Gehörsverletzung bei Beurteilung der irreführenden Verwendung des Internetauftritts "Anwaltsforum Patientenanwälte"
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG
Instanzenzug: Az: 5 U 134/17vorgehend Az: 16 O 239/16
Gründe
1I. Die Parteien sind Rechtsanwälte. Im Impressum der Internetseite www.anwaltsforum-patientenanwälte.de tritt der Beklagte als "Anbieter nach § 5 TMG/MDStV" auf. Er schaltete Google-Adwords-Anzeigen mit der Überschrift "Fachanwälte Medizinrecht - anwaltsforum-patientenanwälte.de". Der Kläger hält die Werbung des Beklagten für irreführend und hat ihn vorgerichtlich abgemahnt.
2Auf die Berufungen der Parteien hat das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil dahingehend neu gefasst, dass dem Beklagten mit dem Urteilstenor zu I 1 verboten wird, im Wettbewerb
a) (...),
b) im Gebiet der Dienstleistungen des Medizinrechts auf Patientenseite als "Anwaltsforum Patientenanwälte im Geburtsschadensrecht" aufzutreten
[es folgt eine Bezugnahme auf Anlagen],
c) im Gebiet der Dienstleistungen des Medizinrechts auf Patientenseite als "Anwaltsforum-Patientenrechte" aufzutreten
[es folgt die Bezugnahme auf eine Anlage],
d) zu behaupten und zu verbreiten:
aa) "Das Anwaltsforum ist ein Zusammenschluss von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen im Medizinrecht, die bundesweit für Patienten beim Verdacht eines ärztlichen Behandlungsfehlers insbesondere bei Geburtsschäden tätig sind. Mitglied des Anwaltsforums Patientenanwälte im Geburtsschadensrecht dürfen nur Anwälte werden, die über einen Titel zum "Fachanwalt für Medizinrecht" oder einen Titel zum "Master of Laws" im Medizinrecht verfügen und damit ihre Qualifikation in diesem Rechtsgebiet unter Beweis gestellt haben. Wir nehmen keine Rechtsberatung im Einzelnen vor, wir vermitteln aber Anfragende an unsere Anwälte - bundesweit! Diese werden sich nach Kontaktaufnahme unverzüglich mit Ihnen in Verbindung setzen." und
bb) "Das Anwaltsforum Patientenanwälte im Geburtsschadensrecht verfügt neben qualifiziert tätigen Anwälten auch über einen Pool von hochqualifizierten fachmedizinischen Sachverständigen jeder medizinischen Fachrichtung, insbesondere im Bereich von Geburtsschäden, die im Bedarfsfalle involviert werden können." sowie
cc) "Wir vermitteln (...) Anfragende an unsere Anwälte - bundesweit -! Diese werden sich nach Kontaktaufnahme unverzüglich mit Ihnen in Verbindung setzen.",
wenn dies geschieht, wie auf der Webseite www.anwaltsforum-patientenanwälte.de angegeben.
3Das Kammergericht hat ferner die auf die Verbote I b, c, und d bezogenen Ansprüche auf Auskunftserteilung (Urteilstenor I 2) und Feststellung der Schadensersatzpflicht (Urteilstenor I 3) zuerkannt. Mit der Revision möchte der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgen.
4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat teilweise Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur teilweisen Aufhebung des angegriffenen Urteils, soweit darin hinsichtlich der Aussprüche I 1 b, c und d sowie I 2 und 3 zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
51. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung zu I 1 b, c und d und die darauf bezogene Verurteilung zur Auskunftserteilung (I 2) und Feststellung der Schadensersatzpflicht (I 3) wie folgt begründet:
6Die Angaben zum "Anwaltsforum Patientenanwälte" seien irreführend. Der angesprochene Verkehr - von einem Geburtsschadensfall betroffenen Personen - entnehme diesen Angaben, dass es sich um einen aktiven, der Ebene von Sozietäten oder Partnerschaften übergeordneten Zusammenschluss von Rechtsanwälten handele, deren Gemeinsamkeiten in der Vertretung von Patienten im Geburtsschadensrecht bestehe und die Patienteninteressen in besonderer Weise zur Durchsetzung verhelfen wollten. Die angegriffenen Angaben seien irreführend, weil der Zusammenschluss nach dem Vortrag des Beklagten im Zeitpunkt der Werbung am über ein Vorbereitungsstadium nicht hinausgekommen gewesen sei und letztlich nur aus dem Beklagten und seinen freien Mitarbeitern bestanden habe.
72. Das Berufungsgericht hat mit dieser Beurteilung den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.
8a) Der Beklagte hat für das Bestehen der Arbeitsgemeinschaft wie folgt vorgetragen:
Der Beklagte tritt nicht als Arbeitsgemeinschaft auf, sondern er weist auf eine existierende Arbeitsgemeinschaft hin und offenbart sich für diese existierende Arbeitsgemeinschaft als Ansprechpartner.
Beweis: Zeugnis der Gründer der Arbeitsgemeinschaft:
Rechtsanwalt M. , LLM, Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwältin R. , Fachanwältin für Medizinrecht
Prof. G. , Gütersloh, Fachanwalt für Medizinrecht
9b) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe sich allein auf in seiner eigenen Kanzlei tätige Mitarbeiter gestützt, so dass eine übergeordnete Arbeitsgemeinschaft nicht bestehe. Hierbei hat es übersehen, dass der vom Beklagten benannte Rechtsanwalt G. nicht sein Mitarbeiter ist.
10Für das Bestehen der Arbeitsgemeinschaft ist nicht der Beklagte beweisbelastet, weil die Darlegungs- und Beweislast für die Irreführung, also auch für das Nichtbestehen der Arbeitsgemeinschaft, den Kläger als Anspruchssteller trifft (vgl. nur , GRUR 2013, 1058 Rn. 22 f. = WRP 2013, 1333 - Kostenvergleich bei Honorarfactoring; Urteil vom - I ZR 230/12, GRUR 2014, 578 Rn. 16 = WRP 2014, 697 - Umweltengel für Tragetasche). Angesichts der Benennung angeblicher Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft durch den Beklagten war es somit Sache des Klägers zu beweisen, dass mangels Mitgliedschaft des Rechtsanwalts G. eine Arbeitsgemeinschaft im vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sinne im Zeitpunkt der Werbung nicht bestand.
11Diese Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. , BGHZ 187, 69 Rn. 14 mwN; Beschluss vom - V ZR 141/11, WuM 2012, 164 Rn. 11; Beschluss vom - I ZR 160/12, TranspR 2013, 383 Rn. 16). Die von der Beschwerdeerwiderung angestellte Erwägung, es sei auszuschließen, dass Rechtsanwalt G. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft sei, weil es sich bei ihm um einen Konkurrenten des Beklagten mit eigener "Kampagne" handele, beseitigt die Entscheidungserheblichkeit des Gehörverstoßes nicht, weil sie eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung enthält. Gleiches gilt für die Bezugnahme auf den Vortrag des Klägers, der Internetseite des Beklagten selbst sei ein späteres Gründungsdatum zu entnehmen gewesen. Diese Würdigung ist Sache des Berufungsgerichts nach vollständiger Erfassung des Sachverhalts.
12III. Die weitergehende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist zurückzuweisen, weil insoweit die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:140319BIZR167.18.0
Fundstelle(n):
HAAAH-16827