BGH Beschluss v. - 3 StR 145/18

Anwendung des Verschlechterungsverbots auf die Einziehungsanordnung

Gesetze: § 111i StPO, § 358 Abs 2 S 1 StPO, § 55 StGB, § 73 StGB

Instanzenzug: Az: 17 KLs 1/16

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in zwei Fällen unter Einbeziehung einer in einem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten sowie wegen Betruges zu einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Daneben hat es gegen den Angeklagten die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 190.461,90 € angeordnet. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die - jeweils nicht ausgeführten - Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Mit war der Angeklagte wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in drei Fällen und wegen "gewerbsmäßigen" Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Mit Beschluss vom (3 StR 102/15) hat der Senat diese Verurteilung im Fall II.5. der Urteilsgründe hinsichtlich der Einzelstrafen in den Fällen II.3. und 4. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe - unter teilweiser Aufrechterhaltung der Feststellungen - aufgehoben und im Schuldspruch zu Fall II.6. der Urteilsgründe dahin neu gefasst, dass der Angeklagte des Betruges schuldig ist. Das Landgericht hat das Verfahren im Fall II.5. der Urteilsgründe nunmehr nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und hinsichtlich der Fälle II.3. und II.4. der Urteilsgründe die Strafverfolgung beschränkt, so dass ohne die Notwendigkeit, weitere Feststellungen treffen zu müssen, in diesen Fällen nur noch neue Einzelstrafen festzusetzen und unter Beachtung der Gesamtstrafenfähigkeit dieser Einzelstrafen mit derjenigen aus einem eine Entscheidung über die Gesamtstrafenbildung zu treffen war. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Wegen der vorgenommenen Beschränkung unter Ausscheidung des Komplexes 'II.4.e)' wollte die 17. Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf entsprechend dem Hinweis des Senats (vgl. -, juris Rn. 32) aus der gemäß § 55 Abs. 1 StGB einzubeziehenden Freiheitsstrafe des der - rechtsfehlerfrei - neu festgesetzten Einzelstrafe im Fall 'II.3.' wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs von einem Jahr (vgl. UA S. 66 - 68, 75 - 77) sowie der für den Tatkomplex 'II.4.' gleichfalls wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu verhängenden Einzelstrafe eine Gesamtstrafe von einem Jahr und elf Monaten bilden (UA S. 74/vorletzter Absatz sowie Tenor des Urteils; bei den Ausführungen auf UA S. 75/Absatz 3 handelt es sich - wie die bereits in sich widersprüchlichen Bezeichnungen belegen - um ein offensichtliches Schreibversehen, siehe dazu auch nachfolgend). Allerdings hat die Kammer eine auf den ersten Blick sich erschließende eindeutige Bezifferung der Höhe der Einzelstrafe im Komplex 'II.4.' vergessen.

Dies kann der Senat jedoch in der beantragten Weise nachholen. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht dem nicht entgegen. Dieses Verbot bezieht sich zwar beim Zusammentreffen mehrerer selbständiger Handlungen sowohl auf die Gesamtstrafe als auch die Einzelstrafen, aus denen diese gebildet ist. Voraussetzung dafür ist aber, dass überhaupt Einzelstrafen ausgesprochen worden sind. Ist dies - wie hier bezüglich des Tatkomplexes 'II.4.' - unterblieben, so liegt insoweit keine richterliche Entscheidung vor, deren Abänderung zum Nachteil des Angeklagten durch § 358 Abs. 2 S. 1 StPO verboten ist (vgl. ).

Die Einzelstrafe für den Tatkomplex 'II.4.' (gewerbsmäßiger Bandenbetrug) ist auf die dem Regelstrafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB entnommene Mindeststrafe von einem Jahr festzusetzen. Denn aus der hypothetischen Sicht der 17. großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf ist - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Senats im Beschluss vom (3 StR 102/15, juris Rn. 30) - davon auszugehen, dass diese als Einzelstrafe im Tatkomplex 'II.4.' die Mindeststrafe des Regelstrafrahmens (ein Jahr Freiheitsstrafe) festgesetzt hätte, wenn ihr der in ihrem Urteil enthaltene Rechtsfehler nicht unterlaufen wäre (vgl. zu diesem Aspekt Gericke in Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., § 354 Rn. 10 m.w.N.). Dies ergibt sich zunächst daraus, dass das Landgericht im Zusammenhang mit der Festsetzung der Einzelstrafe im Tatkomplex 'II.3.' rechtsfehlerfrei einen minder schweren Fall i.S.d. § 263 Abs. 5 Alt. 2 StGB ausgeschlossen hat (UA S. 75, 76). Die Gründe gelten für den Tatkomplex 'II.4.' entsprechend, zumal nach der erfolgten Beschränkung im Teilkomplex 'II.3.a)' analog § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des versuchten (anstatt des vollendeten) gewerbsmäßigen Bandenbetrugs (UA S. 8; vgl. auch Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 154a Rn. 7a m.w.N.) der kausal verwirklichte Betrugsschaden im Tatkomplex 'II.4.' deutlich über demjenigen im Tatkomplex 'II.3.' liegt (vgl. UA S. 76/Absatz 1). Es ist bereits deshalb sicher davon auszugehen, dass die Strafkammer - hätte sie nähere Ausführungen zur Strafzumessung im Komplex 'II.4.' gemacht - bei dieser Tat ebenfalls keinen minder schweren Fall angenommen und eine noch niedrigere Freiheitsstrafe als eine solche von einem Jahr verhängt hätte. Doch ergibt sich dies auch noch aus einem anderen Aspekt: Den Ausführungen auf UA S. 75/Absatz 3 im Gesamtzusammenhang mit weiteren Strafzumessungserwägungen ist zu entnehmen, dass die 17. große Strafkammer die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten aus der gemäß § 55 StGB einzubeziehenden Freiheitsstrafe des von sechs Monaten, der neu gebildeten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr für den Komplex 'II.3.' (UA S. 75, 77) und einer weiteren Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr zusammensetzen wollte. Letztere wurde - wohl infolge eines Schreibversehens (und in Abweichung zu den Ausführungen auf UA S. 74/vorletzter Absatz) - nicht als Einzelstrafe für den Komplex 'II.4.' bezeichnet, sondern versehentlich als 'rechtskräftige Einzelstrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe betreffend den Betrug in Zusammenhang mit der Erschleichung von Krediten (IV. 'II.6')' (UA S. 75/Absatz 3), die jedoch tatsächlich (und rechtlich zutreffend) als eigenständige Freiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und zwei Monaten separat bestehen blieb (vgl. Tenor UA S. 3, UA S. 77; Beschluss des Senats vom - 3 StR 102/15). Auch dies belegt, dass die Strafkammer die Gesamtfreiheitsstrafe aus zwei Einzelfreiheitsstrafen in Höhe von je einem Jahr und der gemäß § 55 Abs. 1 StGB einbezogenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bilden, mithin also für den Komplex 'II.4.' die Mindestfreiheitsstrafe des Regelstrafrahmens des § 263 Abs. 5 StGB hat festsetzen wollen und dies auch getan hätte, wenn ihr der vorgenannte Rechtsfehler nicht unterlaufen wäre.

Die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten bleibt hiervon unberührt; denn es ist im Hinblick auf die vorgenannten Erwägungen sicher auszuschließen, dass das Landgericht eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte. Diese - auf einer Verständigung beruhende (vgl. UA S. 4, 74) - Gesamtstrafe ist jedenfalls angesichts der beträchtlichen intendierten Gesamtschäden angemessen i.S.d. § 354 Abs. 1a S. 1 StPO und bewegt sich am unteren Rande dessen, was noch als gerechter Schuldausgleich angesehen werden kann. Daher gefährdet es im Ergebnis den Bestand des Strafausspruchs auch nicht, dass die Strafkammer bei der Gesamtstrafenbildung auf UA S. 77 auf eine sich inhaltlich nicht erschließende einschlägige Vorstrafe 'aus dem ' Bezug nimmt."

3Dem schließt sich der Senat an.

42. Die Einziehungsanordnung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand; ihr steht das von Amts wegen zu beachtende Verschlechterungsverbot aus § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO entgegen. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

"Im Urteil der 14. großen Strafkammer des gegen das ausschließlich der Angeklagte (und ein Mitangeklagter) Revision eingelegt hatten und das daraufhin mit Beschluss des Senats vom (3 StR 102/15) teilweise aufgehoben wurde, war weder eine den Beschwerdeführer betreffende Verfallsanordnung noch - anders als bei Mitangeklagten (vgl. UA S. 5, 124 des Urteils der 14. großen Strafkammer des ) - eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO (in der vom bis geltenden Fassung) getroffen worden. Das Verbot der Schlechterstellung erfasst aber auch die Entscheidung über Verfallsanordnungen () und Entscheidungen nach § 111i StPO a.F. (vgl. -, juris Rn. 17). An deren Stelle sind die §§ 73 ff. StGB in ihrer Fassung der Änderung durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom getreten. Für sie kann daher nichts anderes gelten (vgl. auch LG Kaiserslautern, Urteil vom - 7 KLs 6052 Js 8343/16 (3) -, juris Rn. 51 - 56). Daher durfte aus Rechtsgründen keine Einziehungsanordnung mehr ausgesprochen werden. Aus diesem Grunde scheidet auch eine Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer aus. Vielmehr hat die Einziehungsanordnung endgültig und ersatzlos zu entfallen (vgl. )."

5Auch dem folgt der Senat.

63. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:210818B3STR145.18.0

Fundstelle(n):
RAAAH-02406