BAG Urteil v. - 6 AZR 385/17

Vergütung eines Opernchorsängers

Gesetze: § 1 TVG, § 612 BGB

Instanzenzug: Az: 12 Ha 15/15 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 10 Sa 587/16 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten noch über den Anspruch eines Opernchorsängers auf Sondervergütung für das Singen in einer Stimmgruppe allein mit nicht berufsmäßigen Sängern des sog. Extra-Chores. Das Bühnenoberschiedsgericht für Opernchöre hat einen solchen Anspruch bejaht. Hiergegen hat sich die Trägerin des Opernchores als Klägerin einer Aufhebungsklage gewandt.

2Der Beklagte ist Sänger in dem aus 13 Personen gebildeten Opernchor der Klägerin. Gemäß § 6 des Arbeitsvertrags vom bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Normalvertrag Chor (NV Chor) in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen. Gemäß § 8 des Vertrags entscheiden über alle Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges die zwischen den Tarifvertragsparteien des NV Chor vereinbarten Schiedsgerichte.

3Der NV Chor wurde zum durch den Normalvertrag Bühne (NV Bühne) vom ersetzt. Dieser lautet in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 7 vom auszugsweise wie folgt:

4In der aktuellen Fassung des NV Bühne sieht § 79 Abs. 2 Buchst. f eine angemessene Sondervergütung auch für das Singen einer Einzelstimme im chorischen Zusammenhang bei Werken des zeitgenössischen Musiktheaters vor.

5Die Stimmgruppe des Beklagten (1. Bass) ist regulär neben dem Beklagten mit einem weiteren Chorsänger besetzt, der allerdings häufig solistisch singt und in diesen Fällen für ein gemeinsames Singen in der Stimmgruppe des 1. Basses nicht eingesetzt werden kann. Der Beklagte hat deshalb Gesangsleistungen in der Form erbracht, dass er - entsprechend der Planung der Klägerin - bei Proben und Vorstellungen in seiner Stimmgruppe entweder allein oder mit einem Mitglied des sog. Extra-Chores, aber ohne ein weiteres berufsmäßiges Opernchormitglied gesungen hat. Für die Jahre 2012 und 2013 hat er hierfür mit einer Klage beim Bühnenschiedsgericht für Opernchöre neben der erhaltenen Vergütung die Zahlung einer angemessenen Summe von mindestens 7.433,68 Euro verlangt.

6Zur Begründung hat er angeführt, eine Mitwirkungspflicht des Opernchormitglieds gemäß § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne sei bei Einzelbesetzungen in einer Stimmgruppe nur dann gegeben, wenn dies auf einem unvorhergesehenen Ausfall beruhe. Dies sei nicht der Fall, wenn die Stimmgruppe regelmäßig mit nur einem berufsmäßigen Opernchormitglied besetzt werde. Eine Einzelbesetzung liege im tariflichen Sinne auch vor, wenn Mitglieder des Extra-Chores neben dem Opernchormitglied sängen. Der Extra-Chor bestehe aus Laiensängern oder in den Ruhestand getretenen Opernchorsängern. Die Mitglieder des Extra-Chores erreichten nicht (mehr) das gesangliche Niveau eines professionellen Opernchormitglieds. Dieses müsse dann die Stimmführung übernehmen, was eine zusätzliche Gesangsleistung darstelle. Die hiermit verbundene Belastung sei gemäß § 612 Abs. 1 BGB gesondert zu vergüten.

7Die Klägerin hat die Leistung der begehrten Zusatzvergütung abgelehnt. Das Singen mit zumindest einem Mitglied des Extra-Chores sei keine Einzelbesetzung und mit der Gage abgedeckt.

8Das Bühnenschiedsgericht für Opernchöre hat die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 2.341,62 Euro brutto nebst Zinsen für Proben und Vorstellungen zu zahlen, bei denen er in seiner Stimmgruppe alleine gesungen hat. Es hat die Klage insoweit abgewiesen, als der Beklagte eine Sondervergütung auch für die Gesangsleistungen verlangt hat, bei denen er durch Mitglieder des Extra-Chores unterstützt wurde. Gegen den Schiedsspruch des Bühnenschiedsgerichts haben beide Parteien Berufung beim Bühnenoberschiedsgericht für Opernchöre eingelegt. Dieses hat mit Schiedsspruch vom den Schiedsspruch des Bühnenschiedsgerichts teilweise abgeändert und die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 6.415,75 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Nach Auffassung des Bühnenoberschiedsgerichts besteht ein Anspruch des Opernchormitglieds auf zusätzliche Vergütung auch dann, wenn es nur mit einem Mitglied des Extra-Chores in seiner Stimmgruppe singt.

9Mit ihrer Aufhebungsklage hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht beantragt,

10Der Beklagte hat beantragt, die Aufhebungsklage abzuweisen.

11Das Arbeitsgericht hat die Aufhebungsklage insoweit als begründet erachtet, als ein Anspruch auf Sondervergütung des Beklagten bei einem Einsatz gemeinsam mit einem Mitglied des Extra-Chores nicht bestehe. Es hat den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts deshalb teilweise aufgehoben und die Klägerin ebenso wie das Bühnenschiedsgericht zur Zahlung von 2.341,62 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt. Die Klägerin hat dies akzeptiert. Die gegen die teilweise Abänderung der Entscheidung des Bühnenoberschiedsgerichts gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser begehrt der Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Aufhebungsklage und damit die Wiederherstellung des Schiedsspruchs des Bühnenoberschiedsgerichts.

Gründe

12Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Aufhebungsklage ist zulässig und bezüglich des noch rechtshängigen Streitgegenstands begründet. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung, wenn er in seiner Stimmgruppe allein mit einem Mitglied des Extra-Chores singt.

13I. Die Aufhebungsklage ist zulässig.

141. Sie ist gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG statthaft.

15a) Nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG kann auf Aufhebung eines Schiedsspruchs geklagt werden, wenn der Schiedsspruch auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Das Aufhebungsverfahren ist in allen drei Instanzen der staatlichen Gerichtsbarkeit ein revisionsähnliches Verfahren, in dem Schiedssprüche auf Rechtsfehler überprüft werden. Gegenstand des Aufhebungsverfahrens ist das vor dem Schiedsgericht anhängig gemachte Sachbegehren ( - Rn. 15 mwN).

16b) Die Klägerin wendet sich mit ihrer Aufhebungsklage gegen den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts für Opernchöre, soweit dieses ihre Verpflichtung zur Leistung von zusätzlichem Entgelt bei Gesang des Beklagten in seiner Stimmgruppe allein mit einem Mitglied des Extra-Chores angenommen hat. Sie rügt dabei insbesondere eine fehlerhafte Anwendung von § 612 Abs. 1 BGB und § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne. Damit hält sie dem Bühnenoberschiedsgericht eine Verletzung von Rechtsnormen vor. Materiell-rechtliche tarifliche Bestimmungen sind Rechtsnormen iSv. § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG ( - Rn. 24).

172. Die Klagefrist ist gewahrt. Eine auf § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG gestützte Aufhebungsklage ist nach § 110 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 ArbGG binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung des Schiedsspruchs zu erheben. Der Schiedsspruch wurde der Klägerin am zugestellt. Die Aufhebungsklage ging beim nach § 37 Satz 2 BSchGO für Opernchöre zuständigen Arbeitsgericht Köln am und damit vor Fristablauf ein.

18II. Die Aufhebungsklage ist im Umfang ihrer noch bestehenden Rechtshängigkeit begründet. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf die noch streitgegenständliche Sondervergütung.

191. Ein solcher Anspruch lässt sich dem NV Bühne nicht entnehmen.

20a) Ein Anspruch auf eine Sondervergütung nach § 79 Abs. 2 oder Abs. 3 NV Bühne wird vom Beklagten nicht geltend gemacht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass einer dieser Tatbestände erfüllt wäre.

21b) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Beklagte die ihm nach § 75 Abs. 1 NV Bühne zustehende Gage (§ 76 NV Bühne) sowie die dienstzeitabhängige Zulage (§ 78 NV Bühne) für seine im streitgegenständlichen Zeitraum erbrachten Gesangsleistungen erhalten hat. Mit dieser Vergütung sind die von dem Beklagten als Opernchormitglied nach dem NV Bühne zu erbringenden Arbeitsleistungen abgegolten (§ 79 Abs. 1 NV Bühne).

22c) Hinsichtlich der streitgegenständlichen Vergütungsansprüche ist es ohne Bedeutung, ob das vom Beklagten in seiner Stimmgruppe regelmäßig geleistete Singen allein mit einem oder mehreren Mitgliedern des Extra-Chores eine nach § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne im Rahmen einer besonderen Mitwirkungspflicht zu erbringende Arbeitsleistung war. Hiergegen spricht zwar, dass § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne nur bei einem unvorhergesehenen Ausfall anderer Mitglieder der Stimmgruppe eine besondere Mitwirkungspflicht vorsieht. Selbst wenn der Beklagte zu dem regelmäßigen Singen mit Mitgliedern des Extra-Chores ohne einen weiteren berufsmäßigen Sänger des Opernchores nicht verpflichtet gewesen wäre, könnte er sein auf die Vergütung bezogenes Klagebegehren auf keine tarifliche Anspruchsgrundlage stützen. Der NV Bühne sieht für Leistungen, die erbracht werden, obwohl es an einer tariflichen Mitwirkungspflicht fehlt, also für überobligatorische Leistungen, keine erhöhte Vergütung vor, sondern kennt neben der Vergütung nach § 75 Abs. 1 NV Bühne nur die Sondervergütung bzw. den Freizeitausgleich nach § 79 Abs. 2 bis Abs. 4 NV Bühne für besondere Leistungen, für die nach § 71 NV Bühne eine Mitwirkungspflicht besteht. Insoweit ist das tarifliche Vergütungssystem abschließend. Eine Regelungslücke besteht nicht.

232. Entgegen der Auffassung der Revision folgt ein Anspruch des Beklagten auf zusätzliche Vergütung auch nicht aus § 612 Abs. 1 BGB.

24a) Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. § 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Vergütung. Diese Bestimmung ist vielmehr auch anzuwenden, wenn über die vertraglich geschuldete Tätigkeit hinaus Sonderleistungen erbracht werden, die durch die vereinbarte Vergütung nicht abgegolten sind, und weder einzelvertraglich noch tarifvertraglich geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind (vgl. zur qualitativen Mehrarbeit  - Rn. 24, BAGE 156, 52; - 5 AZR 626/13 - Rn. 20; zum NV Chor vgl.  - zu II der Gründe).

25b) Wird ein berufsmäßiges Opernchormitglied in seiner Stimmgruppe nur mit einem Mitglied des Extra-Chores eingesetzt, erbringt es keine Sonderleistung, für die es eine zusätzliche Leistung erwarten kann. Entgegen der Annahme der Revision sieht § 612 BGB nicht für jede Dienstleistung, die über die vertraglichen Pflichten hinaus erbracht wird, eine Vergütung vor. Das ist vielmehr nur dann der Fall, wenn die Leistung „den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrleistung zusätzlich zu vergüten ist, gibt es nicht. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt ( - Rn. 21). Danach besteht bei der Besetzung einer Stimmgruppe mit nur einem berufsmäßigen Opernchormitglied und mindestens einem Mitglied des Extra-Chores keine Vergütungserwartung. Eine solche lässt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht aus den tariflichen Regelungen ableiten. § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne, den der Senat entgegen der Auffassung der Revision uneingeschränkt auslegen kann, zeigt, dass nach der Konzeption des NV Bühne eine vergütungspflichtige Sonderleistung allenfalls dann vorliegt, wenn die Stimmgruppe tatsächlich nur „einzeln“ besetzt ist. Das ist nicht der Fall, wenn wie vorliegend ein berufsmäßiges Mitglied des Opernchores und ein Mitglied des Extra-Chores gemeinsam singen.

26aa) Bei der rechtlichen und tatsächlichen Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe beschränkt sich die Überprüfung der Rechtsanwendung der Bühnenschiedsgerichte im Aufhebungsverfahren grundsätzlich darauf, ob die Bühnenschiedsgerichte den Rechtsbegriff selbst verkannt haben, ob die Unterordnung des Sachverhalts (Subsumtion) unter den Rechtsbegriff Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob die Beurteilung wegen Außerachtlassung wesentlicher Umstände oder wegen Widersprüchlichkeit offensichtlich fehlerhaft ist. Innerhalb dieser Grenzen haben die Bühnenschiedsgerichte einen Beurteilungsspielraum, der als solcher den staatlichen Gerichten im Rahmen der Überprüfung des Schiedsspruchs im Aufhebungsverfahren nach § 110 ArbGG verschlossen ist. Haben tarifliche unbestimmte Rechtsbegriffe Kunstbezug, werden also bei der Auslegung und Anwendung dieser Begriffe künstlerische Belange berührt, ist bei der Überprüfung von Schiedssprüchen im Aufhebungsverfahren darüber hinaus die Einräumung eines weiten Beurteilungsspielraums für die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit nicht nur durch den revisionsähnlichen Charakter dieses Verfahrens, sondern auch und insbesondere durch den Bezug zur Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geboten ( - Rn. 17 f., BAGE 136, 340).

27bb) Die Tatbestandsvoraussetzung der „einzelnen Besetzung einer Stimmgruppe“ enthält keinen unbestimmten Rechtsbegriff. Sie bedarf keiner Ausfüllung im Einzelfall (vgl. hierzu  - Rn. 38; zu Beispielen  - Rn. 47, BAGE 160, 296). Der Begriff der „Stimmgruppe“ wird in § 2 Abs. 4 Buchst. c NV Bühne als Kunstfach des Opernchormitglieds definiert und durch die abschließende Auflistung der Stimmgruppen präzisiert. Das Erfordernis der „einzelnen“ Besetzung ist sprachlich eindeutig. Der Begriff „einzeln“ bedeutet „für sich allein, nicht mit anderen zusammen“ (vgl. Duden - Deutsches Universalwörterbuch 8. Aufl.). Auch wenn § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne künstlerische Belange berührt, ist daher eine uneingeschränkte Überprüfung der Auslegung dieser Norm im Aufhebungsverfahren möglich.

28cc) Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass eine einzelne Besetzung einer Stimmgruppe iSd. § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne nicht vorliegt, wenn neben dem berufsmäßigen Opernchormitglied zumindest ein Mitglied des Extra-Chores in derselben Stimmgruppe singt.

29(1) Dies kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts jedoch nicht aus § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne geschlossen werden. Der vom Landesarbeitsgericht angenommene Zusammenhang zwischen § 71 Abs. 1 Satz 2 und § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne besteht nicht.

30(a) Soweit eine Oper oder Operette die Mitwirkung eines Opernchores vorsieht, ist dieser Opernchor nach § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne in der Regel mit Mitgliedern aus dem Opernchor der Bühne(n) zu besetzen. § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne regelt nur die Besetzung des Opernchores als solchen. Dies entspricht dem Beschäftigungsinteresse der Opernchormitglieder. Das Tatbestandsmerkmal „in der Regel“ ermöglicht jedoch Ausnahmen aus sachlichen Gründen (zum Streitstand bezüglich der Voraussetzungen für Ausnahmen vgl. Bolwin/Sponer Bühnen- und Orchesterrecht Stand Januar 2004 Teil A I § 71 NV Bühne Rn. 10; Hegemann in Nix/Hegemann/Hemke NV Bühne 2. Aufl. § 71 Rn. 9).

31(b) § 71 Abs. 2 NV Bühne bestimmt hingegen besondere Mitwirkungspflichten des Opernchormitglieds in einem nach § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne besetzten Opernchor. Zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Opernchores bei unvorhergesehenen Ausfällen kann eine besondere Mitwirkungspflicht nach § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne bestehen. Die Frage, ob eine Stimmgruppe einzeln besetzt ist, steht dabei in keinem Zusammenhang zu der Frage, ob der Opernchor im Ganzen tarifkonform nach § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne besetzt wurde. Es ist in diesem Kontext auch ohne Bedeutung, ob der Extra-Chor als Teil des Opernchores iSd. § 71 Abs. 1 Satz 2 NV Bühne oder als „separater Klangkörper“, wie es der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der Verhandlung vor dem Senat angeführt hat, einzustufen ist. Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Mitglieder des Extra-Chores ebenso wie Solomitglieder, mit denen Gastspielverträge abgeschlossen werden, allenfalls eingeschränkt den Regelungen des NV Bühne unterfallen. Mitglieder des Extra-Chores tragen aber zu der Gesangsleistung bei, welche der Chor als Kollektiv auf der Bühne erbringt. Dabei singen sie ebenso wie die berufsmäßigen Opernchormitglieder in bestimmten Stimmgruppen, da anderenfalls die Chorgesangsleistung als Gemeinschaftswerk nicht zu realisieren wäre.

32(2) Im Ergebnis erweist sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aber als richtig. Eine einzelne Besetzung einer Stimmgruppe iSd. § 71 Abs. 2 Buchst. f NV Bühne liegt nicht vor, wenn ein berufsmäßiges Opernchormitglied in seiner Stimmgruppe nur mit Mitgliedern des Extra-Chores singt, denn das berufsmäßige Opernchormitglied singt auch dann nicht allein. Dabei kann unterstellt werden, dass ein berufsmäßiges Opernchormitglied aufgrund seiner Qualifikation und Gesangspraxis typischerweise eine höherwertige Gesangsleistung als ein Mitglied des Extra-Chores erbringen kann. Der Sonderfall eines erst kürzlich in den Ruhestand getretenen, ehemals berufsmäßigen Opernchormitglieds, welches nunmehr im Extra-Chor singt, bedarf keiner gesonderten Betrachtung, denn es kommt nicht auf die Fähigkeiten des einzelnen Mitglieds des Extra-Chores an. Entscheidend ist, dass das berufsmäßige Opernchormitglied jedenfalls unterstützt wird und nicht der Belastung des Alleinsingens in seiner Stimmgruppe ausgesetzt ist (vgl. Bolwin/Sponer Bühnen- und Orchesterrecht Stand Dezember 2013 Teil A I § 71 NV Bühne Rn. 58).

33(3) Der Verweis der Revision auf § 2 Abs. 4 Buchst. c NV Bühne führt nicht weiter. Diese Tarifnorm verlangt für Arbeitsverträge mit Opernchormitgliedern die Angabe des Kunstfachs, dh. der Stimmgruppe, und benennt die Stimmgruppen. Sie bestimmt hingegen nicht, dass eine Stimmgruppe nur aus berufsmäßigen Mitgliedern des Opernchores bestehen kann. Die Regelung weist keinen Bezug zur Besetzung der einzelnen Stimmgruppen bei Proben und Aufführungen auf.

34c) Ein Anspruch auf eine Sondervergütung nach § 612 Abs. 1 BGB kann auch nicht mit der von der Revision behaupteten Zusatzbelastung begründet werden. Entscheidet sich die Intendanz zu einem Einsatz des Extra-Chores mit der Folge, dass eine Stimmgruppe nicht mit mindestens zwei berufsmäßigen Opernchormitgliedern besetzt ist, hat sie bei schwächerer Leistung des Extra-Chores eine Einbuße der künstlerischen Qualität hinzunehmen und zu verantworten. Das berufsmäßige Opernchormitglied ist nicht verpflichtet, etwaige Defizite in der Gesangsleistung des Extra-Chores durch überobligatorische, ggf. sogar stimmschädigende Anstrengungen auszugleichen (vgl. § 7 Abs. 4 NV Bühne). Entscheidet sich das berufsmäßige Opernchormitglied aus freien Stücken zu einer überobligatorischen Leistung, um das künstlerische Niveau zu heben, entspricht dies nicht der Konzeption der Chorbesetzung durch die Intendanz. Das berufsmäßige Opernchormitglied kann für diese Sonderleistung folglich keine zusätzliche Vergütung erwarten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:151118.U.6AZR385.17.0

Fundstelle(n):
NJW 2019 S. 796 Nr. 11
GAAAH-06471