Stufenweise Wiedereingliederung
Leitsatz
Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX (in der bis zum geltenden Fassung) kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, an einer stufenweisen Wiedereingliederung eines/einer schwerbehinderten Beschäftigten in das Erwerbsleben dergestalt mitzuwirken, dass er diese(n) entsprechend den Vorgaben eines Wiedereingliederungsplans beschäftigt.
Gesetze: § 280 Abs 1 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 81 Abs 4 S 1 SGB 9, § 81 Abs 2 SGB 9
Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 21 Ca 3522/16 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 7 Sa 232/17 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet ist.
2Der mit einem Grad von zuletzt 70 als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger ist bei der beklagten Stadt (im Folgenden Beklagte) seit 1991 als Technischer Angestellter beschäftigt. Seit dem ist er im Straßenverkehrsamt tätig, zuletzt in der Tätigkeit eines Bauleiters mit einem Entgelt nach der Entgeltgruppe 12 TVöD. Als Bauleiter ist der Kläger mit folgenden Tätigkeiten betraut: Ingenieurmäßige Planung, Koordinierung, Überwachung, Bewirtschaftung und Abnahme von Baumaßnahmen im Bereich von verkehrstechnischen Projekten in Eigen- und Fremdplanung gemäß den Richtlinien zum Ablauf in der Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation von Bauwerken der Beklagten mit Wahrnehmung der Bauherrenfunktion und der hoheitlichen Aufgaben bei Fremdplanungen.
3Von August 2014 bis einschließlich war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Auch in früheren Zeiträumen des Beschäftigungsverhältnisses war es zu längeren Krankheitszeiten gekommen; in den Jahren 2007 und 2011 waren erfolgreich Wiedereingliederungsmaßnahmen durchgeführt worden. Arbeitsmedizinische Gutachten hatten im Laufe der Zeit zunehmende Einschränkungen in der Einsatzfähigkeit attestiert und zuletzt eine negative Prognose hinsichtlich der Entwicklung krankheitsbedingter Ausfallzeiten gestellt.
4Am fand auf Einladung der Beklagten ein Gespräch zwischen dem Kläger, seiner Vertrauensperson, einer Mitarbeiterin des Integrationsfachdienstes, dem Verwaltungsleiter sowie der Personalstellenleiterin des Straßenverkehrsamts statt. In diesem Gespräch erklärte der Kläger, dass er nach Ende der Arbeitsunfähigkeit bei seiner Rückkehr wieder an seinem bisherigen Arbeitsplatz als Bauleiter eingesetzt werden wolle.
5Am fand eine betriebsärztliche Untersuchung des Klägers statt. In der Beurteilung der Betriebsärztin vom , die der Kläger anschließend der Beklagten überreichte, wurde eine stufenweise Wiedereingliederung zur vorsichtigen Heranführung an die Arbeitsfähigkeit mit bestimmten Einschränkungen in der Tätigkeit befürwortet.
6In der Beurteilung der Betriebsärztin vom heißt es zudem:
7Mit dem Wiedereingliederungsplan des den Kläger behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie - vom , der bei der Beklagten im Amt 36 (Straßenverkehrsamt) am Montag, den einging, beantragte der Kläger bei der Beklagten eine stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben für den Zeitraum vom bis zum . Die im Wiedereingliederungsplan aufgeführte zeitliche Stufung der stufenweisen Wiedereingliederung entsprach der in der Beurteilung der Betriebsärztin vom vorgeschlagenen. Zu etwaigen Einschränkungen in der Tätigkeit waren keine Angaben enthalten. Als zuletzt ausgeübte Tätigkeit war „Technischer Angestellter“ und als absehbarer Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit war der 18. Januar „2015“ (gemeint konnte nur sein: 2016) angegeben worden.
8Die Beklagte lehnte diesen Wiedereingliederungsplan unter dem ab. Zur Begründung führte sie aus:
9Am fand ein Personalgespräch in der Personalvermittlungsstelle der Beklagten statt.
10Unter dem beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Durchführung einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben, diesmal für die Zeit vom bis zum . Auch dieser Wiedereingliederungsplan war von dem den Kläger behandelnden Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie - erstellt worden. Ausweislich dieses Plans war mit einer Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit zum zu rechnen. Dem Wiedereingliederungsplan vom beigefügt war ein Bericht der den Kläger behandelnden Diplom-Psychologin vom . Darin heißt es ua., dass der Kläger sich in den vergangenen Wochen intensiv mit seinen Beschwerden auseinandergesetzt habe und dass eine Besserung der Symptomatik, im Besonderen in den vergangenen Wochen, stattgefunden habe. Die Beklagte stimmte diesem Wiedereingliederungsplan nach positiver Beurteilung durch die Betriebsärztin vom zu.
11Nach erfolgreicher stufenweiser Wiedereingliederung in der Zeit vom bis zum war die volle Arbeitsfähigkeit des Klägers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz am wiederhergestellt.
12Unter dem erteilte der den Kläger behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - Psychotherapie - dem Kläger eine nervenfachärztliche Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitsgericht. Darin heißt es ua.:
13Der Kläger begehrt mit seiner Klage von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, schon dem Wiedereingliederungsplan vom zuzustimmen. Die Wiedereingliederung, deren Ziel die Gewöhnung des Betroffenen an die volle Arbeitsleistung sei, habe nicht an fehlenden Einsatzmöglichkeiten scheitern können, da er mit weiteren Aufgaben eines Technischen Angestellten habe beschäftigt werden können. Durch die ungerechtfertigte Ablehnung des Wiedereingliederungsplans habe die Beklagte die Wiederherstellung seiner vollen Arbeitsfähigkeit zum verhindert. Aus diesem Grund sei sie ihm zum Schadensersatz verpflichtet. Sie habe ihm den Verdienstausfall zu ersetzen, der ihm in der Zeit vom bis zum entstanden sei.
14Der Kläger hat beantragt,
15Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihr falle keine Pflichtverletzung zur Last. Sie sei berechtigt gewesen, den ersten Wiedereingliederungsplan abzulehnen. Nach der Beurteilung der Betriebsärztin vom sei von einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht auszugehen gewesen. Erst mit der betriebsärztlichen Beurteilung vom sei bescheinigt worden, dass die Wiedereingliederung gemäß dem Wiedereingliederungsplan vom habe aufgenommen werden können. Erst dadurch, dass der Kläger das Schreiben der ihn behandelnden Diplom-Psychologin vom an die Personalstelle gesandt habe, sei es möglich gewesen, die Wiedereingliederung durchzuführen. Im Übrigen habe der Kläger die Kausalität zwischen der Ablehnung des ersten Wiedereingliederungsplans und des von ihm behaupteten Schadens nicht dargelegt. Er habe nicht dargetan, dass seine Arbeitsfähigkeit bei Durchführung der ersten Wiedereingliederungsmaßnahme bereits im Januar 2016 wiederhergestellt gewesen wäre.
16Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers im Wesentlichen stattgegeben und dem Kläger 8.393,49 Euro brutto abzüglich gezahlten Krankengeldes und Arbeitslosengeldes nebst Zinsen zugesprochen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren nach vollständiger Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
17Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers zu Unrecht teilweise stattgegeben. Die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung des begehrten Schadensersatzes.
18I. Der Kläger kann seinen Schadensersatzanspruch nicht mit Erfolg auf § 280 Abs. 1 BGB iVm. § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX in der bis zum geltenden Fassung (im Folgenden SGB IX aF) oder § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF stützen. Zwar war die Beklagte nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF grundsätzlich verpflichtet, an der stufenweisen Wiedereingliederung des schwerbehinderten Klägers in das Erwerbsleben dergestalt mitzuwirken, dass sie diesen entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans vom beschäftigte. Im vorliegenden Fall liegen allerdings besondere Umstände vor, aufgrund derer die Beklagte eine solche Beschäftigung des Klägers ausnahmsweise ablehnen durfte. Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob der Kläger die Kausalität zwischen der von ihm behaupteten Pflichtverletzung der Beklagten und dem von ihm geltend gemachten Schaden hinreichend dargelegt hat.
191. Die Beklagte war nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF grundsätzlich verpflichtet, an der stufenweisen Wiedereingliederung des schwerbehinderten Klägers in das Erwerbsleben dergestalt mitzuwirken, dass sie diesen den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans vom entsprechend beschäftigte.
20a) Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, an einer stufenweisen Wiedereingliederung eines/einer schwerbehinderten Beschäftigten in das Erwerbsleben dergestalt mitzuwirken, dass er diese(n) entsprechend den Vorgaben eines Wiedereingliederungsplans beschäftigt.
21aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht zwar grundsätzlich kein Anspruch auf Mitwirkung des Arbeitgebers an einer stufenweisen Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in das Erwerbsleben, insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Vielmehr ist das Wiedereingliederungsverhältnis ein Vertragsverhältnis eigener Art (sui generis), zu dessen Begründung es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf, wobei für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit gilt (vgl. - Rn. 12 und 19; - 5 AZR 37/91 - zu II 3 der Gründe, BAGE 69, 272; vgl. auch - Rn. 23 mwN, BAGE 118, 252). Anders als das Arbeitsverhältnis ist das Wiedereingliederungsverhältnis nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, weil die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauert, während des Wiedereingliederungsverhältnisses weiterhin von den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses gemäß § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB befreit (vgl. - Rn. 12).
22bb) Etwas anderes gilt jedoch, wenn es um die stufenweise Wiedereingliederung eines/einer schwerbehinderten oder gleichgestellten behinderten Beschäftigten in das Erwerbsleben geht. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF verpflichtet sein, an einer Maßnahme der stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben mitzuwirken und eine schwerbehinderte oder gleichgestellte behinderte Person entsprechend den Angaben im ärztlichen Wiedereingliederungsplan zu beschäftigen ( - Rn. 22, 24 ff., 34, BAGE 118, 252). Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF schließt die (krankheitsbedingte) Unfähigkeit zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung einen Beschäftigungsanspruch nicht aus. Die Mitwirkungspflicht nach dieser Bestimmung besteht demnach innerhalb des arbeitsvertraglichen Schuldverhältnisses. Sie gehört zu den typischen Nebenpflichten des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis iSv. § 241 Abs. 2 BGB. Verletzt der Arbeitgeber die ihn aus § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF treffende Nebenpflicht, kann dies einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 280 Abs. 1 BGB iVm. § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF begründen. Da es sich bei § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF zudem um ein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB handelt (vgl. bereits - Rn. 22, BAGE 116, 121; vgl. auch - Rn. 19), kann daneben auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF in Betracht kommen.
23(1) Der Anspruch auf Beschäftigung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung seines behandelnden Arztes vorlegt, aus der sich Art und Weise der empfohlenen Beschäftigung, Beschäftigungsbeschränkungen, Umfang der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit sowie die Dauer der Maßnahme ergeben. Die Bescheinigung muss eine Prognose enthalten, wann „voraussichtlich“ die Wiederaufnahme der Tätigkeit erfolgt (vgl. auch - Rn. 31 mwN, BAGE 118, 252).
24(a) Die ärztliche Bescheinigung muss ordnungsgemäß nach den Vorschriften des Sozialrechts erstellt sein und dem Arbeitgeber hinreichend deutlich machen, dass mit dem Wiedereingliederungsplan auch eine betrieblich nutzbare Tätigkeit wiedererlangt werden kann. Kein Anspruch besteht auf eine Mitwirkung an einer nur therapeutischen Erprobung, ohne dass in absehbarer Zeit das „Ob“ und „Wie“ einer möglichen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ersichtlich wären ( - Rn. 34, BAGE 118, 252).
25(b) Nach den „Empfehlungen zur Umsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung“ in der Anlage der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V (im Folgenden Empfehlungen zur Umsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung) knüpfen sowohl die Feststellung von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als auch die Empfehlung zur Wiedereingliederung an die vom Arbeitnehmer bisher ausgeübte Tätigkeit an (vgl. insbesondere die Empfehlungen zur Umsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung Nr. 2 und Nr. 5). Hiervon ausgehend setzt die Empfehlung zur stufenweisen Wiedereingliederung zunächst die Beurteilung voraus, der Arbeitnehmer sei (weiterhin) arbeitsunfähig. Hinzu kommen muss die Einschätzung, dass die arbeitsvertragliche Tätigkeit teilweise verrichtet werden könnte und schließlich muss der Arzt die Prognose treffen, dass eine stufenweise Heranführung des Arbeitnehmers an die berufliche Belastung seine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben fördert. Dabei muss sich die Prognose nicht zwingend auf das Ziel der Wiederherstellung der vollen Arbeitstätigkeit richten, auch wenn dies regelmäßig verfolgt wird. Auch die Befähigung zu einer nach Art, Dauer, zeitlicher und räumlicher Lage veränderten Arbeitstätigkeit kann stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben sein (vgl. zu einer Vorgängerfassung der Empfehlungen zur Umsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung - Rn. 35 mwN, BAGE 118, 252).
26(c) Der Arzt hat seine Feststellungen auf dem Vordruck der Sozialversicherungsträger zu bescheinigen. Dieses verlangt eine auf die Erkrankung und Behinderung des Arbeitnehmers und seine Tätigkeit abgestellte Empfehlung über die Art und Weise der Beschäftigung. Ebenso muss der Arzt eine Prognose zur Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nach Durchführung der Maßnahme abgeben ( - Rn. 36, BAGE 118, 252).
27(2) Die so erstellte Bescheinigung ist dem Arbeitgeber vorzulegen. Andernfalls kann er nicht beurteilen, ob er an der stufenweisen Wiedereingliederung mitwirken muss oder wegen der Art oder der voraussichtlichen Dauer der Maßnahme berechtigt ist, sie als unzumutbar iSv. § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX aF abzulehnen ( - Rn. 37, BAGE 118, 252).
28b) Danach war die Beklagte nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF grundsätzlich verpflichtet, an der stufenweisen Wiedereingliederung des schwerbehinderten Klägers in das Erwerbsleben dergestalt mitzuwirken, dass sie diesen entsprechend den Vorgaben des Wiedereingliederungsplans vom beschäftigte.
29aa) Der Kläger hatte der Beklagten mit dem Wiedereingliederungsplan vom eine ordnungsgemäß nach den Vorschriften des Sozialrechts auf dem Vordruck der Sozialversicherungsträger erstellte ärztliche Bescheinigung vorgelegt, aus der sich der Umfang der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit sowie die Dauer der Maßnahme ergaben. Die Bescheinigung enthielt auch eine Prognose, wann die volle Arbeitsfähigkeit „voraussichtlich“ wiederhergestellt sein würde. Aus der Bescheinigung ergab sich zudem die Art und Weise der empfohlenen Beschäftigung. In der Bescheinigung war entsprechend den Empfehlungen zur Umsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung die zuletzt ausgeübte Tätigkeit „Technischer Angestellter“ angegeben. Da der Kläger bei der Beklagten als Technischer Angestellter in der Tätigkeit eines Bauleiters beschäftigt wurde, war dies die empfohlene Beschäftigung.
30bb) Dass die Beschäftigung des Klägers im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung entsprechend dem Wiedereingliederungsplan vom für sie unzumutbar iSv. § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX aF gewesen wäre, hat die insoweit grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (vgl. etwa - Rn. 40 ff. mwN, BAGE 114, 299) nicht geltend gemacht.
312. Im vorliegenden Fall lagen allerdings besondere Umstände vor, aufgrund derer die Beklagte eine Beschäftigung des Klägers dem Wiedereingliederungsplan vom entsprechend ausnahmsweise ablehnen durfte. Aufgrund der Beurteilung der Betriebsärztin vom durfte die Beklagte die Befürchtung hegen, dass der Gesundheitszustand des Klägers bei einem Einsatz auf seinem bisher innegehabten Arbeitsplatz als Bauleiter eine stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nicht zulassen würde. Diese Zweifel der Beklagten an der Geeignetheit des Wiedereingliederungsplans ließen sich auch nicht bis zu dem in diesem Plan vorgesehenen Beginn der Maßnahme am ausräumen.
32a) Die Beklagte durfte aufgrund der Beurteilung der Betriebsärztin vom die Befürchtung hegen, dass der Gesundheitszustand des Klägers eine Beschäftigung entsprechend dem Wiedereingliederungsplan vom als Bauleiter nicht zulassen würde.
33aa) Die Beklagte durfte - wenn nicht gar musste - aufgrund der betriebsärztlichen Beurteilung vom davon ausgehen, dass die mit dem Wiedereingliederungsplan vom begehrte Wiedereingliederung ihr Ziel verfehlen würde, weil dem Kläger bei einer Beschäftigung im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben auf seinem bisherigen Arbeitsplatz als Bauleiter nachteilige gesundheitliche Folgen erwachsen würden.
34(1) Nach der betriebsärztlichen Beurteilung vom sollte der Kläger keine Tätigkeiten ausüben, die mit hohen Anforderungen an die Umstellungsfähigkeit und Flexibilität, Anforderungen an die Teamfähigkeit, hohem Zeitdruck und Kontakt zu Publikum sowie mit der Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge verbunden sind. Damit hatte die Betriebsärztin aber genau die Tätigkeiten ausgeschlossen, die der Kläger in seiner Funktion als Bauleiter auszuüben hatte. Unter den Parteien ist nicht streitig, dass die Aufgabe eines Bauleiters als solche mit der Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge verbunden ist, die Fähigkeiten, wie zB Flexibilität, Teamfähigkeit, Arbeiten unter stetigem Zeitdruck, Kontakt zu Publikum (Firmen, andere Ämter, Personal auf den Baustellen) zwingend und ständig voraussetzen.
35(2) Mit diesen betriebsärztlichen Einschätzungen setzt sich der ärztliche Wiedereingliederungsplan vom nicht im Ansatz auseinander; etwaige, infolge der krankheitsbedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers zu vermeidende arbeitsbedingte Belastungen werden nicht angegeben, vielmehr wird - ohne jede Einschränkung - eine Beschäftigung des Klägers als Bauleiter empfohlen. Angesichts der Aktualität der betriebsärztlichen Beurteilung vom wäre eine Auseinandersetzung mit den von der Betriebsärztin geäußerten Einschätzungen jedoch geboten gewesen.
36(a) Über den Weg der stufenweisen Wiedereingliederung sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer individuell, dh. je nach ihrer Erkrankung und bisherigen Arbeitsunfähigkeitsdauer schonend, aber kontinuierlich bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit an die Belastungen ihres Arbeitsplatzes herangeführt werden. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Belastbarkeit entsprechend dem Stand der wiedererreichten körperlichen, seelischen und geistigen Leistungsfähigkeit zu steigern (vgl. Nr. 1 der Empfehlungen zur Umsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung). Die stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben darf nicht dazu führen, dass für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nachteilige gesundheitliche Folgen erwachsen. Diesem Anliegen tragen auch die Empfehlungen zur Umsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung Rechnung, indem sie unter Nr. 5 vorsehen, dass Versicherte während der Phase der stufenweisen Wiedereingliederung in regelmäßigen Abständen von der behandelnden Ärztin oder vom behandelnden Arzt auf die gesundheitlichen Auswirkungen zu untersuchen sind, und dass dann, wenn sich während der Phase der Wiedereingliederung herausstellt, dass für die Versicherten nachteilige gesundheitliche Folgen erwachsen können, eine Anpassung an die Belastungseinschränkungen vorzunehmen oder die Wiedereingliederung abzubrechen ist. Vor diesem Hintergrund kann es, sofern bereits vor Beginn der stufenweisen Wiedereingliederung Umstände vorliegen, aufgrund derer die Befürchtung begründet ist, dass Beschäftigten aus der stufenweisen Wiedereingliederung nachteilige gesundheitliche Folgen erwachsen, geboten sein, dass sich der behandelnde Arzt/die behandelnde Ärztin im Wiedereingliederungsplan oder in einer Anlage zu diesem mit diesen Umständen auseinandersetzt und erläutert, ob und ggf. welche Folgen sich daraus ergeben.
37(b) Danach wäre es vorliegend geboten gewesen, dass der den Kläger behandelnde Arzt mit dem Wiedereingliederungsplan vom oder in einer Anlage zu diesem deutlich gemacht hätte, warum nach seiner ärztlichen Einschätzung bei einer stufenweisen Wiedereingliederung des Klägers auf dem von diesem bisher innegehabten Arbeitsplatz als Bauleiter trotz des Ergebnisses der betriebsärztlichen Begutachtung vom keine für den Kläger nachteiligen gesundheitlichen Folgen zu gewärtigen gewesen wären.
38bb) Aus der vom Kläger vor dem Arbeitsgericht vorgelegten fachärztlichen Bescheinigung vom kann dieser insoweit nichts zu seinen Gunsten ableiten. Dieser fachärztlichen Einschätzung kommt im vorliegenden Verfahren keine Bedeutung zu. Zwar ist anerkannt, dass der ärztliche Wiedereingliederungsplan bei gerichtlicher Geltendmachung des Beschäftigungsanspruchs nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ergänzt werden kann (vgl. - Rn. 31, BAGE 118, 252). Die Parteien streiten vorliegend aber nicht darüber, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet ist, an einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung des Klägers in das Erwerbsleben dergestalt mitzuwirken, dass sie diesen - mit welcher Tätigkeit auch immer - beschäftigt. Der Kläger verlangt von der Beklagten nicht Beschäftigung nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF, sondern nimmt die Beklagte auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihm dadurch entstanden sein soll, dass die Beklagte ihn nicht entsprechend dem Wiedereingliederungsplan vom ab einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich ab dem beschäftigt hat. Damit kommt es auf den Zeitpunkt der angeblichen Pflichtverletzung der Beklagten an.
39cc) Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte hätte ihn mit weiteren Aufgaben eines Technischen Angestellten beschäftigen können, bei deren Ausübung nachteilige gesundheitliche Folgen nicht zu befürchten gewesen wären, führt auch dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Im vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien darüber, ob die Beklagte - wie unter Rn. 38 ausgeführt - dem Kläger den Schaden zu ersetzen hat, der diesem dadurch entstanden sein soll, dass die Beklagte ihn nicht entsprechend dem Wiedereingliederungsplan vom ab dem beschäftigt hat. Dieser Wiedereingliederungsplan sah indes ausschließlich eine Beschäftigung auf dem zuvor innegehabten Arbeitsplatz als Bauleiter vor.
40b) Die begründeten Zweifel an der Geeignetheit des Wiedereingliederungsplans ließen sich bis zu dem in diesem Plan vorgesehenen Beginn der Maßnahme am nicht ausräumen.
41aa) Die Beklagte selbst war nicht in der Lage, geeignete Maßnahmen durchzuführen, mit denen ihre begründeten Zweifel an der Geeignetheit des Wiedereingliederungsplans hätten ausgeräumt werden können. Zwar können dem Arbeitgeber grundsätzlich auch im Zusammenhang mit einem Antrag auf stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben aus § 241 Abs. 2 BGB Hinweis- und Aufklärungspflichten erwachsen, insbesondere kann er unter den besonderen Umständen des Einzelfalls verpflichtet sein, von sich aus geeignete Hinweise zu geben und Aufklärungsmaßnahmen selbst durchzuführen (vgl. etwa - Rn. 32, BAGE 161, 245; - 8 AZR 817/13 - Rn. 22 mwN). Die Beklagte hat den Wiedereingliederungsplan vom allerdings erst am Montag, den erhalten. Bis zu dem darin vorgesehenen Beginn der Maßnahme (Montag, den ) blieben nur zwei Wochen, die nicht einmal voll zur Verfügung standen, sofern dem Kläger die Entscheidung der Beklagten nicht „in letzter Minute“ mitgeteilt werden sollte. Es kommt hinzu, dass der Beklagten innerhalb der verbleibenden Zeit auch keine geeigneten Mittel zur Verfügung standen, um von sich aus eine weitere Aufklärung zu betreiben. Die berechtigten Zweifel der Beklagten an der Geeignetheit des Wiedereingliederungsplans vom hätten - sofern dies innerhalb der bis zum vorgesehenen Beginn der Maßnahme zur Verfügung stehenden Zeit überhaupt noch möglich gewesen wäre - nur dadurch ausgeräumt werden können, dass sich die Betriebsärztin und die behandelnden Ärzte des Klägers über etwaige krankheitsbedingte Leistungseinschränkungen des Klägers verständigt hätten (zur Erforderlichkeit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen ua. den Beschäftigten, den behandelnden Ärzten, dem Arbeitgeber und den Betriebsärzten vgl. Nr. 2 der Empfehlungen zur Umsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung). Dieser Weg war der Beklagten allerdings von vornherein verschlossen, weil der Kläger einer gegenseitigen Entbindung von der Schweigepflicht zwischen seinen behandelnden Ärzten und der Betriebsärztin nicht zugestimmt hatte.
42bb) Dass der Kläger auf einen entsprechenden Hinweis der Beklagten in der Lage gewesen wäre, seinerseits bis zu dem im Wiedereingliederungsplan vom vorgesehenen Beginn der Maßnahme durch Vorlage entsprechender ärztlicher Stellungnahmen die berechtigten Zweifel der Beklagten auszuräumen, hat er nicht geltend gemacht.
43II. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsauffassung des Klägers kann dieser seinen Schadensersatzanspruch auch nicht mit Erfolg auf § 84 Abs. 2 SGB IX aF bzw. auf § 280 Abs. 1 BGB iVm. § 84 Abs. 2 SGB IX aF oder § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 84 Abs. 2 SGB IX aF stützen.
44§ 84 Abs. 2 SGB IX aF gibt dem Arbeitgeber unter der Überschrift „Prävention“ auf, unter bestimmten Umständen ein betriebliches Eingliederungsmanagement als dialogisches, kooperatives und ergebnisoffenes Klärungsverfahren (Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 167 Rn. 4) einzuleiten. Zwar kann eine stufenweise Wiedereingliederung in das Erwerbsleben das Ergebnis eines solchen Verfahrens sein. Einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung entsprechend den Vorgaben eines Wiedereingliederungsplans räumt § 84 Abs. 2 SGB IX aF den Betroffenen allerdings nicht ein. Soweit es sich um schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte behinderte Menschen handelt, kann sich für diese ein Anspruch auf Beschäftigung im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nur aus § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF ergeben. Demgegenüber haben nicht schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte behinderte Menschen - wie unter Rn. 21 ausgeführt - grundsätzlich keinen Anspruch auf Mitwirkung des Arbeitgebers an einer stufenweisen Wiedereingliederung; vielmehr ist das Wiedereingliederungsverhältnis in Fällen außerhalb von § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aF ein Rechtsverhältnis eigener Art, das zu seiner Entstehung einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:160519.U.8AZR530.17.0
Fundstelle(n):
BB 2019 S. 1267 Nr. 22
BB 2019 S. 2163 Nr. 37
DB 2019 S. 16 Nr. 22
DB 2019 S. 7 Nr. 38
DStR 2019 S. 12 Nr. 21
WAAAH-29361