BVerwG Urteil v. - 10 C 1/19

Personenbeförderungsrechtliche Genehmigungspflicht für Zubringerfahrdienst einer Rehabilitationseinrichtung

Leitsatz

1. Betriebskosten der Fahrt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG sind lediglich die durch den Beförderungsvorgang verursachten sogenannten beweglichen Kosten.

2. Zum Gesamtentgelt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG zählen auch solche mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile einer Beförderung, die für die Erwerbstätigkeit des Beförderers aus dem durch das Angebot eines Fahrdienstes geförderten Vertragsabschluss folgen.

3. Eine Freistellung nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV von der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigungspflicht setzt voraus, dass Patienten einer dort aufgeführten stationären Einrichtung von dieser zu einem dritten Beschäftigungs- oder Behandlungsort oder zurück befördert werden. Ein reiner Zubringerdienst zwischen ihrer Wohnung und der behandelnden Einrichtung ist danach nicht freigestellt.

Gesetze: § 1 S 1 Nr 4 Buchst e FrStllgV, § 1 Abs 1 S 2 PBefG, § 1 Abs 2 S 1 Nr 1 PBefG

Instanzenzug: Thüringer Oberverwaltungsgericht Az: 2 KO 131/13 Urteilvorgehend VG Gera Az: 3 K 1513/08 Ge Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten über die Genehmigungspflicht eines Fahrdienstes der Klägerin nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG).

2Die Klägerin betreibt ein Unternehmen in G., das gesundheitsbezogene Dienstleistungen anbietet. Unternehmensgegenstand sind ein Rehabilitationszentrum mit Physio- und Ergotherapie sowie Freizeitaktivitäten wie ein Fitnessclub mit Sauna und damit verbundene Kursangebote. Eine Therapie zur Rehabilitation folgt einem Behandlungsplan und steht unter ärztlicher Verantwortung. Die Patienten halten sich in der Regel vier bis sechs Stunden täglich in der Einrichtung auf und werden dort mit Speisen versorgt.

3Die Klägerin bietet ihre Leistungen zur ambulanten medizinischen Rehabilitation den gesetzlich krankenversicherten Patienten auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung mit mehreren Krankenkassenverbänden als Kostenträgern an. Nach dieser Vereinbarung ist sie verpflichtet, die Fahrt der Patienten von deren Wohnung in die Rehabilitationseinrichtung und zurück als Sachleistung oder im Wege der Kostenerstattung sicherzustellen. Die hierbei entstehenden Kosten sind mit dem täglichen Vergütungssatz für die ambulante Rehabilitationsleistung von 75 € abgegolten. Vor diesem Hintergrund stellt die Klägerin diesen Patienten einen Fahrdienst zwischen Wohnung und Einrichtung zur Verfügung. Dieser erfolgt nach wöchentlichen Routenplänen, wird mit zwei von der Klägerin geleasten Personenkraftwagen durch bei ihr angestellte Fahrzeugführer betrieben und ist für die Patienten entgeltfrei.

4Für den Fahrdienst liegt keine personenbeförderungsrechtliche Genehmigung vor. Aus diesem Grund leitete die Stadt G. 2007 mehrere Bußgeldverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin ein. Diese beantragte daraufhin gemäß § 10 PBefG die Feststellung, dass ihr Fahrdienst nicht den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes unterliege. Mit Bescheid vom stellte der Beklagte fest, dass der Fahrdienst genehmigungspflichtig sei. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom zurück. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen erhobenen Klage mit Urteil vom stattgegeben, die ergangenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, festzustellen, dass die Beförderung von Patienten zwischen ihrer Wohnung und der Einrichtung der Klägerin nach dem Personenbeförderungsgesetz nicht genehmigungspflichtig sei.

5Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Der Fahrdienst der Klägerin sei nach dem Personenbeförderungsgesetz genehmigungsbedürftig. Er stelle eine entgeltliche Beförderung im Sinne von § 1 Abs. 1 PBefG dar. Dafür sei bereits die Erstattung der Aufwendungen durch die Kostenträger hinreichend. Hinzu komme der mittelbare wirtschaftliche Vorteil, den der Fahrdienst für die eigentliche wirtschaftliche Betätigung der Klägerin in Gestalt des Betriebes des Gesundheitszentrums bewirke. Die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG greife nicht ein. Unter Berücksichtigung mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile sei nicht erwiesen, dass das Gesamtentgelt die weit zu verstehenden Betriebskosten der Fahrt nicht übersteige. Die Klägerin habe ungeachtet einer gerichtlichen Verfügung die Betriebskosten nicht näher aufgeschlüsselt und es dränge sich auch nicht auf, dass diese den wirtschaftlichen Vorteil des Fahrdienstes überstiegen. Der Fahrdienst der Klägerin sei auch nicht nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e Freistellungs-Verordnung (FrStllgV) von der Genehmigungspflicht des Personenbeförderungsgesetzes freigestellt. Die Klägerin betreibe kein Krankenhaus, da sie ihre Patienten nicht stationär aufnehme. Ob ihre Einrichtung eine Heilanstalt im Sinne dieser Regelung sei, unterliege Zweifeln, weil dies nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ebenfalls die Notwendigkeit der stationären Unterbringung voraussetze. Jedenfalls würden Patienten nicht aus Gründen der Beschäftigungstherapie oder zu sonstigen Behandlungszwecken befördert; für Zubringerdienste vom Wohnort des Patienten zur Behandlung in einer solchen Einrichtung gelte die Freistellung jedoch nicht.

6Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das Berufungsgericht habe mit Blick auf die Betriebskosten und mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. In der Sache trägt sie vor, sie sei nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG von der Genehmigungspflicht ausgenommen. Das Oberverwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie mit ihrem Fahrdienst mittelbare wirtschaftliche Vorteile für ihre Erwerbstätigkeit erziele. Darüber hinaus sei der Fahrdienst nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV von der Genehmigungspflicht nach dem Personenbeförderungsgesetz freigestellt. Ihre Einrichtung sei ein Krankenhaus, jedenfalls aber eine Heilanstalt. Zudem erfasse die genannte Norm auch die Beförderung der Patienten von deren Wohnort zur Behandlungseinrichtung und zurück.

7Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom zurückzuweisen.

8Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9Er verteidigt das angegriffene Urteil.

10Der Vertreter des Bundesinteresses ist der Auffassung, dass der Fahrdienst der Klägerin nach dem Personenbeförderungsgesetz genehmigungsbedürftig sei.

Gründe

11Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung, dass ihr Fahrdienst nicht der Genehmigungspflicht nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) unterfällt, im Ergebnis im Einklang mit Bundesrecht abgelehnt (§ 137 Abs. 1 VwGO).

12Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Der Beklagte ist nach § 10 PBefG zuständig, bei Zweifeln darüber zu entscheiden, ob eine Personenbeförderung den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegt und danach genehmigungspflichtig ist.

13Der Fahrdienst der Klägerin unterfällt den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes (1.). Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG liegen nicht vor (2.). Ebenso wenig ist der Fahrdienst nach der Freistellungs-Verordnung von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes freigestellt (3.).

141. Der Fahrdienst der Klägerin ist eine sowohl entgeltliche (a) als auch geschäftsmäßige (b) Personenbeförderung im Sinne von § 1 Abs. 1 PBefG.

15a) Eine Personenbeförderung ist unentgeltlich im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG, wenn weder der Beförderte noch ein Dritter unmittelbar ein Entgelt für sie zahlt und die Beförderung auch keine mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile für den Beförderer nach sich zieht. Dem Personenbeförderungsgesetz liegt ein weites Verständnis von Entgeltlichkeit zugrunde. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 2 PBefG, wonach als Entgelt auch mittelbare wirtschaftliche Vorteile zu berücksichtigen sind. Entgelt ist somit jede auch nur mittelbare Gegenleistung, die mit einer Beförderung angestrebt wird (BT-Drs. 3/255 S. 24; Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand Dezember 2018, § 1 PBefG Rn. 127).

16Der Fahrdienst der Klägerin ist schon deshalb entgeltlich, weil ihr Aufwendungen durch die Kostenträger der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden. Nach der Vereinbarung der Klägerin mit den Kostenträgern sind die ihr hierfür entstehenden Kosten mit dem Vergütungssatz für die ambulante Rehabilitationsleistung abgegolten. Damit sind die Fahrtkosten in den Vergütungssatz einberechnet. Dies genügt für die Annahme eines Entgelts im Sinne von § 1 Abs. 1 PBefG.

17b) Der Fahrdienst der Klägerin ist zudem eine geschäftsmäßige Beförderung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 PBefG und unterfällt daher auch unabhängig von seiner Entgeltlichkeit dem Personenbeförderungsgesetz. Geschäftsmäßig ist jede auf Dauer gerichtete, in Wiederholungsabsicht vorgenommene Beförderung (BT-Drs. 3/255 S. 24; vgl. 7 B 16.93 - Buchholz 442.01 § 1 PBefG Nr. 2 S. 1). Nach den vorinstanzlichen Feststellungen wird der Fahrdienst regelmäßig nach bestimmten Wochenplänen angeboten und ist daher sowohl auf Dauer ausgerichtet als auch wiederholt beabsichtigt und damit geschäftsmäßig.

182. Die Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBefG findet auf den Fahrdienst der Klägerin keine Anwendung. Nach dieser Norm unterliegen dem Personenbeförderungsgesetz unter anderem nicht Beförderungen mit Personenkraftwagen, wenn sie zwar entgeltlich sind, das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt aber nicht übersteigt. Diese Voraussetzung liegt nicht vor.

19a) Betriebskosten im Sinne dieser Vorschrift sind lediglich die durch den Beförderungsvorgang verursachten sogenannten beweglichen Kosten.

20Die Vorschrift enthält einen eigenen, spezifisch personenbeförderungsrechtlichen Betriebskostenbegriff. Dieser ist entgegen dem Berufungsgericht eng zu verstehen. Schon nach dem Wortlaut sind nur die Betriebskosten "der Fahrt" zugrunde zu legen und damit nur solche Kosten, die auf den Beförderungsvorgang bezogen sind. Dementsprechend führen die Gesetzesmaterialien ausschließlich bewegliche Kosten wie Treibstoffe, Öl und Reifennutzung an, nicht jedoch feste Kosten wie Steuern, Versicherung und Garagenmiete (vgl. Stellungnahme des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen, BT-Drs. 3/2450 S. 3). Dieses enge Begriffsverständnis entspricht auch dem Zweck der Ausnahmeregelung. Sie soll entgegen dem Berufungsgericht nicht Beförderungen ohne Gewinnerzielungszweck von der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigungspflicht ausnehmen. Auf eine Gewerbsmäßigkeit und eine damit einhergehende Gewinnerzielungsabsicht kommt es für die Anwendbarkeit des Personenbeförderungsgesetzes nach § 1 Abs. 1 PBefG - anders als bei dem Vorgängergesetz von 1934 - nicht an. Dies gilt auch für § 1 Abs. 2 PBefG. Mit der Ausnahmeregelung sollten vielmehr in erster Linie Gefälligkeitsfahrten erfasst werden ( - GRUR 1973, 146). Ihre Anwendung soll zudem keine umfassende betriebswirtschaftliche Kalkulation erfordern, vielmehr muss die Vorschrift handhabbar bleiben. Dies gewährleistet ein enger Betriebskostenbegriff.

21b) Den Betriebskosten der Fahrt ist das Gesamtentgelt gegenüberzustellen und zu ermitteln, ob dieses die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt. Gesamtentgelt ist die Summe der unmittelbaren Einnahmen aus der Beförderung sowie der durch diese bewirkten mittelbaren wirtschaftlichen Vorteile ( - GRUR 1973, 146 <147>; BR-Drs. 195/1962 S. 2 zu § 1 Nr. 3 FrStllgV). Letzteres ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 PBefG. Hiernach sind als Entgelt auch wirtschaftliche Vorteile anzusehen, die mittelbar für die Wirtschaftlichkeit einer auf diese Weise geförderten Erwerbstätigkeit erstrebt werden.

22Solche mittelbaren Vorteile sind hier im Tagessatz für die Rehabilitationsmaßnahmen von 75 € zu sehen. Nach den insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat die Klägerin sich gegenüber den Kostenträgern vertraglich zur Sicherstellung der Patientenfahrten zwischen Gesundheitszentrum und Wohnung verpflichtet. Wie sie im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, hätte sie ohne die vertragliche Übernahme dieser Verpflichtung den Vertrag nicht erhalten. Mithin bewirkt der Fahrdienst vermittelt über den Vertrag mit den Krankenkassen die zum Tagessatz abrechenbaren Behandlungsverhältnisse und fördert damit die Erwerbstätigkeit der Klägerin als Betreiberin einer Rehabilitationseinrichtung. Unerheblich ist, ob die Beförderung für den Erstkontakt zwischen Gesundheitszentrum und Patienten kausal ist. § 1 Abs. 1 Satz 2 PBefG verlangt eine "auf diese Weise", mithin durch die Personenbeförderung, geförderte Erwerbstätigkeit. Dafür genügt, dass eine Beförderung verbindlich - z.B. aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung - in Aussicht gestellt wird und sich dies positiv auf die Geschäftstätigkeit auswirkt (zu Reisebuchungen - GRUR 1973, 146). Ebenso unerheblich ist, ob der Tagessatz von 75 € für die Klägerin lukrativ ist. Auf eine Gewinnerzielung kommt es für die Anwendung des Personenbeförderungsgesetzes nicht an.

23Der Tagessatz von 75 € überwiegt ersichtlich die Betriebskosten auf der Grundlage des engen Betriebskostenbegriffs für die tägliche Patientenfahrt von der Wohnung zur Einrichtung und zurück. Wie zu entscheiden wäre, wenn im Tagessatz ein bestimmter Anteil für die Kosten der Fahrt ausgewiesen wäre, kann offen bleiben. Ebenso bedarf keiner Entscheidung, ob sonstige wirtschaftliche Vorteile - wie das Berufungsgericht meint - auch in weiteren Behandlungsverträgen im Anschluss an eine Behandlung auf der Grundlage des Vertrages mit den gesetzlichen Krankenkassen zu sehen sind.

243. Der Fahrdienst der Klägerin ist auch nicht nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e der Freistellungs-Verordnung (FrStllgV) von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes freigestellt. Danach werden von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes Beförderungen von Kranken aus Gründen der Beschäftigungstherapie oder zu sonstigen Behandlungszwecken durch Krankenhäuser oder Heilanstalten mit eigenen Kraftfahrzeugen freigestellt, sofern von den Beförderten kein Entgelt zu entrichten ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

25a) Der Fahrdienst der Klägerin erfüllt allerdings den Befreiungstatbestand insoweit, als die Patienten kein Entgelt für den Fahrdienst entrichten. Entgelt im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV ist nur das unmittelbar von den Beförderten selbst entrichtete Entgelt. Der Fahrtkostenanteil des Tagessatzes als Entgelt der Krankenversicherung ist den gesetzlich Versicherten nicht als eigene Zahlung im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV zuzurechnen, denn die von den Versicherten ihrerseits an die Krankenversicherung gezahlten Beiträge werden nicht gezielt für eine bestimmte Beförderung als unmittelbares Entgelt geleistet (Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand Dezember 2018, § 1 FrStllgV Rn. 84).

26b) Auch befördert die Klägerin die Patienten mit eigenen Fahrzeugen im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV. Eigene Fahrzeuge sind nicht nur Fahrzeuge im Eigentum des Beförderers, sondern auch solche, die dem Beförderer für eine längere Zeitdauer zur ausschließlich eigenen Nutzung wie einem Eigentümer zur Verfügung stehen (Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Stand Dezember 2018, § 1 FrStllgV Rn. 9, 83; a.A. allgemein für den "Einsatz angemieteter Kfz" Fielitz/Grätz, Personenbeförderungsrecht, Stand Dezember 2018, § 1 FrStllgV Rn. 43). Der Grund für die Beschränkung auf eigene Fahrzeuge liegt nicht im zivilrechtlichen Eigentum, sondern darin, dass das betreffende Fahrzeug organisatorisch zur Einrichtung gehört.

27c) Die Klägerin betreibt jedoch weder ein Krankenhaus noch eine Heilanstalt im Sinne von § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV. Beide Einrichtungsarten setzen eine stationäre Behandlung der Patienten voraus. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts findet eine solche im Gesundheitszentrum der Klägerin nicht statt.

28Dass der Freistellungstatbestand des § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung im Jahre 1962 auf stationäre Einrichtungen gemünzt war, unterliegt keinem Zweifel; insofern einen Unterschied zwischen Krankenhäusern und Heilanstalten zu machen, besteht kein Anlass (a.A. 11 BV 15.1895 - juris Rn. 37 ff.). Die Begründung der Vorschrift nannte "Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten sowie Heilstätten" in einem Atemzuge. Hiernach hatte die Vorschrift im Blick, dass diese Einrichtungen ihre Kranken aus Gründen der Beschäftigungstherapie auch außerhalb zur Arbeit einsetzen (BR-Drs. 195/62 Begründung S. 3), was ebenfalls eine Unterbringung in einer Primäreinrichtung impliziert. Das entsprach auch dem seinerzeitigen Sprachgebrauch. So verlangte § 1 Abs. 1 der Bundespflegesatzverordnung in der seinerzeit geltenden Fassung vom , die nach ihrem Titel Regelungen "über Pflegesätze in Krankenanstalten" traf (BAnz. Nr. 173 vom ), eine stationäre Unterbringung und Verpflegung. Der Unterschied zwischen Krankenhäusern und Heilanstalten wurde nicht in der stationären Form der Behandlung gesehen, sondern in deren voraussichtlicher Dauer; während Krankenhäuser der Akutbehandlung dienten, wurde bei einer auf einige Dauer berechneten Behandlung herkömmlich von Heilanstalten - etwa solchen zur Kur, aber auch zur Behandlung psychiatrischer Leiden - gesprochen (vgl. etwa §§ 429, 430 RVO i.d.F. vom <RGBl. I S. 779, vgl. BGBl. 1963 III S. 63>; § 11 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz vom <BGBl. I S. 791>).

29Ohne Erfolg verweist die Klägerin auf den zwischenzeitlichen Wandel in der Versorgungslandschaft. Zwar ist richtig, dass die Einführung teilstationärer Behandlungen und teilstationärer (Tages-)Kliniken die hergebrachte Vorstellung, Krankenhausbehandlungen seien stets vollstationär, verändert hat (vgl. § 107 SGB V; - BSGE 102, 219 Rn. 19; Wahl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 107 SGB V Rn. 38). Ob deshalb der Freistellungstatbestand zu erweitern ist, obliegt aber der Entscheidung des Verordnungsgebers, zumal sich dann Fragen der Gleichbehandlung mit Arztpraxen stellen, die ebenfalls Heilbehandlung anbieten.

30d) Schließlich befördert die Klägerin die Patienten weder aus Gründen der Beschäftigungstherapie noch zu sonstigen Behandlungszwecken im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV. Die hier allein in Betracht kommende Beförderung zu sonstigen Behandlungszwecken erfasst nur Beförderungen von Patienten an einen dritten Therapieort zu einer Behandlung, die in den Therapieablauf bei der befördernden Einrichtung eingegliedert ist. Sogenannte Transferfahrten zwischen der Einrichtung und dem Wohnort der Patienten fallen nicht darunter ( - GRUR 2015, 813 Rn. 23 zu Einlieferungs- und Entlassungsfahrten bei einem Krankenhaus; a.A. 11 BV 15.1895 - juris Rn. 41 ff.).

31Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut. Beförderungen aus Gründen der Beschäftigungstherapie oder zu sonstigen Behandlungszwecken stehen mit der Behandlung in unmittelbarem Zusammenhang, wenn sie dem Behandlungsablauf und dem Therapieplan dienen. Dies ist bei einem in den Behandlungsablauf integrierten Fahrdienst der Fall, der Patienten von einem Krankenhaus oder einer Heilanstalt zu einem dritten ausgelagerten Behandlungsort befördert, um den ungestörten Ablauf von Behandlungen an verschiedenen Orten zu gewährleisten. Ähnlich muss die Beförderung zu betrieblichen Zwecken nach § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. h FrStllgV Bestandteil eines Arbeitsvorgangs und in bestimmte Abläufe integriert sein ( 7 C 6.71 - NJW 1973, 72).

32Dieses Verständnis wird durch die Gesetzeshistorie belegt. Der Gesetzesentwurf zum Personenbeförderungsgesetz enthielt zunächst einen Ausnahmetatbestand unter anderem für "Beförderungen, die im Zubringer- und Abholdienst durchgeführt werden ... von Krankenhäusern, Heilstätten und ähnlichen Einrichtungen für ihr Personal, die Kranken und deren Besucher", der jedoch im Gesetzgebungsverfahren als zu weitgehend gestrichen wurde (BT-Drs. 3/2450 S. 3 und 12). Der hier in Rede stehende Freistellungstatbestand in § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV umfasste demgegenüber im Entwurf nur Beförderungen "aus Gründen der Beschäftigungstherapie". Zur Begründung hieß es: "Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten sowie Heilstätten setzen ihre Kranken aus Gründen der Beschäftigungstherapie auch außerhalb zur Arbeit ein" (BR-Drs. 195/62 Begründung S. 3). Der Tatbestand wurde um die Worte "oder zu sonstigen Behandlungszwecken" ergänzt, weil Kranke nicht nur aus Gründen der Beschäftigungstherapie, sondern auch zum Zwecke der Behandlung oder Verabreichung von Kurmitteln mit eigenen Kraftfahrzeugen befördert werden müssten (BR-Drs. 195/1/62 Begründung S. 2). Damit ist der Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass die betroffenen Kranken von der Einrichtung zu einer außerhalb liegenden Beschäftigungs- oder Behandlungsstätte transportiert werden und dass der einrichtungsinterne Behandlungsablauf einen solchen Transport zu einem dritten Behandlungsort erfordert. Fahrten von der Wohnung zur Einrichtung und zurück sollten damit nicht erfasst sein.

33Anders als die Klägerin meint, behält § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV gleichwohl einen eigenständigen Anwendungsbereich neben § 1 Abs. 2 Nr. 2 PBefG. Denn § 1 Abs. 2 Nr. 2 PBefG verlangt einen besonderen medizinisch-fachlichen Betreuungsbedarf während der Fahrt. Dieser liegt bei einfachen Patientenfahrten zwischen Einrichtungen gemäß § 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst. e FrStllgV nicht vor.

344. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:080519U10C1.19.0

Fundstelle(n):
WAAAH-27861