Bestimmtheit des Klagebegehrens: Anforderungen bei der sogenannten Saldoklage; Geltendmachung von Mietrückständen auf der Grundlage eines fortgeschriebenen Mietkontos; Rückgriff auf die gesetzlichen Anrechnungsbestimmungen
Gesetze: § 366 Abs 2 BGB, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO
Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 2-11 S 55/17vorgehend AG Frankfurt Az: 386 C 2011/15 (80)
Tatbestand
1Die Beklagte ist seit Ende des Jahres 2008 Mieterin einer Wohnung in Frankfurt am Main. Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der den Mietvertrag abschließenden Vermieterin.
2Mit der Klage macht die Klägerin Forderungen aus dem Mietvertrag geltend, die sie auf ein fortgeschriebenes (tabellarisches) Mietkonto stützt, in das sie Mietforderungen, Mahngebühren sowie Mietminderungen, Zahlungen und Gutschriften eingestellt hat.
3Das Amtsgericht hat die Beklagte - unter teilweiser Abänderung eines zunächst gegen die Klägerin ergangenen Versäumnisurteils - (nur) noch zur Zahlung von 744,91 € nebst Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das vorbezeichnete Urteil des Amtsgerichts abgeändert und das die Klage abweisende Versäumnisurteil des Amtsgerichts (insgesamt) aufrechterhalten.
4Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Gründe
5Die Revision hat Erfolg.
I.
6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7Die Klage sei unzulässig, weil bei einer Klage, die - wie hier - auf einem fortgeschriebenen Mieterkonto basiere, der geltend gemachte Gegenstand des prozessualen Anspruchs entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht hinreichend bestimmt sei. Dem Saldo der Klägerin lägen keine gleichartigen Forderungen zugrunde; vielmehr seien in das hier vorgelegte Mieterkonto Bruttomieten (Grundmiete zuzüglich Nebenkosten), Mahngebühren, externe Mahngebühren, vorgerichtliche Anwaltskosten, Zahlungseingänge, Gutschriften betreffend Heiz- und Betriebskosten sowie Gutschriften im Hinblick auf eine Mietminderung eingestellt worden.
8Stelle der Vermieter derartige Posten allesamt in das Mieterkonto ein und verrechne diese ohne jede Differenzierung miteinander, so dass sich jeweils nur ein aktueller Saldo ergebe, sei der Streitgegenstand nicht hinreichend bestimmt. Es sei nicht erkennbar, welche der aufgeführten Forderungen in welcher Höhe streitgegenständlich seien. Auch sei unklar, ob in dem Saldo erfasste Betriebskostenvorauszahlungen wegen des Verstreichens der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB überhaupt noch hätten geltend gemacht werden können. Soweit in einer Saldoaufstellung Vorauszahlungen enthalten seien, müsse der Vermieter vielmehr klarstellen, ob er seinen Klageantrag auf die vertraglich geschuldete Vorauszahlung oder einen etwaigen Nachzahlungssaldo stütze. Auch der pauschale Vortrag der Klägerin, Zahlungen und Gutschriften seien mit den ältesten bestehenden Mietrückständen verrechnet worden, habe keinen Aussagegehalt, da § 366 Abs. 2 BGB nur im rechtlichen Sinne vorgebe, wie der Gläubiger zu verrechnen habe. Dies entbinde diesen jedoch nicht von dem Vortrag, was er tatsächlich worauf verrechnet habe und welche Ansprüche danach noch Teil der Klage seien. Erst aufgrund dieses Vortrags könne das Gericht prüfen, ob die Anforderungen des § 366 Abs. 2 BGB beachtet worden seien.
II.
9Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10Die Klage ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zulässig. Insbesondere ist der Gegenstand des erhobenen Anspruchs, was vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist (, BGHZ 125, 41, 44), hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit seiner rechtsirrigen gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht - wie die Revision mit Recht rügt - die im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Klage an die Aufschlüsselung des geltend gemachten Gesamtbetrages zu stellenden Anforderungen überspannt.
11a) In dem zuletzt (in der Berufungsinstanz) von der Klägerin vorgelegten, manuell erstellten Mietkontoauszug sind die gewährten Minderungsbeträge jeweils den betreffenden Monaten zugeordnet worden. Im Übrigen hat sich die Klägerin auf eine Verrechnung nach § 366 Abs. 2 BGB berufen und zusätzlich ausgeführt, dass Mietzahlungen in den einzelnen streitgegenständlichen Monaten zunächst auf die geschuldeten Vorauszahlungen und im Übrigen auf die geschuldete Grundmiete verrechnet worden sind. Die Zusammensetzung der von ihr begehrten Miete (Nettomiete und Vorauszahlungen) hat die Klägerin gleichfalls mitgeteilt.
12b) Dieser vorstehend zusammengefasste Vortrag der Klägerin im Prozess war jedenfalls ausreichend, um den Klagegegenstand im vorliegenden Verfahren im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend zu bestimmen. Mit der Wertung, die Klägerin hätte konkret für jede einzelne Gutschrift beziehungsweise jede einzelne Zahlung der Beklagten erläutern müssen, mit welcher offenen (Teil-)Forderung (Grundmiete, Vorauszahlung) aus welchem Monat sie jeweils eine Verrechnung vorgenommen habe, überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungen zum Klagegegenstand.
13aa) Ein Klageantrag ist grundsätzlich hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (st. Rspr.; , WuM 2018, 373 Rn. 15 zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, und VIII ZR 84/17, WuM 2018, 278 Rn. 18; jeweils mwN). Zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kommt es insbesondere nicht darauf an, ob der maßgebliche Sachverhalt bereits vollständig beschrieben oder ob der Klageanspruch schlüssig und substantiiert dargelegt worden ist. Vielmehr ist es im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist (st. Rspr.; zuletzt , aaO Rn. 21, und VIII ZR 84/17, aaO Rn. 24; jeweils mwN).
14bb) Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Klägerin im Streitfall jedenfalls gerecht. Denn von der Klägerin kann aus Rechtsgründen nicht verlangt werden, dass sie die aus ihrer Sicht maßgebliche Verrechnungsreihenfolge nach § 366 Abs. 2 BGB für jede einzelne Position im Einzelnen selbst beschreibt (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 68/17, aaO Rn. 55). Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, ob sich aus der Mietkontoaufstellung unter Heranziehung der ergänzenden Angaben der Klägerin zur Höhe der Nettomiete und der Betriebskostenvorauszahlung sowie Heranziehung der Verrechnungsgrundsätze des § 366 Abs. 2 BGB, auf den sich die Klägerin ausdrücklich berufen hat, eine Zuordnung von Gutschriften und Zahlungen auf die im Mietkonto aufgeführten Forderungen vornehmen lässt, was das Gericht im Rahmen der Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen von Amts wegen zu beachten hat (, aaO Rn. 44, und VIII ZR 84/17, aaO Rn. 49). Geht es um die Verrechnung von dem Mieter erteilten Gutschriften, kommt eine entsprechende Anwendung des § 366 Abs. 2 BGB in Betracht (, aaO Rn. 46, und VIII ZR 84/17, aaO Rn. 51); ebenso, wenn erfolgte Zahlungen des Mieters oder ihm erteilte Gutschriften nicht ausreichen, um die jeweils geschuldete Bruttomiete zu tilgen oder es um die Verrechnung unzureichender Zahlungen des Mieters aus verschiedenen Zeiträumen geht (, aaO Rn. 37 f., 47 ff., und VIII ZR 84/17, aaO Rn. 43 f., 52 ff.).
15Werden in einem Mietkonto neben der Grundmiete auch Nebenkostenvorauszahlungen eingestellt, so bringt der Vermieter damit bei Fehlen weiterer Erklärungen zum Ausdruck, dass er diese Ansprüche (und nicht Nachforderungen aus Abrechnungen) zum Gegenstand seiner Klage macht (, aaO Rn. 24, und VIII ZR 84/17, aaO Rn. 27). So liegt der Fall auch hier, so dass es - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - für die Zulässigkeit der Klage ohne Bedeutung ist, ob die Abrechnungsfrist für die aus dem Mietkonto ersichtlichen Nebenkostenvorauszahlungen bereits abgelaufen ist; dies ist vielmehr ein Gesichtspunkt, der erst auf der Ebene der Begründetheit von Bedeutung sein kann, wenn die gebotene Auslegung des Klageantrags ergeben würde, dass Nebenkostenvorauszahlungen für bereits abgelaufene Abrechnungsperioden noch Gegenstand der Klage sind; dies ist hier indes nicht der Fall, da die einzelnen im Mietkonto aufgeführten Zahlungen nach den Erklärungen der Klägerin zunächst jeweils auf die Nebenkostenvorauszahlungen und danach auf die Nettomiete verrechnet worden sind und danach keine Vorauszahlungen mehr als Gegenstand der Klage verbleiben.
III.
16Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Begründetheit der geltend gemachten Forderungen getroffen hat. Sie ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:051218UVIIIZR194.17.0
Fundstelle(n):
NJW-RR 2019 S. 398 Nr. 7
CAAAH-09488