Kostenentscheidung: Vorliegen eines sofortigen Anerkenntnisses nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens
Leitsatz
Ein sofortiges Anerkenntnis liegt nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens regelmäßig nur vor, wenn der Beklagte dieses innerhalb der Klageerwiderungsfrist erklärt und er in seiner Verteidigungsanzeige weder einen klageabweisenden Antrag angekündigt hat noch dem Klageanspruch auf sonstige Weise entgegengetreten ist.
Gesetze: § 93 ZPO, § 276 ZPO, § 307 S 2 ZPO
Instanzenzug: Az: I-2 W 10/18 Beschlussvorgehend Az: 16 O 519/17
Gründe
I.
1Der Kläger, Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, verlangte die Rückgewähr von Zahlungen der Schuldnerin an das Finanzamt nach §§ 143, 133 InsO. Außergerichtlich lehnte dieses Zahlungen ab. Daraufhin hat der Kläger das beklagte Land verklagt; die Klageschrift ist dem Beklagten mit der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens nach § 276 ZPO und der Aufforderung zugestellt worden, innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klage dem Gericht schriftlich mitzuteilen, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle oder ob der Anspruch teilweise oder ganz anerkannt werde. Gleichzeitig ist dem Beklagten aufgegeben worden, innerhalb einer Frist von weiteren zwei Wochen schriftlich auf die Klage zu erwidern. Innerhalb der ersten dem Beklagten gesetzten Frist haben sich Prozessbevollmächtigte für ihn bestellt und einen Klageabweisungsantrag angekündigt. Die gesonderte Begründung werde folgen. Innerhalb der Klageerwiderungsfrist ist der Klageanspruch anerkannt und beantragt worden, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen. Das Landgericht hat demgegenüber die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufgebürdet. Dessen sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Begehren weiter.
II.
2Die zulässige (§ 99 Abs. 2, § 567 Abs. 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
31. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Beklagte habe den Klageanspruch im gerichtlichen Verfahren nicht sofort anerkannt, weil er mit der Verteidigungsanzeige den Antrag auf Klageabweisung angekündigt und erst innerhalb der Klageerwiderungsfrist anerkannt habe.
42. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand. Der Beklagte hat den Klageanspruch entgegen § 93 ZPO nicht sofort anerkannt. Ihm waren deswegen nach §§ 93, 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
5a) Nach § 93 ZPO sind dem Kläger die Prozesskosten aufzuerlegen, wenn der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann (, NJW 2016, 572 Rn. 17). Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, der Beklagte habe den Klageanspruch nicht sofort im Sinne von § 93 ZPO anerkannt, ist in diesem Rahmen nicht zu beanstanden. Wenn das Gericht ein schriftliches Vorverfahren anordnet, muss das Anerkenntnis nicht schon in der Verteidigungsanzeige erklärt werden. Es kann vielmehr, jedenfalls wenn die Verteidigungsanzeige weder einen Sachantrag ankündigt noch das Klagevorbringen bestreitet, noch in der fristgerecht eingereichten Klageerwiderung erklärt werden (, BGHZ 168, 57 Rn. 22; vom , aaO Rn. 21). So ist der Beklagte verfahren, jedoch erst nachdem er zuvor in der Verteidigungsanzeige einen Antrag auf Klageabweisung angekündigt hatte.
6b) In Literatur und Rechtsprechung ist streitig, ob im Fall des schriftlichen Vorverfahrens ein in der Klageerwiderung erklärtes Anerkenntnis noch sofort erfolgt, wenn der Beklagte in der Verteidigungsanzeige einen Antrag auf Klageabweisung angekündigt hat. So wird vertreten, dass ein Beklagter in diesem Fall das Kostenprivileg des § 93 ZPO verliert (OLGR Karlsruhe 2003, 198; OLGR Karlsruhe 2004, 513, 514; OLGR Brandenburg 2005, 523, 524; , juris Rn. 13; , juris Rn. 5; OLG Naumburg, FamRZ 2008, 1643; , juris, Rn. 28 f; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 93 Rn. 4; Prütting/Gehrlein/Schneider, ZPO, 10. Aufl., § 93 Rn. 3; MünchKomm-ZPO/Schulz, 5. Aufl., § 93 Rn. 14; Deichfuß, MDR 2004, 190, 192). Andere meinen, auch nach der Ankündigung des Antrags auf Klageabweisung in der Verteidigungsanzeige könne der Beklagte in der Klageerwiderung sofort im Sinne von § 93 ZPO anerkennen (OLG Celle, FamRZ 2011, 1748, 1749; wohl auch Stein/Jonas/Muthorst, ZPO, 23. Aufl., § 93 Rn. 6 f), zumindest, wenn er mit der Ankündigung des Klageabweisungsantrags gleichzeitig zum Ausdruck bringe, er habe den Klageanspruch noch nicht abschließend prüfen können (OLGR Frankfurt 2008, 813, 814; BeckOK-ZPO/Jaspersen, 2018, § 93 Rn. 98), oder - umgekehrt - wenn er nicht in der Verteidigungsanzeige eine erkennbar abschließend gemeinte ablehnende Stellungnahme zur Klage vorbringe (OLG Bamberg, FamRZ 1995, 1075, 1076).
7c) Wenn das Gericht nach § 272 Abs. 2 Fall 2, § 276 ZPO ein schriftliches Vorverfahren anordnet, liegt in dem in der fristgerecht eingereichten Klageerwiderung erklärten Anerkenntnis des Klageanspruchs nur dann ein sofortiges im Sinne von § 93 ZPO, wenn der Beklagte in seiner Verteidigungsanzeige keinen Antrag auf Klageabweisung angekündigt hat und dem Klageanspruch auch nicht auf sonstige Weise entgegengetreten ist.
8aa) Es kann nicht darauf abgestellt werden, wie die nicht begründete Ankündigung eines Klageabweisungsantrags auszulegen ist, ob sie endgültig oder nur vorläufig gemeint ist. Mangels einer Begründung fehlen Anhaltspunkte für eine Auslegung in die eine oder die andere Richtung. Die Frage kann deswegen nur lauten, ob der Beklagte in einem solchen Fall noch in der Klageerwiderung sofort anerkennen kann. Das ist nicht der Fall. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage noch nicht abschließend entschieden (vgl. , BGHZ 168, 57 Leitsatz und Rn. 22; vom - V ZB 93/13, NJW 2016, 572 Rn. 21). Jedenfalls dann, wenn der Beklagte seinen angekündigten Antrag auf Klageabweisung in der Anzeige der Verteidigungsbereitschaft nicht dahingehend einschränkt, es müsse noch geprüft werden, ob der Klageanspruch berechtigt sei, verliert der Beklagte die Kostenvergünstigung des § 93 ZPO. Denn mit der uneingeschränkten Ankündigung des Klageabweisungsantrags verdeutlicht der Beklagte, dass er die Klageforderung bestreiten und seine Rechtsverteidigung auf die Abweisung der Klage einrichten will. Damit nimmt er aber wegen seines vorangegangenen Bestreitens des Klaganspruchs, wenn er später in der Klageerwiderungsfrist anerkennt, nicht mehr die erste sich bietende prozessuale Möglichkeit gegenüber Gericht und Prozessgegner wahr.
9bb) Dem kann die Rechtsbeschwerde nicht entgegenhalten, auch ein Vergleich mit der Rechtslage im Falle eines Versäumnisurteils belege, dass das von dem Beklagten in der Klageerwiderung erklärte Anerkenntnis ein sofortiges sei. Denn ob ein Beklagter, der gegen sich nach § 331 ZPO ein Versäumnisurteil ergehen lässt und nach Einspruch anerkennt, in den Genuss der Kostenvergünstigung des § 93 ZPO gelangt, ist streitig (dafür: OLG Brandenburg, NJW-RR 2000, 1668; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 39. Aufl., § 93 Rn. 11; Wieczorek/Schütze/Smid/Hartmann, ZPO, 4. Aufl., § 93 Rn. 12; dagegen: OLGR Köln 2007, 424; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 93 Rn. 6 unter dem Stichwort "Versäumnisurteil"; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 15. Aufl., § 93 Rn. 32; Stein/Jonas/Muthorst, ZPO, 23. Aufl., § 93 Rn. 8; MünchKomm-ZPO/Schulz, 5. Aufl., § 93 Rn. 60). Gegen die Annahme der Sofortigkeit des Anerkenntnisses nach Erlass eines Versäumnisurteils spricht schon, dass dieses nicht mehr aus freien Stücken, sondern unter dem Druck der für den Beklagten nachteiligen Entscheidung des Gerichts erfolgt. Der maßgebliche Zeitpunkt der ersten sich bietenden prozessualen Gelegenheit dürfte damit bereits verstrichen sein (vgl. MünchKomm-ZPO/Schulz, aaO Rn. 60; Stein/Jonas/Muthorst, aaO Rn. 6). Die Frage muss hier aber nicht abschließend beantwortet werden. Denn ein sofortiges Anerkenntnis des Beklagten nach Erlass eines Versäumnisurteils kann regelmäßig allenfalls dann angenommen werden, wenn sich der Beklagte zum Klageanspruch noch nicht geäußert hat. Darin unterscheidet sich der von der Rechtsbeschwerde angesprochene Vergleichsfall jedoch entscheidend von vorliegendem Sachverhalt.
10cc) Ebenso kann dahinstehen, ob der Beklagte dann, wenn das Gericht gemäß § 272 Abs. 2 Fall 1, § 275 ZPO einen frühen ersten Termin anordnet, in diesem im Sinne von § 93 ZPO anerkennen kann, auch wenn er zuvor in den vorbereitenden Schriftsätzen Klageabweisung beantragt hat (in diesem Sinn wohl Stein/Jonas/Muthorst, aaO Rn. 7; aA Prütting/Gehrlein/Schneider, ZPO, 10. Aufl., § 93 Rn. 3; vgl. hierzu aaO Rn. 20 mwN). Denn es handelt sich bei dem frühen ersten Termin um einen anderen Verfahrensablauf.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:210319BIXZB54.18.0
Fundstelle(n):
NJW 2019 S. 1525 Nr. 21
NJW 2019 S. 9 Nr. 19
WM 2019 S. 1089 Nr. 23
HAAAH-12608