Betriebliche Altersversorgung - Anpassung - Auslegung einer Versorgungszusage - Gesamtversorgung - Gesamtrentenfortschreibung
Gesetze: § 16 BetrAVG
Instanzenzug: Az: 25 Ca 253/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 4 Sa 13/17 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung einer dem Kläger von der Beklagten gewährten Pensionsergänzung.
2Der Kläger war vom bis zum bei der Beklagten - ein in den deutschen G-Konzern eingebundenes Lebensversicherungsunternehmen - tätig. Er bezieht seit dem von der Beklagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den „Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes“ (im Folgenden BVW). Diese lauten auszugsweise:
3Der Kläger erhielt - neben seiner gesetzlichen Rente - bis zum von der Beklagten eine Pensionsergänzung iHv. 863,15 Euro brutto sowie eine Rente der Versorgungskasse iHv. 430,90 Euro brutto.
4Zum wurden die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 vH erhöht.
5Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom mit, dass die Vorstände und Aufsichtsräte der G Versicherungen beschlossen haben, die „Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten unter Anwendung der in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes normierten Regelung zum für diesen Stichtag um 0,5 % zu erhöhen“.
6Nach der Entscheidung der Beklagten sollten entweder die Gesamtversorgungsbezüge um 0,5 vH erhöht und sodann die - erhöhte - gesetzliche Rente sowie die Versorgungskassenrente abgezogen werden oder, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger war, lediglich die Pensionsergänzung um 0,5 vH erhöht werden. Da letztere Variante für den Kläger - wie letztlich für alle nach den BVW versorgungsberechtigten Betriebsrentner - günstiger war, wurde seine Pensionsergänzung um 0,5 vH gesteigert. Demgemäß gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem eine Pensionsergänzung iHv. 867,47 Euro brutto. Zudem erhielt er weiterhin eine Rente der Versorgungskasse iHv. 430,90 Euro brutto.
7Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihm ab dem eine höhere Pensionsergänzung zahlen. Nach § 6 Ziff. 1 der Ausführungsbestimmungen (im Folgenden AB) BVW hätten seine Gesamtversorgungsbezüge zum um 2,1 vH angehoben werden müssen. Abzüglich der gewährten Versorgungskassenrente, der gesetzlichen Rentenleistungen und bereits erfolgten Zahlungen der Beklagten ergebe sich damit ab dem eine monatliche Differenz iHv. 22,85 Euro. Die Regelung in AB § 6 Ziff. 3 BVW sei mangels Bestimmtheit unwirksam. Jedenfalls seien ihre Voraussetzungen nicht erfüllt.
8Der Kläger hat zuletzt beantragt,
9Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Anpassung zum sei auf der Grundlage von AB § 6 Ziff. 3 BVW erfolgt. Die Regelung sei ausreichend bestimmt. Eine Anpassung nach AB § 6 Ziff. 1 BVW sei aufgrund der veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht vertretbar.
10Das Arbeitsgericht hat der Klage im beantragten Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
11Die zulässige Revision der Beklagten bleibt ganz überwiegend erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts im Wesentlichen zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist in Höhe einer monatlichen Differenz von 22,82 Euro brutto begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
12I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt - nach der gebotenen Auslegung (zu den Auslegungsmethoden vgl. etwa - Rn. 26 mwN, BAGE 154, 337) - auch für den Klageantrag zu 1.
131. Der Kläger erstrebt mit dem Klageantrag zu 1. unter Berücksichtigung seines Klagevorbringens und der wohlverstandenen Interessenlage lediglich den zwischen den Parteien streitigen monatlichen Differenzbetrag iHv. 22,85 Euro. Davon sind auch die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen.
142. Der so verstandene Klageantrag zu 1. ist auf Zahlung wiederkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO gerichtet. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird (vgl. statt vieler etwa - Rn. 11 mwN).
15II. Die Klage ist iHv. 22,82 Euro brutto monatlich begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die Gesamtversorgungsbezüge des Klägers nach AB § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW entsprechend der Steigerung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung zum um 2,09717 vH zu erhöhen und von dem sich ergebenden Betrag die gesetzliche Rente des Klägers sowie die Leistungen der Versorgungskasse in Abzug zu bringen. Daher schuldet sie dem Kläger ab dem eine um 22,82 Euro brutto monatlich höhere Pensionsergänzung und für die Zeit vom bis zum insgesamt 387,94 Euro brutto. Für die von der Beklagten vorgenommene - gesonderte - Erhöhung der Pensionsergänzung zum iHv. 0,5 vH fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. AB § 6 Ziff. 3 Satz 1 BVW trägt diese Entscheidung nicht, sodass es bei der in AB § 6 Ziff. 1 BVW vorgesehenen Anpassung entsprechend der Erhöhung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung verbleibt.
161. Der Kläger kann verlangen, dass seine Gesamtversorgungsbezüge gemäß AB § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW zum entsprechend der Steigerung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden.
17Die von der Beklagten nach AB § 6 Ziff. 3 BVW im Jahr 2015 getroffene Anpassungsentscheidung ist unwirksam. Dabei kann dahinstehen, ob es sich - wovon die Parteien ausgehen - bei den BVW um eine Betriebsvereinbarung oder um eine von der Beklagten einseitig aufgestellte Versorgungsordnung handelt, die den Arbeitnehmern in Form einer Gesamtzusage bekanntgegeben wurde. Zwar hängt es vom Rechtscharakter der BVW ab, welche Auslegungsgrundsätze anzuwenden sind. Beide Auslegungsmethoden führen jedoch zu demselben Ergebnis. Danach berechtigt AB § 6 Ziff. 3 BVW die Beklagte nur dazu, die Gesamtversorgungsbezüge und damit das von den Arbeitnehmern erdiente Gesamtversorgungsniveau gleichmäßig zu verändern, nicht jedoch lediglich eine einzelne im Rahmen der Gesamtversorgung anzurechnende Leistung des Arbeitnehmers anzuheben. Dies hat der Senat in mehreren Urteilen entschieden (statt vieler nur - Rn. 16 ff.; - 3 AZR 92/18 - Rn. 16 ff.). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen.
182. Damit verbleibt es bei der in AB § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW vorgesehenen Anpassung. Der Kläger hat danach einen Anspruch auf Erhöhung seiner Gesamtversorgungsbezüge entsprechend der Erhöhung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zum um 2,09717 vH. Die Beklagte schuldet ihm folglich für die Zeit vom bis zum insgesamt 387,94 Euro brutto und ab dem monatlich eine um 22,82 Euro brutto höhere Pensionsergänzung. Aufgrund einer von der Beklagten in den Vorinstanzen bereits gerügten Rundungsdifferenz (angenommene Rentenerhöhung um 2,1 vH anstatt um 2,09717 vH) ergibt sich lediglich ein monatlicher Differenzbetrag iHv. 22,82 Euro brutto und nicht iHv. 22,85 Euro brutto. Die Klage ist mithin in einem Umfang von 0,03 Euro brutto monatlich unbegründet. Zinsen hat die Beklagte - wie vom Kläger zuletzt beantragt - ab dem Tag nach der Rechtskraft der Entscheidung und damit ab dem zu zahlen.
19III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:230719.U.3AZR467.17.0
Fundstelle(n):
IAAAH-29169