BSG Beschluss v. - B 13 R 195/10 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage - Darlegung - höchstrichterliche Klärung

Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Instanzenzug: SG Hildesheim Az: S 41 R 194/06 WAvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 1 R 382/09 Urteil

Gründe

1Mit Urteil vom hat das LSG Niedersachsen-Bremen den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf eine Divergenz.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung vom genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 SGG nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

41. Grundsätzlich bedeutsam iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufzeigen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

6Der Senat kann offen lassen, ob es sich hierbei um eine Rechtsfrage, die im vorliegenden Verfahren grundsätzlich klärungsfähig (entscheidungserheblich) sein mag, handelt. Der Kläger zeigt in der Beschwerdebegründung jedenfalls nicht auf, dass sich die Beantwortung nicht schon aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt; die Rechtsfrage mithin noch nicht geklärt bzw weiterhin klärungsbedürftig ist.

7Der Kläger trägt zwar pauschal vor, dass sich die aufgeworfene Frage nicht schon aus §§ 240, 43 SGB VI beantworten lasse. Er nimmt ferner Bezug auf die Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 31, 37, 70), um darzulegen, dass die Feststellung der Erwerbsminderung bzw Berufsunfähigkeit nicht lediglich eine medizinische, sondern vorrangig eine Rechtsfrage sei. Im Rahmen der Rechtsprüfung sei aber auch eine "tatsächliche Betrachtungsweise angezeigt". Insofern habe das LSG nicht hinreichend berücksichtigt, "dass jedermann die Tätigkeit eines 'Fachberaters' im Baumarkt ausüben" könne. Dies sei eine gerichtsbekannte Tatsache, die das LSG im Rahmen der Beantwortung der Rechtsfrage nicht hinreichend berücksichtigt habe.

8Mit diesem Vortrag hat sich der Kläger aber nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des BSG auseinandergesetzt. Denn er legt weder den Inhalt der zitierten Entscheidungen des BSG dar noch zeigt er auf, aus welchem Grund die aufgeworfene Frage mit Hilfe der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu lösen ist. Eine hierauf gerichtete inhaltliche Auseinandersetzung fehlt völlig. Der wiederholt geäußerte Vorwurf, das LSG habe "gerichtsbekannte Tatsachen" nicht beachtet, ist als Rüge unrichtiger Beweiswürdigung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein unbeachtlich (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG).

9Die Auseinandersetzung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung erfordert aber darzulegen, dh näher darauf einzugehen (vgl - HVBG-Info 1999, 3342), weshalb eine bereits ins Feld geführte Argumentation nicht zutrifft und eine weitere höchstrichterliche Klärung erforderlich erscheint (vgl SozR 3-1500 § 160a Nr 34; - Juris RdNr 5). Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht sie zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden Begriffe aber bereits eine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage gibt (vgl - UV-Recht Aktuell 2006, 101). Die Auseinandersetzung mit einschlägiger Rechtsprechung erfordert mithin, anhand dieser Rechtsprechung zu begründen, dass noch Bedarf nach einer weiteren Entscheidung des Revisionsgerichts bestehe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 23; - Juris RdNr 4). Daran fehlt es hier.

102. Soweit der Kläger Divergenz als weiteren Zulassungsgrund rügt, ist diese nicht hinreichend bezeichnet. Zur formgerechten Darlegung dieses Zulassungsgrundes müssen gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 2 SGG in der Beschwerdebegründung entscheidungstragende Rechtssätze im Berufungsurteil und in einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenüber gestellt werden; darüber hinaus ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; Nr 13 RdNr 17). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen erlaubt die Zulassung der Revision wegen Abweichung.

11Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

14Ungeachtet dessen, ob das LSG den zitierten Satz aufgestellt hat, hat der Kläger nicht hinreichend aufgezeigt, dass zwei Entscheidungen einander widersprechende Rechtssätze aufgestellt haben. Im ersten Rechtssatz kleidet der Kläger in Wahrheit seinen konkreten Einzelfall, so wie ihn das LSG in tatsächlicher Hinsicht gewürdigt hat, in einen "abstrakten Rechtssatz". Es fehlt aber an einer abstrakten rechtlichen Aussage, die über diesen Einzelfall hinaus für vergleichbare Sachverhalte gelten soll (vgl hierzu Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 389 mwN; vgl auch BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 91). Auch der zweite Teil im zitierten Satz des LSG enthält lediglich die - vermeintliche - rechtliche Schlussfolgerung aus der Tatsachenwürdigung durch das LSG. Damit rügt der Kläger im Ergebnis aber nichts anderes, als dass das Berufungsgericht den vom Kläger zitierten höchstrichterlichen Rechtssatz missverstanden bzw die dort aufgestellten Grundsätze des BSG falsch oder nicht angewendet hat. Dies ist wie dargelegt für die Bezeichnung einer Divergenz nicht ausreichend (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 45).

15Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).

16Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

17Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2011:030111BB13R19510B0

Fundstelle(n):
MAAAH-24357