BGH Urteil v. - I ZR 206/17

Zulässigkeit der Abgabe eines Brötchen-Gutscheins bei Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels - Brötchen-Gutschein

Leitsatz

Brötchen-Gutschein

1. Gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel bleiben nationale Vorschriften zur Preisbindung und zu ihrer Einhaltung von dieser Richtlinie unberührt.

2. Der weit zu verstehende Begriff der Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG umfasst abgesehen von den in § 7 HWG vorgesehenen Ausnahmen sowohl branchenbezogene als auch branchenferne Geschenke jeder Art und jeden Wertes.

3. Die in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Bezug genommenen Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (§ 78 Abs. 2 und 3 AMG) sind bei rein innerstaatlichen Sachverhalten auch nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale“ (Urteil vom - C-148/15, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36) weder aus unionsrechtlichen Gründen noch aus verfassungsrechtlichen Gründen unanwendbar oder unwirksam (Ergänzung zu , GRUR 2019, 203 = WRP 2019, 187 - Versandapotheke).

4. Mit Blick auf die Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG mit Wirkung vom kann die Spürbarkeit eines Verstoßes gegen die Arzneimittelpreisbindung nicht mehr wegen des geringen Wertes der Werbegabe verneint werden.

Gesetze: § 3a UWG, Art 4 Abs 3 EGRL 83/2001, § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 HeilMWerbG, § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 HeilMWerbG, § 78 Abs 2 AMG, § 78 Abs 3 AMG

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 6 U 164/16 Urteilvorgehend LG Darmstadt Az: 14 O 186/15

Tatbestand

1Die Beklagte betreibt in Darmstadt eine Apotheke. Sie händigte am einem Kunden anlässlich des Erwerbs eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Brötchen-Gutschein über "2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti" aus. Der Gutschein konnte bei einer in der Nähe der Apotheke gelegenen Bäckerei eingelöst werden.

2Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat mit ihrer Klage beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen,

es zu unterlassen, geschäftlich handelnd den Verkauf rezeptpflichtiger, preisgebundener Arzneimittel mit der kostenfreien Abgabe eines Brötchen-Gutscheins zu verknüpfen.

3Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Frankfurt, GRUR 2018, 208 = WRP 2018, 105). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Gründe

4A. Das Berufungsgericht hat die Klage als zulässig und begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:

5Der Klägerin stehe gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der kostenfreien Zugabe eines Brötchen-Gutscheins aus §§ 8, 3, 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG zu. In der Abgabe geringwertiger Kleinigkeiten, die entgegen den arzneimittelpreisrechtlichen Vorschriften erfolge, liege zugleich ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG. Sie habe dem Kunden beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels mit der Aushändigung eines Brötchen-Gutscheins einen Vorteil gewährt, der den Erwerb des Arzneimittels wirtschaftlich günstiger erscheinen lasse. Gerade wenn der Abgabepreis in allen Apotheken identisch sei, könnten auch Zuwendungen von geringem Wert den Kunden veranlassen, bei nächster Gelegenheit ein preisgebundenes Arzneimittel in der Hoffnung auf weitere Vergünstigungen wieder in derselben Apotheke zu erwerben. Unerheblich sei, dass der Gutschein nicht auf einen bestimmten Geldbetrag, sondern auf einen Sachwert laute. Der arzneimittelpreisrechtlichen Beurteilung stehe die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG nicht entgegen. Nach der inzwischen erfolgten Änderung des Gesetzes sei kein Raum mehr für eine an der heilmittelwerberechtlichen Spürbarkeitsschwelle orientierte Eingriffsschwelle. Auch seien im Streitfall weder die Warenverkehrsfreiheit betroffen noch die arzneimittelpreisrechtlichen Bestimmungen aus verfassungsrechtlichen Gründen unanwendbar oder restriktiv auszulegen.

6B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klage zulässig und der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG begründet ist.

7I. Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten zum Zeitpunkt seiner Vornahme wettbewerbswidrig war und sich auch noch nach der zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz geltenden Rechtslage als wettbewerbswidrig darstellt (st. Rspr.; vgl. Urteil vom - I ZR 237/16, GRUR 2019, 203 Rn. 13 = WRP 2019, 187 - Versandapotheke, mwN). Nach dem beanstandeten Verhalten der Beklagten im September 2014 ist das im Streitfall maßgebliche Recht durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl. I 2015 S. 2158) mit Wirkung vom novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus aber nicht. Der seither geltende § 3a UWG entspricht der bis dahin in § 4 Nr. 11 UWG aF enthalten gewesenen Regelung des Rechtsbruchtatbestands. Das zuvor in § 3 Abs. 1 UWG aF bestimmte Spürbarkeitserfordernis ist nunmehr im Tatbestand des § 3a UWG unmittelbar enthalten. Die Vorschrift führt die zuvor an unterschiedlichen Stellen im Gesetz geregelten Voraussetzungen des Rechtsbruchtatbestands an einer Stelle zusammen. Dies dient allein der einfacheren Rechtsanwendung und verdeutlicht durch den Wegfall der Bezugnahme auf § 3 Abs. 1 UWG zudem, dass es sich bei § 3a UWG um eine eigenständige Regelung außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken handelt (vgl. , GRUR 2016, 954 Rn. 11 = WRP 2016, 1100 - Energieeffizienzklasse I; Urteil vom - I ZR 232/16, GRUR 2018, 438 Rn. 10 = WRP 2018, 420 - Energieausweis, mwN).

8II. Das streitgegenständliche Verhalten der Beklagten ist nach §§ 3, 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG wettbewerbswidrig.

9Bei dem in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG geregelten Verbot handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) (dazu B II 1). Dieses Verbot ist mit der Richtlinie 2005/29/EG und mit der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vereinbar (dazu B II 2). Das im Streitfall gegebene Verhalten weist den für die Anwendung des Heilmittelwerbegesetzes erforderlichen Produktbezug auf (dazu B II 3) und ist auf Grundlage von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG auf die unzulässige Zuwendung einer Werbegabe gerichtet (dazu B II 4). Die dortigen Preisvorschriften verstoßen, soweit sie sich an im Inland ansässige Apotheken richten, weder gegen die in Art. 34 AEUV geregelte Warenverkehrsfreiheit noch gegen Verfassungsrecht (dazu B II 5). Der Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung ist auch im Sinne von § 3a UWG (§ 3 Abs. 1 UWG aF) geeignet, die Interessen von Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (dazu B II 6).

101. Das in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG enthaltene Verbot der Gewährung von Werbegaben entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) dar.

11a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) zu gewähren, es sei denn, es handelt sich um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produkts oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten. Nach der durch das Dritte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom (BGBl. I S. 3108) mit Wirkung vom eingeführten Ergänzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 HWG sind Zuwendungen oder sonstige Werbegaben für Arzneimittel unzulässig, "soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten". Nach § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG ist für vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossene Arzneimittel, soweit sie verschreibungspflichtig sind oder zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden, ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu gewährleisten. Der einheitliche Abgabepreis für solche Arzneimittel wird nach § 78 Abs. 3 Satz 1 AMG gemäß der Arzneimittelpreisverordnung festgelegt (vgl. § 3 AMPreisV).

12b) Das in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot von Werbegaben soll durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden (st. Rspr.; vgl. , GRUR 2017, 635 Rn. 27 = WRP 2017, 694 - Freunde werben Freunde; Urteil vom - I ZR 143/15, GRUR 2017, 641 Rn. 34 = WRP 2017, 536 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln, jeweils mwN). Soweit § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 HWG entgegen den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (§ 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG) gewährte Werbegaben generell verbietet, soll damit ein ruinöser Preiswettbewerb zwischen den Apotheken verhindert und so eine flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden (vgl. BGH, GRUR 2019, 203 Rn. 45 - Versandapotheke). Auch dieses Ziel dient dem Interesse der Verbraucher.

132. Das in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot von Zuwendungen und sonstigen Werbegaben ist mit den insoweit bestehenden unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar.

14a) Der Umstand, dass die Richtlinie 2005/29/EG, die keinen mit den Bestimmungen des § 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt, in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt hat (Art. 4 der Richtlinie), steht der Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG im Streitfall nicht entgegen. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Beschränkung der Möglichkeit, mit Werbegaben zu werben, stellt, soweit sie die in § 1 Abs. 1 HWG aufgeführten Produkte betrifft, eine unionsrechtskonforme nationale Regelung in Bezug auf die Gesundheitsaspekte von Produkten dar, die deshalb gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/EG von dieser unberührt bleibt (BGH, GRUR 2017, 635 Rn. 28 - Freunde werben Freunde; GRUR 2017, 641 Rn. 18 - Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln; GRUR 2019, 203 Rn. 17 - Versandapotheke).

15b) Dem in § 7 HWG enthaltenen grundsätzlichen Verbot der Wertreklame stehen jedenfalls für Arzneimittel, die der Preisbindung unterliegen, auch im Bereich der Öffentlichkeitswerbung die Regelungen der Richtlinie 2001/83/EG nicht entgegen.

16aa) Die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes zur Arzneimittelwerbung sind mit Blick auf die Regelungen der Richtlinie 2001/83/EG unionsrechtskonform auszulegen. Mit dieser Richtlinie ist die Arzneimittelwerbung vollständig harmonisiert worden (, Slg. 2007, I-9517 = GRUR 2008, 267 Rn. 20 bis 39 - Gintec; , GRUR 2010, 749 Rn. 31 = WRP 2010, 1030 - Erinnerungswerbung im Internet; BGH, GRUR 2019, 203 Rn. 22 - Versandapotheke). Die Fälle, in denen die Mitgliedstaaten befugt sind, von der Richtlinie abweichende Bestimmungen zu erlassen, sind dort ausdrücklich aufgeführt (EuGH, GRUR 2008, 267 Rn. 20 - Gintec).

17bb) Die Richtlinie 2001/83/EG regelt die Verkaufsförderung für Arzneimittel durch Prämien und finanzielle oder materielle Vorteile in ihrem Artikel 94 Abs. 1 allein für Personen, die zur Verschreibung oder zur Abgabe von Arzneimitteln befugt sind. Danach ist es verboten, solchen Personen eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile zu gewähren, anzubieten oder zu versprechen, sofern diese nicht von geringem Wert und für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang sind. Für die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel findet sich in der Richtlinie keine entsprechende Regelung. Die Richtlinie lässt eine entsprechende nationale Regelung allerdings als Regelung zur Festsetzung der Arzneimittelpreise zu. Nach Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG berühren die Bestimmungen dieser Richtlinie nicht die Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise und ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich der innerstaatlichen Krankenversicherungssysteme aufgrund gesundheitlicher, wirtschaftlicher und sozialer Bedingungen.

18(1) Im Schrifttum wird teilweise die Ansicht vertreten, dass das Verbot der Wertwerbung aus Art. 94 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG (vormals: Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/28/EWG) für die Publikumswerbung entsprechend gilt (vgl. Gröning in Gröning/Mand/Reinhart, Heilmittelwerberecht, August 1998, Art. 9 und 10 der Richtlinie 92/28/EWG Rn. 2) oder die Öffnungsklausel in Art. 94 Abs. 4 der Richtlinie 2001/83/EG, nach der die in den Mitgliedstaaten bestehenden Maßnahmen oder Handelspraktiken hinsichtlich der Preise, Gewinnspannen und Rabatte unberührt bleiben, im Bereich des Arzneimittelpreisrechts auf die Publikumswerbung entsprechend anzuwenden ist (Mand in Gröning/Mand/Reinhart aaO Januar 2015, § 7 Rn. 53; ders. in Prütting, Medizinrecht, 4. Aufl., § 7 HWG Rn. 20; ders., GRUR 2016, 556, 559; Mand/Rektorschek, WRP 2015, 429, 432; Rektorschek, Preisregulierung und Rabattverbote für Arzneimittel, 2011, S. 243 f.). Nach anderer Auffassung ist das Verbot der Wertreklame in der Publikumswerbung für Arzneimittel in § 7 HWG nur insoweit unionsrechtskonform, als die Arzneimittelwerbung entgegen Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG den unzweckmäßigen Einsatz von Arzneimitteln fördert (vgl. Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 5. Aufl., § 7 Rn. 59, 71; Braun, A&R 2019, 33, 34; vgl. auch Reese in Doepner/Reese, HWG, 3. Aufl., Einl. Rn. 116, § 7 Rn. 213; für den Bereich außerhalb der Arzneimittelpreisbindung Mand in Gröning/Mand/Reinhart aaO § 7 Rn. 53; Mand, GRUR 2016, 556, 559; Mand/Rektorschek, WRP 2015, 429, 432).

19(2) Die Frage, ob das Verbot von Wertreklame im Bereich der Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel gemäß § 7 HWG generell unionsrechtskonform ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Ein solches Verbot ist jedenfalls insoweit unionsrechtskonform, als es die Einhaltung der Arzneimittelpreisbindung sichert.

20Die Mitgliedstaaten müssen die Arzneimittelwerbung nur dann den Anforderungen der Richtlinie 2001/83/EG unterwerfen, wenn ihnen nicht ausdrücklich die Befugnis eingeräumt wird, andere Regelungen zu treffen (EuGH, GRUR 2008, 267 Rn. 20 - Gintec). Eine entsprechende Befugnis enthält für den Bereich der preisgebundenen Arzneimittel die Vorschrift des Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG. Danach berühren die Bestimmungen dieser Richtlinie nicht die Zuständigkeiten der Behörden der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festsetzung der Arzneimittelpreise. Dementsprechend bleiben nationale Vorschriften zur Preisbindung und - da die Festsetzung dieser Preise sonst unterlaufen werden könnte - zur Einhaltung dieser Preisbindung durch die Richtlinie 2001/83/EG unberührt (OVG Münster, PharmR 2017, 557, 562 [juris Rn. 113]).

213. Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist im Streitfall anwendbar. Die in Rede stehende Gewährung eines Brötchen-Gutscheins weist den für die Anwendung des Heilmittelwerbegesetzes erforderlichen Produktbezug auf.

22a) Das Heilmittelwerbegesetz gilt allein für produktbezogene Werbung, das heißt nur für Produkt- und Absatzwerbung, nicht dagegen für allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Produkte für das Ansehen und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt. Für die Frage, ob eine Werbegabe produktbezogen ist, kommt es maßgeblich darauf an, ob die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht. Auch eine Werbung für das gesamte Warensortiment der Apotheke kann produktbezogen sein (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2017, 635 Rn. 30 - Freunde werben Freunde; GRUR 2019, 203 Rn. 19 - Versandapotheke).

23b) Nach diesen Maßstäben kommt der in Rede stehenden Werbegabe der erforderliche Produktbezug zu. Bei der gewährten Vergünstigung in Form eines Brötchen-Gutscheins geht es weder um die Anpreisung der Leistungen der Apotheke noch um eine Zuwendung aus anderen unternehmensbezogenen Gründen. Die in Rede stehende Werbegabe wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Einlösung eines Rezepts für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel gewährt und war damit ohne weiteres produktbezogen.

244. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich bei dem mit der Rezepteinlösung ausgehändigten Brötchen-Gutschein um eine nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG unzulässige Werbegabe handelt.

25a) Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen die arzneimittelrechtlichen Preisbestimmungen bejaht. Die Beklagte habe einem Kunden beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels mit der Aushändigung des Brötchen-Gutscheins einen Vorteil gewährt, der den Erwerb des Arzneimittels wirtschaftlich günstiger erscheinen lasse. Nach der Lebenserfahrung könnten - gerade wenn der Abgabepreis in allen Apotheken identisch sei - auch Zuwendungen von geringem Wert den Kunden veranlassen, bei nächster Gelegenheit ein preisgebundenes Arzneimittel in der Hoffnung auf weitere Vergünstigungen wieder in derselben Apotheke zu erwerben. Unerheblich sei, dass der ausgegebene Gutschein nicht auf einen bestimmten Geldbetrag, sondern auf einen Sachwert laute. Entscheidend sei vielmehr, ob der gewährte Vorteil nach der Verkehrsauffassung den Erwerb des Arzneimittels bei der fraglichen Apotheke wirtschaftlich günstiger erscheinen lasse. Dies sei bei einem Brötchen-Gutschein zweifelsfrei der Fall. Die Auslobung eines ansprechenden Sachwerts auf dem Gutschein stelle aus Kundensicht sogar einen stärkeren Anreiz dar als ein Gutschein, der auf einen entsprechenden Cent-Betrag laute und nicht sogleich erkennen lasse, was mit ihm erworben werden könne. Sofern die Sachangabe für den Kunden einen wirtschaftlichen Wert habe, an den Erwerb des Arzneimittels gekoppelt sei und nicht nur - wie etwa die Überlassung eines Traubenzuckers oder einer Packung Taschentücher - als Ausdruck von Kundenfreundlichkeit aufgefasst werde, unterlaufe die Apotheke damit ebenfalls die Preisbindung.

26b) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Brötchen-Gutschein stelle einen Vorteil dar, der den Erwerb des Arzneimittels für den Kunden günstiger erscheinen lasse, und werde auch nicht nur als Ausdruck von Kundenfreundlichkeit aufgefasst, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

27aa) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung nicht nur vorliegt, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem niedrigeren Preis abgibt. Die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden vielmehr auch dann verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der vorgeschriebene Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen (vgl. , GRUR 2010, 1138 Rn. 17 = WRP 2010, 1482 - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE, mwN; BGH, GRUR 2017, 635 Rn. 37 - Freunde werben Freunde; GRUR 2019, 203 Rn. 29 - Versandapotheke).

28bb) Der Arzneimittelpreisbindung unterfällt jede Werbegabe nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, die dem Kunden einen geldwerten Vorteil gewährt. Die Revision rügt ohne Erfolg, der Brötchen-Gutschein habe keinen einem Barrabatt ähnlichen Charakter, sondern stelle eine der Kundenbindung dienenden Maßnahme dar. Es kommt nicht darauf an, welcher Zweck mit der Gewährung des den Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes widersprechenden Vorteils verfolgt wird. Desgleichen kommt es nicht darauf an, ob der Wert dieses Gutscheins - wie die Revision unter Bezugnahme auf den Vortrag der Beklagten behauptet - lediglich 30 Cent beträgt. Der Begriff der Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist weit zu verstehen. Er umfasst sowohl branchenbezogene als auch branchenferne Geschenke jeder Art und - abgesehen von den in § 7 HWG geregelten Ausnahmen - jeden Wertes (Reese in Doepner/Reese, HWG, 3. Aufl., § 7 Rn. 92).

29cc) Es liegt keine der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 HWG geregelten Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Wertreklame vor. Im Streitfall kommt von vornherein allenfalls eine Einordnung des Gutscheins als handelsübliches Zubehör oder handelsübliche Nebenleistung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG in Betracht. Die Ausnahmebestimmung greift zwar auch bei preisgebundenen Arzneimitteln, da sie insoweit keine Einschränkung enthält (Reese in Doepner/Reese aaO § 7 Rn. 140; Mand in Gröning/Mand/Reinhart aaO § 7 Rn. 174 und 235). Bei dem Brötchen-Gutschein handelt es sich aber ersichtlich weder um ein Zubehör noch um eine Nebenleistung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG. Maßgeblich für die Eigenschaft als Zubehör ist eine funktionale Beziehung zur Hauptware ( Ib ZR 57/65, GRUR 1968, 53, 55 - Probetube, zur ZugabeV; Reese in Doepner/Reese aaO § 7 Rn. 142; Mand in Gröning/Mand/Reinhart aaO § 7 Rn. 236), an der es im Streitfall fehlt. Eine Nebenleistung muss geeignet sein, die Durchführung der Hauptleistung sachlich zu ermöglichen oder zu fördern (vgl. , GRUR 1994, 230, 232 [juris Rn. 19] = WRP 1994, 108, 109 - Euroscheck-Differenzzahlung, zur ZugabeV mwN; Reese in Doepner/Reese aaO § 7 Rn. 148 mwN); auch dies trifft im Streitfall nicht zu.

30dd) Soweit die Revision allgemein der Kundenbindung dienende, kundenfreundliche Aufmerksamkeiten vom Verbot der Wertreklame bei preisgebundenen Arzneimitteln ausnehmen will, bietet die Regelung des § 7 HWG hierfür keine Grundlage mehr. Das Berufungsgericht hat die Zuwendung von geringwertigen Sachwerten, die - wie Traubenzucker oder Taschentücher - als Ausdruck der Kundenfreundlichkeit aufgefasst werden, unter Hinweis auf eine entsprechende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster für zulässig gehalten (vgl. OVG Münster, PharmR 2017, 557, 560 [juris Rn. 65]). Auch die Revisionserwiderung hält solche traditionellen Sachzugaben für zulässig und möchte die Zugabe des Brötchen-Gutscheins lediglich als neue Form der Kundenbegünstigung verbieten lassen. Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Ergänzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG mit Wirkung zum (BGBl. I S. 3108) abhängig von der Motivation des Werbenden bestimmte Werbegaben vom Verbot hat ausnehmen wollen. Die Passage in den Gesetzgebungsmaterialien, wonach eine Differenzierung zwischen der Bewertung von Barrabatten und geldwerten Rabatten, die zu einem späteren Zeitpunkt eingelöst werden können, sachlich nicht gerechtfertigt ist (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks. 17/13770, S. 21), meint mit dem Begriff der geldwerten Rabatte nicht allein betragsmäßige Werbegaben in Form von Wert-Gutscheinen. Dies wird insbesondere durch die nachfolgenden Ausführungen deutlich, nach denen der Verbraucher "in keinem Fall" durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden soll. Die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung ist nicht geringer, wenn dem Kunden statt eines zu einem späteren Zeitpunkt einlösbaren Wert-Gutscheins unmittelbar der in dem Wert-Gutschein verbriefte Wert als Sachleistung zugewandt wird und er statt eines beim nächsten Einkauf einlösbaren Gutscheins über ein Brötchen sogleich ein Brötchen erhält. Im Übrigen handelt es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch beim Brötchen-Gutschein um einen "geldwerten Rabatt" im weiteren Sinne, der nicht beim Kauf gewährt wird, sondern zu einem späteren Zeitpunkt zur Bezahlung des Brötchens eingelöst werden kann. Danach ist die Gewährung von geringwertigen Werbegaben jedenfalls dann, wenn allein preisgebundene Arzneimittel erworben werden, nicht mehr zulässig, es sei denn, es liegt eine der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 HWG geregelten Ausnahmen vor.

315. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Bezug genommenen Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes auch mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale" weder aus unionsrechtlichen Gründen noch aus verfassungsrechtlichen Gründen unanwendbar oder unwirksam sind.

32a) Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale" stellt eine nationale Regelung, die vorsieht, dass für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel einheitliche Apothekenabgabepreise festgesetzt werden, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne des Art. 34 AEUV dar. Die Preisbindung wirke sich auf die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker aus als auf die Abgabe solcher Arzneimittel durch im Inland ansässige Apotheken und könne den Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten dadurch stärker behindern als für inländische Erzeugnisse (, GRUR 2016, 1312 Rn. 26 f. = WRP 2017, 36 - Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale). Die Preisbindung könne nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen im Sinne des Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden, weil keine hinreichenden Nachweise dafür vorlägen, dass die Festsetzung einheitlicher Apothekenabgabepreise für verschreibungspflichtige Humanarzneimittel die angestrebten Ziele erreichen könne (EuGH, GRUR 2016, 1312 Rn. 34 bis 46 - Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale).

33b) Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es im vorliegenden Zusammenhang - anders als bei einer Klage gegen eine ausländische Versandapotheke - nicht darauf ankommt, ob die in Rede stehenden nationalen Preisvorschriften mit der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV vereinbar sind (vgl. dazu BGH, GRUR 2017, 635 Rn. 39 bis 50 - Freunde werben Freunde). Im Streitfall geht es allein um die Frage, ob die im Inland ansässige Beklagte beim Vertrieb von Arzneimitteln innerhalb Deutschlands gegen arzneimittelrechtliche Preisvorschriften verstoßen hat. In Rede steht hier ein rein innerstaatlicher Sachverhalt ohne grenzüberschreitenden Bezug. Auf ihn sind die Regelungen der Art. 34 bis 36 AEUV nicht anwendbar (, GRUR Int. 2017, 259 Rn. 38 bis 43 = WRP 2017, 288 - Queisser Pharma; , GRUR 2017, 1281 Rn. 44 = WRP 2018, 60 - Großhandelszuschläge; BGH, GRUR 2019, 203 Rn. 34 - Versandapotheke).

34c) Rechtsfehlerfrei ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Arzneimittelpreisbindung beanspruche für im Inland ansässige Apotheken weiterhin Geltung. Der Umstand, dass ausländische Versandapotheken nach der aktuellen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union der Preisbindung nicht unterliegen, führt zu keiner relevanten Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG (dazu B II 5 c aa). Entgegen der Ansicht der Revision bestehen auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die mit dem einheitlichen Apothekenabgabepreis verbundene Einschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit nicht (mehr) gerechtfertigt ist (dazu B II 5 c bb).

35aa) Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes liegt vor, wenn es für eine Ungleichbehandlung keinen sachlichen Grund gibt (vgl. BGH, GRUR 2019, 203 Rn. 39 - Versandapotheke). Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt nicht, dass die Regelung für Inländer derjenigen für andere Unionsbürger entsprechen muss, solange die Ungleichbehandlung auf sachlichen Gründen beruht.

36Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass Apotheken mit Sitz in Deutschland und Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zwar faktisch unterschiedlich behandelt werden, soweit sie Kunden in Deutschland im Versandwege mit Arzneimitteln beliefern, diese Ungleichbehandlung aber sachlich gerechtfertigt ist. Ein gewichtiger sachlicher Grund ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass der nationale Gesetzgeber in seiner Gestaltungsfreiheit beim grenzüberschreitenden Verkauf von Arzneimitteln durch die im Primärrecht der Europäischen Union geregelte Warenverkehrsfreiheit und die dazu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, nicht dagegen insoweit eingeschränkt ist, als der Vertrieb von Arzneimitteln innerhalb Deutschlands zu regeln ist (vgl. BVerfGK 17, 18, 21 [juris Rn. 16]; BVerwGE 140, 276 Rn. 44; OVG Münster, PharmR 2017, 459, 461 [juris Rn. 18]; vgl. auch Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 477 f.; Albers, JZ 2008, 708, 713 f.). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale" zudem angenommen, dass sich die Arzneimittelpreisbindung im Hinblick auf die Besonderheiten des deutschen Marktes auf in Deutschland ansässige Apotheken weniger stark auswirkt als auf in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken, da diese für einen unmittelbaren Zugang zum deutschen Markt in besonderem Maße auf den Versandhandel angewiesen sind (EuGH, GRUR 2016, 1312 Rn. 25 f. - Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale). Auch dieser Umstand rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung von in Deutschland ansässigen Apotheken einerseits und in anderen Mitgliedstaaten der europäischen Union ansässigen Apotheken andererseits (BGH, GRUR 2019, 203 Rn. 40 - Versandapotheke; OVG Münster, PharmR 2017, 459, 461 [juris Rn. 18]).

37bb) Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die weitere Geltung der arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften für im Inland ansässige Apotheken nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt. Der mit den Bestimmungen des § 78 Abs. 1 und 2 AMG einhergehende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (vgl. BGH, GRUR 2019, 203 Rn. 43 - Versandapotheke, mwN) ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber darf Berufsausübungsregelungen treffen, wenn diese durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die durch sie bewirkte Beschränkung den Betroffenen zumutbar ist (BVerfG, NVwZ 2009, 905, 907 [juris Rn. 22] mwN).

38(1) Die gesetzlichen Regelungen über die Preisbindung dienen vernünftigen Gründen des Gemeinwohls (vgl. OVG Münster, PharmR 2017, 557, 561 f. [juris Rn. 83 bis 111]). Zweck des festgelegten, einheitlichen und verbindlichen Apothekenabgabepreises an die Endverbraucher ist die Sicherstellung der im öffentlichen Interesse gebotenen flächendeckenden und gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes, BT-Drucks. 11/5373, S. 27). Der einheitliche Apothekenabgabepreis soll auf der Handelsstufe der Apotheken mit Blick auf deren Beratungsfunktion einen Preiswettbewerb ausschließen oder jedenfalls vermindern. Insbesondere in unattraktiven Lagen sollen sich Apotheken keinen Preiskampf liefern. Dadurch soll im öffentlichen Interesse die gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt werden. Zudem soll die Regelung dazu dienen, das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern (vgl. GmS-OGB 1/10, BGHZ 194, 354 Rn. 25).

39(2) Bei der Einschätzung, ob eine gesetzliche Bestimmung zur Erreichung ihres Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne ist, kommt dem Gesetzgeber, soweit er Regelungen mit Auswirkungen auf die Berufsfreiheit, insbesondere auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung, trifft, ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ein Mittel ist danach in diesem Bereich bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinn geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung ausreicht (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 119, 59, 84 [juris Rn. 86]; 134, 204 Rn. 79; BVerfG, NJW 2018, 2109 Rn. 37, jeweils mwN). In Bezug auf die Geeignetheit und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele ist der Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum erst dann überschritten, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können (vgl. BVerfGE 13, 97, 107 [juris Rn. 23]; 77, 84, 106 [juris Rn. 75]; 117, 163, 189 [juris Rn. 65]; 121, 317, 354 [juris Rn. 103]; BVerfG, NVwZ-RR 2013, 985, 986 [juris Rn. 24]; , GRUR 2016, 836 Rn. 30 = WRP 2016, 985 - Abschlagspflicht II; BVerwGE 149, 265 Rn. 42; vgl. auch OVG Münster, PharmR 2017, 557, 561 [juris Rn. 89]).

40(3) Nach diesen Maßstäben ist es in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass die Arzneimittelpreisregulierung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist (vgl. BVerfG, NJW 2016, 1436 Rn. 16 und 24; , juris Rn. 31, jeweils mwN; vgl. weiter auch OVG Münster, PharmR 2017, 557, 561 [juris Rn. 89 bis 102]). Die geordnete Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln stellt die vorrangige Aufgabe des Apothekers dar, hinter der das Streben nach Gewinn zurückzutreten hat (vgl. BVerfGE 17, 232, 238 bis 240 [juris Rn. 32 bis 36, 53, 96 und 98]).

41(4) Der vom Gerichtshof der Europäischen Union gesehene Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit führt nicht zur materiellen Verfassungswidrigkeit der Preisbindungsvorschriften (BVerfG, NJW 2016, 1436 Rn. 16). Ebenso wenig rechtfertigen denkbare tatsächliche Konsequenzen der Entscheidung am Maßstab des deutschen Verfassungsrechts eine abweichende Beurteilung durch das Revisionsgericht.

42Eine ursprünglich verfassungsgemäße Norm kann allerdings durch die Änderung der Verhältnisse verfassungswidrig werden (vgl. BVerfGE 39, 169, 185 f. [juris Rn. 72]; 66, 214, 222 und 224 bis 226 [juris Rn. 21 und 27 bis 33]). Unter Berücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Ermessens ist die Verhältnismäßigkeit der Preisvorschriften jedoch erst dann in Frage gestellt, wenn der Gesetzeszweck infolge des Umfangs der Tätigkeit ausländischer Versandapotheken im Bereich der preisgebundenen Arzneimittel nicht mehr allgemein erreicht werden kann oder die gesetzliche Regelung angesichts des Konkurrenzdrucks aus dem europäischen Ausland nicht mehr zumutbar ist (vgl. Gundel, DVBl 2007, 269, 277 mwN; vgl. auch - zum Meisterzwang - BVerfG, WRP 2006, 463, 465 f. [juris Rn. 21 f.]). Insofern ist es nicht ausgeschlossen, dass der Wettbewerbsdruck, der von den insoweit privilegierten Versandapotheken ausgeht, die von anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus Arzneimittel nach Deutschland liefern, die Beschränkungen für die inländischen Apotheken so schwerwiegend werden lässt, dass sie mit den gesetzgeberischen Regelungszielen nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl. BGH, GRUR 2019, 203 Rn. 49 - Versandapotheke; Hammerl, Inländerdiskriminierung, 1997, S. 192).

43Danach führt der Umstand, dass die nur noch für einen Teil der Adressaten, für die sie bestimmt war, geltende nationale Regelung die verbliebenen Adressaten härter trifft, weil ihre im Anwendungsbereich des Unionsrechts agierenden Mitbewerber der Regelung nicht unterworfen sind, für sich genommen nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Preisvorschriften. Der Gesetzgeber hat mit der Ergänzung des § 78 Abs. 2 Satz 1 AMG durch das Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV vom (BGBl. I S. 1050, 1055 - AMVSG) um einen Halbsatz 2 zum Ausdruck gebracht, dass der mit der Preisbindung für bestimmte Arzneimittel verfolgte Zweck der Sicherstellung der Versorgung der Arzneimittelverbraucher auch nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache "Deutsche Parkinson Vereinigung/Zentrale" fortbesteht (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs des AMSVG, BT-Drucks. 18/10208, S. 41). Eine für die verfassungsrechtliche Beurteilung relevante Änderung der Verhältnisse setzte voraus, dass Versandapotheken verschreibungspflichtige Arzneimittel auf dem inländischen Markt ohne Rücksicht auf die Preisbindung tatsächlich in einem Umfang veräußerten, dass eine ernsthafte Existenzbedrohung inländischer Präsenzapotheken eintreten würde und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr gewährleistet wäre (BGH, GRUR 2019, 203 Rn. 50 - Versandapotheke; Hammerl aaO S. 192). Davon, dass eine solche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse bereits eingetreten ist, geht auch die Revision nicht aus.

44(5) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung erst ergäben, wenn der Gesetzeszweck durch die Tätigkeit ausländischer Versandhandelsapotheken unterlaufen werde. Dies sei erst der Fall, wenn Versandhandelsapotheken verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rücksicht auf die Preisbindung in solchem Umfang auf den inländischen Markt brächten, dass eine ernsthafte Existenzbedrohung inländischer Präsenzapotheken einträte und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr gewährleistet wäre. Mit Blick darauf fehle es nach dem Vortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten an ausreichenden Anhaltspunkten, dass derart weitreichende Folgen zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten seien. Insofern reichten weder die massive Werbung ausländischer Versandapotheken mit Rabatten bis zu 30 € pro Einlösung eines Rezeptes noch Presseberichte über eine im Verhältnis zur Üblichkeit achtfachen Kundenanfrage oder Umgehungsversuche durch nationale Apotheken aus, um von einer spürbaren oder gar existenzbedrohenden Verschiebung der Nachfrage auszugehen. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass ein Ausmaß erreicht sei, das den gesetzgeberischen Zweck der Preisbindung weitgehend leerlaufen lasse. Aus einem von der Beklagten vorgelegten, von der Apothekengenossenschaft in Auftrag gegebenen Gutachten folge nichts Anderes. Die dort angestellten Prognosen einer Verschiebung der Marktanteile infolge der Rechtsprechung des Gerichtshofs seien kein Beleg dafür, dass es bereits zu einer Verdrängung nationaler Apotheken gekommen sei oder diese unmittelbar bevorstehe. Zum gegenwärtigen Marktanteil ausländischer Versandapotheken habe die Beklagte keine konkreten Behauptungen aufgestellt.

45Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Die Würdigung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen durch das Berufungsgericht verstößt insbesondere nicht gegen § 286 ZPO.

46Das Revisionsgericht ist nach § 559 ZPO grundsätzlich an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden. Es überprüft die tatrichterliche Würdigung lediglich dahin, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 Abs. 1 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. , GRUR 2016, 176 Rn. 32 = WRP 2016, 57 - Tauschbörse I, mwN; Urteil vom - I ZR 150/15, NJW 2018, 2412 Rn. 44).

47In diesem Sinne hat das Berufungsgericht sämtliche von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen in seine Beurteilung einer nicht hinreichend dargelegten spürbaren Marktverschiebung zu Lasten der inländischen Apotheken eingestellt und sich mit ihnen umfassend auseinandergesetzt. Die Revision zeigt keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze auf, sondern setzt lediglich ihre Würdigung an die Stelle der des Berufungsgerichts.

48Ohne Erfolg wendet die Revision ein, es widerspreche der Lebenserfahrung, dass das Anbieten oder Gewähren von Preisnachlässen von bis zu 30 € keinen außerordentlichen Anreiz für Verbraucher darstelle, Arzneimittel künftig bei einer im Ausland ansässigen Versandapotheke zu erwerben. Die Würdigung des Berufungsgerichts steht dem schon nicht entgegen. Es hat den Aspekt berücksichtigt, aber für nicht für durchgreifend erachtet, weil das Maß einer möglichen Marktverschiebung nicht feststellbar sei. Die Annahme, es könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass Verbraucher, die seit jeher gewohnt seien, Apotheken aufzusuchen und auch dort beraten werden, allein wegen der Rabatte zu Versandapotheken wechseln, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

49Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht auch nicht rechtsfehlerhaft den Marktanteil ausländischer Versandapotheken aus einem anderen Verfahren zugrunde gelegt, sondern maßgeblich darauf abgestellt, dass die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte keine konkreten Behauptungen zum gegenwärtigen Marktanteil aufgestellt hat. Soweit die Revision auf die Vielzahl der vorgetragenen Umstände für eine aus ihrer Sicht signifikante Marktverschiebung verweist, hält sie selbst einen entsprechenden Schluss nicht für zwingend, sondern lediglich für "naheliegend". Anhaltspunkte dafür, dass das Berufungsgericht erhebliches Vorbringen übergangen hat, zeigt sie nicht auf.

50Schließlich führt auch der von der Revision angesprochene Umstand, dass bei individuell zusammengestellten Arzneimittelblistern kein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung vorliegt (vgl. , GRUR 2015, 1033 Rn. 14 = WRP 2015, 1105 - Patientenindividuell zusammengestellte Arzneimittelblister), nicht dazu, dass die Arzneimittelpreisbindung insgesamt nicht mehr verhältnismäßig ist. Das Berufungsgericht hat die Schätzung der Beklagten, diese besondere Form der Arzneimittelvergabe betreffe 50% des Arzneimittelbedarfs, als unsubstantiiert zurückgewiesen, ohne dass die Revision dem in revisionsrechtlich relevanter Weise entgegengetreten ist.

516. Entgegen der Ansicht der Revision ist das beanstandete Verhalten der Beklagten auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern und Mitbewerbern spürbar im Sinne von § 3a UWG (§ 3 Abs. 1 UWG aF) zu beeinträchtigen.

52a) Das Berufungsgericht hat angenommen, mit Blick auf die Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG mit Wirkung zum sei für eine Spürbarkeitsschwelle kein Raum mehr. In der Abgabe geringwertiger Kleinigkeiten, die entgegen den arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften erfolgt, liege zugleich ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG.

53b) Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Nach dem Zweck der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass dem von der Beklagten begangenen Wettbewerbsverstoß die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher fehlt.

54aa) Die Frage, ob eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung besteht, ist nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Marktverhaltensregelung zu beurteilen (zum Gesundheitsschutz vgl. , GRUR 2018, 745 Rn. 13 = WRP 2018, 822 - Bio-Gewürze II; Urteil vom - I ZR 235/16, GRUR 2019, 97 Rn. 11 = WRP 2019, 58 - Apothekenmuster). Bei dieser Beurteilung sind diejenigen Zwecke zu berücksichtigen, die die Einordnung der Vorschrift als Marktverhaltensregelung rechtfertigen, weil sie die Interessen der Marktteilnehmer betreffen.

55Die Regelung des § 7 Abs. 1 HWG soll durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden (vgl. oben unter B II 1). Weiterhin sind die Zwecke der Vorschriften über die Arzneimittelpreisbindung zu berücksichtigen (vgl. dazu GmS-OGB, BGHZ 194, 354 Rn. 25). Das heilmittelwerberechtliche Verbot der Werbung mit Leistungen, die gegen die Arzneimittelpreisbindung verstoßen, soll insbesondere sicherstellen, dass die Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung eingehalten werden und die Apotheken diejenigen Handelszuschläge erhalten, die ihnen danach zustehen (vgl. Begründung des Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, BT-Drucks. 16/194 S. 11). Dagegen kommt den fiskalisch und sozialpolitisch motivierten weiteren Zwecksetzungen, das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern, im Rahmen des § 3a UWG und damit auch bei der Beurteilung der Frage, ob eine spürbare Interessenbeeinträchtigung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, keine Bedeutung zu.

56bb) Vor diesem Hintergrund ist eine spürbare Interessenbeeinträchtigung im Sinne von § 3a UWG, § 3 UWG aF schon bei der Gewährung eines Gutscheins für ein Brötchen bei der Einlösung eines Rezepts für ein Arzneimittel zu bejahen.

57(1) Die Werbung entgegen den Preisbindungsvorschriften führt nach der vom Gesetzgeber vorgenommenen Beurteilung des Sachverhalts zu einem Preiswettbewerb zwischen den Apotheken. Der Gesetzgeber ist bei der mit Wirkung vom vorgenommenen Änderung des Heilmittelwerbegesetzes davon ausgegangen, dass jede gesetzlich verbotene Abweichung vom Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel geeignet ist, einen unerwünschten Preiswettbewerb zwischen den Apotheken auszulösen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, PharmR 2018, 611, 616 [juris Rn. 40]). Für eine betragsmäßige Spürbarkeitsschwelle beim Erwerb preisgebundener Arzneimittel ist damit kein Raum mehr (vgl. OLG Frankfurt, WRP 2015, 759, 760 [juris Rn. 10]; , juris Rn. 74; OLG München, GRUR-RR 2017, 451, 455 [juris Rn. 73 f.]; OVG Lüneburg, PharmR 2017, 459, 462 [juris Rn. 22]; OVG Münster, PharmR 2017, 557, 563 [juris Rn. 127]; Reese in Doepner/Reese aaO § 7 Rn. 123; Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius aaO § 7 Rn. 56 f.; aA Dietel, PharmR 2013, 449, 451 f.). Die eindeutige gesetzliche Regelung, nach der jede Gewährung einer Zuwendung oder sonstigen Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG, die gegen die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes verstößt, unzulässig ist, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein solcher Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG als nicht spürbar eingestuft und damit als nicht wettbewerbswidrig angesehen wird.

58(2) Nach der Fassung, in der die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG bis zum gegolten hat, war es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) zu gewähren, es sei denn, es handelte sich um geringwertige Kleinigkeiten. Unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung wurde diese Schwelle von der Rechtsprechung ungeachtet der unterschiedlichen Zielrichtungen des Arzneimittelpreisrechts einerseits und des Heilmittelwerberechts andererseits auf das Arzneimittelpreisrecht übertragen. Auch arzneimittelpreisrechtlich lag daher in den Fällen, in denen es sich bei Zuwendungen und sonstigen Werbegaben ihrem Wert nach um geringwertige Kleinigkeiten handelte, ein Verstoß vor, der nicht geeignet war, den Wettbewerb oder die Interessen von Marktteilnehmern in relevanter Weise zu beeinträchtigen (vgl. , GRUR 2010, 1133 Rn. 21 = WRP 2010, 1471 - Bonuspunkte; BGH, GRUR 2010, 1136 Rn. 24 - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE; , GRUR 2013, 1264 Rn. 19 f. = WRP 2013, 1587 - RezeptBonus).

59(3) Der Gesetzgeber hat unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks. 17/13770, S. 21) den zuvor gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG nur für Barrabatte geltenden Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem Arzneimittelpreisrecht durch das Dritte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom (BGBl. I S. 3108) mit Wirkung vom ausdrücklich auf Zuwendungen im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG erstreckt. Nach der Begründung dieses Gesetzes sollten auch Werbegaben in Form von geringwertigen Kleinigkeiten unzulässig sein (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks. 17/13770, S. 21). Der Verstoß gegen aufgrund des Arzneimittelrechts geltende Preisvorschriften führe auch bei nicht mit Barrabatten, sondern mit Zugaben oder Werbegaben in Form von geringwertigen Kleinigkeiten betriebenen Rabattaktionen für Arzneimittel zur Unzulässigkeit der Werbegabe. Eine Unterscheidung zwischen der Bewertung von Barrabatten und zu einem späteren Zeitpunkt einlösbaren geldwerten Rabatten sei sachlich nicht gerechtfertigt. Der Verbraucher solle in keinem Fall durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden.

60(4) Entgegen der Ansicht der Revision beruht das Erfordernis einer spürbaren Interessenverletzung aus § 3a UWG nicht auf der unionsrechtlichen Vorgabe, dass eine Geschäftspraxis nur dann unlauter und zu verbieten ist, wenn sie das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen geeignet ist, weil sie seine Fähigkeit, eine informierte eigenständige Entscheidung zu treffen, spürbar beeinträchtigt (vgl. Art. 2 Buchst. e, Art. 5 Abs. 2 Buchst. b, Erwägungsgrund 6 der Richtlinie 2005/29/EG). Die Spürbarkeitsschwelle des § 3a UWG beruht nicht auf Unionsrecht, soweit die dortige Regelung außerhalb des Unionsrechts steht, was bei den im Heilmittelwerbegesetz und im Arzneimittelgesetz enthaltenen Regelungen der Fall ist (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 3a Rn. 1.25 mwN). Die Spürbarkeitsschwelle des § 3a UWG ist zwar bei einer Verletzung von Informationspflichten, die sowohl den Tatbestand des auf Art. 7 der Richtlinie 2005/29/EG beruhenden § 5a Abs. 2 bis 6 UWG als auch den Tatbestand des § 3a UWG erfüllen, unionsrechtskonform auszulegen (vgl. , GRUR 2019, 82 Rn. 30 f. = WRP 2019, 68 - Jogginghosen). Im Streitfall geht es aber nicht um die Verletzung einer Informationspflicht.

61(5) Entgegen der Auffassung der Revision stellt die lauterkeitsrechtsrechtliche Verfolgung von geringfügigen Verstößen gegen das Arzneimittelpreisrecht auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit dar. Für die Rechtfertigung einer Regelung über die Berufsausübung genügt jedes Allgemeinwohlinteresse (vgl. oben unter B II 5 c bb). Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzgeberischen Ziele nicht erreicht werden können oder das Verbot der Werbung mit geringwertigen Kleinigkeiten im Bereich preisgebundener Arzneimittel außer Verhältnis zu der Verhinderung eines Preiswettbewerbs auf diesem Gebiet und zur beabsichtigten gleichmäßigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln stehen, sind nicht ersichtlich.

62C. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:060619UIZR206.17.1

Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 25/2019 S. 1800
ZIP 2019 S. 47 Nr. 24
IAAAH-28239