Vertragliche Bezugnahmeklausel - Auslegung - Anwendbarkeit eines Haustarifvertrags - Anspruch auf Jahressonderzahlung
Gesetze: § 20 TVöD BT-B, § 1 TVG, § 611 BGB
Instanzenzug: ArbG Hildesheim Az: 3 Ca 394/15 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 6 Sa 583/16 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf höhere Jahressonderzahlungen für die Jahre 2012 und 2013.
2Der Kläger ist bei dem Beklagten, einem Träger für Einrichtungen auf dem Gebiet der Eingliederungshilfe, im Hausmeisterbereich tätig. Er ist nicht Mitglied einer Gewerkschaft.
3Am schloss der Beklagte mit der in seinem Haus gewählten Mitarbeitervertretung eine Sanierungsvereinbarung, die ua. die Überleitung der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten zum in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und zum Zwecke der Konsolidierung ua. den Ausschluss der in § 20 TVöD-B gewährten Sonderzahlung für die befristete Laufzeit der Sanierungsvereinbarung bis zum vorsah.
4Unter dem Datum des vereinbarten die Parteien die „Neufassung des Arbeitsvertrages zur Überleitung in den TVöD“ (im Folgenden ArbV 2007). Darin ist ua. geregelt:
5Am schloss ua. der Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di einen Anwendungstarifvertrag (im Folgenden AnwendungsTV), der ua. die folgenden Regelungen enthielt:
6Der Beklagte zahlte an den Kläger in den Jahren 2012 und 2013 eine Jahressonderzahlung auf Grundlage des AnwendungsTV.
7Mit Schreiben vom machte der Kläger für das Jahr 2012 die Differenz zwischen der gezahlten zu einer Jahressonderzahlung auf Grundlage des TVöD-B iHv. 80 % eines Bruttogehalts geltend. Dies wies der Beklagte mit Schreiben vom zurück.
8Mit seiner dem Beklagten am zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung der Differenz zwischen den in den Jahren 2012 und 2013 geleisteten zu den sich aus dem TVöD-B ergebenden Jahressonderzahlungen geltend gemacht. Er hat dazu die Auffassung vertreten, für die Berechnung der Jahressonderzahlungen sei allein § 20 Abs. 2 TVöD-B maßgeblich. Der AnwendungsTV finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Dieser stelle keine den TVöD ersetzende oder diesen abändernde Regelung dar. Es handele sich zwar um eine Nachfolgeregelung zur Sanierungsvereinbarung vom , insoweit sei im Arbeitsvertrag jedoch nur vereinbart, dass der Beklagte mit der Mitarbeitervertretung eine Sanierungsvereinbarung zu treffen habe. Diese Kompetenz habe die MAV nicht auf die Gewerkschaft übertragen dürfen. Entsprechende Änderungen hätten mit dem jeweiligen Mitarbeiter vereinbart werden müssen.
9Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
10Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, aufgrund der vertraglichen Verweisungsklausel finde der AnwendungsTV auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Gerade die Zusammenschau der Regelungen in §§ 2 und 13 ArbV 2007 habe für den Kläger bereits bei Vertragsschluss erkennen lassen, dass es in Abhängigkeit von den Feststellungen des externen Gutachters zu einer über den hinausgehenden Absenkung des TVöD-B mittels kollektiv-rechtlicher Vereinbarung kommen könne. Er habe das in der Sanierungsvereinbarung vom sowie in den Einzelverträgen beschriebene Verfahren zur Festlegung der Verlängerungsnotwendigkeit der Sanierungsvereinbarung durchlaufen. Nachdem ein externer Gutachter im ersten Quartal 2012 festgestellt habe, die in der Sanierungsvereinbarung für die Aufnahme von Verhandlungen niedergelegten Voraussetzungen seien erfüllt, habe die gemeinsame Mitarbeitervertretung entschieden, die Verhandlungen über die Fortführung der Sanierungsvereinbarung nicht mehr hausintern, sondern durch die Tarifvertragsparteien, dh. durch den Arbeitgeber und die Gewerkschaft, zu führen und ihr Verhandlungsmandat für die Nachfolgeregelung in die Hände der Gewerkschaft zu legen. Die vertragliche Bezugnahmeklausel sei dahin auszulegen, dass der mit ver.di abgeschlossene Haustarifvertrag die Bestimmungen des TVöD-B für die Dauer seiner Geltung abändere und damit verdränge.
11Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
12Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 2.885,16 Euro brutto nebst Zinsen als weitere Jahressonderzahlungen für die Jahre 2012 und 2013 rechtsfehlerfrei zugesprochen. Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund von § 2 ArbV 2007 einen Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD-B in der bis zum geltenden Fassung (im Folgenden TVöD-B aF) und nicht nur einen verringerten Anspruch auf Jahressonderzahlungen gemäß § 3 AnwendungsTV.
13I. Der AnwendungsTV findet entgegen der Rechtsansicht des Beklagten auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Das ergibt die Auslegung des ArbV 2007.
141. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, handelt es sich bei dem ArbV 2007 um einen Formularvertrag, dessen Bestimmungen, insbesondere die §§ 2, 3 und 13 ArbV 2007, nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen sind (st. Rspr. d. Senats, zuletzt - Rn. 30; zu den Maßstäben vgl. nur - Rn. 29 mwN). Die Auslegung von typischen Vertragsklauseln ist der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich (st. Rspr., vgl. dazu nur - Rn. 17; - 4 AZR 414/14 - Rn. 21; - 4 AZR 796/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283).
152. In Anwendung dieser Maßstäbe hat das Landesarbeitsgericht die einschlägigen Klauseln des ArbV 2007 zutreffend ausgelegt.
16a) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem AnwendungsTV nicht um einen den TVöD-B „ergänzenden, ändernden oder ersetzenden“ Tarifvertrag iSd. § 2 Satz 1 ArbV 2007 handelt.
17aa) Nach dem Wortlaut der Bezugnahmeregelung in § 2 Satz 1 ArbV 2007 ist das Arbeitsverhältnis den Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes „für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA)“ unterstellt worden. Damit sollten nur die von den Tarifvertragsparteien des TVöD/VKA abgeschlossenen (Verbands-)Tarifverträge in Bezug genommen werden. Dies können zwar auch firmenbezogene Sanierungstarifverträge sein. Sie müssen dann aber unter Beteiligung des kommunalen Arbeitgeberverbands geschlossen worden sein. Nicht von der Bezugnahmeklausel erfasst sind hingegen Haustarifverträge eines privaten Arbeitgebers. Diese sind - jedenfalls arbeitgeberseitig - nicht von den Tarifvertragsparteien des TVöD/VKA abgeschlossen worden (st. Rspr., vgl. - Rn. 15; zuletzt - 4 AZR 209/15 - Rn. 19; zum Ganzen Schaub ArbR-HdB/Treber 17. Aufl. § 206 Rn. 29).
18bb) Entgegen der Ansicht der Revision sind im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte vorhanden, aufgrund derer die Klausel im ArbV 2007 abweichend zu verstehen sein könnte.
19(1) Die vom Beklagten in der Revisionsbegründung herangezogenen Urteile enthalten keine übertragbaren Aussagen.
20(a) In dem Urteil vom (- 10 AZR 296/05 -) hat das Bundesarbeitsgericht keine allgemeine Auslegungsregel aufgestellt. Dies war nicht notwendig, weil nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch die Klägerin selbst ausdrücklich den Zweck der Vereinbarung darin gesehen hat, eine Gleichstellung der nichttarifgebundenen mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern des Beklagten herbeizuführen und eine Differenzierung zwischen diesen beiden Gruppen durch den - seinerseits tarifgebundenen - Arbeitgeber überflüssig zu machen ( - Rn. 17). Entsprechende Feststellungen existieren vorliegend nicht.
21(b) In Bezug auf das herangezogene Urteil des Senats vom (- 4 AZR 602/06 -) räumt der Beklagte selbst ein, dass dort der in der Klausel ebenfalls enthaltene Verweis auf die Geltung der Betriebsvereinbarungen des Arbeitgebers eine wesentliche Rolle gespielt hat. Eine entsprechende Bezugnahme auf Betriebsvereinbarungen enthält § 2 ArbV 2007 nicht. Im Übrigen hält der Senat an dieser Argumentation nicht mehr fest (vgl. ausf. - Rn. 27).
22(c) Auch die durch den Senat in dem Urteil vom (- 4 AZR 120/09 -) im Hinblick auf die Anwendbarkeit eines „Konzerntarifvertrags“ aufgestellten Rechtssätze führen im vorliegenden Fall zu keiner anderen Beurteilung. Der Senat hat in der Entscheidung gerade offengelassen, ob der nicht kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltende Tarifvertrag bereits deshalb keine Anwendung finde, weil er als Firmentarifvertrag von der Verweisung im Arbeitsvertrag nicht mit umfasst sei ( - Rn. 17).
23(d) Schließlich sind die Aussagen in den beiden Urteilen vom (- 4 AZR 486/05 -) und vom (- 9 AZR 147/08 -) schon deshalb nicht auf die vorliegende Konstellation übertragbar, weil den Entscheidungen jeweils Sachverhalte zugrunde lagen, in denen es um die Einbeziehung firmenbezogener Verbandstarifverträge und nicht - wie hier - um von einzelnen Arbeitgebern geschlossene Haustarifverträge ging.
24(2) Soweit der Beklagte weiter im Hinblick auf seine OT-Mitgliedschaft darauf verweist, der Abschluss eines firmenbezogenen Verbandstarifvertrags käme für ihn als ändernder oder ersetzender Tarifvertrag nicht in Betracht, so führt dies nicht dazu, dass für die Arbeitnehmer bei Vertragsschluss erkennbar gewesen wäre, dass deshalb - abweichend vom üblichen Verständnis - auch Haustarifverträge des Beklagten gemeint seien. Es wäre Aufgabe des Beklagten als Verwender der Klausel gewesen, dies im Wortlaut des Arbeitsvertrags klar zum Ausdruck zu bringen (vgl. - Rn. 32, BAGE 122, 74), anstatt durch die Formulierung „für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA)“ nur die von den Tarifvertragsparteien des TVöD/VKA abgeschlossenen (Verbands-)Tarifverträge in Bezug zu nehmen und zum Vertragsgegenstand zu machen.
25b) Der weitere Hinweis des Beklagten, die Bezugnahmeklausel in § 2 Satz 1 ArbV 2007 sei ergänzend dahingehend auszulegen (vgl. Henssler in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 10 Rn. 81), dass (auch) der AnwendungsTV für das Arbeitsverhältnis Wirkung entfalten solle, geht fehl. Dabei kann offenbleiben, ob eine ergänzende Auslegung in den Fällen, in denen der Arbeitgeber gar nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG an die Verbandstarifverträge gebunden ist, überhaupt in Betracht kommen kann.
26aa) Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung tritt an die Stelle einer lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit bzw. Unvollständigkeit der Geschäftsbedingung bekannt gewesen wäre. Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrags „zu Ende gedacht“ werden (ausf. zu den Voraussetzungen und Maßstäben - Rn. 23, 31 ff., BAGE 134, 283; - 4 AZR 706/09 - Rn. 27, 31 ff., BAGE 138, 269).
27bb) Denkt man die Vorstellungen der Parteien im Sinne der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zu Ende, so hätte dies vorliegend jedenfalls nicht zur Folge, dass der AnwendungsTV automatisch zur Anwendung käme.
28(1) So folgt aus § 13 ArbV 2007, dass die Parteien den Fall der (weiterbestehenden) Sanierungsbedürftigkeit nicht ungeregelt gelassen haben. Insofern liegt keine Lücke vor.
29(2) Unterstellt man zu Gunsten des Beklagten, es habe insoweit eine Lücke bestanden, als die Arbeitsvertragsparteien nicht bedacht hätten, dass im Jahre 2012 die neue Sanierungsvereinbarung nicht mehr mit der Mitarbeitervertretung, sondern mit einer Gewerkschaft abgeschlossen werden würde, so kann der Vertrag gleichwohl nicht dahingehend ergänzend ausgelegt werden, der geschlossene AnwendungsTV solle als Haustarifvertrag unmittelbar anstelle des TVöD-B zur Anwendung kommen, weil es an einem entsprechenden Änderungsangebot iSd. § 13 Abs. 1 aE ArbV 2007 fehlt. Die Parteien haben in § 13 Abs. 1 ArbV 2007 vereinbart, dass der Beklagte, sollte eine Verlängerung der Sanierungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und MAV zustande kommen, ein entsprechendes Änderungsangebot unterbreiten werde. Dieser gemeinsame Wille, die neue Sanierungsvereinbarung erst aufgrund einer weiteren Änderung des Arbeitsvertrags zur Anwendung kommen zu lassen - wie dies im Jahr 2004 offenbar bereits bezüglich einer weiteren Sanierungsvereinbarung geschehen war -, ist im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zwingend zu berücksichtigen. Der Beklagte wäre gehalten gewesen, dem Kläger im Wege eines Änderungsvertrags anzubieten, den AnwendungsTV im Arbeitsverhältnis zur Anwendung zu bringen.
30(3) Der weitere Einwand des Beklagten, die Vereinbarung eines Änderungsangebots in § 13 Abs. 1 aE ArbV 2007 habe auf zu berücksichtigenden kirchenrechtlichen Besonderheiten beruht und wäre in Bezug auf einen Haustarifvertrag nicht erforderlich gewesen, ändert hieran nichts. Zum einen hat der Beklagte nicht näher erläutert, warum eine Bezugnahme auch auf zukünftige Dienstvereinbarungen der Mitarbeitervertretung nicht möglich gewesen sein soll (vgl. zur Möglichkeit vertraglicher Inbezugnahme von Dienstvereinbarungen - Rn. 43 ff.). Zum anderen hat ein etwaiger besonderer Grund dafür, einer neuen Sanierungsvereinbarung nur durch eine erneute Vertragsänderung Geltung zu verschaffen, keinen Eingang in den Arbeitsvertrag gefunden und kann daher im Rahmen der ergänzenden Auslegung des Formularvertrags keine Berücksichtigung finden.
31c) Der AnwendungsTV ist auch nicht durch § 2 Satz 2 ArbV 2007 in Bezug genommen worden, wonach „[a]ußerdem … die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung“ finden. Das Landesarbeitsgericht hat diese Klausel zutreffend unter Rückgriff auf die einschlägige Rechtsprechung des Senats zu (im Wesentlichen) wortgleichen Klauseln ausgelegt.
32aa) Aus der Wortwahl ergibt sich, dass mit dieser ergänzenden Bezugnahmeregelung Tarifverträge erfasst werden sollten, die „neben“ dem TVöD oder „zusätzlich“ zu diesem zur Anwendung kommen können. Dabei kann es sich allerdings nur um Tarifverträge handeln, deren inhaltliche Regelungsbereiche sich nicht mit denen des TVöD überschneiden. Andernfalls wären sie nicht „neben“ dem, sondern vielmehr „anstelle“ des TVöD anwendbar ( - Rn. 17 mwN; vgl. zuletzt - 4 AZR 209/15 - Rn. 22).
33bb) Der Senat hat auch bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass dieses Auslegungsergebnis durch die Bezugnahme auf die „sonstigen“ einschlägigen Tarifverträge bestätigt wird ( - Rn. 23; - 4 AZR 485/14 - Rn. 21 mwN; - 4 AZR 719/13 - Rn. 18). Ein verständiger Vertragspartner des Arbeitgebers durfte diese Formulierung als inhaltliche Einschränkung der Verweisung dahingehend verstehen, dass es sich insoweit nur um solche Tarifverträge handeln sollte, die sich in ihrem inhaltlichen Regelungsbereich von denen der Tarifverträge des TVöD-B/VKA unterscheiden und diese nicht „verdrängen“. Auch wenn - worauf der Beklagte in seiner Revisionsbegründung hingewiesen hat - als Bedeutung des Adverbs „sonstig“ in Betracht kommt „andere, anderweitig, weitere, zusätzlich, abweichend, anders, anders geartet, davon verschieden“ (vgl. Duden.de Stichwort „sonstig“ unter Synonyme), folgt daraus nicht, dass es sich bei den in § 2 Satz 2 ArbV 2007 erfassten Tarifverträgen um solche handeln soll und muss, die vom TVöD-B abweichend, anders geartet und verschieden sind. Damit blendet der Beklagte die weiteren Wortbedeutungen wie „weitere“ oder „zusätzlich“ aus. Nach der Auslegung des Beklagten käme der Regelung in § 2 Satz 2 ArbV 2007 die Funktion einer Tarifwechselklausel zu. Eine kleine dynamische Verweisung kann jedoch über ihren Wortlaut hinaus nur dann als große dynamische Verweisung (Tarifwechselklausel) ausgelegt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen ergibt ( - aaO). Solche sind dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel im Entscheidungsfall nicht zu entnehmen.
34d) § 3 AnwendungsTV führt auch nicht aufgrund von § 13 ArbV 2007 zu einer Kürzung des Anspruchs auf Jahressonderzahlung. Er bezieht sich nur auf den Abschluss einer Dienstvereinbarung mit der Mitarbeitervertretung. Der Abschluss eines Sanierungstarifvertrags mit einer Gewerkschaft ist dort nicht vorgesehen. Wie bereits ausgeführt, kann die Regelung nicht ergänzend dahingehend ausgelegt werden, dass eine in der Rechtsform eines Tarifvertrags abzuschließende Sanierungsvereinbarung automatisch im Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung kommt. Wie auch die Sanierungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und MAV bedarf die Sanierungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft der Zustimmung des Klägers zu einem entsprechenden Änderungsangebot des Beklagten.
35II. Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen für die Auszahlung der Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD-B aF iVm. § 2 Satz 1 ArbV 2007 in den Jahren 2012 und 2013.
361. § 20 TVöD-B aF lautete auszugsweise:
372. Der Kläger stand sowohl am als auch am in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten. Er erhielt eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 5, so dass ihm eine Jahressonderzahlung iHv. 90 vH des Bezugsentgelts zustand. Mit seinem Klageantrag hat der Kläger jeweils nur 80 vH geltend gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat ihm daher - unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlungen - 2.885,16 Euro brutto zugesprochen. Die Berechnung dieses Betrags hat der Beklagte mit seiner Revision nicht angegriffen.
383. Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 37 TVöD-B nicht nur für die Sonderzahlung 2012, sondern auch für 2013 gewahrt (§ 37 Satz 2 TVöD-B).
394. Der Anspruch auf Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage beruht auf § 288 Abs. 1, § 291 BGB. Ausweislich der Zustellungsurkunde wurde die Klage dem Beklagten bereits am zugestellt. Das Landesarbeitsgericht hat Zinsen ab dem zugesprochen. Hiergegen hat sich der Kläger in der Revision nicht gewandt.
40III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:110718.U.4AZR370.17.0
Fundstelle(n):
BB 2018 S. 2867 Nr. 48
NJW 2018 S. 10 Nr. 51
UAAAG-99707