Rechtlicher Vergleich der Beihilfehandlungen zu Verschaffung und Absatz
Gesetze: § 374 Abs 1 AO, § 27 Abs 1 StGB, § 56 Abs 1 S 1 StGB
Instanzenzug: Az: 218 Js 14902/17 - 11 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhehlerei in sechs Fällen, wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Steuerhehlerei und wegen Steuerhehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils stellte der Angeklagte dem rechtskräftig verurteilten Zwischenhehler W. einen Teil der von ihm angemieteten Halle zur Verfügung, damit dieser dort im Zeitraum vom bis mehrere Lieferungen unverzollter und unversteuerter Zigaretten zwischenlagern konnte. W. , der hierfür an den Angeklagten 1.800 € an Untermiete zahlte, veräußerte die Zigaretten durch 33 Einzellieferungen gewinnbringend weiter (Fall 7 der Urteilsgründe). Zudem lieh der Angeklagte im Zeitraum vom bis dem W. sein Fahrzeug der Marke VW Caddy für sechs Einzellieferungen. Dabei hatte der Angeklagte nur davon Kenntnis, dass W. mit unverzollten und unversteuerten Zigaretten handelte; er wusste hingegen nicht, ob W. das Fahrzeug zum Abholen oder zur Weiterlieferung nutzte (Fälle 1 bis 6 der Urteilsgründe). Am vermittelte der Angeklagte dem W. die Frau B. als neue Abnehmerin; W. übergab B. am aus dem Lager 28.000 Zigaretten (Fall 8 der Urteilsgründe).
32. Die Revision ist zum Strafausspruch teilweise begründet.
4a) Der Schuld- und Strafausspruch halten der sachlichrechtlichen Nachprüfung indes stand. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
5aa) Dass das Landgericht sich in den Fällen 1 bis 6 der Urteilsgründe nicht davon zu überzeugen vermocht hat, dass der Angeklagte zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, mit dem Überlassen der Halle und des VW Caddy W. s Weiterverkäufe zu unterstützen, und daher nur Beihilfe zum Sichverschaffen gemäß § 374 Abs. 1 Variante 1 AO, § 27 StGB ausgeurteilt hat, beschwert den Angeklagten nicht. Darin liegt keine relevante Abweichung des vorgestellten vom tatsächlichen Kausalverlauf. Derartige Unterschiede sind dann für die rechtliche Bewertung bedeutungslos, wenn sie sich innerhalb des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen (vgl. Rn. 36 und Urteil vom - 3 StR 149/94 Rn. 6, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 46). Für eine ausreichende Konkretisierung des Vorsatzes des Gehilfen genügt es, wenn er die zentralen Merkmale der Haupttat, namentlich den wesentlichen Unrechtsgehalt und die wesentliche Angriffsrichtung, zumindest bedingt vorsätzlich erfasst hat (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 272/17 Rn. 33; vom - 3 StR 435/11 Rn. 4; vom - 3 StR 310/11 Rn. 8 und vom - 3 StR 420/10 Rn. 13). Hätte das Landgericht Vorsatz des Angeklagten bezüglich dessen Mitwirkung an der Weiterlieferung der Zigaretten an W. s Abnehmer angenommen, wäre er - wie im Fall 8 der Urteilsgründe - als (täterschaftlicher) Absatzhelfer (§ 374 Abs. 1 Variante 3 AO) zu verurteilen gewesen (vgl. Rn. 6). Die Beihilfehandlungen zum Sichverschaffen auf der einen und zum Absatz auf der anderen Seite sind im Ausgangspunkt gleichwertig. Weil der Absatz für den Vortäter straflos gestellt ist, bedarf es insoweit der Erfassung von Unterstützungshandlungen als täterschaftlich begangen (BGH, aaO Rn. 5 mwN).
6bb) Durch das Überlassen des Fahrzeugs förderte der Angeklagte gezielt sechs einzelne Haupttaten. Daher ist es zutreffend, dass das Landgericht deswegen sechs weitere Fälle der Beihilfe zur Steuerhehlerei (§ 53 StGB) ausgeurteilt hat. Denn Tatmehrheit ist anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Taten unterstützt werden, also den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind. Dass der Gehilfe bereits zuvor einen einheitlichen fortwirkenden Beihilfebeitrag zur Förderung mehrerer Haupttaten - wie hier durch die Erlaubnis zur Nutzung der Halle (Fall 7 der Urteilsgründe) - leistete, führt nicht zur Zusammenfassung zu einer Beihilfetat (BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 594/07, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 2; vom - 1 StR 323/08, BGHR AO § 370 Abs. 1 Beihilfe 8 und vom - 3 StR 436/11 Rn. 4).
7cc) Gleiches gilt für das Konkurrenzverhältnis des Falles 7 der Urteilsgründe zum Fall 8. Bis zum hatte W. bereits durch mehrere Transporte 295.000 Zigaretten in die Halle verbracht. Die Absatzhilfe des Angeklagten durch Vermittlung der weiteren Abnehmerin betraf davon nur einen deutlich geringeren Teil, nämlich 28.000 Zigaretten. Seine durch das Untervermieten geleistete einheitliche Beihilfehandlung bezüglich des überwiegenden Teils der zwischengelagerten Zigaretten ist damit weiterhin gesondert zu ahnden. Dieser Beihilfebeitrag erstreckt sich auf die nachfolgenden Zwischenlagerungen, sofern diese nicht wiederum Gegenstand der durch das Überlassen des Fahrzeugs geförderten Absatzhandlungen und damit von den weiteren sechs Beihilfetaten umfasst sind.
8dd) Das Landgericht hat den Strafen keinen zu hohen Schuldumfang zugrunde gelegt. Es hat unter Annahme eines Gesamthinterziehungsbetrages in Höhe von rund 170.000 € den Teil der Verkürzungsbeträge aus dem Fall 7, die die Fälle 1 bis 6 und 8 betreffen, nicht neben diesen sieben weiteren Taten zusätzlich (doppelt) in Ansatz gebracht.
9b) Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 Abs. 2, 1 StGB) begegnet durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat besondere Umstände in der Tat und der Täterpersönlichkeit, die eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen könnten, verneint. Dabei hat es ausgeführt, die Haftung des (nicht vorbestraften) Angeklagten für die verkürzten Steuern nach § 71 AO lasse befürchten, er werde zur Begleichung der Steuer- und Zollschäden "wieder in die Kriminalität abrutschen". Dies ist aus zwei Gesichtspunkten rechtsfehlerhaft: Zum einen wäre dies bereits bei der Sozialprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) zu erörtern gewesen, die das Tatgericht mit Blick auf das bisher straffreie Leben und die familiäre Bindung zunächst bejaht hat. Zum anderen gibt es keinen Erfahrungssatz, dass ein Angeklagter allein deswegen, weil er Vermögensstraftaten verübte, die regelmäßig entsprechende Schadensersatzansprüche auslösen, zur Begleichung dieser Schulden erneute Taten begeht (vgl. , BGHR StGB § 56 Abs. 2 Sozialprognose 2). Insgesamt ist diese Wertung nicht durch Feststellungen belegt. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht darf neue Umstände der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde legen, sofern sie den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:090519B1STR19.19.0
Fundstelle(n):
AO-StB 2019 S. 213 Nr. 7
wistra 2019 S. 377 Nr. 9
QAAAH-27341