Einziehung von Taterträgen beim Absatz von Betäubungsmitteln
Gesetze: § 29 BtMG, § 29a BtMG, § 73 Abs 1 StGB, § 73c StGB, § 73e StPO, § 354 Abs 1 StPO
Instanzenzug: Az: 6 Ss 49/18
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, von der drei Monate als vollstreckt gelten. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 1.250 Euro angeordnet. Mit ihrer ausdrücklich auf die Einziehungsentscheidung beschränkten Revision, die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet ist und vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet die Staatsanwaltschaft die Einziehungsanordnung in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe.
2Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
3Nach den Feststellungen - soweit für den Rechtsmittelangriff der Staatsanwaltschaft von Belang - kaufte der Angeklagte, der zuvor bereits ein Veräußerungsgeschäft von Marihuana zwischen seinem Lieferanten und einem Abnehmer vermittelt hatte, in der Zeit vom 9. April bis in fünf Fällen bei seinem Lieferanten Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % THC in Mengen von 500 Gramm, dreimal einem Kilogramm und zwei Kilogramm, die er anschließend an verschiedene Abnehmer übergab. Die für den Erwerb der Marihuanamengen an den Lieferanten entrichteten Geldbeträge - 1.500, zweimal 3.000, 3.200 und 6.000 Euro - hatte er zuvor von seinen jeweiligen Abnehmern erhalten. Für die Vermittlung der Verkaufsgeschäfte erhielt der Angeklagte vom Lieferanten Provisionen in Höhe von insgesamt 400 Euro. Aus vom Revisionsangriff nicht betroffenen Taten flossen ihm weitere 850 Euro zu.
4Das Landgericht hat bei der Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in den beanstandeten Fällen allein auf die vom Angeklagten erlangten Provisionszahlungen abgestellt. Die von den Abnehmern übergebenen Geldbeträge hat es unberücksichtigt gelassen, weil die nach alter Rechtslage zur Vermeidung unbilliger Härten bestehende Korrekturmöglichkeit über die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB aF infolge der Gesetzesänderung nicht mehr gegeben sei.
II.
51. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist ausweislich der Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift, die sich ausschließlich gegen die Höhe der Einziehungsbeträge in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe richten, über die ausdrücklich erklärte Revisionsbeschränkung hinaus auf die Einziehungsentscheidung in den genannten Fällen beschränkt. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Frage der Einziehung von Taterträgen oder deren Wert ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirksam (vgl. , NStZ-RR 2018, 241; vom - 4 StR 63/18 Rn. 1). Gegen eine Anfechtung der Einziehungsentscheidung nur bezüglich eines Teils der abgeurteilten Taten bestehen unter dem Gesichtspunkt der Trennbarkeit (vgl. KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 6 mwN) ebenfalls keine Bedenken, da die Voraussetzungen der Einziehung von Taterträgen aus verschiedenen Taten unabhängig voneinander beurteilt werden können.
62. Das Rechtsmittel ist begründet. Die Einziehungsentscheidung in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer die dem Angeklagten von seinen Abnehmern zugeflossenen Geldbeträge zu Unrecht bei der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB außer Acht gelassen hat.
7a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Abschöpfung von Taterträgen in den vorliegenden Fällen aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom (BGBl. I S. 872) neu gefassten Vorschriften des Strafgesetzbuches beurteilt. Die Anwendung der Neuregelung auf bereits vor deren Inkrafttreten am begangene Taten begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. aaO; Beschlüsse vom - 3 StR 42/18, NStZ 2018, 400; vom - 3 StR 577/17; vgl. auch BT-Drucks. 18/11640, S. 84).
8b) Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegen Vermögensgegenstände, die der Täter durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat, der Einziehung. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert - nicht anders als „aus“ der Tat unter Geltung des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF -, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er der faktischen Verfügungsgewalt des Täters unterliegt. Da es sich bei dem Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt, kommt es auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse nicht an (vgl. 5 StR 623 und 624/17 Rn. 8; vom - 3 StR 157/15, NStZ-RR 2015, 310; vom - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 45 f.; vom - 2 StR 504/08, BGHSt 53, 179, 180).
9Nach diesen Grundsätzen werden bei einem Absatz von Betäubungsmitteln in einer Handelskette von einem als Zwischenhändler oder - wie der Angeklagte - als selbständiger Vermittler agierenden Täter auch solche Geldbeträge wirtschaftlich erlangt, die er von seinem Abnehmer vereinnahmt und in der Folgezeit an den Lieferanten weitergibt (vgl. aaO; vom - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 68; vom - 1 StR 127/03, NStZ 2004, 440; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 33 Rn. 79). Denn die vereinnahmten Geldbeträge sind dem Vermögen des Täters so zugeflossen, dass er jedenfalls vorübergehend die tatsächliche Verfügungsgewalt über sie ausüben konnte. Danach erlangte der Angeklagte in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe - wovon auch die Strafkammer ausgegangen ist - nicht nur die erhaltenen Provisionen, sondern auch die von den Abnehmern vereinnahmten Geldbeträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Die Ausnahmekonstellation eines nur kurzfristigen, für einen anderen ausgeübten Besitzes (vgl. Rn. 12; Beschluss vom - 5 StR 242/09, BGHR StGB § 73 Erlangtes 9) oder einer lediglich botenmäßigen Weiterleitung des Kaufgeldes (vgl. ) liegt nicht vor.
10c) Sind die Voraussetzungen der Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB oder einer hieran anknüpfenden Wertersatzeinziehung gemäß § 73c StGB erfüllt, sieht die gesetzliche Regelung die Anordnung der entsprechenden Vermögensabschöpfung zwingend vor, sofern kein Ausschlusstatbestand des § 73e StGB gegeben ist (vgl. aaO). Ist dies - wie hier - nicht der Fall, muss der Tatrichter die Einziehungsanordnung treffen. Eine Möglichkeit, hiervon abzusehen, räumt ihm das Gesetz nicht ein. Die Strafkammer war daher nicht befugt, hinsichtlich der in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe vereinnahmten Geldbeträge teilweise von der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen abzusehen.
11Entgegen der Auffassung der Strafkammer wird der Angeklagte zudem durch die Anwendung des neuen Vermögensabschöpfungsrechts, das anstelle der aufgehobenen, vormals im Erkenntnisverfahren zu prüfenden Härtevorschrift des § 73c StGB aF mit der Regelung des § 459g Abs. 5 StPO eine entsprechende Verhältnismäßigkeitsprüfung im Vollstreckungsverfahren vorsieht, im Ergebnis nicht schlechter gestellt. Für den Fall, dass der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist, stellt sich die Neuregelung für ihn sogar günstiger dar, weil nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO eine Vollstreckung der Einziehungsanordnung zwingend zu unterbleiben hat (vgl. ).
12d) Da die Regelungen der § 73 Abs. 1, § 73c StGB die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen als zwingende Rechtsfolge vorsehen, kann der Senat auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst in der Sache entscheiden (vgl. LR-StPO/Franke, 26. Aufl., § 354 Rn. 12; SK-StPO/Wohlers, 5. Aufl., § 354 Rn. 38) und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 17.950 Euro anordnen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:270918U4STR78.18.0
Fundstelle(n):
wistra 2019 S. 96 Nr. 3
LAAAH-04900