BSG Beschluss v. - B 10 EG 14/12 B

Nichtzulassungsbeschwerde - Erziehungsgeld für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer - Mutter eines deutschen Kindes - Besitz eines Aufenthaltstitels - tatsächliches Innehaben - grundsätzliche Bedeutung - Divergenz zu einer EuGH-Entscheidung kein Zulassungsgrund

Gesetze: § 1 Abs 6 BErzGG vom , § 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, Art 20 AEUV, Art 234 EG, § 25 Abs 5 AufenthG

Instanzenzug: Az: S 10 EG 10/05 Urteilvorgehend Landessozialgericht Hamburg Az: L 2 EG 9/08 Urteil

Gründe

1Die Klägerin begehrt die Gewährung von Erziehungsgeld für das 2. Lebensjahr ihrer am 2003 geborenen Tochter M., die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Sie selbst ist ivorische Staatsangehörige. Ihr Aufenthalt in Deutschland war bis zum nur geduldet. Ab dem war sie im Besitz einer bis gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).

2Mit Urteil vom hat das Landessozialgericht Hamburg (LSG) einen Leistungsanspruch der Klägerin verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie sinngemäß mit einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) begründet. Für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde hat die Klägerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden.

4Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

6In der Beschwerdebegründung wird bereits der entscheidungserhebliche Sachverhalt nur so rudimentär geschildert, dass nicht einmal der genaue Streitgegenstand erkennbar wird. Damit ist es dem Senat nicht möglich, aufgrund des Vortrags in der Beschwerdebegründung die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen zu beurteilen. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nämlich nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Die Klägerin hätte daher den Sachverhalt zumindest ansatzweise schildern und erläutern müssen, dass und an welcher Stelle die aufgeworfenen Rechtsfragen im angestrebten Revisionsverfahren hätten beantwortet werden müssen. Es ist nicht Aufgabe des Senats, sich den für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt selbst zu erarbeiten.

7Auch sonst hat die Klägerin die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen im vorliegenden Verfahren nicht ausreichend dargetan. Sie hätte sich mit der Rechtslage - wie vom LSG dargestellt - auseinandersetzen und begründen müssen, inwiefern die Rechtsfragen vom BSG zu entscheiden sind. Insoweit hätte sie insbesondere Ausführungen dazu machen müssen, dass § 1 Abs 6 BErzGG die Entstehung des Anspruchs auf Erziehungsgeld für einen Ausländer, der - wie die Klägerin - nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes hat, an den "Besitz" bestimmter aufenthaltsrechtlicher Titel knüpft (s zu dem gesetzlichen Erfordernis des Besitzes eines der genannten Aufenthaltstitel BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 12, 18). Besitz ist dabei nur die "tatsächliche Innehabung" des Aufenthaltstitels (BSG aaO), nicht der bloße Anspruch darauf. Mit der Anspruchsvoraussetzung des Besitzes eines Aufenthaltstitels schließt es das Gesetz aus, aufenthaltsrechtliche Fragen im Rahmen des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens betreffend den Anspruch auf Erziehungsgeld zu klären ( - BSGE 105, 70 = SozR 4-7833 § 1 Nr 10, RdNr 33). Eine Auseinandersetzung mit dieser genannten Rechtsprechung hat die Klägerin unterlassen.

8Darüber hinaus hat die Klägerin nicht berücksichtigt, dass der Anspruch von nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern auf Erziehungsgeld nicht allein von deren aufenthaltsrechtlichen Status abhängt, auf den sich die aufgeworfenen Fragen beziehen. Vielmehr ist auch eine Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit erforderlich (s § 1 Abs 6 Nr 2 Halbs 1 BErzGG; vgl insgesamt hierzu Senatsbeschluss vom - B 10 EG 14/10 B - RdNr 7 ff). Die Klägerin hat nichts dazu vorgetragen, inwiefern sie dieses Tatbestandsmerkmal für den streitigen Zeitraum erfüllen könnte oder warum in ihrem Fall auf dieses Erfordernis verzichtet werden müsse. Mithin bleibt auch im Hinblick darauf offen, ob es im vorliegenden Rechtsstreit überhaupt auf die aufgeworfenen Rechtsfragen ankommt.

9Soweit die Klägerin vorträgt, das Berufungsurteil weiche von der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Zambrano vom - C 34/09 - ab, hat sie eine Divergenz (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht dargetan. Nach der ausdrücklichen Regelung des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG kommt es insoweit nur auf eine Abweichung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts an.

10Die Beschwerde ist daher ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

11Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Gemäß § 73a Abs 1 SGG iVm § 114 ZPO kann PKH nur bei hinreichender Erfolgsaussicht bewilligt werden. Das ist - wie bereits oben dargelegt - nicht der Fall.

12Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2012:281112BB10EG1412B0

Fundstelle(n):
HAAAH-24269