Instanzenzug: SG Detmold Az: S 28 R 67/15vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 8 R 174/17 Urteil
Gründe
I
1In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger zu 1. in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin zu 2. in der Zeit vom bis zum aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
2Der Kläger zu 1. war Geschäftsführer der Klägerin zu 2., einer GmbH, von deren Stammkapital er im streitigen Zeitraum 49,02 % hielt. Im Rahmen eines vom Kläger zu 1. initiierten Statusfeststellungsverfahrens stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass er in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2. aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Das SG Detmold hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom ), das LSG Nordrhein-Westfalen die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom ). Der Kläger zu 1. sei Beschäftigter, weil er nur Minderheitsgesellschafter ohne umfassende gesellschaftsvertraglich vereinbarte Sperrminorität gewesen sei. Eine Vereinbarung außerhalb des Gesellschaftervertrages sei statusrechtlich nicht relevant.
3Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
4Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Kläger haben in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG die beiden geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend bezeichnet.
51. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.
6Die Kläger zitieren zwar auf S 6 der Beschwerdebegründung eine rechtliche Aussage der Entscheidung des - BSGE 125, 183 = SozR 4-2400 § 7 Nr 35), dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer ausnahmsweise als Selbstständiger anzusehen sei, "wenn er exakt 50 vH der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ('echte' oder 'qualifizierte'), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschaftsbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können". Sie stellen dieser Aussage jedoch keine abweichenden Maßstäbe des LSG gegenüber. Durch das Zitat der Aussage des LSG, dass "eine derartige Regelung dem im GmbH-Recht geltenden Grundsatz der Verbandssouveränität widersprechen [würde] und damit nicht wirksam [wäre]", wird kein abweichender Maßstab bezeichnet. Die Kläger führen nicht aus, worauf sich der aus dem Zusammenhang gerissene Teilsatz des LSG bezieht, insbesondere welche "derartige Regelung" gemeint ist. Auch legen sie nicht dar, dass es sich um einen tragenden Rechtssatz handele, wozu jedoch mit Blick auf die Formulierungen des LSG ("Im Übrigen würde eine derartige Regelung … der Verbandssouveränität widersprechen") Anlass bestanden hätte.
7Dass - wie die Kläger weiter ausführen - das LSG "entgegen der ständigen Rechtsprechung des BSG" die Auffassung vertrete, dass Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem Kapitalanteil von 50 % oder weniger überhaupt nicht mehr sozialversicherungsfrei beschäftigt werden könnten, lässt sich dem zitierten Teilsatz nicht entnehmen. Die Kläger legen aber auch im Übrigen nicht dar, an welcher (anderen) Stelle das LSG eine solche Aussage getroffen haben soll. Dazu hätte aber Anlass bestanden, weil das LSG selbst ausdrücklich und im Wortlaut die Entscheidung des BSG zur umfassenden gesellschaftsrechtlich festgelegten Sperrminorität (s oben) zitiert und zum Maßstab gemacht hat.
8Soweit die Kläger vorbringen, sie seien der Auffassung, dass der vom LSG aufgegriffene Gesichtspunkt der sog Verbandssouveränität im GmbH-Recht "in diesem Zusammenhang falsch verstanden" werde, rügen sie keine Divergenz, sondern die materiell-rechtliche Unrichtigkeit der Auslegung des Gesellschaftsvertrags. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).
92. Die Kläger haben auch einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht hinreichend bezeichnet (vgl zu den Anforderungen insoweit exemplarisch - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 und B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4, jeweils mwN; Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 202 ff).
10Sie machen zunächst geltend, das LSG habe den seiner Urteilsfindung zugrunde gelegten Sachverhalt unzutreffend festgestellt, sodass es der Entscheidung des LSG "an der Überzeugungsbildung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens" mangele. Die Kläger machen damit offenbar eine Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG geltend, die jedoch nicht Gegenstand der Revisionszulassung sein kann (§ 160 Abs 1 Nr 3 Halbs 2 SGG). Auch soweit im Folgenden ausgeführt wird, das LSG habe sich "mit dem beachtenswerten Vortrag" nicht beschäftigt, dass die formgültigen Satzungsbestimmungen der Klägerin zu 2. - nach vorzunehmender ergänzender Vertrags- und Willenserklärungsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB - eine einschlägige Regelung im Sinne einer Sperrminorität enthalten hätten, bezeichnen die Kläger keinen Verfahrensmangel, insbesondere keine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 GG, § 62 SGG). Vielmehr ergibt sich aus ihrem eigenen Vorbringen, dass das LSG sich mit ihrem Vortrag ausdrücklich auseinandergesetzt hat. Der Sache nach wird daher auch insoweit nur eine fehlerhafte Rechtsauffassung des LSG (zur Auslegung der Satzungsbestimmungen) gerügt, die nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde sein kann (vgl dazu oben).
11Auch soweit die Kläger geltend machen, das Urteil des LSG leide an Widersprüchen und Zirkelschlüssen, wird kein Verfahrensfehler bezeichnet. Mit ihrem Vorbringen, dass die rechtliche Bewertung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags durch das LSG fehlerhaft sei, sie selbst "demgegenüber der Meinung" seien, dass die mehrjährige Unkündbarkeit auf die Unternehmereigenschaft des Klägers zu 1. hinweise, stellen die Kläger (erneut) nur die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung in Frage. Soweit sie darüber hinaus rügen, dass das LSG zu Unrecht das Fehlen einer eigenen Betriebsstätte des Klägers zu 1. festgestellt habe, liegt darin entweder das sinngemäße Vorbringen einer Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung, auf die die Revisionszulassung nicht gestützt werden kann (§§ 160 Abs 2 Nr 3, 128 Abs 1 S 1 SGG, siehe schon oben); oder es liegt darin die sinngemäße Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) durch das LSG. Die Zulässigkeit einer solchen Rüge setzt aber zumindest voraus, dass der Beschwerdeführer anführt, welchen Beweisantrag er gestellt und bis zur mündlichen Verhandlung aufrechterhalten hat, und dass das LSG diesem zu Unrecht nicht gefolgt sei (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Daran fehlt es hier.
123. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
134. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 S 1 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2019:240719BB12R919B0
Fundstelle(n):
TAAAH-28766