Klage auf Abgabe von Wissens- und Willenserklärungen - Rücksichtnahmepflicht
Gesetze: § 241 Abs 2 BGB, § 106 GewO, § 242 BGB
Instanzenzug: Az: 15 Ca 260/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 5 Sa 21/17 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger begehrt von der Beklagten eine bestimmte Tätigkeitsbeschreibung und den Abschluss einer Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag. Aus beidem soll sich seine fachliche Unabhängigkeit ergeben. Der Kläger beabsichtigt, diese Schreiben für einen Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gegenüber der Rechtsanwaltskammer zu verwenden.
2Der Kläger wurde im Jahr 1997 als Rechtsanwalt zugelassen und arbeitete bis zum Jahr 2001 als angestellter Rechtsanwalt bei einem anderen Arbeitgeber. Für diese Tätigkeit war er auf seinen Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreit und wurde Mitglied eines Versorgungswerks der Rechtsanwälte.
3Seit Dezember 2001 arbeitet der Kläger bei der Beklagten, die Rechtsberatung und Prozessvertretung für Gewerkschaftsmitglieder erbringt, auf Grundlage eines schriftlichen Anstellungsvertrags vom als Rechtsschutzsekretär in Vollzeit.
4Die Beklagte war damit einverstanden, dass die Anwaltszulassung des Klägers fortbestand. Sie erteilte ihm hierfür eine Nebentätigkeitsgenehmigung. Die Beklagte war über die Mitgliedschaft des Klägers im Rechtsanwaltsversorgungswerk informiert und überwies den Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung an den Kläger.
5Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht abhängig beschäftigter Rechtsanwälte änderte sich ( - Rn. 24 ff., BSGE 115, 267; - B 5 RE 3/14 R - Rn. 19 ff.; - B 5 RE 9/14 R - Rn. 15 ff.). Daraufhin meldete die Beklagte den Kläger mit Wirkung vom bei der Deutschen Rentenversicherung an und zahlt seitdem dessen Rentenversicherungsbeiträge. Zusätzlich zahlt der Kläger weiterhin seinen (Mindest-)Beitrag für die Mitgliedschaft im Rechtsanwaltsversorgungswerk.
6Mit Wirkung vom änderte das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom (BGBl. I S. 2517) das Berufsrecht der Syndikusrechtsanwälte und ermöglichte es ihnen, sich auf Antrag von der Versicherungspflicht in der Deutschen Rentenversicherung befreien zu lassen.
7Am traf die Beklagte die Entscheidung, grundsätzlich keine Zulassungen der Rechtsschutzsekretäre zum Syndikusrechtsanwalt zu unterstützen.
8Der Kläger hat angenommen, seine Tätigkeit als Rechtsschutzsekretär erfülle sämtliche Voraussetzungen eines Syndikusrechtsanwalts. Die Beklagte habe ihm aus arbeitsvertraglicher Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) eine entsprechende Tätigkeitsbeschreibung zu erteilen und mit ihm eine Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag, aus der seine fachliche Unabhängigkeit hervorgehe, zu schließen. Darüber hinaus stütze er sein Begehren auch auf einen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB sowie auf die Verpflichtungen des Arbeitgebers aus dem Nachweisgesetz. Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt habe auf seine Berufsbezeichnung als Rechtsschutzsekretär keine Auswirkungen. Er arbeite weisungsfrei und somit selbstständig, auch wenn er Mandanten nicht ablehnen könne. Die Beklagte habe weder die Möglichkeit noch den Willen, fachliche Weisungen zu erteilen. Ein Ausschluss jeglichen Weisungsrechts des Arbeitgebers sei von § 46 Abs. 3 BRAO nicht gefordert. Immer mehr Einzelgewerkschaften erteilten den bei ihnen beschäftigten Juristen die erforderliche Tätigkeitsbeschreibung und ermöglichten ihnen, als Syndikusrechtsanwälte tätig zu sein. Jedenfalls sei das Recht der Beklagten, die bestimmte Art der Bearbeitung von Fällen anzuweisen, verwirkt, weil sie dieses Weisungsrecht seit ihrer Gründung niemals gegenüber den Rechtsschutzsekretären ausgeübt habe.
9Der Kläger hat zuletzt beantragt,
10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Kläger habe weder einen Anspruch auf die Tätigkeitsbeschreibung noch auf den Abschluss der Ergänzungsabrede zu der fachlichen Unabhängigkeit. Die vom Kläger vorgegebene Tätigkeitsbeschreibung sei insbesondere hinsichtlich der fehlenden Weisungsgebundenheit unzutreffend. Er sei zwar in weiten Teilen fachlich unabhängig, übe seine Tätigkeit aber grundsätzlich weisungsgebunden aus. Ein in sein Dezernat fallendes Mandat könne er nicht ablehnen. Für fachliche Unabhängigkeit müsse ein Anwalt eine Weisung aus fachlichen oder berufsrechtlichen Gründen ablehnen können, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Die Beklagte behalte sich aber Weisungen in fachlicher Hinsicht ausdrücklich vor, auch wenn sie diese derzeit nicht (ausdrücklich) erteile. Bei Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt sei die Beklagte verpflichtet, ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) einzurichten. Die Einbindung dieses Postfachs in ihr zentral organisiertes IT-System erfordere einen zeitlichen und technischen Aufwand, der unverhältnismäßig sei. Das jedem Arbeitsvertrag immanente allgemeine Weisungsrecht des Arbeitgebers könne nicht verwirkt werden.
11Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Gründe
12Die zulässige Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Abgabe der begehrten Wissens- bzw. Willenserklärungen zu. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zu Unrecht angenommen, der Klageantrag zu 2. sei mangels Bestimmtheit bereits unzulässig. Die Revision ist gleichwohl zurückzuweisen, weil sich die Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Die Klage ist insgesamt unbegründet.
13I. Die Klage ist zulässig. Das gilt entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch für den Klageantrag zu 2.
141. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein ( - Rn. 16, BAGE 126, 26). Bei einer Klage auf Abgabe einer Willenserklärung, die nach § 894 Satz 1 ZPO mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils als abgegeben gilt, erfordert das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dass der beantragte Entscheidungsausspruch keine Zweifel darüber lässt, ob die gesetzliche Fiktion eingetreten ist ( - Rn. 13).
152. Der Kläger muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung er begehrt. Er hat den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO) zwischen den Parteien entschieden werden kann (vgl. - Rn. 10 mwN). Ein auf Abgabe einer Willenserklärung gerichteter Antrag ist nur dann bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er so gefasst ist, dass der Inhalt der nach § 894 Satz 1 ZPO fingierten Erklärung klar ist. Zur Ermittlung des Inhalts einer mit der Klage erstrebten Willenserklärung können - wie auch bei anderen auslegungsbedürftigen Klageanträgen - die Klagebegründung und das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers herangezogen werden. Geht es um den Abschluss eines Arbeitsvertrags, muss die nach der speziellen Vollstreckungsregel des § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben geltende Willenserklärung den für eine Vertragseinigung notwendigen Mindestinhalt umfassen ( - Rn. 20).
163. Der Klageantrag zu 2. ist - entgegen den Erwägungen der Vorinstanzen - auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet.
17a) Dies ergibt sich schon aus seinem klaren Wortlaut, der die „Abgabe einer Willenserklärung“ zum Inhalt hat (vgl. zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Wortlauts eines Klageantrags - Rn. 16).
18b) Der Kläger hat im Übrigen auch keinen Zweifel daran gelassen, dass er tatsächlich die Abgabe einer Willenserklärung begehrt. Schon in der Klageschrift hat sich der Kläger im Zusammenhang mit der erstrebten Willenserklärung auf ein als Anlage beigefügtes Schreiben an die Beklagte bezogen, mit dem er eine „Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag“ unter Beifügung eines entsprechenden „Formulierungsvorschlags“ verlangt hat. Auch in seiner Berufungsbegründung hat der Kläger diesen Antrag ausdrücklich als „Antrag auf Abgabe einer Willenserklärung“ bezeichnet. Im Revisionsverfahren hat er erneut ausgeführt, dass er mit dem Antrag zu 2. eine Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag verlangt.
194. Der Inhalt der begehrten Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag ist durch den als Anlage K 2 zur Klageschrift gereichten „Formulierungsvorschlag“ hinreichend bestimmt. Die Anlage zur Klageschrift kann zur Auslegung des Inhalts des Klageantrags zu 2. herangezogen werden. Einer ausdrücklichen wörtlichen Wiedergabe im Antrag bedurfte es nicht. Der Beklagten war dieser „Formulierungsvorschlag“ im Übrigen aufgrund des vorgerichtlichen Schriftwechsels bekannt. Der „Formulierungsvorschlag“ legt eindeutig fest, welche Willenserklärung der Kläger begehrt und umfasst mit den Regelungen zum Beschäftigungsinhalt und zur Weisungsunabhängigkeit den notwendigen Mindestinhalt einer Vertragsergänzung.
205. Eine Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag ist selbst ein Vertrag. Ein solcher Vertrag kann angeboten oder ein entsprechendes Angebot angenommen werden (zu beiden möglichen Antragsvarianten vgl. - Rn. 22; vgl. auch - Rn. 18). Er kann nicht einseitig - wie im Klageantrag formuliert - „abgegeben“ werden. Der Antrag ist jedoch iVm. dem zu der Klageschrift eingereichten „Formulierungsvorschlag für eine Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag“ als Vertragsangebot auszulegen, das die Beklagte mit einem schlichten „Ja“ annehmen könnte (vgl. hierzu - Rn. 8). Entsprechend richtet sich der Klageantrag zu 2. auf die Annahme eines Vertragsergänzungsangebots des Klägers entsprechend dem beigefügten „Formulierungsvorschlag“ durch die Beklagte. In dieser Auslegung ist der Antrag zulässig und bestimmt.
21II. Die Klage ist nicht begründet.
221. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass sie für ihn die als Anlage K 1 beigefügte „Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwältin/Syndikusrechtsanwalt“ mit dem von ihm vorgegebenen Inhalt ausfüllt und unterschreibt.
23a) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 241 Abs. 2 BGB.
24aa) Aufgrund von § 241 Abs. 2 BGB kann jede Partei nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet sein. Der Arbeitgeber ist daher gehalten, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gilt auch für die Vermögensinteressen der Arbeitnehmer ( - Rn. 86 mwN). Das kann grundsätzlich zu der Verpflichtung des Arbeitgebers führen, bei der Wahrung oder Entstehung von Ansprüchen seiner Arbeitnehmer mitzuwirken, die diese gegenüber Dritten erwerben können ( - Rn. 14). Die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers erfasst allerdings grundsätzlich nicht ausschließlich private Vermögensinteressen des Arbeitnehmers ( - Rn. 10 mwN; zu der grundsätzlich fehlenden allgemeinen Pflicht des Arbeitgebers, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen, - Rn. 57, BAGE 116, 104; ErfK/Preis 19. Aufl. § 611a BGB Rn. 632).
25bb) Die Rücksichtnahmepflicht kann es im Ausnahmefall einer Vertragspartei auch gebieten, die Interessen der anderen aktiv gegenüber Dritten wahrzunehmen ( - Rn. 23). Allerdings verlangt § 241 Abs. 2 BGB vom Arbeitgeber nicht, die Belange des Arbeitnehmers unter Hintanstellung eigener schutzwürdiger Belange durchzusetzen ( - Rn. 17, BAGE 158, 148). Im Rahmen der Rücksichtnahmepflicht muss grundsätzlich kein Vertragsteil gleichrangige eigene Interessen hinter die des anderen zurückstellen (MüKoBGB/Bachmann 7. Aufl. § 241 Rn. 97; vgl. auch - Rn. 15 ff.).
26cc) Hinsichtlich der Interessen der Vertragsteile ist, soweit es nicht allein um Tatsachenäußerungen geht, sondern ggf. um Werturteile und Meinungsäußerungen, auch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu berücksichtigen (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Die Freiheit der Meinungsäußerung umfasst auch die negative Meinungsfreiheit, die Freiheit also, eine Meinung nicht zu haben, nicht zu äußern, insoweit zu schweigen und nicht gezwungen zu werden, sich eine fremde Meinung als eigene zurechnen lassen oder verbreiten zu müssen ( - Rn. 17; - 2 BvR 1915/91 - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 95, 173; - Rn. 18). Darüber hinaus gibt es kein im Rahmen des § 241 Abs. 2 BGB schutzwürdiges Interesse des Arbeitnehmers auf Behauptung falscher Tatsachen durch den Arbeitgeber gegenüber Dritten.
27dd) Nach diesem Maßstab hat der Kläger keinen Anspruch aus § 241 Abs. 2 BGB darauf, dass die Beklagte für ihn die als Anlage K 1 beigefügte „Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwältin/Syndikusrechtsanwalt“ mit dem von ihm vorgegebenen Inhalt ausfüllt und unterschreibt.
28(1) Der Kläger begründet schon nicht, warum die Beklagte das beigefügte Formular für ihn auszufüllen hat. Ein entsprechendes schutzwertes Interesse daran iSv. § 241 Abs. 2 BGB ist bereits deshalb nicht anzunehmen, weil sein Antrag die genauen inhaltlichen Vorgaben enthält, die in das Formular aufgenommen werden sollen. Damit verfügt er erkennbar über die notwendige Tatsachenkenntnis, die es ihm ermöglicht, das Formular selbst auszufüllen.
29(2) Mit dem Klageantrag zu 1. begehrt der Kläger von der Beklagten im Ergebnis, daran mitzuwirken, dass er von der Rechtsanwaltskammer als Syndikusrechtsanwalt zugelassen wird, damit ihn die Deutsche Rentenversicherung aufgrund der Bindungswirkung der Entscheidung von der Versicherungspflicht befreit (vgl. § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO). Dabei bedarf es keiner Erörterung, ob es sich insoweit allein um private Vermögensinteressen des Klägers handelt. Jedenfalls hat die Beklagte mindestens gleichrangige eigene Interessen benannt, die einem Anspruch des Klägers entgegenstehen. Sie verweist auf die Pflicht, dass auch einem Syndikusrechtsanwalt ein beA einzurichten ist (vgl. § 31a BRAO; hierzu auch Pulz NZA 2018, 14). Das führt zu einem organisatorischen Mehraufwand. Soweit der Kläger vorgetragen hat, die Beklagte müsse für sich selbst ohnehin ein beA einrichten, trifft das nicht zu (vgl. ausführlich Natter/Haßel NZA 2017, 1017, 1023 f.).
30(3) Darüber hinaus ist es für die Beklagte nicht zumutbar, in einer vom Kläger verlangten Erklärung auf eigene Rechte zu verzichten. Hinsichtlich der Zulassungsentscheidung durch die Rechtsanwaltskammer steht sowohl dem Antragsteller als auch der Deutschen Rentenversicherung Rechtsschutz nach § 112a Abs. 1 und Abs. 2 BRAO zu (vgl. § 46a Abs. 2 Satz 3 BRAO). Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, die in der ersten Instanz vor dem Anwaltsgerichtshof und in der Berufungsinstanz vor dem Bundesgerichtshof unter Anwendung der VwGO geführt wird (vgl. § 112c BRAO). Im Hinblick auf das einem etwaigen gerichtlichen Verfahren vorausgehende öffentlich-rechtliche Verwaltungsverfahren soll die Beklagte, die ihre eigenen Interessen wahrnehmen darf, mit ihrer Erklärung zu Punkt IV des Formulars bereits jetzt darauf verzichten, in dem Zulassungsverfahren nach § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hinzugezogen zu werden. Hierfür gibt es kein schutzwürdiges Interesse des Klägers.
31(4) Schließlich besteht kein Anspruch des Klägers aus § 241 Abs. 2 BGB auf die begehrte „Tätigkeitsbeschreibung“. Die Beklagte würde auf diese Weise gezwungen, falsche Tatsachen gegenüber Dritten zu bekunden.
32(a) In diesem Zusammenhang ist nicht auf die von den Parteien und den Vorinstanzen umfangreich behandelten Wertungsfragen einzugehen, die sich im Zusammenhang mit einem Antrag des Klägers auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt stellen. Diese Prüfung ist der Rechtsanwaltskammer (vgl. § 46a Abs. 2 Satz 1 BRAO) und ggf. dem Anwaltsgerichtshof bzw. dem Bundesgerichtshof vorbehalten (vgl. § 112a BRAO).
33(b) Die vom Kläger erstrebten, von der Beklagten zu unterschreibenden Formulierungen enthalten in mehrfacher Weise unzutreffende Tatsachenbehauptungen. Maßgeblich für die Prüfung sind nicht nur die im Klageantrag zu 1. wiedergegebenen Formulierungen, sondern auch der vorgedruckte Text des als Anlage K 1 zur Klageschrift gereichten Formulars, das ebenfalls Gegenstand des Antrags ist.
34(aa) In Nr. II des Formulars sind verschiedene Umstände beschrieben, die auf den Kläger nicht zutreffen.
35Der Kläger wird von der Beklagten nicht „als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) beschäftigt“. Ausweislich des Arbeitsvertrags der Parteien wird er als Rechtssekretär (jetzt: Rechtsschutzsekretär) beschäftigt. Die Beklagte will ihn auch nicht als Rechtsanwalt oder Syndikusrechtsanwalt beschäftigen, wie ihr Beschluss vom zeigt.
36Die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung des Klägers ist nicht „vertraglich gewährleistet“. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien sieht eine solche Regelung oder eine Einschränkung des Direktionsrechts nicht vor. Vielmehr heißt es in Nr. 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags:
37Anderweitige schriftliche oder mündliche Abreden behauptet der Kläger nicht. Er beruft sich auf eine „faktisch bereits vorliegende Weisungsfreiheit“ bzw. die Verwirkung des Weisungsrechts wegen Nichtgebrauchs durch die Beklagte. Der Kläger übersieht, dass die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend schafft, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur wenn besondere Umstände hinzutreten, die hier nicht dargelegt sind, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen ( - Rn. 33 mwN). Andererseits zeigt der Klageantrag zu 2., dass der Kläger selbst von dem Erfordernis ausgeht, die fachliche Unabhängigkeit seiner Berufsausübung erst noch vertraglich vereinbaren zu müssen.
38Der Kläger ist im Rahmen der von ihm zu erbringenden Rechtsberatung und -vertretung nicht „den Pflichten des anwaltlichen Berufsrechts unterworfen“. Diese Pflichten ergeben sich aus den §§ 43 ff. BRAO (zu den Ausnahmen für Syndikusrechtsanwälte § 46c Abs. 3 BRAO). Der Kläger legt nicht dar, weshalb diese Pflichten für ihn gelten sollen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie bestehen. Vielmehr ist der Kläger nach Nr. 5 des Arbeitsvertrags „verpflichtet, bei seiner Tätigkeit die politischen Grund- und Zielvorstellungen des DGB, wie sie in der Satzung und den Beschlüssen der Organe des DGB zum Ausdruck gelangen, zu beachten“. Diese Verpflichtung widerspricht einer „vertraglich gewährleisteten fachlichen Unabhängigkeit“. Auch aus der von der Beklagten erstellten und vom Kläger inhaltlich nicht in Zweifel gezogenen „Stellenbeschreibung Rechtsschutzsekretär“ folgen keine anwaltlichen Berufspflichten.
39Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass er „fachlich eigenverantwortlich“ arbeitet, wie es ihm die Beklagte auf dem Formular bestätigen soll. Unter „eigenverantwortlich“ iSv. § 46a Abs. 1 Nr. 3 iVm. § 46 Abs. 3 BRAO versteht der Gesetzgeber, „dass der Syndikusrechtsanwalt grundsätzlich von seinem Arbeitgeber für fehlerhafte Beratung und Vertretung haftungsrechtlich in Anspruch genommen werden kann (Regress)“ (vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom , BT-Drs. 18/5201 S. 26 und 28). Dafür bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte.
40(bb) Auch in Nr. IV des Formulars sind Tatsachen genannt, die auf den Kläger nicht zutreffen.
41Soweit die Beklagte unter diesem Punkt bestätigen soll, der Kläger arbeite als Syndikusrechtsanwalt bei ihr, gilt das bereits Ausgeführte. Der Kläger arbeitet nicht als Syndikusrechtsanwalt bei der Beklagten. Sie will das auch nicht.
42Die unter Nr. II des Formulars gemachten Angaben sind jedenfalls zum Teil unzutreffend. Es besteht kein Anspruch gegen die Beklagte aus § 241 Abs. 2 BGB, dass sie in Nr. IV des Formulars dennoch die Richtigkeit dieser Angaben bestätigt.
43b) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch, die formularmäßige Tätigkeitsbeschreibung auszufüllen und zu unterschreiben, folgt auch nicht aus einem Auskunftsanspruch nach § 242 BGB.
44aa) Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung zwischen den Partnern einer rechtlichen Sonderverbindung auch ohne ausdrückliche Absprache bestehen kann, wenn die eine Seite in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang ihres Rechts im Ungewissen ist, sie sich die zur Vorbereitung und Durchsetzung ihres Anspruchs notwendigen Auskünfte nicht in zumutbarer Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete die erforderlichen Auskünfte unschwer, dh. ohne unbillig belastet zu sein, zu geben vermag ( - Rn. 19; - Rn. 47).
45bb) Eine solche Auskunftsverpflichtung scheitert hier schon daran, dass der Kläger über Art und Umfang seiner Tätigkeit nicht im Ungewissen ist. Wie der Klageantrag zu 1. zeigt, ist sich der Kläger über seine Tätigkeit vielmehr gewiss. Er begehrt von der Beklagten der Sache nach keine Auskunft, sondern eine Bestätigung der von ihm für zutreffend gehaltenen Tatsachenbehauptungen.
46c) Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Ansprüche nach dem NachwG. Durch den schriftlichen Arbeitsvertrag und die dortige Bezugnahme auf einen Rahmentarifvertrag, weitere Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen hat die Beklagte ihre entsprechenden Verpflichtungen aus § 2 Abs. 3 und Abs. 4 NachwG erfüllt.
472. Da der Klageantrag zu 1. ohne Erfolg ist, fällt der Hilfsantrag zur Entscheidung an. Auch dieser ist unbegründet. Der Kläger kann von der Beklagten nicht verlangen, dass sie eine von ihm mit dem im Antrag angegebenen Inhalt ausgefüllte „Tätigkeitsbeschreibung als Syndikusrechtsanwältin/Syndikusrechtsanwalt“ unterschreibt. Zwar entfällt bei dem Hilfsantrag das oben beschriebene Hindernis des fehlenden Anspruchs auf ein „Ausfüllen“ der Tätigkeitsbeschreibung durch die Beklagte. Die Beklagte ist aber aus den übrigen bereits genannten Gründen ebenfalls nicht verpflichtet, ein mit entsprechendem Inhalt vom Kläger ausgefülltes Formular zu unterschreiben und damit dessen Richtigkeit zu bestätigen.
483. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung in Form einer Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag, die seine fachliche Unabhängigkeit in der Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt zum Gegenstand hat, wie er es mit seinem Klageantrag zu 2. verlangt.
49a) Wie im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit des Antrags zu 2. erläutert, ist dieser so zu verstehen, dass der Kläger die Annahme eines Vertragsergänzungsangebots entsprechend dem als Anlage zur Klageschrift beigefügten „Formulierungsvorschlag“ durch die Beklagte begehrt.
50b) Eine Rechtsgrundlage für eine Vertragsänderung oder Vertragsergänzung ist weder ersichtlich noch vom Kläger konkret vorgetragen.
51aa) Der Abschluss eines Arbeitsvertrags steht den Parteien grundsätzlich frei (vgl. § 105 Satz 1 GewO; vgl. auch ErfK/Preis 19. Aufl. § 611a BGB Rn. 311, zu Ausnahmen dort Rn. 316 ff.). Das gilt grundsätzlich auch für Änderungs- und Ergänzungsverträge.
52bb) Der vom Kläger erhobene Anspruch ergibt sich nicht nach den Grundsätzen einer Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).
53(1) Stellen sich wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, als falsch heraus, kann die Anpassung des Vertrags nach § 313 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB nur verlangt werden, wenn einem Teil nicht zugemutet werden kann, am Vertrag festzuhalten. Zu berücksichtigen sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilung ( - Rn. 36). Geschäftsgrundlage sind nur die nicht zum Vertragsinhalt gewordenen, bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung beruht (vgl. - Rn. 66; - 2 AZR 42/11 - Rn. 32; - Rn. 18, BGHZ 196, 299). Eine Störung der Geschäftsgrundlage kann bei einem beiderseitigen Irrtum über die Rechtslage bei Abschluss des Vertrags anzunehmen sein, wenn ohne diesen beiderseitigen Irrtum der Vertrag nicht wie geschehen geschlossen worden wäre. Eine Vertragsanpassung ist jedoch auch in diesem Fall nur bei erheblichen Störungen des Äquivalenzverhältnisses in Betracht zu ziehen ( - Rn. 55, BAGE 156, 157).
54(2) Nach diesen Maßstäben sind hier weder eine schwerwiegende Veränderung der Umstände, die zur Grundlage des Vertrags iSv. § 313 BGB geworden sind, noch eine Unzumutbarkeit für den Kläger, am unveränderten Vertrag festzuhalten, erkennbar oder von ihm vorgebracht. Der Kläger könnte eine Störung der Geschäftsgrundlage nur darauf beziehen, dass seine ursprünglich bestehende Versicherungsfreiheit in der Deutschen Rentenversicherung entfallen ist. Seinem Vortrag lässt sich aber weder entnehmen, dass diese Versicherungsfreiheit überhaupt zur Geschäftsgrundlage geworden ist, noch, dass dadurch eine erhebliche Störung des Äquivalenzverhältnisses eingetreten und ihm ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zuzumuten ist.
55cc) Der Annahme einer aus § 241 Abs. 2 BGB folgenden Nebenpflicht der Beklagten auf Abschluss einer Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag stünde bereits der Umstand entgegen, dass die Vereinbarung einer fachlichen Unabhängigkeit des Klägers ihre eigenen Interessen erheblich beeinträchtigte.
56dd) Sollte sich der Kläger im Hinblick auf die bei Einzelgewerkschaften und Arbeitgeberverbänden geübte Praxis der Beschäftigung von Syndikusrechtsanwälten auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beziehen, scheitert diese Anspruchsgrundlage bereits daran, dass es sich um andere Arbeitgeber handelt. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gilt regelmäßig nur im Verhältnis zum Vertragsarbeitgeber ( - Rn. 53 mwN). Die Beklagte beschäftigt keine Syndikusrechtsanwälte.
57III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:241018.U.10AZR69.18.0
Fundstelle(n):
DStR 2019 S. 14 Nr. 5
NJW 2019 S. 10 Nr. 3
DAAAH-03251