(Strafbarkeit von Bankrotthandlungen nach dem Ablauf der insolvenzrechtlichen Abtretungsfrist)
Gesetze: § 370 Abs 3 S 2 Nr 1 AO, § 78c Abs 1 S 1 Nr 1 StGB, § 283 Abs 1 Nr 1 StGB, § 35 Abs 1 InsO, § 300 InsO, § 387 Abs 2 InsO
Instanzenzug: LG Augsburg Az: 15 KLs 506 Js 135984/13
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten C. W. wegen Bankrotts in 24 Fällen unter Einbeziehung einer Vielzahl von Einzelfreiheitsstrafen aus einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Die Angeklagte A. W. hat es wegen Beihilfe zu 17 Fällen des Bankrotts zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es gegen sie nur deswegen nicht auf einen Verfall hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 80.000 Euro erkannt, weil Ansprüche von Verletzten entgegenstehen. Den Angeklagten D. hat die Strafkammer wegen Beihilfe zu zwei Fällen der Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten erzielen mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; die weitergehende Revision des Angeklagten D. ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3a) Über das Vermögen des Angeklagten C. W. wurde am (so UA S. 31) oder am (so UA S. 12 und nach dem mitgeteilten Sachverhalt einer Vorverurteilung) durch Beschluss des Amtsgerichts Traunstein das Insolvenzverfahren eröffnet. Er erklärte am die Abtretung des pfändbaren Teils seiner Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis und Ähnliches für die Dauer von sechs Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss des Amtsgerichts Traunstein vom , rechtskräftig seit dem , wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben und dem Angeklagten C. W. Restschuldbefreiung erteilt.
4b) C. W. veranlasste vor dem den Angeklagten D. , eine Einzelfirma zu gründen, um über diese Handelsgeschäfte mit Elektronikartikeln zu vermitteln. D. meldete daraufhin sein Gewerbe „ D. Handelsvertretung“ am an. Ab dem rechnete C. W. die von ihm erzielten Provisionen für vermittelte Aufträge über diese Firma ab. D. und C. W. waren sich darüber einig, dass die von C. W. erwirtschafteten Provisionen allein diesem zustehen sollten; D. sollte lediglich die ihm entstandenen Kosten abziehen.
5c) Um seine Einkünfte aus den erzielten Provisionen nicht gegenüber dem Insolvenzverwalter, der ihn schon im Jahre 2004 aufgefordert hatte, konkrete Angaben zum Arbeitsverhältnis und zu den Gehaltsabrechnungen zu machen, offen legen zu müssen, veranlasste C. W. den Angeklagten D. die ihm absprachegemäß zustehenden Provisionen von seinem Konto auf zwei Konten der Angeklagten A. W. zu überweisen. Hierzu teilte D. dem Angeklagten C. W. für jede Onlineüberweisung die TAN-Nummer mit. C. W. nahm dann im Zeitraum zwischen dem und dem insgesamt 17 Überweisungen auf ein Konto der Angeklagten A. W. bei der U. Bank AG in Höhe von insgesamt 109.500 Euro vor. Davon erfolgten 14 Überweisungen nach dem . Im Zeitraum zwischen dem und dem überwies C. W. in weiteren sieben Fällen insgesamt 57.900 Euro auf ein Konto der Angeklagten A. W. bei der Sparkasse S. ; davon erfolgten vier Überweisungen nach dem . Über beide Konten war der Angeklagte C. W. verfügungsbefugt. Die Angeklagte A. W. nahm hierbei billigend in Kauf, dass C. W. ihr Konto bei der U. Bank AG dazu nutzte, Einkünfte aus Vermittlungsgeschäften vor dem Insolvenzverwalter „zu verstecken“, nachdem sie bereits wegen gleichlautender Vorwürfe am wegen Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott rechtskräftig verurteilt worden war und gleichwohl dem Angeklagten C. W. danach nicht die Verfügungsmacht hinsichtlich des Kontos entzogen hatte.
6d) Der Angeklagte C. W. gab für das Jahr 2009 gemeinsam mit A. W. beim Finanzamt B. eine Einkommensteuererklärung ab, bei der er die vereinnahmten Vermittlungsprovisionen in Höhe von 167.400 Euro nicht angab. Dadurch hinterzog er Einkommensteuer in Höhe von 35.708 Euro. Eine Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2009 gab der Angeklagte C. W. nicht ab und hinterzog dadurch Gewerbesteuer in Höhe von 9.320 Euro. Der Angeklagte D. nahm spätestens seit den ab dem vorgenommenen Überweisungen von seinem Geschäftskonto billigend in Kauf, dass der Angeklagte C. W. über die Firma abgerechnete und ausgezahlte Vermittlungsprovisionen einkommen- und gewerbesteuerlich verschweigen könnte. Ab diesem Zeitpunkt hinterzog C. W. Einkommensteuer in Höhe von 22.037 Euro und Gewerbesteuer in Höhe von 4.557 Euro. Hierzu leistete D. dem Angeklagten C. W. durch das Überlassen seiner Einzelfirma und die Übermittlung der TANs bei den Steuerhinterziehungen Hilfe.
72. Das Landgericht wertete die von C. W. veranlassten und vorgenommenen Onlineüberweisungen auf die Konten der Angeklagten A. W. als 24 Fälle des vorsätzlichen Bankrotts. Er habe Vermögensbestandteile in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise beiseite geschafft und dem Insolvenzverwalter verheimlicht. Soweit die Bankrotthandlungen noch nach der sechsjährigen Abtretungsfrist des § 287 Abs. 2 InsO vorgenommen worden seien, hindere dies eine Verurteilung nicht, weil nach § 283 Abs. 6 StGB die objektive Bedingung der Strafbarkeit dadurch erfüllt sei, dass über das Vermögen des Angeklagten C. W. das Insolvenzverfahren eröffnet und erst durch Beschluss des Amtsgerichts Traunstein vom aufgehoben und ihm Restschuldbefreiung erteilt worden sei.
8Die Angeklagte A. W. habe C. W. zu dessen Bankrottdelikten dadurch Beihilfe geleistet, dass sie nach ihrer Verurteilung am wegen gleichlautender Tatvorwürfe es unterlassen habe, diesem die Verfügungsmacht über ihr Konto bei der U. Bank AG zu entziehen, und durch ihre Untätigkeit C. W. auch weiterhin darin unterstützte, das von ihm verdiente Geld zu „verstecken“.
II.
91. Revision des Angeklagten C. W.
10Die mit einer Verfahrensrüge und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts geführte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
11a) Entgegen den rechtlichen Ausführungen des Landgerichts endet der Insolvenzbeschlag nach Erteilung der Restschuldbefreiung mit dem Zeitpunkt des Ablaufs der sechsjährigen Abtretungsfrist, die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu laufen begonnen hat, und zwar unabhängig davon, ob der Neuerwerb der Erklärung nach § 287 Abs. 2 InsO unterfallen wäre oder nicht (vgl. , NZI 2014, 312, 313 Rn. 5 ff.). Die Vorschrift soll dem (redlichen) Schuldner, auch dem selbständig Tätigen, sechs Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen (BGH aaO Rn. 7 mwN). Nach Ablauf der Abtretungsfrist wird der Neuerwerb von Vermögensbestandteilen von § 283 StGB daher nicht geschützt. Ausgenommen hiervon ist nur der Neuerwerb, der dem Grunde nach schon vor dem Ablauf der Laufzeit der Abtretungserklärung angelegt ist (vgl. BGH aaO Rn. 6 mwN).
12b) Gemessen daran sind die Voraussetzungen einer Bankrotthandlung des Angeklagten im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgrund der Feststellungen des Landgerichts nicht erfüllt, soweit diese zeitlich nach dem Ablauf der Abtretungsfrist des § 287 Abs. 2 InsO erfolgten (Fälle 4 bis 17 und 21 bis 24 der Urteilsgründe). Feststellungen dazu, zu welchem Zeitpunkt die erfolgten Provisionszahlungen dem Grunde nach angelegt waren, fehlen. In zeitlicher Hinsicht ist insoweit auf die Fälligkeit des jeweiligen Provisionsanspruchs des Angeklagten, spätestens aber auf den Eingang der Zahlungen auf dem Firmenkonto des Angeklagten D. abzustellen.
13c) Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs mit den Feststellungen in den Fällen 4 bis 17 sowie 21 bis 24 der Urteilsgründe. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass der Rechtsfehler auch die Verurteilung in den Fällen 1 bis 3 und 18 bis 20 der Urteilsgründe erfasst. Um dem neuen Tatgericht in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hebt er daher die Feststellungen insgesamt auf.
142. Revision der Angeklagten A. W.
15a) Entgegen dem Revisionsvortrag ist Verfolgungsverjährung nicht eingetreten. Die Verjährung wurde bereits am durch die Anordnung der Vernehmung der Beschuldigten zum Tatverdacht der Beihilfe zum Bankrott und der Geldwäsche unterbrochen, § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB.
16b) Die Aufhebung des Schuldspruchs mit den Feststellungen hinsichtlich des Angeklagten C. W. als Haupttäter der Bankrottdelikte bedingt wegen des untrennbaren Zusammenhangs der vorgeworfenen Beihilfehandlung der Angeklagten auch den sie betreffenden Schuldspruch.
173. Revision des Angeklagten D.
18a) Die Verurteilung des Angeklagten D. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Angeklagten C. W. in zwei Fällen hält unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts rechtlicher Prüfung stand.
19b) Der Strafausspruch weist hingegen einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
20aa) Das Landgericht hat zwar ausgeführt, dass der Strafrahmen für die Haupttat der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsehe und dass dieser Strafrahmen nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern sei. Dem widersprechend hat es aber berücksichtigt, dass durch die Haupttat Steuern in großem Ausmaß verkürzt worden seien (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO). Eine Gesamtbewertung von Tat und Täter unter besonderer Berücksichtigung des geringen Tatbeitrages des Angeklagten sowie weiterer aufgeführter strafmildernder Umstände gäben aber Anlass, von der Regelwirkung des § 370 Abs. 3 AO abzuweichen.
21bb) Die Annahme des Landgerichts, dass durch die Haupttat(en) Steuern in großem Ausmaß verkürzt worden seien, ist rechtsfehlerhaft. Weder durch die beiden Haupttaten zusammengerechnet, geschweige denn durch die Addition der dem Angeklagten seit dem zuzurechnenden Steuerhinterziehungsbeträge wird eine Steuerverkürzung großen Ausmaßes von 50.000 Euro erreicht. Aufgrund dieser Strafrahmenbestimmung hat das Landgericht daher zu Unrecht die angeführten Strafmilderungsgründe zur Widerlegung der Indizwirkung des besonders schweren Falles des § 370 Abs. 3 AO, herangezogen, anstatt sie mit ungeschmälerter Gewichtung bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu berücksichtigen.
22cc) Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Einer Aufhebung der Feststellungen bedarf es nicht, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Weitergehende Feststellungen sind zulässig, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
234. Im Falle der erneuten Verurteilung der drei Angeklagten wird das neue Tatgericht angesichts der im Revisionsverfahren erfolgten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung eine Kompensationsentscheidung zu treffen haben. Diese wäre bei den Angeklagten A. und C. W. mit jeweils zwei Monaten der erkannten Strafe, beim Angeklagten D. mit 60 Tagessätzen festzusetzen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:210318B1STR414.16.0
Fundstelle(n):
wistra 2019 S. 202 Nr. 5
MAAAH-09048