs. 2 StPO innerhalb von drei Tagen nach deren Eingang am , sondern erst mit der Nichtabhilfeentscheidung vom dem Senat vorgelegt worden. Indes war diese Verzögerung nicht erheblich im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung.
174. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Schäfer Gericke Tiemann
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:260619BSTB10.19.0
Fundstelle(n):
GAAAH-30194