BAG Urteil v. - 7 AZR 324/17

Instanzenzug: ArbG Braunschweig Az: 1 Ca 160/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 9 Sa 1154/16 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer sachgrundlosen Befristung.

2Der Kläger war zunächst in der Zeit vom bis zum bei der Beklagten beschäftigt. Mit Wirkung zum stellte die Beklagte den Kläger erneut auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom ein. Dieser Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

3Mit schriftlichen Verträgen vom , und vereinbarten die Parteien jeweils eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses, zuletzt bis zum . Mit Wirkung zum war der Kläger als Qualitätsprüfer in die Abteilung „SzP/QMM-W“ versetzt worden.

4Mit der am bei Gericht eingegangenen, der Beklagten am zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen seiner Vorbeschäftigung nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt.

5Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - beantragt

6Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das frühere Arbeitsverhältnis stehe der sachgrundlosen Befristung zum nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht entgegen, da das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses bei der erneuten Einstellung mehr als 15 Jahre zurückgelegen habe. Zudem sei der Kläger an unterschiedlichen Arbeitsplätzen tätig gewesen. Unabhängig davon sei die letzte Befristung durch einen Sachgrund gerechtfertigt. Der Kläger sei im Bereich SzP/QMM-W694 als Vertreter für eine erkrankte Arbeitnehmerin tätig gewesen.

7Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

8Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der zuletzt vereinbarten Befristung am geendet.

9I. Die Befristung ist unwirksam. Sie ist nicht nach § 14 TzBfG gerechtfertigt.

101. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die zuletzt vereinbarte Befristung des am begründeten Arbeitsverhältnisses zum nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt ist. Zwar wurden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von zwei Jahren und der dreimaligen Vertragsverlängerung eingehalten. Der Wirksamkeit der Befristung steht jedoch § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bestand zwischen den Parteien bereits in der Zeit vom bis zum ein Arbeitsverhältnis. An diese von der Beklagten nicht angegriffene Feststellung ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden (zur Bindungswirkung tatsächlicher Feststellungen in den Entscheidungsgründen vgl.  - Rn. 44 mwN). Dieses erste zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis stand der Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung des zum begründeten Arbeitsverhältnisses entgegen, obwohl zwischen dem Ende des ersten und der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses ein Zeitraum von mehr als drei Jahren lag.

11a) Der Senat hatte § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in seiner jüngeren Rechtsprechung verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass die Vorschrift der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrags nicht entgegensteht, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien mehr als drei Jahre zurückliegt (vgl.  - Rn. 23 ff., BAGE 139, 213; ähnlich  - Rn. 27, BAGE 137, 275: „verfassungsorientierte Auslegung“).

12b) An dieser Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG kann nach dem - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) nicht festgehalten werden (vgl. ausführlich  - Rn. 18). Allerdings gilt entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts das Verbot der sachgrundlosen Befristung im Falle einer erneuten Einstellung nach einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber nicht unbeschränkt. Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 62 f.).

13aa) Die Vorschrift schränkt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit und die Vertragsfreiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein. Diese Beeinträchtigungen wiegen schwer. Sie erweisen sich jedoch in der Abwägung mit dem Schutz der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis (Art. 12 Abs. 1 GG) und den im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen grundsätzlich als zumutbar. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bezweckten Schutzes tatsächlich bedürfen, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten und auch eine Gefahr für die soziale Sicherung durch eine Abkehr vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform besteht (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 53). Die mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einhergehenden Beeinträchtigungen der Rechte der Arbeitsplatzsuchenden und der Arbeitgeber, erneut einen Arbeitsvertrag sachgrundlos zu befristen, stehen auch nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zwecken, da die Arbeitsgerichte die Anwendung der Norm in verfassungskonformer Auslegung auf Fälle ausschließen können, in denen dies für die Beteiligten unzumutbar wäre (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 55).

14Ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber ist danach unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Der mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgte Schutzzweck kann in diesen Fällen das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung nicht rechtfertigen, soweit das legitime Interesse der Arbeitssuchenden an einer auch nur befristeten Beschäftigung und das ebenfalls legitime Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber entgegensteht (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 62). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 63). So liegt es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit (vgl. Bauer NZA 2011, 241, 243; Löwisch BB 2001, 254; Rudolf BB 2011, 2808, 2810), bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung (vgl. dazu  - Rn. 2, BAGE 137, 275) oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht (vgl. Staudinger/Preis [2016] § 620 Rn. 182; ähnlich Löwisch BB 2001, 254 f.).

15bb) Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommt nach § 31 Abs. 2 iVm. § 13 Nr. 11 BVerfGG Gesetzeskraft zu. Jedenfalls dann, wenn der Tenor - wie hier - ausdrücklich auf die Entscheidungsgründe Bezug nimmt, erstreckt sich die Bindungswirkung auch auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu der verfassungskonformen Auslegung einer einfachgesetzlichen Norm (vgl.  - zu B der Gründe, BVerfGE 42, 258; - 2 BvR 1018/74 - zu B I 3 der Gründe, BVerfGE 40, 88;  - Rn. 22 mwN).

16c) Danach liegen die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im vorliegenden Fall nicht vor, so dass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis zutreffend ist.

17aa) Das Bundesverfassungsgericht hat nicht näher definiert, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders“ geartet oder „von sehr kurzer“ Dauer war. Dies ist unter Berücksichtigung des Grundes für die verfassungskonforme Auslegung, den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auf Fälle, in denen das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar wäre, einzuschränken, sowie unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht genannten Beispielsfälle zu beurteilen. Letztlich bedarf es hierzu einer Würdigung des Einzelfalls ( - Rn. 24; Löwisch SAE 2018, 36, 38; Wank Anm. AP TzBfG § 14 Nr. 170).

18bb) Danach ist vorliegend das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht unzumutbar.

19(1) Im Zeitpunkt der erneuten Einstellung des Klägers lag seine Vorbeschäftigung entgegen der Ansicht der Beklagten nicht so lange zurück, dass die Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungsrechtlich geboten wäre. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genügt es nicht, dass das Vorbeschäftigungsverhältnis lang zurückliegt, es muss vielmehr sehr lang zurückliegen. Das kann bei einem Zeitraum von etwas mehr als 15 Jahren - ohne das Hinzutreten besonderer Umstände - grundsätzlich nicht angenommen werden. Allein aufgrund dieses Zeitablaufs ist das Verbot der sachgrundlosen Befristung für die Arbeitsvertragsparteien nicht unzumutbar. Zwar dürfte bei dieser Zeitspanne eine Gefahr der Kettenbefristung nicht bestehen. Allerdings würde die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung bei einer erneuten Einstellung 15 Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung allein wegen des Zeitablaufs den vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, gefährden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren soziale Sicherung und insbesondere auch die Versorgung im Alter maßgeblich an die Erwerbstätigkeit anknüpft, sind auf langfristige und unbefristete Arbeitsverhältnisse angewiesen (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 46). Die sachgrundlose Befristung soll daher nach der gesetzgeberischen Konzeption die Ausnahme bleiben, weil dies dazu beiträgt, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als Regelfall der Beschäftigung zu erhalten (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 49). Dies ist auch bei der Beurteilung, ob das Verbot der sachgrundlosen Befristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber für die Arbeitsvertragsparteien unzumutbar ist, zu berücksichtigen, denn die von den Gerichten ggf. im Wege verfassungskonformer Auslegung vorzunehmende Einschränkung des Anwendungsbereichs des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierten Verbots muss im Einklang mit dem sozialpolitischen Zweck des Schutzes der unbefristeten Beschäftigung als Regelfall stehen (, 1 BvR 1375/14 - Rn. 33).

20Bei der Frage, ob der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einer verfassungskonformen Einschränkung bedarf, ist daher zu beachten, dass die sachgrundlose Befristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber auf Ausnahmefälle beschränkt ist. Das wäre nicht gewährleistet, wenn dieselben Arbeitsvertragsparteien nach Ablauf von 15 Jahren erneut einen Arbeitsvertrag mit einer sachgrundlosen Befristung abschließen könnten. Da ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre umfasst (vgl.  - Rn. 27, BAGE 147, 279), könnte ein Arbeitgeber jedenfalls drei sachgrundlos befristete Arbeitsverträge von jeweils zweijähriger Dauer mit demselben Arbeitnehmer - zu Beginn, in der Mitte und am Ende seines Erwerbslebens - schließen. Damit wäre die sachgrundlose Befristung nicht mehr die Ausnahme. Dadurch würde das angestrebte Ziel einer langfristigen und dauerhaften Beschäftigung gefährdet. Gegen die Annahme, in diesem Zusammenhang einen sehr langen Zeitraum bereits nach Ablauf von 15 Jahren anzunehmen, spricht auch, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung der Dauer der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 BGB die längste Kündigungsfrist erst nach einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von 20 Jahren und nicht bereits nach 15 Jahren hat eingreifen lassen.

21(2) Die vom Kläger während seiner Vorbeschäftigung geschuldeten Tätigkeiten waren auch keine ganz anderen als jene, die der Kläger ab dem zu erbringen hatte. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt es nicht, dass der Kläger an unterschiedlichen Arbeitsplätzen im Betrieb beschäftigt war. Nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgezählten Beispielsfällen (vgl. , 1 BvR 1375/14 - Rn. 63) ist es regelmäßig erforderlich, dass die im neuen Arbeitsverhältnis geschuldete Tätigkeit Kenntnisse oder Fähigkeiten erfordert, die sich wesentlich von denjenigen unterscheiden, die für die Vorbeschäftigung erforderlich waren. Dies war vorliegend nicht der Fall. Der Kläger wurde im streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis als Produktionshelfer eingestellt. Die Beklagte hat - auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - nicht geltend gemacht, dass der Kläger während seiner Vorbeschäftigung in einer ganz anderen Funktion tätig war, die Kenntnisse oder Fähigkeiten erforderte, die sich von denjenigen der Beschäftigung ab Mai 2014 wesentlich unterschieden.

22(3) Die Vorbeschäftigung war auch nicht von sehr kurzer Dauer im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Laufzeit betrug knapp zehn Monate. Ein Arbeitnehmer erwirbt gemäß § 1 Abs. 1 KSchG bereits nach Ablauf von sechs Monaten Kündigungsschutz. Mit einer vorübergehenden Aushilfe kann gemäß § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BGB einzelvertraglich keine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist vereinbart werden, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird. Im Hinblick auf diese Fristen ist ein Zeitraum von mehr als neun Monaten im vorliegenden Zusammenhang nicht als sehr kurz anzusehen (vgl.  - Rn. 25).

23(4) Sonstige Umstände, die im vorliegenden Fall eine verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebieten könnten, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Auch eine Gesamtschau des Zeitraums zwischen den Arbeitsverhältnissen, der jeweils geschuldeten Tätigkeiten und der Vorbeschäftigungsdauer führt nicht zur Unzumutbarkeit der Anwendung des Verbots.

24d) Der Senat kann selbst darüber entscheiden, ob die Vorbeschäftigung des Klägers bei der Beklagten der streitgegenständlichen sachgrundlosen Befristung entgegensteht. Zwar hat das - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) andere Kriterien für die Ausnahme von dem Verbot der erneuten sachgrundlosen Befristung aufgestellt als der Senat in seinen im Jahr 2011 getroffenen Entscheidungen. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien enthalten Wertungsspielräume („sehr lang“ zurückliegend, „ganz anders“ geartet, „von sehr kurzer“ Dauer). Grundsätzlich obliegt diese Bewertung den Tatsacheninstanzen. Sind alle für die Bewertung maßgeblichen Tatsachen festgestellt, kann der Senat diese Bewertung allerdings auch selbst vornehmen. Bei der verfassungskonformen Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG handelt es sich um eine Rückausnahmevorschrift (vgl. Wank Anm. AP TzBfG § 14 Nr. 170). Der Vortrag von entsprechenden Tatsachen obliegt grundsätzlich demjenigen, der sich darauf beruft. Das ist hier die Beklagte. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert. Die Beklagte hat dabei insbesondere die Auffassung vertreten, die Vorbeschäftigung liege im vorliegenden Fall bereits „ganz lang“ zurück bzw. sei nur von „sehr kurzer Dauer“ und der Kläger sei an verschiedenen Arbeitsplätzen tätig gewesen. Sie hat jedoch nicht geltend gemacht, in Bezug auf die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts noch neue Tatsachen vortragen zu wollen. Einer Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung bedarf es daher nicht.

252. Die Klage ist nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes abzuweisen. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, den Arbeitsvertrag mit dem Kläger im Vertrauen auf die Rechtsprechung des Senats in den Urteilen vom (- 7 AZR 716/09 - BAGE 137, 275) und vom (- 7 AZR 375/10 - BAGE 139, 213) abgeschlossen zu haben. Sie könnte sich allerdings auch nicht mit Erfolg auf ein solches Vertrauen berufen (vgl. ausführlich  - Rn. 40 ff.).

263. Die Befristung ist nicht gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen dieses Sachgrundes mit der Begründung verneint, die Beklagte habe hierzu keinen schlüssigen Vortrag gehalten. Es sei schon nicht erkennbar, ob im Zeitpunkt der Verlängerungsvereinbarung im Oktober 2015 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der angeblich vertretenen Arbeitnehmerin gerade für den Zeitraum vom bis zum Rückschlüsse auf den Vertretungsbedarf zuließen. Dies hat die Beklagte mit ihrer Revision nicht angegriffen. Sie hat vielmehr in der Revisionsbegründung eingeräumt, das Berufungsurteil sei unter prozessualen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.

27III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:170419.U.7AZR324.17.0

Fundstelle(n):
TAAAH-29576