Glaubhaftmachung des Verlustes eines fristwahrenden Schriftstückes auf dem Postweg
Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 233 S 1 ZPO, § 234 Abs 1 S 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 19 S 24/18vorgehend AG Ettlingen Az: 3 C 270/17
Gründe
I.
1Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Unterlassung von Geruchsbelästigung, die Beklagten machen im Wege der Widerklage Unterlassungsansprüche wegen Lärmbelästigung geltend. Das Amtsgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen.
2Die Klägerin hat gegen das ihr am zugestellte Urteil am Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom hat das Landgericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass innerhalb der Berufungsbegründungsfrist weder ein Antrag auf Fristverlängerung noch eine Berufungsbegründung eingegangen sei. Mit Schriftsatz vom , bei dem Landgericht eingegangen am , hat die Klägerin ihre Berufung begründet und mit Schriftsatz vom Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung trägt sie vor, ihr Prozessbevollmächtigter habe mit Schriftsatz vom die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum beantragt. Da auf den ersten Antrag grundsätzlich immer Verlängerung gewährt werde, sei der Prozessbevollmächtigte von der Verlängerung der Frist ausgegangen. Der Antrag sei fristgerecht zur Post gebracht und versandt worden; weshalb er bei Gericht nicht vorliege, sei nicht erklärlich. In der Kanzlei werde ein Postausgangsbuch geführt, darin sei der Schriftsatz eingetragen. Diesen Vortrag hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin anwaltlich versichert. Dem Schriftsatz war eine Kopie des Postausgangsbuchs vom beigefügt.
3Das Landgericht hat die Klägerin mit Verfügung vom darauf hingewiesen, dass der Wiedereinsetzungsantrag nicht ausreichend begründet und glaubhaft gemacht worden sei. Erforderlich seien insbesondere Angaben zum zeitlichen Ablauf und zur Gestaltung und Organisation der Postausgangskontrolle. Das Kürzel „LG, P“ im Ausdruck des Postausgangsbuchs möge erläutert werden. Außerdem werde um Glaubhaftmachung gebeten. Der Klägerin wurde hierfür eine Frist bis zum gesetzt. Mit Schriftsatz vom hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihrem Prozessbevollmächtigten die Hinweisverfügung erst am zugegangen sei, so dass dieser nicht fristgerecht habe reagieren können. Diesem Schriftsatz war eine eidesstattliche Versicherung der Kanzleimitarbeiterin C. M. vom beigefügt, in der das Kürzel „LG, P“ erläutert und der übliche Ablauf des Postversands in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin geschildert wird.
4Bereits am hatte das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin gegen das amtsgerichtliche Urteil als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt die Klägerin, den Beschluss aufzuheben und ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.
II.
5Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe trotz entsprechenden Hinweises nicht glaubhaft gemacht, dass der Schriftsatz, mit dem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt worden sei, nicht im Verantwortungsbereich ihres Prozessbevollmächtigten verloren gegangen sei. Es fehle an einer geschlossenen Darstellung des zeitlichen Ablaufs und der Gestaltung der Postausgangskontrolle. Daher könne nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Schriftsatz in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor der Fertigmachung zum Versand verloren gegangen oder sonst auf Abwege geraten und dies aufgrund unzureichender Kontrolle der ausgehenden Post nicht entdeckt worden sei.
III.
6Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
71. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Verwerfung der Berufung als unzulässig unter Übergehung entscheidungserheblichen Vortrags der Klägerin verletzt diese in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG und auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 208/14, juris Rn. 5).
82. Mit der gegebenen Begründung durften weder die Berufung als unzulässig verworfen noch der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen werden. Das Berufungsgericht hätte bei seiner Entscheidung den Schriftsatz der Klägerin vom berücksichtigen müssen. Die Nichtberücksichtigung dieses Schriftsatzes verletzt den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.
9a) Zu Recht hat das Berufungsgericht der Klägerin Gelegenheit gegeben, ihren Vortrag zu dem dargelegten Wiedereinsetzungsgrund zu präzisieren. Die Klägerin hat die Berufungsbegründungsfrist versäumt, weil ihr Schriftsatz vom , mit dem sie um Fristverlängerung nachgesucht haben will, nicht bis zum bei dem Berufungsgericht eingegangen war. Sie hat die Berufungsbegründung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat (vgl. § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nachgeholt und unter Darlegung und anwaltlicher Versicherung eines Wiedereinsetzungsgrundes Wiedereinsetzung beantragt. Wenn das Berufungsgericht eine konkretere Darstellung und eine zusätzliche Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung der für den Postversand zuständigen Mitarbeiterin für erforderlich hielt, musste es der Klägerin Gelegenheit geben, ihren Vortrag zu ergänzen. Das ist hier mit der Verfügung des Vorsitzenden der Berufungskammer vom geschehen.
10b) Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG aber dadurch verletzt, dass es über die Verwerfung der Berufung und den Wiedereinsetzungsantrag entschieden hat, bevor eine angemessene Frist verstrichen war, innerhalb derer die Klägerin auf den Hinweis reagieren konnte.
11aa) Allerdings ist das Gericht weder in jedem Fall verpflichtet, der Partei eine Frist zur Stellungnahme auf einen Hinweis zu setzen, noch dazu, bei einer Hinweisverfügung ohne Fristsetzung beliebig lange zuzuwarten, bis sich die betroffene Partei auf den ihr erteilen Hinweis äußert, oder - solange es an einer Reaktion der Partei fehlt - eine beabsichtigte Entscheidung voranzukündigen (vgl. , NJW 2018, 2202 Rn. 10; Beschluss vom - VIII ZB 109/05, NJW 2007, 1887 Rn. 6). Setzt das Gericht der Partei aber eine Äußerungsfrist, so muss es deren Ablauf abwarten, auch wenn es die Sache für entscheidungsreif hält. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet in Verbindung mit den Grundsätzen der jeweiligen Verfahrensordnung - hier der Zivilprozessordnung - die Berücksichtigung jedes Schriftsatzes, der innerhalb einer gesetzlich oder richterlich bestimmten Frist bei Gericht eingeht (st. Rspr.; vgl. zuletzt , juris Rn. 22 mwN).
12bb) Danach musste das Berufungsgericht den Schriftsatz der Klägerin vom berücksichtigen. Es durfte über den Wiedereinsetzungsantrag und die Verwerfung der Berufung nur entscheiden, wenn die Klägerin die Verfügung erhalten und innerhalb angemessener Frist nicht reagiert hatte. Diese Voraussetzungen waren am noch nicht eingetreten.
13(1) Der Vorsitzende der Berufungskammer hatte der Klägerin in seiner Verfügung vom Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und diese Teile seiner Verfügung mit dem Zusatz abgeschlossen „Frist: “. Diese Fristsetzung hat das ihr zugedachte Ziel, der Klägerin einen angemessenen Zeitraum zur Reaktion auf den im gleichen Schreiben erteilten Hinweis zu geben, verfehlt, denn das Schreiben ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach dessen Vortrag erst am zugegangen.
14(2) Das führte zwar dazu, dass dieser jetzt unabhängig von der fehlgeschlagenen Fristsetzung und ähnlich wie bei einem Hinweis ohne Fristsetzung so rechtzeitig reagieren musste, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf die Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 18/17, juris Rn. 12; , BGH-Report 2007, 722 Rn. 7). Das ist hier aber auch geschehen. Die Klägerin hat zu dem Hinweis mit am - noch vor der Zustellung des Beschlusses vom - eingegangenen Schriftsatz Stellung genommen. Das war rechtzeitig.
15(3) Der Berücksichtigung dieses Schriftsatzes steht auch nicht entgegen, dass bei seinem Eingang die Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat (vgl. § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) schon abgelaufen war. Zwar müssen alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden (§ 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Deshalb muss eine Partei die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen im Rahmen ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO vortragen und glaubhaft machen. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht. Auf neue Tatsachen kann die Wiedereinsetzung nach § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO nicht gestützt werden (Senat, Beschluss vom - V ZB 94/13, juris Rn. 12; , NJW 1997, 1708, 1709). Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung - wie hier - nach § 139 ZPO geboten ist, dürfen aber auch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (st. Rspr., vgl. , juris Rn. 13; Beschluss vom - VI ZB 68/16, MDR 2019, 244 Rn. 7; Beschluss vom - III ZB 2/16, NJW-RR 2016, 1022 Rn. 12; Urteil vom - IX ZR 235/01, NJW 2002, 2107, 2108 mwN).
16c) Dieser Verstoß ist auch entscheidungserheblich. Nach dem mit Schriftsatz vom ergänzten Vortrag und der eidesstattlichen Versicherung der Angestellten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom selben Tage ist deren Wiedereinsetzungsantrag begründet.
17aa) Gemäß § 233 Satz 1 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne Verschulden verhindert war, unter anderem die Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) einzuhalten. Diese Voraussetzungen sind glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine Behauptung ist schon dann im Sinne von § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 294 ZPO glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 113/17, NJW 2018, 1691 Rn. 11; Beschluss vom - V ZB 210/09, NJW-RR 2011, 136 Rn. 7).
18bb) Diese Voraussetzungen liegen vor.
19(1) Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ohne das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten auf dem Postweg verloren gegangen ist und sie deshalb die Frist unverschuldet versäumt hat. Sie hat vorgetragen, ihr Prozessbevollmächtigter habe mit Schriftsatz vom beantragt, die am ablaufende Frist zur Begründung der Berufung bis zum zu verlängern. Der Schriftsatz sei auf dem Postweg verloren gegangen. Die dafür vorgelegten Mittel der Glaubhaftmachung kann der Senat selbst würdigen, weil es insoweit keiner weiteren Tatsachenfeststellungen bedarf und keine Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der anwaltlichen und der eidesstattlichen Versicherung bestehen (vgl. , NJW 2015, 3517 Rn. 16; Senat, Beschluss vom - V ZB 226/12, juris Rn. 15).
20(2) Wäre der Schriftsatz am zur Post gegeben worden, hätte er das Gericht angesichts der regelmäßig zu erwartenden Postlaufzeit von einem Tag (dazu: Senat, Beschluss vom - V ZB 135/15, NJW 2016, 3789 Rn. 23; Beschluss vom - V ZB 187/12, juris Rn. 9; Beschluss vom - V ZB 226/12, juris Rn. 7; Beschluss vom - V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217, 1218) rechtzeitig vor Ablauf der Begründungsfrist erreicht. Die Klägerin hätte, da es sich um ihren ersten Antrag auf Verlängerung dieser Frist handelte, auch mit der Bewilligung der beantragten Fristverlängerung rechnen können (dazu: Senat, Beschluss vom - V ZB 42/10; NJW-RR 2011, 285 Rn. 8, 10, 13; BGH, Beschluss vom 20. Fe-bruar 2018 - VI ZB 47/17, MDR 2018, 547 Rn. 8 mwN).
21(3) Den unverschuldeten Verlust eines Schriftsatzes mit einem solchen Verlängerungsantrag auf dem Postweg kann eine Partei regelmäßig nicht anders glaubhaft machen als durch die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Aufgabe zur Post. Dazu genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn der Antragsteller auf der Grundlage einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des in Verlust geratenen Schriftsatzes zur Post glaubhaft macht, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich seines Verfahrensbevollmächtigten eingetreten ist (vgl. , NJW-RR 2018, 445 Rn. 14; Beschluss vom - VIII ZB 20/17 - juris Rn. 11; Beschluss vom - VII ZB 41/16 - NJW-RR 2017, 627 Rn. 14; Beschluss vom - VI ZB 40/15, FamRZ 2016, 2010 Rn. 8; Beschluss vom - III ZB 56/14, NJW 2015, 3517 Rn. 14; Senat, Beschluss vom - V ZB 226/12, juris Rn. 14). Dazu muss die Möglichkeit ausgeräumt werden, dass der Antrag auf Verlängerung der Frist für die Berufungsbegründung in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten verloren gegangen ist, bevor sie dort versandfertig gemacht worden ist, und dies auf Grund unzureichender Kontrolle der ausgehenden Post nicht entdeckt worden ist (vgl. , NJW 2015, 3517 Rn. 15; Beschluss vom - IV ZB 14/14, juris Rn. 9). Dies kann durch den Nachweis der Erfassung des verloren gegangenen Schriftsatzes in einem Postausgangsbuch geschehen, das grundsätzlich geeignet ist, die erforderliche Ausgangskontrolle zu gewährleisten (vgl. , NJW-RR 2018, 445 Rn. 19; Beschluss vom - III ZB 46/13, NJOZ 2014, 1476 Rn. 10; Beschluss vom - VI ZB 6/10, NJW 2011, 2051 Rn. 8; Beschluss vom - II ZB 9/94, NJW 1994, 3171; Beschluss vom - XII ZB 28/91, NJW-RR 1991, 1150).
22(4) Diesen Maßstäben genügen der Vortrag der Klägerin und die zu dessen Glaubhaftmachung vorgelegten anwaltlichen bzw. eidesstattlichen Versicherungen.
23(a) Der Schriftsatz ist nach der vorgelegten Kopie in das Postausgangsbuch der Rechtsanwaltskanzlei eingetragen worden. Die zuständige Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat eidesstattlich versichert, der Postversand in der Kanzlei sei wie folgt organisiert: Die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf Band diktierten und von ihr geschriebenen Schriftstücke würden diesem in einer Postmappe zur Unterschrift vorgelegt. Mit der „unterschriebenen Postmappe“ begebe sie sich in das „sozusagen Frankierzimmer“ und trage dort die ausgehende Post in das Postausgangsbuch ein. Danach werde die Post einkuvertiert, frankiert und von ihr zur Post gebracht. Im Postausgangsbuch werde vermerkt, in welcher Sache geschrieben worden sei. Dabei würden Partei und Gegner angeführt. Gehe die Post an die Partei, werde das Kürzel „P“ eingetragen; das Kürzel „LG“ werde für das Landgericht verwendet. Danach besteht jedenfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antrag auf Fristverlängerung für die Berufungsbegründung auf dem Postweg verloren gegangen ist und die Klägerin oder ihren Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) kein Verschulden trifft.
24(b) Soweit das Berufungsgericht unter Berufung auf eine Entscheidung des , NJOZ 2014, 1476 Rn. 10) meint, das Postausgangsbuch des Rechtsanwalts könne die erforderliche Ausgangskontrolle nur gewährleisten, wenn die abzusendenden Schriftsätze dort erst eingetragen würden, nachdem sie kuvertiert und zum Versand fertiggemacht worden seien, überspannt es die Anforderungen an die Ausgangskontrolle. Zwar heißt es in der angeführten Entscheidung, dass, wenn der Austrag bereits vor der „Postfertigstellung“ der Sendung erfolge, aufgrund des Postausgangsbuchs keine zuverlässige Kontrolle möglich sei, ob die Absendung fristgerecht erfolgt sei (, aaO). Dies bedeutet aber nicht, dass der Austrag im Postausgangsbuch stets als letzter der genannten Schritte zu erfolgen hätte. Entscheidend kommt es nicht auf die Reihenfolge der einzelnen Schritte (Kuvertierung, Frankierung, Austrag, Versand) an, sondern darauf, dass angesichts der Gestaltung des Ablaufs eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Schriftstück nach dem Austrag im Postausgangsbuch nicht mehr in der Kanzlei des Rechtsanwalts verloren gegangen ist. Dies ist der Fall, wenn sich der gesamte Postversand als einheitlicher Vorgang darstellt (vgl. , NJW 2015, 3517), etwa wenn die Arbeitsschritte der Postfertigmachung durch eine Mitarbeiterin in einem gesonderten Frankierzimmer erfolgen und die Schriftstücke anschließend von derselben Mitarbeiterin zur Post gebracht werden. So liegt es nach dem Vortrag der Klägerin hier.
IV.
25Die angefochtene Entscheidung ist nach § 577 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO aufzuheben. Der Senat hat nach § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Danach ist der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.
26Die Sache ist zur Durchführung des Berufungsverfahrens an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:210319BVZB97.18.0
Fundstelle(n):
NJW-RR 2019 S. 827 Nr. 13
DAAAH-14880