Instanzenzug: Az: 25 Ca 490/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 33 Sa 6/17 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung einer dem Kläger von der Beklagten gewährten Pensionsergänzung.
2Der Kläger war vom bis zum bei der Beklagten - ein in den deutschen G-Konzern eingebundenes Lebensversicherungsunternehmen - tätig. Er bezieht seit dem von der Beklagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf der Grundlage der Versorgungszusage in seinem Dienstvertrag vom . Dieser lautet ua.:
3Die in § 9 Dienstvertrag in Bezug genommenen „Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes“ (im Folgenden BVW) regeln auszugsweise:
4Der Kläger erhielt - neben seiner gesetzlichen Rente - bis zum von der Beklagten eine Pensionsergänzung iHv. 6.948,99 Euro brutto sowie eine Rente der Versorgungskasse iHv. 664,32 Euro brutto.
5Zum wurden die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 vH erhöht.
6Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom mit, dass die Vorstände und Aufsichtsräte der G Versicherungen beschlossen haben, die „Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten unter Anwendung der in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes normierten Regelung zum für diesen Stichtag um 0,5 % zu erhöhen“.
7Nach der Entscheidung der Beklagten sollten entweder die Gesamtversorgungsbezüge um 0,5 vH erhöht und sodann die - erhöhte - gesetzliche Rente sowie die Versorgungskassenrente abgezogen werden oder, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger war, lediglich die Pensionsergänzung um 0,5 vH erhöht werden. Da letztere Variante für den Kläger - wie letztlich für alle nach den BVW versorgungsberechtigten Betriebsrentner - günstiger war, wurde seine Pensionsergänzung um 0,5 vH gesteigert. Demgemäß gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem eine Pensionsergänzung iHv. 6.983,73 Euro brutto. Zudem erhielt er weiterhin eine Rente der Versorgungskasse iHv. 664,32 Euro brutto.
8Zum stiegen die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,2451 vH.
9Der Vorstand der Beklagten beschloss nach Anhörung der Betriebsräte und des Gesamtbetriebsrats am , die Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten zum um 0,5 vH zu erhöhen; sofern eine Anpassung der Pensionsergänzung um 0,5 vH für den Versorgungsempfänger günstiger sein sollte, sollte diese vorgenommen werden. Der Aufsichtsrat der Beklagten fasste am einen entsprechenden Beschluss. Ab dem gewährte die Beklagte dem Kläger eine Pensionsergänzung iHv. 7.018,65 Euro brutto. Von der Versorgungskasse erhielt der Kläger ab dem eine Rente iHv. 667,71 Euro brutto.
10Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihm ab dem eine höhere Pensionsergänzung zahlen. Nach § 9 Dienstvertrag iVm. § 6 Ziff. 1 der Ausführungsbestimmungen (im Folgenden AB) BVW hätten seine Gesamtversorgungsbezüge zum um 2,09717 vH und zum um weitere 4,2451 vH angehoben werden müssen. Abzüglich der gewährten Versorgungskassenrente, der gesetzlichen Rentenleistungen und bereits erfolgten Zahlungen der Beklagten ergebe sich damit ab dem eine monatliche Differenz iHv. 124,93 Euro und ab dem iHv. insgesamt 416,97 Euro. Die Regelung in AB § 6 Ziff. 3 BVW sei mangels Bestimmtheit unwirksam. Jedenfalls seien ihre Voraussetzungen nicht erfüllt.
11Der Kläger hat beantragt,
12Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Anpassung zum sei auf der Grundlage von AB § 6 Ziff. 3 BVW erfolgt. Die Regelung sei ausreichend bestimmt. Eine Anpassung nach AB § 6 Ziff. 1 BVW sei aufgrund der veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht vertretbar.
13Das Arbeitsgericht hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben, Zinsen jedoch erst ab dem Zweiten eines jeden Monats zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers hat es die Beklagte verurteilt, Rückstände iHv. insgesamt 6.498,24 Euro zzgl. Zinsen ab dem jeweiligen Zweiten eines Monats bis zum und unter Berücksichtigung einer Erhöhung der gesetzlichen Renten zum um 1,90476 vH ab dem über den Betrag von 7.832,77 Euro hinaus jeweils zum Ersten eines Monats einen Betrag iHv. 424,53 Euro brutto zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
14Die zulässige Revision der Beklagten bleibt erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht im Wesentlichen zurückgewiesen und der Anschlussberufung stattgegeben. Die zulässige Klage ist im noch rechtshängigen Umfang begründet.
15I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt - nach der gebotenen Auslegung (zu den Auslegungsmethoden vgl. etwa - Rn. 26 mwN, BAGE 154, 337) - auch für den Klageantrag zu 1.
161. Der Kläger erstrebt mit dem Klageantrag zu 1. unter Berücksichtigung seines Klagevorbringens und der wohlverstandenen Interessenlage lediglich den zwischen den Parteien streitigen monatlichen Differenzbetrag iHv. 424,53 Euro. Davon sind auch die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen.
172. Der so verstandene Klageantrag zu 1. ist auf Zahlung wiederkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO gerichtet. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird (vgl. statt vieler etwa - Rn. 11 mwN).
18II. Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die Gesamtversorgungsbezüge des Klägers nach § 9 Dienstvertrag iVm. AB § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW entsprechend der Steigerung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung zum um 2,09717 vH, zum um 4,2451 vH und zum um 1,90476 vH zu erhöhen und von dem sich ergebenden Betrag die gesetzliche Rente des Klägers sowie die Leistungen der Versorgungskasse in Abzug zu bringen. Daher schuldet sie dem Kläger für die Zeit ab dem eine um 124,93 Euro monatlich höhere Pensionsergänzung, für die Zeit ab dem eine um 416,59 Euro monatlich höhere Pensionsergänzung und ab dem eine um 424,53 Euro höhere Pensionsergänzung. Für die von der Beklagten vorgenommene - gesonderte - Erhöhung der Pensionsergänzung zum iHv. 0,5 vH und zum iHv. 0,5 vH fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. § 9 Dienstvertrag iVm. AB § 6 Ziff. 3 Satz 1 BVW trägt diese Entscheidung nicht, sodass es bei der in AB § 6 Ziff. 1 BVW vorgesehenen Anpassung entsprechend der Erhöhung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung verbleibt.
191. Gemäß § 9 Dienstvertrag richtet sich die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge des Klägers nach AB § 6 BVW. Das ergibt die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei der Regelung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB, eine Einmalklausel iSd. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB oder um eine individuelle Vertragsabrede und damit nichttypische Willenserklärungen handelt. Selbst wenn Letzteres der Fall wäre, kann der Senat die Klausel auslegen. Zwar obliegt die Auslegung nichttypischer Erklärungen in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat. Das Revisionsgericht kann nichttypische Willenserklärungen aber selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht - wie vorliegend - den erforderlichen Sachverhalt vollständig festgestellt hat und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu erwarten ist (vgl. dazu etwa - Rn. 27 mwN).
20a) Schon aus dem Wortlaut von § 9 Dienstvertrag ergibt sich, dass die betrieblichen Versorgungsansprüche des Klägers nach AB § 6 BVW angepasst werden sollen. Das folgt aus den Worten „gemäß den Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks“. Mit dieser Formulierung ist die in Bezug genommene Versorgungsordnung namentlich bezeichnet.
21b) Auch Sinn und Zweck von § 9 Dienstvertrag sprechen für dieses Verständnis. Der Kläger sollte hinsichtlich der Entwicklung seiner betrieblichen Versorgungsansprüche so behandelt werden, wie die Versorgungsempfänger, die Versorgungsleistungen direkt nach den Bestimmungen der BVW erhalten. Denn die Versorgung des Klägers ist ebenfalls als Gesamtversorgung mit Gesamtrentenfortschreibung ausgestaltet.
222. Der Kläger kann danach verlangen, dass seine Gesamtversorgungsbezüge gemäß AB § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW zum , zum und zum entsprechend der Steigerung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden.
23a) Die von der Beklagten nach AB § 6 Ziff. 3 BVW in den Jahren 2015 und 2016 getroffenen Anpassungsentscheidungen sind unwirksam. Dabei kann dahinstehen, ob es sich - wovon die Parteien ausgehen - bei den BVW um eine Betriebsvereinbarung oder um eine von der Beklagten einseitig aufgestellte Versorgungsordnung handelt, die den Arbeitnehmern in Form einer Gesamtzusage bekanntgegeben wurde. Zwar hängt es vom Rechtscharakter der BVW ab, welche Auslegungsgrundsätze anzuwenden sind. Beide Auslegungsmethoden führen jedoch zu demselben Ergebnis. Danach berechtigt AB § 6 Ziff. 3 BVW die Beklagte nur dazu, die Gesamtversorgungsbezüge und damit das von den Arbeitnehmern erdiente Gesamtversorgungsniveau gleichmäßig zu verändern, nicht jedoch lediglich eine einzelne im Rahmen der Gesamtversorgung anzurechnende Leistung des Arbeitnehmers anzuheben. Dies hat der Senat in mehreren Urteilen entschieden (statt vieler nur - Rn. 16 ff.; - 3 AZR 92/18 - Rn. 16 ff.). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genommen.
24b) Damit verbleibt es bei der in § 9 Dienstvertrag iVm. AB § 6 Ziff. 1 und Ziff. 2 BVW vorgesehenen Anpassung. Der Kläger hat danach einen Anspruch auf Erhöhung seiner Gesamtversorgungsbezüge entsprechend der Erhöhung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zum um 2,09717 vH, zum um 4,2451 vH und zum um 1,90476 vH. Die Beklagte schuldet ihm folglich für die Zeit vom bis zum insgesamt 1.499,16 Euro, für die Zeit vom bis zum insgesamt 4.999,08 Euro und ab dem monatlich eine um 424,53 Euro höhere Pensionsergänzung. Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich. Zinsen schuldet die Beklagte - wie von den Vorinstanzen zutreffend angenommen - erst ab dem jeweiligen Zweiten eines Monats.
25III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:110419.U.3AZR243.18.0
Fundstelle(n):
HAAAH-13914