BSG Beschluss v. - B 8 SO 26/19 B

Instanzenzug: Az: S 48 SO 693/15vorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 8 SO 43/17 Urteil

Gründe

I

1Im Streit steht die Verpflichtung des Klägers zur Auskunftserteilung.

2Der Kläger ist der Sohn der 1937 geborenen Hilfeempfängerin E F (F), die seit Mai 2015 in einem Betreuten Einzelwohnen lebt und Leistungen der Sozialhilfe vom Beklagten erhält. Nachdem ihn der Beklagte aufgefordert hatte, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ) verweigerte der Kläger diese unter Verweis auf Verfehlungen der F. Die Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts München <SG> vom ; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts <LSG> vom ). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, der Kläger gehöre zum auskunftsverpflichteten Personenkreis; ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch der F sei weder nach § 1611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) noch nach den Grundsätzen der sog Negativevidenz oder nach § 94 Abs 3 Satz 1 Nr 1 oder Nr 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) von vornherein ausgeschlossen; auf eine Verwirkung des öffentlich-rechtlichen Auskunftsanspruchs könne sich der Kläger nicht berufen. Das Auskunftsersuchen sei zudem auch zur Durchführung des SGB XII erforderlich und verhältnismäßig.

3Mit seiner Beschwerde macht der Kläger geltend, das Urteil sei nicht überzeugend, er werde in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Er sei vor Erhalt des Bescheides vom nicht angehört worden; eine wirksame Nachholung der Anhörung im Gerichtsverfahren sei unterblieben. Zudem habe der Beklagte verkannt, dass F nie einen Unterhaltsanspruch gegen ihn geltend gemacht habe. Diesen Anspruch habe sich der Beklagte deshalb zu Unrecht "angeeignet" und klage im eigenen Namen Unterhalt ein. Außerdem sei bereits die Einrede der Verjährung und Verwirkung erhoben worden.

II

4Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil ein Zulassungsgrund, insbesondere eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) oder ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), nicht in der gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

5Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht <BSG> vom - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird, soweit der Kläger überhaupt die grundsätzliche Bedeutung geltend machen will, die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht gerecht, weil der Kläger noch nicht einmal eine konkrete Rechtsfrage formuliert, deren Entscheidung durch den Senat angestrebt wird.

6Selbst wenn man den Ausführungen des Klägers eine Rechtsfrage im Zusammenhang mit Art 2 Grundgesetz (<GG>; Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung) entnehmen wollte, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung des Klärungsbedarfs. Soweit eine Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einer Verletzung von Normen des GG ableitet, darf sie sich nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BSG zu den (konkret) gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl nur ; ). Hieran fehlt es gänzlich, sieht man den von Ausführungen zum Begriff und der Herkunft "informationelle Selbstbestimmung" ab.

7Soweit der Kläger eine Rechtsfrage zu § 117 SGB XII stellen will, und sich eine solche seinem Vortrag entnehmen lassen sollte, genügte seine Begründung ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen, weil ein Klärungsbedarf und die Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dargelegt werden. Dies erfordert Ausführungen zu dem nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung zu den Anforderungen an ein Auskunftsbegehren. Hieran fehlt es. Die Begründung erschöpft sich im Wesentlichen in der Behauptung, F habe nie einen Unterhaltsanspruch gegen ihn geltend gemacht, sodass ein solcher auch nicht übergehen könne. Außerdem liege, anders als dies das LSG sehe, "eine unbillige Härte" vor. Der Kläger setzt sich damit weder mit den Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Auskunftsanspruchs nach § 117 SGB XII noch der dazu bereits ergangenen Rechtsprechung des Senats auseinander, geschweige denn macht er deutlich, welche rechtlichen Fragen durch den Senat noch zu klären sind. All dies wäre zur ordnungsgemäßen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erforderlich gewesen, ebenso wie Vortrag dazu, weshalb ein Interesse an der Klärung - weiterhin - besteht, obwohl er dem Beklagten inzwischen wohl Auskunft erteilt hat.

8Im Grunde macht der Kläger mit seinen Ausführungen zur informationellen Selbstbestimmung sowie zu § 117 SGB XII - gleichermaßen wie in seinem Vortrag zur behaupteten Verwirkung bzw Verjährung des Auskunftsanspruchs - nur geltend, dass die Entscheidung des LSG inhaltlich falsch sei; dies vermag die Revisionsinstanz aber nicht zu eröffnen. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat ( - SozR 1500 § 160a Nr 7).

9Den Weg zur Revisionsinstanz vermag auch nicht der Vortrag zur angeblichen Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör zu eröffnen, den der Senat als Rüge eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) interpretiert. Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt werden ( - SozR 1500 § 160a Nr 14; - SozR 1500 § 160a Nr 24; - SozR 1500 § 160a Nr 34; - SozR 1500 § 160a Nr 36; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160a RdNr 16 mwN). Ein Verfahrensmangel, der nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen kann, setzt allerdings voraus, dass infolge unrichtiger Anwendung oder Nichtanwendung einer prozessualen Vorschrift das Gerichtsverfahren fehlerhaft geworden ist (vgl nur Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNr 440 mwN), also ein Verstoß gegen eine Verfahrensnorm vorliegt, die den Weg zum Urteil betrifft (error in procedendo). Es genügt also nicht ein Irrtum bei der Auslegung verfahrensrechtlicher Vorschriften, die den Inhalt der angefochtenen Entscheidung selbst bildet (error in iudicandum). Dies rügt der Kläger aber, wenn er einen Anhörungsmangel im Verwaltungsverfahren (§ 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <SGB X>) geltend macht, den das LSG zudem geprüft und verneint hat. Einen Verstoß des LSG gegen eine iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG verfahrensrechtliche Norm (Art 103 GG; § 62 SGG) behauptet der Kläger jedoch noch nicht einmal. Soweit er behauptet, die fehlende Anhörung im Verwaltungsverfahren sei während des gerichtlichen Verfahrens nicht nachgeholt und damit der Mangel nicht geheilt worden, wird der behauptete formelle Mangel damit noch nicht zu einem des gerichtlichen Verfahrens. Im Ergebnis macht auch hier der Kläger nur geltend, das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die unterlassene Anhörung nicht zur Aufhebung des angegriffenen Bescheides führe ("nicht so schlimm"). Wenn man den Vortrag des Klägers zu § 24 SGB X schließlich als Rüge grundsätzlicher Bedeutung verstehen würde, führte dies ebenfalls nicht zur Zulassung, denn auch insoweit macht er nur geltend, das LSG habe die unterlassene Anhörung offensichtlich als "nicht so schlimm" angesehen.

10Die Bitte des Klägers in der Beschwerdebegründung um einen Hinweis, falls das Gericht weiteren Vortrag für erforderlich ansehe, führt nicht dazu, dass eine Entscheidung über die unzureichend begründete Beschwerde zurückzustellen wäre. Der Senat ist nicht verpflichtet, einen anwaltlich vertretenen Kläger vor einer Entscheidung auf Mängel der Beschwerdebegründung hinzuweisen. Die Bestimmung des § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt auch ohne Hilfe des Gerichts in der Lage ist, eine Nichtzulassungsbeschwerde formgerecht zu begründen (ua ; ; - juris RdNr 7). Gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang des § 73 Abs 4 SGG (; - juris RdNr 16)

11Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2019:300719BB8SO2619B0

Fundstelle(n):
UAAAH-28770