Übergangsbilanz beim Wechsel von der Durchschnittssatzgewinnermittlung zum Bestandsvergleich
Leitsatz
Beim Übergang von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zum Bestandsvergleich bestimmen sich die in die Übergangsbilanz einzustellenden Buchwerte landwirtschaftlicher Betriebsgebäude nach den um die üblichen AfA und etwaige Investitionszuschüsse geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Fortentwicklung des Senatsurteils vom IV R 17/92, BFHE 170, 145, BStBl II 1993, 344, sowie Festhalten an den Grundsätzen des Senatsurteils vom IV R 58/94, BFHE 177, 385, BStBl II 1995, 702).
Gesetze: EStG § 4 Abs. 1EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1EStG § 13a
Instanzenzug: (EFG 2002, 126) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erzielen als Ehegatten im Rahmen einer GbR gemeinschaftlich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Seit 1970 bewirtschaften sie den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, den der Kläger von seinen Eltern übernommen hatte. Im Zuge einer Aussiedlungsmaßnahme errichteten die Kläger in den Jahren vor 1980 einen Aussiedlerhof (Auffanghof) mit Wohngebäude und mehreren Wirtschaftsgebäuden in derselben Gemeinde. Hierfür erhielten sie 1976 vom Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung aus Landes- und Bundeshaushaltsmitteln Darlehen von 336 500 DM sowie nicht rückzahlbare Zuschüsse und Beihilfen in Höhe von insgesamt 258 500 DM.
Da die Kläger bis 1980 keine Einkommensteuer- oder Feststellungserklärungen abgaben, blieb der ihnen gewährte Zuschuss einkommensteuerrechtlich unberücksichtigt. Für das Kalenderjahr 1980 reichten sie erstmals eine Einkommensteuererklärung bei dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) ein. Den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft ermittelten sie bis einschließlich des Wirtschaftsjahrs 1988/89 nach § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit dem Übergang zum Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG am aktivierten sie die Wirtschaftsgebäude erstmals mit 149 626 DM und nahmen Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die Herstellungskosten der Wirtschaftsgebäude in Höhe von 5 985 DM jährlich bis zum in Anspruch.
Anlässlich einer im Jahre 1995 durchgeführten Außenprüfung stellte das FA fest, dass die Kläger bei der Berechnung der AfA-Bemessungsgrundlage für die Wirtschaftsgebäude von anteiligen Herstellungskosten in Höhe von 202 197 DM ausgegangen waren; dieser Betrag entsprach 65,17 v.H. der Gesamtkosten, wobei die nicht rückzahlbaren Zuschüsse und Beihilfen unberücksichtigt geblieben waren. Das FA minderte die Bemessungsgrundlage für die AfA um die unstreitig auf die Wirtschaftsgebäude entfallenen anteiligen Zuschüsse von 128 236 DM, so dass sich eine Bemessungsgrundlage von 73 961 DM (202 197 DM ./. 128 236 DM) und eine Jahres-AfA von 1 479 DM für die Wirtschaftsjahre 1990/91 bis 1992/93 ergab. Dadurch verringerte sich die bis dahin von den Klägern in Anspruch genommene AfA von 5 985 DM jeweils um 4 506 DM. Für die 13 Wirtschaftsjahre von 1977/78 bis 1989/90 ergab sich eine Gesamt-AfA von 19 230 DM (73 961 DM x 2 v.H. x 13 Jahre).
Auf dieser Grundlage ergingen Einkommensteuer-Änderungsbescheide für die Jahre 1990 bis 1992, gegen die die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren die zu dem Az.…anhängige Klage erhoben. Dieses Klageverfahren wurde ausgesetzt, nachdem das FA die mit der Sprungklage angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide 1990 bis 1992 (Streitjahre) erlassen hatte, die Gegenstand dieses Verfahrens sind. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 126 veröffentlichten Gründen statt, wonach nicht rückzahlbare Investitionszuschüsse als Einnahmen zu erfassen seien und nicht die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des damit finanzierten Wirtschaftsguts minderten; im Übrigen fehle es dem Wahlrecht nach Abschn. 34 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1978 wohl an einer Rechtsgrundlage. Jedenfalls hätten die Kläger im Einspruchs- wie im Klageverfahren die Ausübung eines solchen Wahlrechts eindeutig verneint.
Mit seiner dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die in der Übergangsbilanz aktivierten Herstellungskosten der Wirtschaftsgebäude nicht um die im Jahre 1976 empfangenen Investitionszuschüsse zu kürzen sind. Das FA hat daher die AfA zu Recht um die streitigen Beträge gekürzt.
1. Nach der Rechtsprechung des Senats sind beim Übergang von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen oder einer Schätzung zum Bestandsvergleich die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens in einer Übergangsbilanz auszuweisen. Dabei sind die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, mit denen sie zu Buche stünden, wenn der Gewinn von Anfang an durch Bestandsvergleich ermittelt worden wäre (, BFHE 145, 533, BStBl II 1986, 392; vom IV R 56/90, BFHE 166, 120, BStBl II 1993, 272, m.w.N., und vom IV R 17/92, BFHE 170, 145, BStBl II 1993, 344).
Danach waren die Herstellungskosten der Betriebsgebäude im Streitfall auch um die nicht rückzahlbaren Zuschüsse und Beihilfen zu kürzen, soweit diese unstreitig auf die neuerrichteten Betriebsgebäude entfielen. Denn öffentliche Investitionszuschüsse führen bei bilanzierenden Steuerpflichtigen nach der Auffassung des III. und IV. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich zu einer Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der geförderten Wirtschaftsgüter (Urteile vom IV R 78/85, BFHE 154, 212, BStBl II 1989, 189; vom III R 4/87, BFHE 156, 497, BStBl II 1989, 618, und vom IV R 58/94, BFHE 177, 385, BStBl II 1995, 702). An dieser Rechtsprechung hält der Senat aus den in seinem Urteil in BFHE 177, 385, BStBl II 1995, 702 wiedergegebenen Gründen fest.
2. Zu Unrecht berufen sich die Kläger auf die abweichende Rechtsprechung des I. Senats des BFH, wonach öffentliche Investitionszuschüsse grundsätzlich als Erhöhungen des Betriebsvermögens (Betriebseinnahme) im Zeitpunkt der Zuschussgewährung zu erfassen sind, die Sofortversteuerung aber durch Ausübung eines Wahlrechts auf Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vermieden werden kann (Urteile vom I R 56/94, BFHE 179, 19, BStBl II 1996, 28, und vom I R 12/98, BFH/NV 2000, 1365; ebenso , BFHE 167, 69, BStBl II 1992, 488).
a) Auch nach dieser Rechtsprechung müsste sich die Bewertung der Wirtschaftsgebäude in der Übergangsbilanz als zutreffend erweisen, denn im Streitfall haben sich die Kläger tatsächlich gegen eine Erfassung der Zuschüsse bei Zahlung entschieden. Andernfalls hätten sie die empfangenen Zuschüsse als Betriebseinnahme erklären müssen. Dies ist nach den Feststellungen des FG aber nicht geschehen, weil die Kläger für dieses Jahr (1976) weder eine Einkommensteuererklärung abgegeben noch für die entsprechenden Wirtschaftsjahre Gewinnermittlungen eingereicht hatten. Die Zuschüsse wären aber auch bei einer Schätzung oder im Rahmen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen als sonstige Betriebsvorgänge i.S. des § 13a Abs. 8 Nr. 3 EStG a.F. zu erfassen gewesen, wenn man nicht von einer Minderung der Herstellungskosten hätte ausgehen wollen. Wenn die Kläger demgegenüber im Einspruchs- und Klageverfahren behauptet haben, sie hätten ein Wahlrecht nicht ausgeübt, so widerspricht dies ihrem eindeutigen Verhalten bei Empfang der Zuschüsse. Die pflichtwidrig unterlassene Erklärung dieser Einnahmen lässt nur den Schluss zu, dass die Kläger entweder das ihnen nach Abschn. 34 Abs. 1 EStR 1978 (jetzt R 34 Abs. 2 EStR 2001) eingeräumte Wahlrecht tatsächlich ausgeübt haben oder von vornherein gemäß der Auffassung des Senats von einer erfolgsneutralen Behandlung der Zuschüsse ausgegangen sind.
b) Auch soweit die Kläger die Rechtmäßigkeit des Wahlrechts in Abschn. 34 Abs. 1 EStR 1978 in Frage gestellt haben, vermögen sie den Senat nicht zu überzeugen. Denn selbst nach der die Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ablehnenden Rechtsprechung des I. und X. Senats des BFH ist das Wahlrecht zumindest rechtens, soweit —wie hier— Investitionszuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu beurteilen sind; es gehe auf eine langjährige ständige Rechtsprechung des BFH zurück (s. nur BFH-Urteil in BFHE 167, 69, BStBl II 1992, 488, m.w.N. zu 3.a der Entscheidungsgründe). Das Wahlrecht lässt sich danach selbst dann als Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) rechtfertigen, wenn das Bilanzsteuerrecht keine Rechtsgrundlage böte, weil die Sofortversteuerung des Investitionszuschusses dem Zweck der Zuschussgewährung zuwiderlaufen könne (BFH-Urteil in BFHE 179, 19, BStBl II 1996, 28, zu II.5.c, cc der Entscheidungsgründe, m.w.N.).
3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2003 II Seite S. 801
BB 2003 S. 2567 Nr. 48
BFH/NV 2003 S. 1368
BFH/NV 2003 S. 1368 Nr. 10
BStBl II 2003 S. 801 Nr. 15
DB 2003 S. 2683 Nr. 50
DStRE 2003 S. 1130 Nr. 19
FR 2003 S. 1128 Nr. 21
INF 2003 S. 725 Nr. 19
KÖSDI 2003 S. 13897 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2005 S. 3621
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