BGH Beschluss v. - VI ZB 2/18

Kostenfestsetzungsverfahren: Gesetzlicher Richter bei Zulassung der Rechtsbeschwerde durch den Einzelrichter im Beschwerdeverfahren nach eigener Entscheidung in der Sache; Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten des Beklagten für die in Unkenntnis der Klagerücknahme erfolgten anwaltlichen Tätigkeit

Leitsatz

1. Bejaht der Einzelrichter im Beschwerdeverfahren mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, unterlässt er es aber, das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO dem Kollegium zu übertragen, und entscheidet in der Sache als Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom , VI ZB 34/17, juris, Rn. 5).

2. Die Beschwerdeentscheidung unterfällt in einem solchen Fall der Aufhebung durch das Rechtsbeschwerdegericht, ohne dass es darauf ankommt, ob die vom Einzelrichter getroffene Entscheidung in der Sache richtig ist.

3. Zur Erstattungsfähigkeit der dem Beklagten entstandenen Rechtsanwaltskosten, wenn die anwaltliche Tätigkeit (Antrag auf Klageabweisung und seine Begründung) in Unkenntnis der zwischenzeitlichen Klagerücknahme erfolgt (Fortführung Senat, Beschluss vom , VI ZB 70/16, MDR 2018, 1407).

Gesetze: § 91 Abs 1 S 1 ZPO, § 568 S 2 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Instanzenzug: Az: 1 T 516/17vorgehend AG Bremen-Blumenthal Az: 45 C 1058/16

Gründe

I.

1Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss. Er hat am bei dem Amtsgericht Klage erhoben. Mit bei dem Amtsgericht am eingegangenem Schriftsatz hat er die Klage zurückgenommen. Mit Schriftsatz vom hat sich ein Rechtsanwalt für den Beklagten bestellt und den von ihm gestellten Klageabweisungsantrag am begründet. Am hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Kenntnis von der Klagerücknahme erlangt.

2Nachdem die Kosten dem Kläger auferlegt worden waren, hat der Rechtspfleger mit Beschluss vom die von dem Kläger dem Beklagten zu erstattenden Kosten auf Antrag des Beklagten in Höhe von 638,54 € festgesetzt (1,3-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV-RVG aus einem Gebührenwert von 4.800 €, Pauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG, zzgl. USt. sowie 146 € verauslagte Gerichtskosten/Zustellungskosten).

3Das Beschwerdegericht - Einzelrichter - hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Rechtsbeschwerdeführers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Rechtsbeschwerdeführer gegen die Kostenfestsetzung zugunsten des Beklagten.

II.

41. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ein Kostenerstattungsanspruch bestehe auch dann, wenn der Rechtsanwalt des Beklagten nach Zustellung der Klage und in Unkenntnis der Klagerücknahme tätig geworden sei. Die Kosten seien notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dem Beklagten könne nicht vorgeworfen werden, sich innerhalb der ihm gesetzten Fristen gegen die Klage verteidigt zu haben. Anderenfalls müsse er Rechtsnachteile befürchten. Die Entscheidung des ) könne nicht auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen werden.

52. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 575 ZPO) ist begründet. Der angefochtene Beschluss unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil er unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist.

6Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, die grundsätzliche Bedeutung haben oder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO zwingend dem Kollegium zu übertragen. Bejaht er - wie hier - mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet er aber zugleich in der Sache als Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom - VI ZB 34/17, juris Rn. 5 mwN).

73. Für das weitere Verfahren weist der erkennende Senat auf folgendes hin:

8a) Das Beschwerdegericht ist zu Recht von der (grundsätzlichen) Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten ausgegangen, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZB 70/16, VersR 2018, 1469; , NJW 2018, 1403 Rn. 22 ff.).

9b) Nach der Zurückverweisung wird das Beschwerdegericht auch Gelegenheit haben, die Rüge des Klägers in Bezug auf den Ansatz der verauslagten Gerichtskosten in Höhe von 146 € in dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu überprüfen. Die Zahlung von Gerichtskosten durch den Beklagten ist nicht ersichtlich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:181218BVIZB2.18.0

Fundstelle(n):
NJW 2019 S. 9 Nr. 11
NJW-RR 2019 S. 381 Nr. 6
GAAAH-07122