BGH Urteil v. - I ZR 212/17

Vorlage an den EuGH zur Auslegung der Gemeinschaftsmarkenverordnung und der Unionsmarkenverordnung: Berechnung des Zeitraums der fünfjährigen Nichtbenutzung bei Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke - Bewässerungsspritze

Leitsatz

Bewässerungsspritze

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78 vom , S. 1) und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 2017/1001 vom über die Unionsmarke (ABl. L 154 vom , S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist im Falle einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke, die vor Ablauf des Zeitraums der fünfjährigen Nichtbenutzung erhoben worden ist, die Festlegung des Zeitpunkts, der im Rahmen der Anwendung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV für die Berechnung des Nichtbenutzungszeitraums maßgeblich ist, von den Regelungen der Gemeinschaftsmarkenverordnung sowie der Unionsmarkenverordnung erfasst?

2. Falls Frage 1 zu bejahen ist: Ist bei der Berechnung des Zeitraums der fünfjährigen Nichtbenutzung gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV im Falle einer vor Ablauf des Zeitraums der fünfjährigen Nichtbenutzung erhobenen Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke auf den Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage oder den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz abzustellen?

Gesetze: Art 14 Abs 1 EGV 207/2009, Art 14 Abs 3 EGV 207/2009, Art 47 Abs 2 EGV 207/2009, Art 51 Abs 1 Buchst a EGV 207/2009, Art 57 Abs 2 EGV 207/2009, Art 96 Buchst a EGV 207/2009, Art 96 Buchst c EGV 207/2009, Art 99 Abs 3 EGV 207/2009, Art 100 EGV 207/2009, Art 101 EGV 207/2009, Art 17 Abs 1 EUV 2017/1001, Art 17 Abs 3 EUV 2017/1001, Art 47 Abs 2 EUV 2017/1001, Art 58 Abs 1 Buchst a EUV 2017/1001, Art 64 Abs 2 EUV 2017/1001, Art 124 Buchst a EUV 2017/1001, Art 124 Buchst c EUV 2017/1001, Art 127 Abs 3 EUV 2017/1001, Art 128 EUV 2017/1001, Art 129 EUV 2017/1001, Art 17 EURL 2015/2436, § 25 Abs 2 MarkenG, § 55 Abs 3 MarkenG, Art 267 AEUV

Instanzenzug: Az: I-20 U 137/16vorgehend Az: 2a O 34/15nachgehend Az: C-607/19 Urteilnachgehend Az: I ZR 212/17 Urteil

Gründe

1I. Die Klägerin stellt Geräte für die Garten- und Landschaftspflege her. Im Jahr 2006 erwarb sie die G.         GmbH. Diese vertreibt seit 1968 das "Original G.   System", ein Gartenschlauchsystem, zu dessen Steck-Set eine Bewässerungsspritze sowie eine Schnellkupplung zur Verbindung der Bewässerungsspritze mit dem Gartenschlauch gehören.

2Die Klägerin ist Inhaberin der am angemeldeten und am in den Farben orangerot-grau-hellgrau für die Ware "Bewässerungsspritze" eingetragenen dreidimensionalen Unionsmarke Nr. 456244 (Klagemarke). Die grafische Wiedergabe dieser Marke im Register zeigt eine Bewässerungsspritze, die aus drei Teilen besteht, nämlich einem Verbindungsstück, einem Handlauf und einer Spitze. Der Handlauf ist grau und kegelförmig und verfügt über eine fein geriffelte Oberfläche. Die Spitze ist schmaler und länger als der Handlauf. Sie ist ebenfalls kegelförmig und nach vorn hin verjüngend ausgestaltet, verfügt über leichte, ellipsenförmige Vertiefungen und ist in einer dunkel-orangen Farbe gehalten.

3Die Klagemarke ist im Register wie folgt grafisch wiedergegeben:

4Die von der Klägerin jedenfalls bis Mai 2012 vertriebene Bewässerungsspritze mit der Artikelnummer … entspricht der Klagemarke.

5Die Beklagte ist eine Gesellschaft des L. -Konzerns, die für das Online-Angebot der Discounter-Kette und den Betrieb des Onlineshops zuständig ist. Seit Anfang Juli 2014 bis zumindest Januar 2015 bot die Beklagte in ihrem Onlineshop ein Spiralschlauch-Set an, das aus einem Spiralschlauch, einer Bewässerungsspritze und einer Kupplungshülse für eine Schlauch-Schnellkupplung bestand.

6Die Klägerin hat dieses Angebot als Verletzung ihrer Unionsmarke angesehen und die Beklagte auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen. Die Beklagte hat widerklagend die Löschung der Unionsmarke wegen Verfalls beantragt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Unionsmarke Nr. 456244 ab dem für verfallen erklärt.

7Der Senat hat die Revision zugelassen, soweit hinsichtlich der Widerklage zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit darin die Widerklage abgewiesen worden ist.

8II. Die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit hängt von der Klärung des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke (nachfolgend: Gemeinschaftsmarkenverordnung, GMV) und der Verordnung (EU) Nr. 2017/1001 über die Unionsmarke (nachfolgend: Unionsmarkenverordnung, UMV) sowie von der Auslegung des Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV und des Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

91. Das Berufungsgericht hat die Widerklage für begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

10Die Klagemarke sei mit Wirkung vom für verfallen zu erklären. Für die Berechnung des ununterbrochenen Zeitraums der Nichtbenutzung sei nicht die Erhebung der Widerklage im September 2015, sondern der Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung am maßgeblich. Die Klägerin habe die Marke bis zu diesem Zeitpunkt nicht innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ernsthaft benutzt, weil die Bewässerungsspritze mit der Artikelnummer … nur bis Mai 2012 vertrieben worden sei.

112. Im Streitfall stellt sich zunächst die Frage, ob die Festlegung des für die Berechnung des Zeitraums von fünf Jahren im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV und des Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV maßgeblichen Zeitpunkts von der Gemeinschaftsmarkenverordnung sowie der Unionsmarkenverordnung erfasst wird (Vorlagefrage 1). Sofern dies der Fall ist, stellt sich die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt (Vorlagefrage 2).

12a) Klärungsbedürftig ist zunächst, ob im Falle einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke, die vor Ablauf des Zeitraums der fünfjährigen Nichtbenutzung erhoben worden ist, der Zeitpunkt, der im Rahmen der Anwendung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV für die Berechnung des Nichtbenutzungszeitraums maßgeblich ist, von den Regelungen der Gemeinschaftsmarkenverordnung sowie der Unionsmarkenverordnung erfasst wird. Es ist nach beiden Verordnungen zu fragen, weil im als maßgeblich in Betracht kommenden Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage im September 2015 zunächst die Gemeinschaftsmarkenverordnung galt, an deren Stelle im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am jedoch die Unionsmarkenverordnung getreten war. Nach Auffassung des Senats regeln die genannten Verordnungen diesen Zeitpunkt nicht.

13aa) Die Wirkung der Unionsmarke bestimmt sich gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GMV und Art. 17 Abs. 1 Satz 1 UMV ausschließlich nach diesen Verordnungen. Im Übrigen unterliegt die Verletzung einer Unionsmarke gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GMV und Art. 17 Abs. 1 Satz 2 UMV den Bestimmungen des Kapitels X dieser Verordnungen. Danach haben die Unionsmarkengerichte die Vorschriften dieser Verordnungen anzuwenden (Art. 101 Abs. 1 GMV, Art. 129 Abs. 1 UMV). Nach Art. 101 Abs. 2 GMV in der im Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage im September 2015 gültigen Fassung wenden die Gemeinschaftsmarkengerichte in allen Fragen, die nicht durch die Gemeinschaftsmarkenverordnung erfasst werden, ihr nationales Recht einschließlich ihres internationalen Privatrechts an. Nach Art. 129 Abs. 2 UMV wenden die Unionsmarkengerichte in allen Markenfragen, die nicht durch diese Verordnung erfasst werden, das geltende nationale Recht an. Gegenstand beider letztgenannter Vorschriften ist das von den Verordnungen nicht geregelte materielle Markenrecht (vgl. Eisenführ/Overhage in Eisenführ/Schennen, UMV, 5. Aufl., Art. 101 Rn. 5; BeckOK.Markenrecht/Grüger, 17. Edition [Stand: ], Art. 129 UMV Rn. 7).

14Hinsichtlich des Verfahrensrechts sehen Art. 14 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 101 Abs. 3 GMV und Art. 17 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 129 Abs. 3 UMV vor, dass die Unionsmarkengerichte die in ihrem Sitzstaat auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Marken anwendbaren Verfahrensvorschriften anwenden, soweit in diesen Verordnungen nichts anderes bestimmt ist (vgl. , GRUR 2016, 931 Rn. 28 f. - Nikolajeva/Multi Protect).

15bb) Eine ausdrückliche Regelung des Zeitpunkts, der im Falle der Widerklage auf Erklärung des Verfalls für die Berechnung des Nichtbenutzungszeitraums im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV und des Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV maßgeblich ist, enthalten diese Verordnungen nicht. Nach den genannten Vorschriften wird die Marke auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt, wenn sie innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

16(1) Im jeweils ersten Halbsatz des Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV und des Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV ist die Berechnung des für den Verfall maßgeblichen "ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren" der Nichtbenutzung nicht geregelt. Nach dem jeweils zweiten Halbsatz dieser Vorschriften ist die Geltendmachung des Verfalls ausgeschlossen, sofern nach Ende des im ersten Halbsatz der Vorschriften angesprochenen Fünfjahreszeitraums und vor Antragstellung oder vor Erhebung der Widerklage die Benutzung der Marke ernsthaft begonnen oder wieder aufgenommen worden ist. Mithin wird in beiden Halbsätzen zwischen dem für den Verfall maßgeblichen Fünfjahreszeitraum und der nachfolgenden Erhebung der Widerklage unterschieden, so dass zwischen dem Ende des Fünfjahreszeitraums und der Erhebung der Widerklage ein Zeitraum bestehen kann, in dem es zur Benutzung der Marke kommt. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass es für die Bestimmung des nach dem jeweils ersten Halbsatz dieser Vorschriften maßgeblichen Fünfjahreszeitraums (ebenfalls) auf die Erhebung der Widerklage ankommt.

17(2) Soweit Art. 99 Abs. 3 GMV und Art. 127 Abs. 3 UMV den Zeitpunkt der Verletzungsklage für maßgeblich erklären, gilt dies ausdrücklich nur für den gegen Klagen gemäß Art. 96 Buchst. a und c GMV und Art. 124 Buchst. a und c UMV erhobenen Einwand des Verfalls der Unionsmarke, der nicht im Wege der Widerklage erhoben wird. Art. 100 GMV und Art. 128 UMV, die die Widerklage regeln, enthalten keine solche Regelung. Entsprechend ist nach Art. 17 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2015/2436 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken im Falle der Einrede der Nichtbenutzung im Verletzungsverfahren für die Berechnung des Fünfjahreszeitraums auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen. Für den im Falle der Widerklage auf Löschung maßgeblichen Zeitpunkt enthält diese Richtlinie keine Aussage.

18(3) Eine ausdrückliche Bestimmung des Endzeitpunkts der Fünfjahresfrist enthalten Art. 47 Abs. 2 GMV sowie Art. 47 Abs. 2 UMV für das auf eine ältere Unionsmarke gestützte Widerspruchsverfahren gegen die Anmeldung einer Unionsmarke und Art. 57 Abs. 2 GMV sowie Art. 64 Abs. 2 UMV für das Verfahren auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit vor dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO). Diesen für das Verwaltungsverfahren vor dem Amt geltenden Vorschriften lässt sich ebenfalls keine Aussage über den im Falle der gerichtlichen Widerklage auf Erklärung des Verfalls maßgeblichen Berechnungszeitpunkt entnehmen.

19cc) Nach Auffassung des Senats unterfällt die Bestimmung des Zeitpunkts, der im Falle der Widerklage auf Erklärung des Verfalls für die Berechnung des Nichtbenutzungszeitraums im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV und des Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV maßgeblich ist, diesen Verordnungen nicht, weil es sich um eine darin nicht geregelte verfahrensrechtliche Frage handelt.

20(1) Dafür, dass es sich nach dem unionsweit harmonisierten Markenrecht um eine Frage des Verfahrensrechts handelt, spricht Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2008/95/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken. Danach sind die jeweiligen Verfahrensvorschriften für den Verfall und für die Ungültigerklärung wegen älterer Rechte von den Mitgliedstaaten festzulegen. Der Umstand, dass die Richtlinie (EU) 2015/2436 dies nicht mehr ausdrücklich regelt, dürfte mit der in ihrem Artikel 45 vorgesehenen Einführung des Verfallsverfahrens vor den Markenämtern zusammenhängen, spricht mit Blick auf die gerichtlichen Verfallsverfahren jedoch nicht gegen die verfahrensrechtliche Qualifikation der Fristberechnung (vgl. Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 49 Rn. 8).

21(2) Nach dem deutschen Zivilprozessrecht hat das Gericht seiner Entscheidung das bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung Vorgetragene zugrunde zu legen (vgl. nur Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 128 Rn. 1). Für den Fall der Einrede des Verfalls im Klageverfahren bestimmt das deutsche Markenrecht in § 25 Abs. 2 Satz 1 MarkenG, dass bei der Berechnung der fünfjährigen Benutzungsfrist auf die Klageerhebung abzustellen ist. Sofern der Zeitraum der fünfjährigen Nichtbenutzung allerdings erst nach Klageerhebung endet, ist nach § 25 Abs. 2 Satz 2 MarkenG auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen (kritisch zur Übereinstimmung dieser Vorschrift mit Art. 17 der Richtlinie (EU) 2015/2436, der auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abstellt, Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering aaO § 25 Rn. 46 und 48; Hacker, GRUR 2019, 235, 241). Die Vorschrift des § 55 Abs. 3 Satz 2 MarkenG sieht für den Fall der Klageerhebung durch den Inhaber einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang vor, dass auf Einrede des Beklagten für die Frage der Nichtbenutzung der Zeitraum von fünf Jahren ausgehend vom Schluss der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen ist.

22Da eine Beweisaufnahme über die rechtserhaltende Benutzung vor dem Revisionsgericht ausgeschlossen ist, kommt es hinsichtlich des Verfalls einer Marke nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf die letzte mündliche Verhandlung vor dem Berufungsgericht an (vgl. [zu Art. 51 GMV] , GRUR 2008, 254 Rn. 51 = WRP 2008, 236 - THE HOME STORE; ferner [zu § 25 und § 26 MarkenG] , GRUR 2002, 59, 61 [juris Rn. 46] = WRP 2001, 1211 - ISCO; Urteil vom - I ZR 235/00, GRUR 2003, 428, 430 [juris Rn. 38 f.] = WRP 2003, 647 - BIG BERTHA; Urteil vom - I ZR 167/05, GRUR 2009, 60 Rn. 18 = WRP 2008, 1544 - LOTTOCARD; Urteil vom - I ZR 50/11, GRUR 2012, 930 Rn. 20 = WRP 2012, 1234 - Bogner B/Barbie B, mwN).

23Nach diesem Prinzip der "wandernden Benutzungsfrist" kann sich - wie vorliegend - der Verfall einer Marke ergeben, die zwar noch in den letzten fünf Jahren vor Klageerhebung, nicht aber mehr fünf Jahre vor dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht rechtserhaltend benutzt worden ist.

24b) Sofern die Vorlagefrage 1 zu bejahen ist, stellt sich im Rahmen der Auslegung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV die weitere klärungsbedürftige Frage, ob bei der Berechnung des Zeitraums der fünfjährigen Nichtbenutzung gemäß Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV und Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV im Falle einer vor Ablauf des Zeitraums der fünfjährigen Nichtbenutzung erhobenen Widerklage auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke auf den Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage oder den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz abzustellen ist. Nach Auffassung des Senats sollte der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz maßgeblich sein.

25aa) Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich. Die Revision hat Erfolg, soweit für die Berechnung des Nichtbenutzungszeitraums auf die im September 2015 erfolgte Erhebung der Widerklage abzustellen ist. In diesem Fall fehlte es im Hinblick auf die Benutzung der Klagemarke durch den Vertrieb der Bewässerungsspritze mit der Artikelnummer … bis Mai 2012 an einer Nichtbenutzung für einen ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren, so dass die Widerklage unbegründet wäre. Dagegen hat die Revision keinen Erfolg, wenn für die Berechnung des Zeitraums der fünfjährigen ununterbrochenen Nichtbenutzung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen ist. Die Annahme des Berufungsgerichts, eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke sei nur bis Mai 2012 nachgewiesen, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand. Das Berufungsgericht hätte die Klagemarke dann unter Berücksichtigung einer letztmaligen rechtserhaltenden Benutzung im Mai 2012 zu Recht ab dem für verfallen erklärt, da die letzte mündliche Verhandlung am stattgefunden hat.

26bb) Der für einen Verfall wegen fünfjähriger Aussetzung der Benutzung nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. a UMV und Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV maßgebliche Zeitpunkt ist weder klar noch durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bereits geklärt. Insbesondere lässt sich eine Klärung der Vorlagefrage nicht dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-148/17, GRUR 2018, 616 = WRP 2018, 680 - P&C Hamburg/P&C Düsseldorf) entnehmen. Danach ist Art. 14 der Richtlinie 2008/95/EG in Verbindung mit Art. 34 Abs. 2 GMV dahin auszulegen, dass er einer Auslegung des nationalen Rechts entgegensteht, nach der die Ungültigkeit oder der Verfall einer älteren nationalen Marke, deren Zeitrang für eine Unionsmarke in Anspruch genommen wird, nachträglich nur dann festgestellt werden kann, wenn die Voraussetzungen für die Ungültigkeit oder den Verfall nicht nur zum Zeitpunkt des Verzichts auf die ältere nationale Marke oder ihres Erlöschens, sondern auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Feststellungsentscheidung vorlagen (EuGH, GRUR 2018, 616 Rn. 32 - P&C Hamburg/P&C Düsseldorf). Hieraus lassen sich keine Erkenntnisse für die Beantwortung der Vorlagefrage im Streitfall herleiten. Vorliegend geht es nicht um die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Ungültigkeit oder den Verfall einer nationalen Marke zu dem Zeitpunkt erfüllt waren, zu dem auf sie verzichtet wurde oder zu dem sie erlosch (vgl. EuGH, GRUR 2018, 616 Rn. 26 - P&C Hamburg/P&C Düsseldorf). Vielmehr ist zu prüfen, ob eine weiterhin im Register befindliche Marke verfallen ist.

27cc) Das Abstellen auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz wird dem in Erwägungsgrund 24 der Unionsmarkenverordnung genannten Ziel, dass die Zubilligung des Markenschutzes nur im Falle tatsächlicher Benutzung berechtigt ist, in höherem Maße gerecht als das Abstellen auf den Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage. Letzteres kann dazu führen, dass eine Verletzungsklage Erfolg hat und eine Widerklage auf Erklärung des Verfalls abzuweisen ist, obwohl die Klagemarke im Entscheidungszeitpunkt löschungsreif war. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz entspricht auch der Prozessökonomie, weil der Widerkläger nicht auf eine erneute Widerklage oder einen Löschungsantrag verwiesen ist, sofern während des Rechtsstreits ein Zeitraum fünfjähriger Nichtbenutzung vollendet worden ist. Die Einheitlichkeit des Schutzes der Unionsmarke wird durch das Abstellen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht in relevanter Weise berührt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:060619BIZR212.17.0

Fundstelle(n):
DAAAH-27315