Strafverfahren: Voraussetzungen einer Verurteilung wegen Nötigung; Mindestvoraussetzungen für die Darstellung des Ergebnisses einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung
Gesetze: § 240 StGB, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Dresden Az: 421 Js 22049/17 - 15 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung (Tat 1) sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
21. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu Tat 1 tragen lediglich den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB). Hinsichtlich der Nötigung (§ 240 Abs. 1 und 2 StGB) mangelt es an der Feststellung eines Nötigungserfolgs.
3a) Nach dem festgestellten Sachverhalt beabsichtigte der Angeklagte, in einer von ihm genutzten Wohnung den Geschädigten F. mit körperlicher Gewalt zu zwingen, einen Diebstahl von 2.000 Euro zu seinen Lasten einzugestehen, „und ihn nicht eher gehen zu lassen, bis der Geschädigte einen Weg gefunden hatte, ihm den Schaden zu ersetzen“. In Umsetzung des Tatentschlusses traktierte der Angeklagte den Zeugen F. zunächst mit schmerzhaften Faustschlägen und Tritten gegen die Beine. Außerdem schlug er mit einem Baseballschläger auf dessen Oberarme und Hände. Im weiteren Verlauf des sich über mehrere Stunden hinziehenden Geschehens veranlasste er zudem den nicht revidierenden Mitangeklagten A. dazu, den Geschädigten in schmerzhafter Weise „in den Schwitzkasten zu nehmen“. Erst nachdem es F. gelungen war, über eine SMS an seine Freundin die Polizei zu alarmieren, löste sich die Zwangslage für ihn auf (UA S. 5 f.). Der Zeuge F. erlitt infolge der Misshandlungen Rötungen am Hals und Hämatome an den Oberarmen.
4b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen fehlt es an einem Nötigungserfolg. Denn den Urteilsgründen ist auch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht hinreichend zu entnehmen, dass der Geschädigte F. infolge des vom Angeklagten ausgeübten Zwangs den Diebstahl eingeräumt und einen für diesen akzeptablen Vorschlag für die Schadenswiedergutmachung gemacht hat. Zwar führt das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung aus, dass der Angeklagte und der Zeuge R. von einem Eingeständnis des Diebstahls seitens des Zeugen F. berichtet haben (UA S. 7, 9). An anderer Stelle der Beweiswürdigung schildert es aber, dass der Geschädigte trotz der Schläge durchweg gegenüber dem Angeklagten beteuert habe, nichts gestohlen zu haben (UA S. 8). Letztlich hat das Landgericht „unzweifelhaft“ nur feststellen können, dass der Geschädigte verletzt und zum Verbleib in der Wohnung gezwungen wurde (UA S. 11), wobei letzteres nicht das Ziel der Nötigung war (UA S. 13). Der Senat schließt nicht aus, dass das neue Tatgericht noch Feststellungen zum Eintritt eines Nötigungserfolges treffen kann.
5c) Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen der (tateinheitlich verwirklichten) Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 StGB verurteilt hat (vgl. ; vom – 4 StR 461/81, BGHSt 30, 235).
62. Der Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat 2) hat keinen Bestand, weil die zum Handeltreiben des Angeklagten getroffenen Feststellungen auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruhen.
7a) Diesen zufolge verwahrte der Angeklagte am in der von ihm für den Konsum und Verkauf von Betäubungsmitteln genutzten Wohnung 117,09 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 14,44 Gramm Tetrahydrocannabinol und 44,43 Gramm Crystal mit einem Wirkstoffgehalt von 25,89 Gramm Metamphetaminbase, die „zum überwiegenden Teil“ für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Zur Veräußerung kam es nicht, da die Betäubungsmittel von den Polizeibeamten, die der Zeuge F. im Zusammenhang mit der Tat 1 über seine Freundin zu Hilfe gerufen hatte, sichergestellt wurden.
8b) Die der Feststellung zur Täterschaft des Angeklagten zugrunde liegende Beweiswürdigung hält – trotz des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabes – der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand, da sie lückenhaft ist.
9Das Landgericht hat seine Überzeugung davon, dass es sich bei den sichergestellten, überwiegend zum Verkauf bestimmten Betäubungsmitteln um solche des dies bestreitenden Angeklagten handelte, darauf gestützt, dass sich „die DNA des Angeklagten“ an einer Stofftasche mit acht in Folie gewickelten Haschischstäbchen und vier Faltbriefchen mit Crystal sowie an einer Cliptüte mit Crystal befand (UA S. 12). Allerdings teilt es in den Urteilsgründen weder mit, ob es sich um Mischspuren oder eindeutige Einzelspuren handelt, noch erörtert es das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form. Damit genügt das Urteil nicht den Mindestvoraussetzungen für die Darstellung des Ergebnisses einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung (vgl. , NStZ-RR 2014, 115, 116; zu den geringeren Anforderungen bei eindeutigen DNA-Einzelspuren vgl. , NJW 2018, 3192, 3193 [zum Abdruck in BGHSt bestimmt]). Der Senat kann daher nicht prüfen, ob die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Täterschaft des Angeklagten auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und seine Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. aaO).
10c) Der Senat kann trotz der weiteren auf ein Handeltreiben des Angeklagten hindeutenden Indizien nicht ausschließen, dass die Verurteilung zu Tat 2 auf diesen Rechtsfehlern beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Das Beruhen des Urteils auf der lückenhaften Darstellung der molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung kann auch nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil der Angeklagte eingeräumt hat, dass ihm die als Behältnis für Teile der sichergestellten Betäubungsmittel dienende Stofftasche gehört. Denn das Landgericht hat sich maßgebend auch darauf gestützt, dass sich „die DNA des Angeklagten“ in einem Fall am Verpackungsmaterial selbst – nämlich an einer Cliptüte mit Crystal – befand, die in einer anderen Tasche aufbewahrt worden war.
113. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
12a) Sollte das neue Tatgericht zur Überzeugung gelangen, dass der Angeklagte den „überwiegenden“ Teil der sichergestellten Betäubungsmittel weiterverkaufen wollte, wird es feststellen müssen, in welchem Umfang das besessene Rauschgift zum Weiterverkauf einerseits und zum Eigenverbrauch andererseits bestimmt war (vgl. , NStZ-RR 2014, 344, 345; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29a Rn. 159).
13b) Die strafschärfende Erwägung, dass es sich bei dem Angeklagten um einen „Bewährungsbrecher“ handelt, wird von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen. Danach war der Angeklagte am wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verurteilt worden. Feststellungen zur Dauer der Bewährungszeit sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Bei einer auf die Mindestdauer festgesetzten Bewährungszeit von zwei Jahren (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB) hätte der Angeklagte bei der Begehung der Taten am aber nicht mehr unter einer Bewährung gestanden, die er hätte „brechen“ können.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:291118B5STR362.18.0
Fundstelle(n):
XAAAH-12860