Ertragsteuerliche
Behandlung von Sanierungsgewinnen gem.
BStBl 2003 I S. 240
Zuständigkeit der Gemeinden für Billigkeitsmaßnahmen bei der
Gewerbesteuer Änderung des
§ 184 AO
durch das ZollkodexAnpG;
Zuständigkeitsauswirkungen durch die
Einführung der Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bei
unternehmensbezogener Sanierung (§ 7b GewStG)
Aufgrund der Änderung des § 184 Abs. 1 Satz 1 AO durch das ZollkodexAnpG [1] wird derzeit von Seiten der Steuerpflichtigen bzw. ihrer steuerlichen Berater geltend gemacht, die Zuständigkeit für die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen bezüglich der Gewerbesteuer im Zusammenhang mit sog. Sanierungsgewinnen sei von den Gemeinden auf die Finanzverwaltung übergegangen. Diese Rechtsauffassung wird aus folgenden Gründen nicht geteilt:
Im Rahmen des ZollkodexAnpG wurde § 184 Abs. 2 Satz 1 AO dergestalt geändert, dass die Befugnis, Realsteuermessbeträge festzusetzen, nunmehr auch die Befugnis zu Maßnahmen nach § 163 Satz 1 einschließt, soweit für diese in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der obersten Bundesfinanzbehörde [2] Richtlinien aufgestellt worden sind. § 163 Satz 1 AO regelt, dass Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben können, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.
Der sog. Sanierungserlass (, BStBl 2003 I S. 240) ermöglicht u. a. die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen gem. § 163 Satz 2 AO dergestalt, dass in Sanierungsfällen einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern mindern, zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden. So sind gem. Rn. 8 des Sanierungserlasses Verluste/negative Einkünfte jeder Art unbeschadet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen – wie z. B. derjenigen des § 10d EStG (sog. Mindestbesteuerung) – im Steuerfestsetzungsverfahren bis zur Höhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn zu verrechnen.
Bezüglich der übergesetzlichen Verlustverrechnung bei der Gewerbesteuer ist jedoch nach wie vor § 184 Abs. 2 Satz 2 AO zu beachten. Danach wirkt eine Maßnahme nach § 163 Satz 2 AO nur insoweit auch für den Gewerbeertrag, wie sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflusst. Dies ist bei der Verlustverrechnung nach § 10a GewStG nicht der Fall.
Der Sanierungserlass betrifft darüber hinaus Billigkeitsmaßnahmen im Erhebungsverfahren wie die Stundung und den Erlass der auf den – nach Verlustverrechnung verbleibenden – Sanierungsgewinn entfallenden Steuer Der Anwendungsbereich des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO ist diesbezüglich jedoch bereits dem Grunde nach nicht eröffnet, da § 184 AO das Festsetzungs- und nicht das Erhebungsverfahren betrifft. [3]
Der Sanierungserlass normiert keine Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 Satz 1 AO, so dass die Änderung des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO zu keiner Änderung der Zuständigkeit der Gemeinden für Billigkeitsmaßnahmen zur Gewerbesteuer bei Sanierungsgewinnen geführt hat. [4]
Textziffer ab hier ergänzt am
Mit dem Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom wurde die verfahrensrechtliche Form der Sanierungsbegünstigungen in den §§ 3a, 3c Abs. 4 EStG und § 7b GewStG neu geregelt. Die Sanierungsbegünstigung wird nun nicht mehr durch eine Billigkeitsmaßnahme im Erhebungsverfahren, sondern durch eine materielle Steuerbefreiung im Festsetzungsverfahren gewährt. Für die Gewerbesteuer wurde die Steuerbefreiung im § 7b GewStG normiert. Hierdurch kommt es steuerrechtssystematisch zu einer Verlagerung der Zuständigkeit über die Entscheidung des Vorliegens eines begünstigten Sanierungsertrags für gewerbesteuerliche Zwecke. Denn die abschließende Entscheidung über die Gewährung einer materiellen Steuerbefreiung obliegt allein der Finanzverwaltung bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags. Die Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung entscheidet somit endgültig über den sachlichen Umfang der Steuerpflicht (§ 184 Abs. 1 S. 2 AO) und die Gemeinden sind nicht befugt diese anzufechten (s. AEAO zu § 184).
Die gesetzliche Neuregelung des § 7b GewStG ist grundsätzlich für Schuldenerlasse ab dem anzuwenden. Nach § 36 Abs. 2c S. 3 GewStG kann der Steuerpflichtige aber auch die Anwendung des § 7b GewStG für die noch offenen Fälle beantragen, in denen die Schulden vor dem erlassen wurden (für weitere Informationen wird auf die Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 33/2015 verwiesen).
OFD Nordrhein-Westfalen v. - akt. Kurzinfo GewSt 2/2015
Fundstelle(n):
SAAAH-06937
1Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BGBl 2014 I S. 2417 ff.
2Die Befugnis zu derartigen Maßnahmen besteht daneben wie bereits bisher, soweit für diese in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind.
3Vgl. R 1.6 (1) GewStR
4Hinweis auf Rn. 15 des Sanierungserlasses und das Praxishandbuch „Ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen” – Kapitel 16.1