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FG München Urteil v. - 10 K 2927/17 EFG 2019 S. 73 Nr. 2

Gesetze: AO § 191 Abs. 1 S. 1, AO § 191 Abs. 1 S. 2, AO § 254 Abs. 1 S. 1, AO § 24, AO § 5, AnfG § 1 Abs. 1, AnfG § 4 Abs. 1, AnfG § 11 Abs. 1, AnfG § 13, AnfG § 14, AnfG § 15 Abs. 2 Nr. 1, AnfG § 15 Abs. 2 Nr. 2, AnfG § 15 Abs. 2 Nr. 3, AnfG § 7 Abs. 1, AnfG § 7 Abs. 2, InsO § 138 Abs. 1 Nr. 2, FGO § 102

Anfechtung der Duldung der Zwangsvollstreckung nebst Leistungsgebot bei Übertragung einer Immobilie des Schuldners unter Nießbrauchsvorbehalt auf ein minderjähriges Kind und Weiterübertragung der Immobilie durch das Kind auf eine dem Schuldner nahestehende Person als Rechtsnachfolgerin

Gläubigerbenachteiligung

Voraussetzungen der Anfechtung nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 AnfG

Unentgeltlichkeit i. S. d. § 4 AnfG

Anfechtungsfrist gegenüber Rechtsnachfolger

örtliche Finanzamtszuständigkeit für Erlass eines Duldungsbescheids

Nachschieben des zutreffenden Anfechtungsgrundes erst im finanzgerichtlichen Klageverfahren

Leitsatz

1. Übertragt der Vater in Kenntnis zu erwartender Steuernachforderungen, die er nicht erfüllen kann, im Wege der vorweggenommenen Erbfolge sein Wohnanwesen unter Nießbrauchsvorbehalt auf sein minderjähriges Kind, das durch die nicht mit dem Vater verheiratete Mutter vertreten wird, so liegt eine das FA benachteiligende anfechtbare Rechtshandlung i.S. d. § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 AnfG vor.

2. Überträgt das minderjährige Kind, vertreten durch seine Mutter, kurz nach Anfechtung der Grundstücksübertragung durch das FA und Erlass eines Duldungsbescheids das Grundstück durch einen Kaufvertrag an einen Angehörigen des Schuldners (hier: Schwester des Vaters) unter Beibehaltung des Nießbrauchs zugunsten des Vaters, Vereinbarung eines nachrangigen, nicht übertragbaren Nießbrauchs zugunsten des Kindes sowie unter Vereinbarung einer Rückauflassungsvormerkung für den Fall der Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens über das Grundstück, so kann das FA die Anfechtbarkeit der Grundstücksübertragung durch den Vater auf das minderjährige Kind gem. § 15 Abs. 2 AnfG auch gegen die Angehörige als Rechtsnachfolgerin mit der Wirkung geltend machen, dass sie die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden hat; hierzu ist nicht erforderlich, dass die Anfechtung des Ersterwerbs (hier: Übertragung vom Vater auf den Sohn) rechtskräftig bzw. bestandskräftig geworden ist.

3. Eine Benachteiligung des FA liegt auch nach Eintritt der Einzelrechtsnachfolge durch die Weiterübertragung des Grundstücks auf die Angehörige vor, wenn eine gegen das Kind als Rechtsvorgänger begründete Anfechtung vorliegt und der durch die anfechtbare Handlung begründete frühere, benachteiligende Zustand durch die Rechtsnachfolge aufrechterhalten wird.

4. Der Tatbestand für eine Anfechtung nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 AnfG gegen eine dem Schuldner nahestehende Person als Rechtsnachfolger (im Streitfall: Schwester des Schuldners) ist bereits dann erfüllt, wenn der Rechtsnachfolger die Umstände kennt, die die Anfechtbarkeit des Erwerbs des Rechtsvorgängers begründen (im Streitfall: Anfechtbarkeit des Ersterwerbs nach § 4 AnfG). Nicht nötig ist insoweit, dass der Rechtsnachfolger die Voraussetzungen des § 2 AnfG mit Bezug auf den Hauptschuldner kennt.

5. Unentgeltlichkeit i. S. d. § 4 AnfG liegt vor, wenn die Leistung ohne Rechtspflicht erfolgt und keine Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt. Die Bestellung eines Nießbrauches ist keine Gegenleistung (vgl. , NJW 1989 S. 2122). Bestand jedoch ein Anspruch auf angemessene Gegenleistung, so kann die Zuwendung nicht schon deshalb als unentgeltlich angefochten werden, weil die Gegenleistung unterblieben ist.

6. Die tatsächliche Geltendmachung der Anfechtung des Ersterwerbs – und nicht auch die erfolgreiche – reicht auch für die Wahrung der Anfechtungsfrist bei der Rechtsnachfolgerin (vgl. ).

7. Sofern nicht anderweitig geregelt, ist für den Erlass eines Duldungsbescheids nach § 24 AO das für den Steuerschuldner zuständige FA örtlich zuständig.

8. Soweit als Anfechtungsgrund in der Einspruchsentscheidung nur § 15 Abs. 2 Nr. 3 AnfG begründet worden ist, während tatsächlich § 15 Abs. 2 Nr. 2 AnfG einschlägig ist, führt dies nicht zu einem Ermessensfehler des Duldungsbescheids, wenn das FA im Schriftsatzaustausch während des Klageverfahrens auch Begründungen zu § 15 Abs. 2 Nr. 2 AnfG vorgebracht und die Klägerin entsprechend erwidert hat.

9. Für die Frage, ob bei einer Anfechtung durch Duldungsbescheid die Voraussetzungen der Anfechtungsberechtigung (§ 2 AnfG) erfüllt sind, ist auf den Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung abzustellen. Wird gerügt, das FA habe nicht in noch vorhandene anderweitige Vermögenswerte des Schuldners vollstreckt, so muss substantiiert dargelegt werden, über welche Vermögenswerte der Schuldner verfügt haben soll, in die noch hätte vollstreckt werden können.

Tatbestand

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
EFG 2019 S. 73 Nr. 2
NWB-EV 2019 S. 6 Nr. 1
VAAAH-01852

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