BGH Beschluss v. - 5 StR 159/18

Gerichtsbeschluss bei nochmaliger Vernehmung eines Zeugen unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Gesetze: § 171b GVG, § 174 Abs 1 S 2 GVG

Instanzenzug: Az: 1 KLs 11/16

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die hiergegen gerichtete und auf eine Verfahrensrüge sowie die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

21. Der Beschwerdeführer beanstandet mit Recht eine Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens (§ 338 Nr. 6 StPO, § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG).

3a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:

4Am ersten Hauptverhandlungstag schloss das Landgericht mit Gerichtsbeschluss nach § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG für die Dauer der Vernehmung der Nebenklägerin gemäß § 171b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GVG die Öffentlichkeit aus. Die Nebenklägerin wurde anschließend in nichtöffentlicher Verhandlung zeugenschaftlich vernommen, wobei die Vernehmung nach Unterbrechung am dritten Verhandlungstag fortgesetzt wurde. Danach wurde die Zeugin entlassen. Nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit wurden weitere Beweiserhebungen durchgeführt. Einem Antrag der Verteidigung entsprechend wurde die Nebenklägerin dann am siebten Verhandlungstag wiederum in nichtöffentlicher Verhandlung ein zweites Mal als Zeugin vernommen. Es erging insoweit kein Gerichtsbeschluss. Vielmehr verwies der Vorsitzende lediglich auf den Ausschließungsbeschluss vom ersten Hauptverhandlungstag.

5b) Damit wurde die Öffentlichkeit für die Dauer der zweiten Vernehmung der Nebenklägerin nicht ordnungsgemäß ausgeschlossen. Soll – wie hier – derselbe Zeuge in der laufenden Hauptverhandlung nochmals unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden, ist grundsätzlich ein neuer Gerichtsbeschluss nach § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG erforderlich; er kann nicht durch eine Anordnung des Vorsitzenden ersetzt werden, in der auf einen vorausgegangenen Ausschließungsbeschluss Bezug genommen wird (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 443/08, NStZ 2009, 286; vom – 3 StR 584/08, NStZ-RR 2009, 213, 214; vom – 5 StR 263/11, StV 2012, 140). Eine von der Rechtsprechung anerkannte Konstellation, in der ein neuerlicher Gerichtsbeschluss ausnahmsweise entbehrlich sein kann (vgl. dazu , aaO, S. 141 mwN), ist nicht gegeben. Dem durch den Beschwerdeführer mitgeteilten und durch das Protokoll bestätigten Verlauf der Hauptverhandlung ist zu entnehmen, dass sich erst im weiteren Fortgang die Notwendigkeit einer weiteren Vernehmung der Nebenklägerin ergeben hat.

62. Zwar führt bereits der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Jedoch weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die im angefochtenen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung namentlich betreffend die Wahrnehmungsfähigkeit der zur Tatzeit beträchtlich alkoholisierten Nebenklägerin aus den von der Revision aufgeführten Gründen erheblichen rechtlichen Bedenken begegnet.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:050618B5STR159.18.0

Fundstelle(n):
TAAAG-99058