Patentnichtigkeitsverfahren: Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Berufung des vor dem Patentgericht unterlegenen Patentinhabers - Eierkarton
Leitsatz
Eierkarton
Die Berufung ist unzulässig, wenn der im Patentnichtigkeitsverfahren vor dem Patentgericht unterlegene Patentinhaber mit der Berufungsbegründung nicht jede unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägung angreift, mit der die vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Streitpatents in dem angefochtenen Urteil begründet ist.
Gesetze: § 112 Abs 3 Nr 2 PatG
Instanzenzug: Az: 3 Ni 10/16 (EP) Urteil
Tatbestand
1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 373 100 (Streitpatents), das am unter Inanspruchnahme einer Priorität vom angemeldet worden ist und eine Schau- und Versandverpackung für Eier oder ähnlich zerbrechliche Gegenstände betrifft. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache:
"1. A display and distribution packaging unit for eggs or similar fragile articles, said unit being made of an opaque material, e.g. moulded pulp and comprising:
- a bottom part (2) comprising non-planar side surfaces of compartments (4) so as to match at least partially the outer contours of the eggs contained within said unit;
- a cover part (3) comprising a top surface (10) and substantially planar front and rear surfaces (14, 15);
where said cover part (3) comprises portions (8) reflecting the shape of the eggs contained within said unit, and characterised by said portions (8) being located on substantially planar end faces (20) of said cover part (3) at either one or both longitudinal ends of the cover part (3)."
2Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung sowie mit zwölf Hilfsanträgen verteidigt.
3Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin die Klagabweisung begehrt und das Streitpatent hilfsweise mit 15 Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Gründe
4I. Das Streitpatent betrifft eine Schau- und Versandverpackung für Eier oder ähnlich zerbrechliche Gegenstände.
51. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift sind Verpackungen zum Verpacken und Transportieren zerbrechlicher Gegenstände wie Eier in einer Vielzahl von Formen bekannt. Die im Stand der Technik bekannten Verpackungen verfügten über ein Unterteil mit passend ausgebildeten Abteilungen für die Aufnahme des jeweiligen Gegenstands und ein Oberteil, welches eine Abdeckung über dem Unterteil bilde. Dabei könnten Unter- und Oberteil an einer Seite schwenkbar miteinander verbunden sein. Bei einer solchen Verpackung sei die vertikale Vorderseite des Unterteils oft mit einer beweglichen Lasche mit einer Anzahl von Vorsprüngen zum Eingriff mit entsprechend gelagerten und ausgebildeten Löchern im Deckelteil verbunden, wodurch Unter- und Oberteil miteinander verschließbar seien. Daher könne nur das Oberteil Text und Bilder tragen, die den Inhalt der Verpackung näher beschrieben. Zudem sei es in der Regel schwierig, solche Verpackungen zu öffnen.
62. Das Streitpatent bezeichnet es als (primäres) Ziel der Erfindung, eine Verpackungseinheit bereitzustellen, die durch ihre Gestalt eine Information über den Inhalt vermittelt und gleichzeitig gute Möglichkeiten bietet, auf großen Oberflächen Informationen grafisch darzustellen.
73. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 eine Verpackungseinheit vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (kursiv die zusätzlichen Merkmale des Hilfsantrags I):
1. Schau- und Versandpackungseinheit für Eier oder ähnliche zerbrechliche Gegenstände,
2. aus undurchsichtigem Material wie Pulpe,
3. mit einem Unterteil mit Zellen (compartments),
3.1 die über nicht-ebene Seitenwände verfügen und
3.2 zumindest teilweise den äußeren Konturen der in der Einheit verpackten Eier entsprechen,
3.3I deren Grundbereiche (base portions) durch ein Muster aus Stützrippen verbunden werden, mit dem das Unterteil auf seiner Unterseite versehen ist, wodurch die Festigkeit (mechanical strength) der Einheit vergrößert ist und
4. und mit einem Deckelteil mit
4.1 einer Oberwand (top surface),
4.2 im Wesentlichen ebenen Vorder- und Rückwänden und
4.3 Bereichen (portions), welche,
4.3.1 die Gestalt der in der Einheit verpackten Eier wiedergeben und
4.3.2 sich auf im Wesentlichen ebenen Endflächen eines Längsendes oder beide Längsenden befinden.
84. Im Hinblick auf einige Merkmale bedarf der Patentanspruch der Erläuterung.
9a) Nach Merkmal 3 weist das Unterteil Zellen (compartments) auf, die über nicht-ebene Seitenwände verfügen. Wie das Patentgericht zutreffend und von der Berufung unangegriffen ausgeführt hat, ist das Merkmal aufgrund der fachüblichen dünnwandigen Ausgestaltung unabhängig davon erfüllt, ob die äußere oder innere Form der Abteilungen betrachtet wird.
10b) Die Merkmalsgruppe 4 beschreibt die Ausgestaltung des Deckelteils 3, welches über eine als top surface bezeichnete Oberwand (Oberseite) 10 (Merkmal 4.1), Vorderwand 17 und Rückwand 15 (Merkmal 4.2) verfügt sowie Bereiche 8 aufweist, welche die Gestalt der in der Einheit verpackten Eier wiedergeben (Merkmal 4.3).
11Bei der Oberwand handelt es sich nach Figur 1 um die Oberfläche, die bei geschlossener Verpackung waagerecht und parallel zum Boden liegt. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass im Streitpatent die Begriffe surface und face synonym verwendet werden. Nach der Beschreibung (Abs. 17) und Unteranspruch 3 kann diese Fläche auch die Gestalt der in der Einheit enthaltenen Eier wiedergeben.
12c) Nach Merkmal 4.2 verfügt das Deckelteil ferner über im Wesentlichen ebene (substantially planar) Vorder- und Rückseiten. Aus dieser Formulierung ergibt sich bereits, dass Vorder- und Rückwand auch nicht-ebene Bereiche umfassen können. Demgemäß lassen die Beschreibung (Abs. 17: it would be furthermore possible to place the egg-shaped portions on one or more of the remaining surfaces of the cover part) und Anspruch 3 eine Anordnung von eiförmigen und damit nicht im Wesentlichen ebenen Abschnitten sowohl auf der Oberseite als auch auf der Vorder- und Rückseite des Deckelteils zu.
13Das Streitpatent enthält keine Angaben, welchen Umfang die ebenen Flächen haben müssen, um die entsprechenden Seiten noch als "im Wesentlichen eben" anzusehen. Das Patentgericht hat zu Recht angenommen, dass das Merkmal "im Wesentlichen eben" funktional im Hinblick auf den Zweck der nicht eiförmig ausgebildeten Bereiche auszulegen ist, als large planar areas die Anbringung von Informationen zu ermöglichen (Abs. 16). Danach ist Merkmal 4.2 mit dem Patentgericht bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn die Vorder- und Rückwand des Deckelteils einen ebenen Bereich aufweist, der eine ausreichend große Oberfläche zur Anbringung grafischer Information bietet.
14Ohne Erfolg macht die Berufung daher geltend, die Ausführungsbeispiele zeigten vollständig ebene Flächen der Vorder- und Rückwand des Deckelteils. Ausführungsbeispiele erlauben regelmäßig keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (, GRUR 2004, 1023 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Dies entspricht der Logik der Erfindung, die sowohl die (eiförmige) Form der Wände als auch ebene Flächen als Informationsmittel nutzen will. Werden auf weiteren Flächen als den (seitlichen) Endflächen Bereiche ausgebildet, die die Gestalt der verpackten Eier wiedergeben, stehen entsprechend geringere Flächen für grafische Informationen zur Verfügung.
15Das entsprechende Verständnis des Begriffs "im Wesentlichen eben" hat das Patentgericht demgemäß zu Recht auch für die Endflächen gemäß Merkmal 4.3.2 zugrunde gelegt. Nach der Beschreibung sollen die im Wesentlichen ebenen Endflächen von den eiförmigen Bereichen sichtbar unterteilt sein (Abs. 16). Über die Größe der ebenen Endflächen enthält die Beschreibung auch insoweit keine Angaben. Damit ist das Merkmal erfüllt, wenn die Endflächen wie auch Vorder- und Rückwand des Deckelteils noch ausreichend Oberfläche zur Anbringung grafischer Informationen aufweisen.
16d) Die Bereiche, welche die Gestalt der in der Einheit verpackten Eier wiedergeben (Merkmal 4.3.1), sind in der Beschreibung als Bereiche mit einer Gestalt definiert, welche dem Betrachter die klare Assoziation einer Eiform vermittle, ohne notwendigerweise exakt die Form eines Eis haben zu müssen; Oberflächen oder Teiloberflächen einer Anzahl unterschiedlicher Rotationskörper (solids of revolution) wie eines Ellipsoids könnten die Gestalt eines Eis wiedergeben (Abs. 13). Wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, ist dieses Merkmal damit weit auszulegen. Entgegen der Auffassung der Berufung sind auch mehreckige oder kantige Drehkörper nicht grundsätzlich ausgenommen, sofern sie dem Betrachter noch hinreichend deutlich die Vorstellung einer Eiform vermitteln.
17e) Nach Merkmal 4.3.2 sind die Bereiche des Deckelteils, welche die Gestalt der in der Einheit enthaltenen Eier wiedergeben, on end faces of said cover part at either one or both longitudinal ends of the cover part angeordnet. Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ist dieses Merkmal verwirklicht, wenn diese Bereiche von den ebenen Endflächen hervorstehend angeordnet sind.
18f) Nach Merkmal 3.3 des Hilfsantrags I sind die Grundbereiche der Abteilungen des Unterteils durch ein Muster aus Stützrippen verbunden, mit dem das Unterteil auf seiner Unterseite versehen ist. Hierdurch soll zum einen die Festigkeit (mechanical strength) der Einheit vergrößert werden (Abs. 25 und 36). Zum anderen sollen die Stützrippen so weit unten angeordnet sein, dass Grundbereiche und Stützrippen eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen der Einheit definieren (Merkmal 3.4). Demgemäß müssen auch die Grundbereiche einen substantiellen Beitrag dazu leisten, im Zusammenspiel mit den Stützrippen eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zu bilden.
19II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
20Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu.
21Die US-amerikanische Patentschrift 2 978 162 (GDM1) betreffe einen Eierkarton aus geformter Pulpe (Merkmale 1 und 2). Das Unterteil weise eine Mehrzahl von Zellen für die Aufnahme von Eiern auf (Merkmal 3). Figur 1 zeige ein Deckelteil mit Wänden und im Wesentlichen ebenen Vorder- und Rückwänden auf. Hierauf könnten leicht Werbeaufdrucke aufgebracht werden. Die Ausführungsbeispiele zeigten, dass der Eierkarton im Deckelteil an den Seitenwänden gekrümmte Abschnitte aufweise, welche sich an einen nach unten und außen schräg verlaufenden ebenen Abschnitt anschließen. Der Karton sei so gestaltet, dass er zumindest teilweise die Konturen der in der Packeinheit enthaltenen Eier aufweise. Gleichzeitig seien an den Endflächen des Deckelteils ebene Flächen vorgesehen (Merkmal 4).
22Vorweggenommen werde der Gegenstand des Streitpatents auch durch das US-amerikanische Design-Patent 101 892 (GDM4). Es beziehe sich ebenfalls auf einen Eierkarton, der ein Unterteil aufweise und dessen wabenartige Oberseite die Oberwand eines Deckelteils darstelle. Die Figuren 1 und 3 zeigten an der Vor- und an der Rückwand im Wesentlichen ebene Flächen wie auch eiförmige Bereiche. Die Seite der Figuren, die vier Eier in Reihe darstelle, bilde die Vorder- bzw. Rückwand; die Seite, die drei Eier in Reihe darstelle, sei jeweils als Endfläche zu begreifen. Damit seien Vorder- und Rückwände auch "im Wesentlichen eben". Unerheblich sei, dass diese Flächen zugleich die eiförmigen Bereiche verbindende Stege darstellten. Sie seien ausreichend groß zum Aufbringen von grafischen und/oder bildlichen Informationen. Der Neuheitsschädlichkeit stehe nicht entgegen, dass Deckel- und Unterteil im Wesentlichen gleich gestaltet seien.
23Der mit Hilfsantrag 1 (entspricht dem zweitinstanzlichen Hilfsantrag I) verteidigte Gegenstand sei ebenfalls nicht neu. Das Merkmal eines Musters aus Stützrippen, welche die Grundbereiche der eiförmigen Abteilungen verbinden, ergebe sich gleichfalls aus der GDM4 und beruhe im Übrigen gegenüber der GDM1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da die Erstreckung der Stützrippen in Richtung Packungsboden eine je nach gewünschter Versteifung im Belieben des Fachmanns liegende Maßnahme sei.
24Die mit den weiteren erstinstanzlichen (im Wesentlichen den Hilfsanträgen III und IV entsprechenden) Hilfsanträgen verteidigten Gegenstände seien ebenfalls nicht patentfähig. GDM1 und GDM4 legten dem Fachmann jedenfalls nahe, die Verpackung aus undurchsichtiger Pulpe herzustellen und mit einer im Wesentlichen ebenen Oberwand auszugestalten. Die beanspruchte Ausgestaltung des Verschlusses sei ebenfalls durch GDM1 nahegelegt.
25III. Soweit die Berufung weiterhin die erteilte Fassung des Streitpatents verteidigen will, ist das Rechtsmittel unzulässig.
261. Gemäß § 112 Abs. 3 Nr. 2 PatG hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung des Patentgerichts ergibt. Da die Berufungsbegründung - nicht anders als nach der Zivilprozessordnung - erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit dieser Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet (, GRUR 2013, 1279 Rn. 8). Zwar bestehen grundsätzlich keine besonderen formalen Anforderungen für die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit ergeben; insbesondere ist es ohne Bedeutung, ob die Ausführungen des Berufungsklägers schlüssig, hinreichend substantiiert und rechtlich haltbar sind (, NJW 2013, 174 Rn. 10). Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, lediglich auf das Vorbringen in der ersten Instanz zu verweisen. Erforderlich ist eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger weshalb bekämpft (, NJW 2018, 2894 Rn. 5, 10). Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGH, NJW 2013, 174 Rn. 11). Hat der Patentinhaber das Streitpatent in erster Instanz sowohl in der erteilten als auch in einer beschränkten Fassung verteidigt, muss er, will er die erteilte Fassung auch vor dem Bundesgerichtshof verteidigen, jede selbständig tragende Begründung angreifen, mit der das Patentgericht das Streitpatent für in der erteilten Fassung nicht rechtsbeständig erachtet und insoweit für nichtig erklärt hat.
272. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung im Streitfall nicht. Das Patentgericht hat den Gegenstand von Patentanspruch 1 für nicht patentfähig befunden, da er sowohl durch die GDM1 als auch durch die GDM4 vorweggenommen werde. Die Berufungsbegründung greift jedoch nur die Erwägungen als fehlerhaft an, mit denen das Patentgericht die Neuheitsschädlichkeit der GDM4 begründet hat, und verweist in Bezug auf die GDM1 lediglich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag; erst in der Replik und damit nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist begründet die Beklagte, warum das Patentgericht den Gegenstand des Streitpatents zu Unrecht als durch die GDM1 vorweggenommen angesehen habe.
28IV. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrags I patentfähig.
291. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I wird durch die Entgegenhaltung GDM4 nicht vorweggenommen.
30a) Die GDM4 offenbart einen Eierkarton (egg carton).
31b) Wie aus Figur 1 ersichtlich, weist der Karton ein Unterteil und ein entsprechendes Oberteil auf, die jeweils aus drei mal vier Abteilungen zur Aufnahme von Eiern bestehen und gemäß Figur 3 auf der linken Seite über ein Scharnier miteinander verbunden sind. Unter- und Oberteil weisen an den Seiten jeweils gekrümmte Bereiche auf, die der Gestalt der Eier entsprechen (Merkmale 1 bis 3.2 sowie 4, 4.3 und 4.3.1).
32c) Verwirklicht ist auch Merkmal 4.1. Der Einwand der Berufung, die Oberseite des Deckelteils bestehe aus einem Gittermuster mit Vertiefungen, greift nicht durch. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt die Oberseite des Deckelteils mit den sich aus dieser erhebenden eiförmig ausgebildeten Bereichen eine Oberwand (top surface) im Sinne des Streitpatents dar. Die die eiförmigen Bereiche verbindenden (inneren) Stege stehen dem nicht entgegen, denn über die Beschaffenheit der patentgemäßen Oberwand sind Patentanspruch 1 auch in der Fassung des Hilfsantrags I keine Vorgaben zu entnehmen; sie muss insbesondere weder vollständig noch auch nur im Wesentlichen eben sein.
33d) Ebenso sind die Merkmale 4.2 und 4.3.2 offenbart. Die auf vier Seiten umlaufenden äußeren Stege, die die eiförmigen Bereiche des Kartons miteinander verbinden, stellen im Wesentlichen ebene Vorder- und Rückwände sowie (seitliche) Endflächen dar.
34Entgegen der Auffassung der Berufung ist es unschädlich, dass nicht jeweils die gesamte Fläche dieser Wände eben ist. Nach Unteranspruch 3 und der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 17) können die Bereiche, welche die Gestalt der Eier wiedergeben, nicht nur auf den Endflächen, sondern auch auf Oberwand, Vorderwand und Rückwand vorgesehen sein. Bei einer solchen Ausgestaltung genügt es daher, wie ausgeführt, dass die Wände noch eine ausreichend große ebene Fläche aufweisen, dass grafische Informationen aufgenommen werden können. Dass dies bei der GDM4 möglich ist, zieht auch die Berufung nicht in Zweifel.
35Unerheblich ist auch, dass die beiden mittleren eiförmigen Erhebungen auf Vorder- und Rückwand nicht an Erhebungen an den seitlichen Endflächen angrenzen. Ein entsprechendes Erfordernis ist Patentanspruch 1 nicht zu entnehmen.
36e) Verwirklicht ist auch das Merkmal 3.3. Figur 2 zeigt ein Muster an sich kreuzenden Stützrippen, die im "Kreuzungsbereich" auf die Spitzen der Grundbereiche der eiförmigen Zellen treffen und hierdurch letztere miteinander verbinden. Hierdurch wird die Festigkeit der Einheit zwangsläufig vergrößert.
37Entgegen der Annahme des Patentgerichts verwirklicht diese Ausgestaltung jedoch nicht zugleich das Merkmal 3.4. Die unteren Abschnitte der gebogenen Eiaufnahmen bilden zusammen mit den Unterseiten der inneren und äußeren Stege keine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen des Kartons im Sinn des Streitpatents. Wie aus der Figur 2 ersichtlich, bilden lediglich die Unterseiten der Stege eine im Wesentlichen ebene Oberfläche. Die Grundbereiche der eiförmigen Zellen verfügen über keine flache Unterseite und leisten keinen praktisch ins Gewicht fallenden Beitrag, um zusammen mit dem Muster aus Stützrippen eine wesentlich ebene Fläche zu bilden.
382. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I wird auch nicht durch die Entgegenhaltung GDM1 vorweggenommen.
39a) Die US-amerikanische Patentschrift 2 978 162 (GDM1) offenbart einen Eierkarton aus geformter Pulpe, der in einer Ausführungsform aus einem mit einem Scharnier verbundenen Ober- und Unterteil besteht (Sp. 1 Z. 25-26). Bevorzugt weist das Unterteil Zellen zur Aufnahme der Eier auf (Sp. 1 Z. 26-28), um diese vor Beschädigungen zu schützen (Sp. 1 Z. 50-53). Wie in Figur 1 ersichtlich, entsprechen die Zellen auf der Innenseite zumindest teilweise den Konturen der in der Einheit enthaltenen Eier (Merkmale 1 bis 3.2).
40b) Figuren 1 und 6 zeigen das Oberteil als Deckelteil 11 mit einer Oberwand 20 und Vorder- und Rückwänden 35, 36, welche als im Wesentlichen eben beschrieben sind (Figuren 1, 6; Sp. 2 Z. 26-27, 44; Sp. 3 Z. 1-2: planar wall portions 35-36). Der ebene Abschnitt 60 liegt dabei zwischen den beiden gekrümmten Bereichen 61 und 62. Diese Ausgestaltung erlaubt die Aufbringung von Informationen (Sp. 1 Z. 32). Das Deckelteil enthält weiterhin Bereiche (curved portions 61-62), welche ausweislich Figur 3 leicht konusförmig ausgebildet sind. Diese geben annähernd die Gestalt der in der Einheit enthaltenen Eier wieder; sie verfügen über gekrümmte Wände (Figuren 1 und 2). Räumlich gesehen schließen sich diese Bereiche an jedem Längsende an einen ebenen Abschnitt 60 an (Sp. 3 Z. 34-38; Figuren 2 und 3). Der ebene Abschnitt 60 ist zwischen den beiden gekrümmten Abschnitten 61 und 62 dargestellt (Merkmale 4 bis 4.2).
41c) Ohne Erfolg stellt die Berufung die Offenbarung des Merkmals 4.3 in Abrede, weil die gebogenen Bereiche nicht eiförmig seien. Zu Recht hat das Patentgericht das Merkmal 1.4.3 durch die in den Eckbereichen angeordneten smoothly curved portions 61 und 62 als verwirklicht angesehen. Wie ausgeführt müssen die in Rede stehenden Bereiche nicht genau der Form eines Eis entsprechen, sondern nur eine "klare Vorstellung" der Gestalt eines Eis vermitteln (Abs. 13 der Beschreibung). Dem genügt die gewählte Ausgestaltung.
42d) Nicht offenbart sind hingegen Zellen, deren Grundbereiche durch ein Muster aus Stützrippen verbunden sind und mit diesen im Sinne des Merkmals 3.3 eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen der Verpackungseinheit bilden (Merkmal 3.4). Aus den Figuren 3 und 4 der GDM1 sind Elemente ersichtlich, die in Form von Stegen die Zellen des Unterteils miteinander verbinden. Zutreffend hat das Patentgericht diese Elemente als Stützrippen begriffen. Allerdings erstrecken sich diese Stützrippen nicht bis zum Packungsboden, wo sie gemeinsam mit dem Grundbereich eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen der Einheit bildeten.
433. Die Lehre des Patentanspruchs 1 in der Fassung von Hilfsantrag I beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
44a) Das Patentgericht hat angenommen, dass der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens die Stützrippen zur Verbesserung der Festigkeit und der Verbesserung der Stapelbarkeit nach unten verlegt hätte. Hierzu sei er auch durch die Ausgestaltung in der GDM4 angeregt worden.
45b) Hiergegen wendet die Berufung ein, dass es zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents erhebliche Vorbehalte gegen bis zum Packungsboden heruntergezogene Stützrippen gegeben habe. Zunächst hätten bis zum Boden reichende Stützrippen den Nachteil, dass kein Bereich frei bliebe, in dem mit Greifarmen hineingefahren werden könne, um die Eierverpackungen zu greifen und anzuheben. Ferner führe eine Verlängerung der Stützrippen der GDM1 zu erheblichen Folgeproblemen, die der Fachmann erkannt habe. Eine Verlängerung der Stützrippen hätte eine Veränderung der Außenform zur Folge und erhöhe den Materialbedarf. Die Veränderung der Außenform führe schließlich zu einer Beeinträchtigung der Stapelbarkeit der geöffneten und ungefüllten Verpackung, da die verbreiterten Stützrippen auf Gegenstücke der Innenform der tieferen Verpackung stießen. Um diesen Nachteil zu vermeiden, müssten die Innenformen der Verpackung angepasst werden. Durch die dabei erforderliche Absenkung bestimmter Bereiche der Innenform verlöre das Unterteil der Verpackung an dreidimensionaler Gestaltung. Es entfielen Abtrennungsrippen zwischen den einzelnen Eibereichen, so dass die Eier schlechter gestützt würden. Die im Stand der Technik bekannten Eierverpackungen seien daher ohne Stützrippen ausgebildet worden und wiesen im Unterteil eine dreidimensionale Gestaltung auf, um das gewünschte Maß an Versteifung und Beweglichkeit zu erhalten. Diese Gestaltung müsste aufgegeben werden, um stattdessen bis zum Boden verlängerte Stützrippen vorzusehen.
46c) Die GDM1 selbst gibt dem Fachmann keine Anregung, die Stützrippen zum Packungsboden zu verlegen und diese mit den Grundbereichen zu einem Muster zu verbinden.
47d) GDM4 offenbart zwar bodentiefe Stützrippen, zeigt aber eine von der GDM1 abweichende Ausgestaltung des Eierkartons mit symmetrischem Ober- und Unterteil auf. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt, was den Fachmann dazu veranlasst hätte, aus GDM4 dieses Element herauszulösen und für die in GDM1 offenbarte Verpackung einzusetzen.
48e) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts liegt in der Erstreckung der Stützrippen bis zum Boden auch keine im Belieben des Fachmanns je nach gewünschter Versteifung liegende Maßnahme.
49Der Fachmann hat ohne konkrete anderweitige Anregung allenfalls dann Anlass, diese Alternative in Betracht zu ziehen, wenn zu erwarten ist, dass diese Umgestaltung vorteilhaft ist. Dies ist jedoch nicht erkennbar. Ein Vorteil der Ausgestaltung gemäß GDM1 liegt in der platzsparenden Stapelbarkeit der geöffneten, nicht benesteten Verpackungen. Dieser Vorteil wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt, er drängt sich jedoch auf und ist auch dem Fachmann bekannt (vgl. deutsche Offenlegungsschrift 195 30 156, GDM6, Sp. 1 Z. 10-12). Bei einer bloßen Verlegung der Stützrippen an den Boden ohne weitere Veränderungen an der Verpackung verliert sich dieser Vorteil jedoch. Im Ansatz zutreffend führt das Patentgericht aus, dass der Fachmann die mit der Veränderung der Lage der Stützrippen einhergehenden Nachteile erkannt hätte und zu ihrer Vermeidung die Innenform der Zellen entsprechend umgestaltet hätte. Hierzu hätte der Fachmann sich jedoch von dem Konzept der Ausgestaltung der Unterteile nach GDM1 lösen und die stabilisierenden Elemente des Unterteils wie Stützrippen, Zellen zur Aufnahme der Eier und ihre Grundbereiche (vgl. Figur 6) derart umgestalten müssen, dass die Unterseite des Unterteils bei geöffneter, ungefüllter Verpackung in die Oberseite des Unterteils platzsparend hätte greifen können und gleichwohl die gewünschte Stabilität der Verpackung gewährleistet ist, was das Streitpatent mit der Verbindung der Grundbereiche durch das Stützrippenmuster erreicht. Da die Lage der Stützrippen mithin Auswirkungen auf die Stabilität des Eierkartons hat, stellt sich die Erstreckung der Stützrippen bis zum Boden nicht als beliebige Maßnahme des Fachmanns dar, sondern erfordert eine vom Stand der Technik abweichende Konstruktion.
504. Weitere Entgegenhaltungen liegen von dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags I noch weiter ab.
51V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:181218UXZR37.17.0
Fundstelle(n):
PAAAH-11052