Finanzrechtsweg bei Widerruf eines vom Finanzamt im Rahmen eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans zunächst gewährten
Vollstreckungsaufschubs
Entfallen des Vollstreckungsaufschubs durch Eintritt von im Schuldenbereinigungsplan vereinbarten auflösenden Bedingungen
(hier: unvollständige Abführung einer Erbschaft des Schuldners)
Gestaltungsklage als zulässige Klage gegen Widerruf des Vollstreckungsaufschubs
Leitsatz
1. Die Rechtgrundlage eines der Gestaltungsfreiheit des Gläubigers und des Schuldners unterliegenden außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans
ist in §§ 307 ff. InsO zu suchen, auch wenn das gerichtliche Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet ist. Auch wenn der außergerichtliche
Schuldenbereinigungsplan die materiell-rechtliche Wirkung eines Vergleichs i. S. v. § 794 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 308
Abs. 1 Satz 2 InsO hat, kann er einen Vollstreckungsaufschub enthalten, dessen Voraussetzungen und Bestand im Finanzrechtsweg
nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO überprüft werden können (im Streitfall: Auslegung einer im Rahmen des Schuldenbereinigungsplans
zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigem getroffenen Vereinbarung nicht als Stundung, sondern als Vollstreckungsaufschub i.
S. des § 258 AO bis zum Erlass der anschließend noch bestehenden Restschulden; Rechtsprechungsnachweise zur „Unbilligkeit”
i.S. des § 258 AO).
2. Auch ein nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung verbundener Widerruf eines im Rahmen eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans
vom Finanzamt gewährten Vollstreckungsaufschubs stellt als actus contrarius zum (hoheitlich gewährten) Vollstreckungsaufschub
einen Steuerverwaltungsakt dar, gegen den finanzgerichtlich zulässigerweise nicht mit einer Feststellungsklage, sondern mit
einer Gestaltungsklage vorgegangen werden kann.
3. Hat sich der Steuerpflichtige in dem auf mehrere Jahre angelegten außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplan gegenüber
dem Finanzamt neben monatlichen Raten unter anderem zur Auskehrung eines bestimmten Prozentsatzes aller ihm in diesem Zeitraum
zufallenden Erbschaften und Pflichtteilsansprüche verpflichtet, so ist davon auszugehen, dass das Finanzamt den vereinbarten
Vollstreckungsaufschub nur unter der (auflösenden) Bedingung der Nichteinhaltung der Verpflichtungen des Steuerpflichtigen
aus der Schuldenbereinigungsvereinbarung i. S. v. § 120 Abs. 2 Nr. 2 AO gewährt hat. Hat der Steuerpflichtige dem Finanzamt
gleichwohl eine ihm im maßgeblichen Zeitraum zufallende Erbschaft nicht mitgeteilt (und die daraus gegenüber dem Finanzamt
aus dem Schuldenbereinigungsplan resultierende Zahlungsverpflichtung bestritten und bis heute nicht vollständig erfüllt),
so ist zum Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung die begünstigende Wirkung des Vollstreckungsaufschubs mit Wirkung
für die Zukunft (ex nunc) entfallen; eines Widerrufs des Vollstreckungsaufschubs bedarf es vor diesem Hintergrund nicht mehr.
4. Wird der Vollstreckungsaufschub gleichwohl vom Finanzamt aufgehoben, handelt es sich bei dem Aufhebungsbescheid um einen
selbständigen Verwaltungsakt, in dessen Rahmen keine erneute Ermessensentscheidung zu treffen ist, so dass die Rechtmäßigkeit
des Aufhebungsbescheides nur vom Eintritt der auflösenden Bedingung abhängt.
Fundstelle(n): JAAAH-23694
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