Begründete Befangenheitsanzeige wegen enger persönlicher Freundschaft eines Richters mit einer Prozesspartei
Gesetze: § 54 Abs 1 VwGO, § 42 Abs 2 ZPO, § 45 Abs 1 ZPO, § 48 ZPO
Instanzenzug: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Az: 4 S 756/17 Urteilvorgehend Az: 1 K 2198/14
Gründe
I
1Der Kläger begehrt die Aufhebung zweier ihn betreffender Stellungnahmen des Präsidialrats beim Bundesgerichtshof aus den Jahren 2013 und 2014 anlässlich der Bundesrichterwahlen in diesen beiden Jahren.
2Das Senatsmitglied Richter am Bundesverwaltungsgericht ... hat mit dienstlicher Äußerung vom mitgeteilt, dass er mit dem Kläger seit annähernd 20 Jahren gut befreundet sei, die Familien sich privat kennen würden und er private Kenntnis von dem Verfahren seit dessen Beginn im Jahr 2013 habe.
3Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zu der dienstlichen Äußerung Stellung zu nehmen. Sie haben hiervon keinen Gebrauch gemacht.
II
4Der Senat entscheidet anlässlich der dienstlichen Äußerung eines Senatsmitglieds über dessen Befangenheit gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 48, 45 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung des betreffenden Richters in der bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgesehenen Besetzung von drei Richtern (§ 10 Abs. 3 VwGO).
5Wegen Besorgnis der Befangenheit ist ein Richter an der Mitwirkung und Entscheidung eines Streitfalls gehindert, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO). Danach ist es nicht notwendig, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Andererseits reicht die rein subjektive Vorstellung eines Beteiligten, der Richter werde seine Entscheidung an persönlichen Motiven orientieren, nicht aus, wenn bei objektiver Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund für die Befürchtung ersichtlich ist. Die Besorgnis der Befangenheit ist dann gerechtfertigt, wenn aus der Sicht des Beteiligten hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln ( 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.>; Beschlüsse vom - 7 C 13.13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 16, vom - 2 KSt 1.11 - NVwZ 2013, 225 Rn. 4, vom - 2 AV 2.15 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 79 Rn. 7 und vom - 2 B 18.15 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 77 Rn. 37).
6Nahe persönliche Beziehungen eines Richters zu einer Partei können die Besorgnis der Befangenheit begründen. Dies gilt indes nicht generell. Ob die Besorgnis der Befangenheit mit Rücksicht auf freundschaftliche Beziehungen gerechtfertigt ist, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgebend ist, ob nach Art und Gegenstand des Verfahrens und der sich daraus ergebenden Interessenlage vernünftigerweise befürchtet werden muss, der Richter stehe aufgrund seiner persönlichen Beziehung zu einem Beteiligten der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Im Regelfall reicht etwa eine bloße Bekanntschaft oder auch eine lockere Freundschaft nicht aus, um aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten bei vernünftiger Würdigung an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln; dagegen können über das übliche Maß persönlicher oder kollegialer Bekanntschaft hinausgehende freundschaftliche Beziehungen oder gar eine enge Freundschaft zwischen Richter und Partei Umstände sein, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters begründen können (vgl. - BVerfGK 3, 297 <298 ff.> m.w.N.; RiZ (R) 1/15 - HFR 2016, 417 Rn. 3 m.w.N.; - BFH/NV 2019, 37 Rn. 12 m.w.N.; I-1 W 20/12 - NJW-RR 2012, 1209 Rn. 9 m.w.N.).
7Angesichts der in der dienstlichen Äußerung im vorliegenden Fall mitgeteilten Umstände einer langjährigen, guten Freundschaft mit Kontakten der Familien ist hier von einer engen persönlichen Freundschaft zwischen dem Kläger und dem dies anzeigenden Mitglied des Senats auszugehen. Dies begründet die Besorgnis der Befangenheit.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:180719B2C35.18.0
Fundstelle(n):
MAAAH-28336