EuGH Urteil v. - C-668/16

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 2006/40/EG – Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen – Art. 5 Abs. 4 und 5 – Richtlinie 2007/46/EG – Genehmigung von Kraftfahrzeugen – Art. 12, 29, 30 und 46 – Fahrzeuge, die den technischen Anforderungen nicht entsprechen – Verantwortlichkeit der nationalen Behörden

Leitsatz

  1. Die Bundesrepublik Deutschland hat

    • gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates sowie aus den Art. 12 und 30 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 371/2010 der Kommission vom geänderten Fassung verstoßen, indem sie es versäumt hat, innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgesehenen Frist die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Übereinstimmung von 133 713 Fahrzeugen der Typen 246, 176 und 117 mit ihren genehmigten Typen wiederherzustellen, die von der Daimler AG vom 1. Januar bis zum in den Verkehr gebracht wurden, obwohl sie nicht mit dem für die genehmigten Typen deklarierten Kältemittel R1234yf, sondern mit einem Kältemittel ausgerüstet waren, dessen Treibhauspotenzial-Wert unter Verstoß gegen die Obergrenze in Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2006/40 über 150 betrug, und

    • gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/40 und Art. 46 in Verbindung mit den Art. 5 und 18 der Richtlinie 2007/46 in der Fassung der Verordnung Nr. 371/2010 verstoßen, indem sie es versäumt hat, innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist die zur Durchführung der in Art. 46 der Richtlinie 2007/46 genannten Sanktionen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dafür zu sorgen, dass die Hersteller die Art. 5 und 18 dieser Richtlinie, die sich auf die Übereinstimmung der Produktion und die Ausstellung einer Übereinstimmungsbescheinigung beziehen, beachten.

  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  3. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten der Europäischen Kommission.

  4. Die Europäische Kommission trägt die Hälfte ihrer eigenen Kosten.

Gründe

1 Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates (ABl. 2006, L 161, S. 12, im Folgenden: Klimaanlagen-Richtlinie) und der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2007, L 263, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 371/2010 der Kommission vom (ABl. 2010, L 110, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) verstoßen hat, indem sie

  • es versäumt hat, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Übereinstimmung von Fahrzeugen der Typen 246, 176 und 117 mit ihren genehmigten Typen wiederherzustellen (Art. 12 und 30 der Rahmenrichtlinie),

  • nicht die zur Durchführung der Sanktionen erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat (Art. 46 in Verbindung mit den Art. 5 und 18 der Rahmenrichtlinie) und

  • am einem Antrag der Daimler AG auf Erweiterung des bestehenden Fahrzeugtyps 245G um Fahrzeuge stattgegeben hat, für die zuvor bereits eine andere Typgenehmigung erteilt worden war, auf die die neuen Voraussetzungen der Klimaanlagen-Richtlinie anwendbar sind, und dadurch die Klimaanlagen-Richtlinie umgangen hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Klimaanlagen-Richtlinie

2 Die Klimaanlagen-Richtlinie gehört zu den in Anhang IV Teil I der Rahmenrichtlinie aufgeführten Rechtsakten. Art. 5 Abs. 4 und 5 der Klimaanlagen-Richtlinie sieht vor:

„(4) Mit Wirkung vom erteilen die Mitgliedstaaten keine EG-Typgenehmigung und keine Betriebserlaubnis mit einzelstaatlicher Geltung mehr für einen Fahrzeugtyp, dessen Klimaanlage darauf ausgelegt ist, fluorierte Treibhausgase mit einem GWP-Wert über 150 zu enthalten.

(5) Mit Wirkung vom müssen die Mitgliedstaaten bei neuen Fahrzeugen, deren Klimaanlage darauf ausgelegt ist, fluorierte Treibhausgase mit einem GWP-Wert über 150 zu enthalten,

  1. Übereinstimmungsbescheinigungen als nicht mehr gültig im Sinne [von Art. 26 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie] ansehen und

  2. die Zulassung verweigern und den Verkauf und die Inbetriebnahme verbieten.”

Rahmenrichtlinie

3 Die Erwägungsgründe 2 und 3 der Rahmenrichtlinie lauten:

(2)

„Im Interesse der Verwirklichung und des Funktionierens des Binnenmarktes der Gemeinschaft sollten die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten durch ein gemeinschaftliches Genehmigungsverfahren ersetzt werden, das auf dem Grundsatz einer vollständigen Harmonisierung beruht.

(3)

Die technischen Anforderungen für Systeme, Bauteile, selbstständige technische Einheiten und Fahrzeuge sollten in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden. Diese Rechtsakte sollten vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen.”

4 In Art. 3 der Rahmenrichtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie und der in Anhang IV aufgeführten Rechtsakte – soweit dort nichts anderes bestimmt ist – bezeichnet der Ausdruck

17.

‚Typ eines Fahrzeugs‘ Fahrzeuge einer bestimmten Fahrzeugklasse, die sich zumindest hinsichtlich der in Anhang II Teil B aufgeführten wesentlichen Merkmale nicht unterscheiden. Ein Fahrzeugtyp kann Varianten und Versionen im Sinne des Anhangs II Teil B umfassen;

…”

5 Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Rahmenrichtlinie sieht vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Hersteller, die eine Genehmigung beantragen, ihre Pflichten gemäß dieser Richtlinie erfüllen.

(2) Die Mitgliedstaaten erteilen eine Genehmigung für Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständige technische Einheiten nur, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen.

(3) Die Mitgliedstaaten gestatten die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten nur, wenn diese den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen.

…”

6 Art. 5 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie bestimmt:

„Der Hersteller ist gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Genehmigungsverfahrens und für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich, und zwar auch dann, wenn er nicht an allen Stufen der Herstellung des Fahrzeugs, des Systems, des Bauteils oder der selbstständigen technischen Einheit unmittelbar beteiligt ist.”

7 Art. 6 („Verfahren für die Erteilung der EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge”) Abs. 6 der Rahmenrichtlinie bestimmt:

„Der Hersteller reicht den Antrag bei der Genehmigungsbehörde ein. Für ein und denselben Fahrzeugtyp kann nur ein einziger Antrag in nur einem einzigen Mitgliedstaat eingereicht werden.

Für jeden zu genehmigenden Typ ist ein gesonderter Antrag einzureichen.”

8 Art. 12 („Übereinstimmung der Produktion”) der Rahmenrichtlinie lautet:

„(1) Der Mitgliedstaat, der eine EG-Typgenehmigung erteilt, ergreift die notwendigen Maßnahmen nach Anhang X, um – erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit den Genehmigungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten – zu überprüfen, ob geeignete Vorkehrungen getroffen wurden, um sicherzustellen, dass die hergestellten Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten mit dem genehmigten Typ übereinstimmen.

(2) Der Mitgliedstaat, der eine EG-Typgenehmigung erteilt hat, ergreift bezüglich dieser Genehmigung die notwendigen Maßnahmen nach Anhang X, um – erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit den Genehmigungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten – zu überprüfen, ob die Vorkehrungen nach Absatz 1 weiterhin angemessen sind und die hergestellten Fahrzeuge, Systeme, Bauteile bzw. selbstständigen technischen Einheiten weiterhin mit dem genehmigten Typ übereinstimmen.

Die Überprüfung der Übereinstimmung der hergestellten Erzeugnisse mit dem genehmigten Typ beschränkt sich auf die Verfahren, die in Anhang X und in denjenigen Rechtsakten, die besondere Vorschriften enthalten, aufgeführt sind. Zu diesem Zweck kann die Genehmigungsbehörde des Mitgliedstaats, der die EG-Typgenehmigung erteilt hat, an Proben, die in den Betriebsstätten des Herstellers einschließlich seiner Fertigungsstätten entnommen wurden, jede Prüfung durchführen, die in einem der in Anhang IV oder Anhang XI aufgeführten Rechtsakte vorgeschrieben ist.

(3) Stellt ein Mitgliedstaat, der eine EG-Typgenehmigung erteilt hat, fest, dass die in Absatz 1 genannten Vorkehrungen nicht angewandt werden, erheblich von den festgelegten Vorkehrungen und Kontrollplänen abweichen oder nicht mehr angewandt werden, obwohl die Produktion nicht eingestellt wurde, so ergreift dieser Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen – einschließlich des Entzugs der Typgenehmigung –, um sicherzustellen, dass das Verfahren zur Gewährleistung der Übereinstimmung der Produktion ordnungsgemäß eingehalten wird.”

9 In Kapitel V („Änderung von EG-Typengenehmigungen”) der Rahmenrichtlinie sieht Art. 14 („Spezifische Bestimmungen für Fahrzeuge”) Abs. 2 vor:

„Die Revision wird als ‚Erweiterung‘ bezeichnet, wenn zusätzlich zu den Bestimmungen des Absatzes 1

  1. weitere Kontrollen oder neue Prüfungen erforderlich sind,

  2. Angaben im EG-Typgenehmigungsbogen, außer in den zugehörigen Anlagen, geändert wurden,

  3. neue Anforderungen aufgrund der Rechtsakte, die für den genehmigten Fahrzeugtyp gelten, in Kraft treten.

…”

10 Ebenfalls in Kapitel V bestimmt Art. 15 („Spezifische Bestimmungen für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten”) Abs. 2 der Rahmenrichtlinie:

„Eine Revision wird als ‚Erweiterung‘ bezeichnet, wenn zusätzlich zu den Bestimmungen des Absatzes 1

  1. weitere Kontrollen oder neue Prüfungen erforderlich sind,

  2. Angaben im EG-Typgenehmigungsbogen, außer in den zugehörigen Anlagen, geändert wurden,

  3. neue Anforderungen aufgrund der Rechtsakte, die für das genehmigte System oder Bauteil oder die genehmigte selbstständige technische Einheit gelten, in Kraft treten.

…”

11 Art. 17 der Rahmenrichtlinie, der das Erlöschen der Gültigkeit einer EG-Typengenehmigung für Fahrzeuge betrifft, sieht in Abs. 1 vor:

„Eine EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge verliert ihre Gültigkeit in jedem der folgenden Fälle:

b)

wenn die Produktion des genehmigten Fahrzeugs freiwillig endgültig eingestellt wird,

…”

12 Art. 18 („Übereinstimmungsbescheinigung”) Abs. 1 Unterabs. 1 der Rahmenrichtlinie bestimmt:

„Der Hersteller in seiner Eigenschaft als Inhaber einer EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge legt jedem vollständigen, unvollständigen oder vervollständigten Fahrzeug, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde, eine Übereinstimmungsbescheinigung bei.”

13 Art. 29 der Rahmenrichtlinie lautet:

„(1) Stellt ein Mitgliedstaat fest, dass neue Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständige technische Einheiten ein erhebliches Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr darstellen oder die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit ernsthaft gefährden, obwohl sie den für sie geltenden Anforderungen entsprechen oder ordnungsgemäß gekennzeichnet sind, so kann er die Zulassung solcher Fahrzeuge oder den Verkauf oder die Inbetriebnahme solcher Fahrzeuge, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten in seinem Hoheitsgebiet für eine Dauer von höchstens sechs Monaten untersagen.

In einem solchen Fall unterrichtet der betreffende Mitgliedstaat unverzüglich den Hersteller, die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission unter Angabe der Gründe für seine Entscheidung und teilt insbesondere mit, ob seine Entscheidung auf Folgendes zurückzuführen ist:

  • Mängel der einschlägigen Rechtsakte oder

  • die mangelhafte Anwendung der einschlägigen Anforderungen.

(2) Die Kommission hört die betreffenden Parteien, insbesondere die Genehmigungsbehörde, die die Typgenehmigung erteilt hat, so bald wie möglich an, um ihre Entscheidung vorzubereiten.

(3) Wurden die in Absatz 1 genannten Maßnahmen mit Mängeln der einschlägigen Rechtsakte begründet, so werden geeignete Maßnahmen wie folgt getroffen:

  • Handelt es sich um in Anhang IV Teil I aufgeführte Einzelrichtlinien oder Einzelverordnungen, so ändert die Kommission diese nach dem in Artikel 40 Absatz 2 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle.

  • Handelt es sich um UN/ECE-Regelungen, so schlägt die Kommission gemäß dem nach dem Geänderten Übereinkommen von 1958 geltenden Verfahren die erforderlichen Änderungen an den betreffenden UN/ECE-Regelungen vor.

(4) Wurden die in Absatz 1 genannten Maßnahmen mit der mangelhaften Anwendung der einschlägigen Anforderungen begründet, so ergreift die Kommission geeignete Maßnahmen, um die Einhaltung der Anforderungen sicherzustellen.”

14 Art. 30 („Nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmende Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten”) der Rahmenrichtlinie bestimmt:

„(1) Stellt der Mitgliedstaat, der eine EG-Typgenehmigung erteilt hat, fest, dass neue Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständige technische Einheiten, die mit einer Übereinstimmungsbescheinigung oder einem Genehmigungszeichen versehen sind, nicht mit dem Typ übereinstimmen, für den er die Genehmigung erteilt hat, so ergreift er die notwendigen Maßnahmen, einschließlich erforderlichenfalls eines Entzugs der Typgenehmigung, um sicherzustellen, dass die hergestellten Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten mit dem jeweils genehmigten Typ in Übereinstimmung gebracht werden. Die Genehmigungsbehörde dieses Mitgliedstaats unterrichtet die Genehmigungsbehörden der anderen Mitgliedstaaten von den ergriffenen Maßnahmen.

(3) Weist ein Mitgliedstaat nach, dass neue Fahrzeuge, Bauteile oder selbstständige technische Einheiten, die mit einer Übereinstimmungsbescheinigung oder einem Genehmigungszeichen versehen sind, nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen, so kann er den Mitgliedstaat, der die EG-Typgenehmigung erteilt hat, auffordern, sich zu vergewissern, dass die hergestellten Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten weiterhin mit dem jeweils genehmigten Typ übereinstimmen. Bei Erhalt einer derartigen Aufforderung ergreift der betroffene Mitgliedstaat möglichst bald, auf jeden Fall aber innerhalb von sechs Monaten ab dem Datum der Aufforderung die hierzu notwendigen Maßnahmen.

(4) Die Genehmigungsbehörde fordert den Mitgliedstaat, der die Typgenehmigung für das System, das Bauteil, die selbstständige technische Einheit oder das unvollständige Fahrzeug erteilt hat, in folgenden Fällen auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die hergestellten Fahrzeuge wieder mit dem genehmigten Typ in Übereinstimmung gebracht werden:

  1. im Falle einer EG-Typgenehmigung für ein Fahrzeug, wenn die Nichtübereinstimmung eines Fahrzeugs ausschließlich auf die Nichtübereinstimmung eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit zurückzuführen ist;

  2. im Falle einer Mehrstufen-Typgenehmigung, wenn die Nichtübereinstimmung eines vervollständigten Fahrzeugs ausschließlich auf die Nichtübereinstimmung eines Systems, eines Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit, das/die Bestandteil des unvollständigen Fahrzeugs ist, oder auf die Nichtübereinstimmung des unvollständigen Fahrzeugs selbst zurückzuführen ist.

Bei Erhalt einer derartigen Aufforderung ergreift der betroffene Mitgliedstaat möglichst bald, auf jeden Fall aber innerhalb von sechs Monaten ab dem Datum der Aufforderung die hierzu notwendigen Maßnahmen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung des auffordernden Mitgliedstaats. Wird eine Nichtübereinstimmung festgestellt, so ergreift die Genehmigungsbehörde des Mitgliedstaats, der die EG-Typgenehmigung für das System, das Bauteil, die selbstständige technische Einheit oder die Genehmigung für das unvollständige Fahrzeug erteilt hat, die in Absatz 1 genannten Maßnahmen.

…”

15 Art. 32 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Muss ein Hersteller, dem eine EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge erteilt wurde, bereits verkaufte, zugelassene oder in Betrieb genommene Fahrzeuge nach einem Rechtsakt oder nach der Richtlinie 2001/95/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die allgemeine Produktsicherheit (ABl. 2002, L 11, S. 4)] zurückrufen, weil von einem oder mehreren Systemen oder Bauteilen oder von einer oder mehreren selbstständigen technischen Einheiten, mit denen diese Fahrzeuge ausgerüstet sind, ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht, unabhängig davon, ob sie nach der vorliegenden Richtlinie ordnungsgemäß genehmigt sind, so teilt er dies unverzüglich der Genehmigungsbehörde mit, die die Genehmigung für die Fahrzeuge erteilt hat.

(2) Der Hersteller muss der Genehmigungsbehörde Abhilfemaßnahmen vorschlagen, die geeignet sind, das in Absatz 1 genannte Risiko zu beseitigen. Die Genehmigungsbehörde unterrichtet die Behörden der anderen Mitgliedstaaten unverzüglich über die vorgeschlagenen Maßnahmen.

Die zuständigen Behörden stellen sicher, dass diese Maßnahmen in ihren jeweiligen Gebieten wirksam umgesetzt werden.”

16 Art. 45 Abs. 5 der Rahmenrichtlinie lautet:

„Durch diese Richtlinie wird keine EG-Typgenehmigung ungültig, die vor dem für ein Fahrzeug der Klasse M1 erteilt wurde, noch wird durch diese Richtlinie die Erweiterung einer solchen Typgenehmigung ausgeschlossen.”

17 Art. 46 („Sanktionen”) dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei Verstößen gegen diese Richtlinie, insbesondere gegen die in Artikel 31 vorgesehenen oder sich daraus ergebenden Verbote und die in Anhang IV Teil I aufgeführten Rechtsakte, anzuwenden sind, und ergreifen alle für ihre Durchführung erforderlichen Maßnahmen. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Vorschriften bis zum sowie etwaige Änderungen so bald wie möglich mit.”

18 Anhang II („Begriffsbestimmungen für Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen”) legt in Teil A Nr. 1 fest, dass die Klasse M1 „für die Personenbeförderung ausgelegte und gebaute Kraftfahrzeuge mit höchstens acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz” erfasst. Teil B dieses Anhangs sieht vor:

„1. Für die Fahrzeugklasse M1 gilt:

Ein ‚Typ‘ umfasst Fahrzeuge, die sich zumindest hinsichtlich der folgenden wesentlichen Merkmale nicht unterscheiden:

  • Hersteller,

  • Typbezeichnung des Herstellers,

  • wesentliche Bau- und Konstruktionsmerkmale von

    • Fahrgestell/Bodengruppe (offensichtliche und grundlegende Unterschiede),

    • Antriebsmaschine (Verbrennungsmotor/Elektromotor/Hybridantrieb).

Die ‚Variante‘ eines Typs umfasst Fahrzeuge innerhalb eines Typs, die sich zumindest hinsichtlich der folgenden wesentlichen Merkmale nicht unterscheiden:

  • Art des Aufbaus (z. B. Stufenhecklimousine, Schräghecklimousine, Coupé, Kabrio-Limousine, Kombilimousine, Mehrzweckfahrzeug),

  • Antriebsmaschine:

    • Arbeitsverfahren (entsprechend Abschnitt 3.2.1.1 in Anhang III),

    • Anzahl und Anordnung der Zylinder,

    • Unterschiede in der Motorleistung von mehr als 30 % (die höchste Leistung beträgt mehr als das 1,3-fache der niedrigsten),

    • Unterschiede im Hubraum von mehr als 20 % (der größte Hubraum beträgt mehr als das 1,2-fache des kleinsten),

  • Antriebsachsen (Anzahl, Lage, gegenseitige Verbindung),

  • gelenkte Achsen (Anzahl und Lage).

Die ‚Version‘ einer Variante umfasst Fahrzeuge, die aus einer Kombination von Merkmalen bestehen, welche in den Beschreibungsunterlagen gemäß Anhang VIII aufgeführt sind.

…”

19 Anhang IV der Rahmenrichtlinie enthält u. a. eine Aufstellung der Rechtsakte, die für eine EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge zu befolgen sind, darunter die in Teil I genannte Klimaanlagen-Richtlinie.

20 Anhang IX der Rahmenrichtlinie beschreibt den Inhalt der EG-Übereinstimmungsbescheinigung. In Abschnitt 0 dieses Anhangs heißt es:

„Die Übereinstimmungsbescheinigung stellt eine Erklärung des Fahrzeugherstellers dar, in der er dem Fahrzeugkäufer versichert, dass das erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Gemeinschaft geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmte.

Die Übereinstimmungsbescheinigung soll es außerdem den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ermöglichen, Fahrzeuge zuzulassen, ohne vom Antragsteller zusätzliche technische Unterlagen anfordern zu müssen.

…”

21 Anhang X der Rahmenrichtlinie beschreibt die Verfahren hinsichtlich der Übereinstimmung der Produktion, die gewährleisten sollen, dass jedes hergestellte Fahrzeug, System und Bauteil sowie jede hergestellte selbständige technische Einheit dem genehmigten Typ entspricht. Nach Abschnitt 0.2 dieses Anhangs beinhalten die Verfahren untrennbar die Bewertung von Qualitätsmanagementsystemen sowie die Überprüfung des Genehmigungsgegenstands und produktbezogene Kontrollen.

22 Die Verordnung (EU) Nr. 678/2011 der Kommission vom zur Ersetzung des Anhangs II und zur Änderung der Anhänge IV, IX und XI der Richtlinie 2007/46 (ABl. 2011, L 185, S. 30) hat insbesondere die Rahmenrichtlinie geändert.

23 Die Erwägungsgründe 3 und 4 dieser Verordnung lauten:

(3)

„Die Erfahrung zeigt, dass die derzeitigen Kriterien zur Einordnung eines neuen Fahrzeugmodells als neuen Fahrzeugtyp zu ungenau sind. Durch diese Ungenauigkeit kann es zu Verzögerungen bei der Umsetzung neuer, in … Rechtsvorschriften [der Europäischen Union] enthaltener Anforderungen an neue Fahrzeugtypen kommen. Ferner wurde offensichtlich, dass es möglich ist, die … Rechtsvorschriften [der Union] für Kleinserien zu umgehen, indem ein Fahrzeugtyp in mehrere Untertypen, für die unterschiedliche Typgenehmigungsverfahren gelten, aufgeteilt wird. Folglich könnte die Anzahl der in der Europäischen Union im Rahmen der Kleinserienregelung in Betrieb genommenen Neufahrzeuge die zulässige Höchstgrenze überschreiten. Daher ist es wichtig im Einzelnen festzulegen, welche technischen Fahrzeugmerkmale als Kriterien zur Bestimmung eines neuen Fahrzeugtyps zu verwenden sind.

(4)

Die für die Bestimmung von Varianten und Versionen innerhalb eines Fahrzeugtyps angewendeten Kriterien sollten im Einklang mit den Grundsätzen, die in den beiden Mitteilungen der Kommission ‚Aktionsplan Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds‘ und ‚Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union‘ enthalten sind, überarbeitet werden, um den Verwaltungsaufwand für Fahrzeughersteller zu verringern. Dies würde außerdem für die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten zu einem transparenteren Typgenehmigungsverfahren führen.”

24 Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 gilt die Verordnung Nr. 678/2011 für alle ab dem genehmigten neuen Fahrzeugtypen. Art. 2 sieht zudem vor, dass durch diese Verordnung weder vor dem erteilte Typgenehmigungen ungültig werden noch die Erweiterung dieser Genehmigungen verhindert wird.

Richtlinie 2001/95

25 In Art. 2 der Richtlinie 2001/95 heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

b)

‚sicheres Produkt‘ jedes Produkt, das bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung, was auch die Gebrauchsdauer sowie gegebenenfalls die Inbetriebnahme, Installation und Wartungsanforderungen einschließt, keine oder nur geringe, mit seiner Verwendung zu vereinbarende und unter Wahrung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit und Sicherheit von Personen vertretbare Gefahren birgt, …

d)

‚ernste Gefahr‘ jede ernste Gefahr, die ein rasches Eingreifen der Behörden erfordert, auch wenn sie keine unmittelbare Auswirkung hat;

…”

Deutsches Recht

26 § 7 der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung vom (BGBl. 2011 I S. 126) in der durch Art. 4 der Verordnung vom (BGBl. 2012 I S. 2232) geänderten Fassung (EG-FGV) sieht in Abs. 1 vor:

„Die EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge erlischt, wenn neue Anforderungen eines für das genehmigte Fahrzeug geltenden Rechtsakts im Sinne des Artikels 3 Nummer 1 der [Rahmenrichtlinie] für die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme neuer Fahrzeuge verbindlich werden und eine Änderung der Genehmigung nicht möglich ist. Sie erlischt auch bei endgültiger Einstellung der Produktion des genehmigten Typs eines Fahrzeugs. Der Hersteller hat die Einstellung der Produktion dem Kraftfahrt-Bundesamt [(im Folgenden: KBA)] mitzuteilen.”

27 In § 25 EG-FGV heißt es:

„(1) Stellt das [KBA] fest, dass Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen, kann es die erforderlichen Maßnahmen nach [der Rahmenrichtlinie] anordnen, um die Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typ sicherzustellen.

(2) Das [KBA] kann zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge, selbstständiger technischer Einheiten oder Bauteile nachträglich Nebenbestimmungen anordnen.

(3) Das [KBA] kann die Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen oder zurücknehmen, insbesondere wenn festgestellt wird, dass

  1. Fahrzeuge mit einer Übereinstimmungsbescheinigung oder selbstständige technische Einheiten oder Bauteile mit einer vorgeschriebenen Kennzeichnung nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen,

  2. von Fahrzeugen, selbstständigen technischen Einheiten oder Bauteilen ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht,

  3. der Hersteller nicht über ein wirksames System der Überwachung der Übereinstimmung der Produktion verfügt oder dieses System nicht in der vorgesehenen Weise anwendet oder

  4. der Inhaber der Typgenehmigung gegen die mit der Typgenehmigung verbundenen Auflagen verstößt.”

Sachverhalt und vorgerichtliches Verfahren

28 Im Jahr 2006 wurde die Klimaanlagen-Richtlinie erlassen. Deren Art. 5 Abs. 4 sieht vor, dass in den Klimaanlagen aller nach dem genehmigten Fahrzeugtypen ein Kältemittel mit einem Treibhauspotenzial (GWP) von nicht mehr als 150 verwendet wird.

29 Während die europäischen Fahrzeughersteller bis dahin das Kältemittel R134a mit einem Treibhauspotenzial von nahezu 1 300 verwendet hatten, beschlossen sie im Jahr 2009 im Rahmen eines internationalen Normungsprozesses, das Kältemittel mit der Bezeichnung R1234yf mit einem Treibhauspotenzial von 4 einzusetzen.

30 Nach Lieferengpässen bei dem Kältemittel R1234yf aufgrund der Zerstörung der Produktionsstätten durch den Tsunami von Fukushima (Japan) teilte die Kommission den Mitgliedstaaten im April 2012 mit, dass sie angesichts der außergewöhnlichen Umstände keine Vertragsverletzungsverfahren wegen der Nichtkonformität von Fahrzeugen mit der Klimaanlagen-Richtlinie einleiten werde, bis das einzige mit dieser Richtlinie vereinbare Kältemittel R1234yf verfügbar sei, dass dieses Moratorium aber keinesfalls länger als bis zum andauern werde.

31 Am , und genehmigte das KBA, die für die Typgenehmigung zuständige deutsche Behörde, auf Antrag von Daimler die neuen Fahrzeugtypen 246, 176 und 117 als mit der Klimaanlagen-Richtlinie vereinbar.

32 Im September 2012 teilte Daimler den deutschen Behörden Zweifel an der Sicherheit der Verwendung des Kältemittels R1234yf in den Fahrzeugtypen 246, 176 und 117 mit. Daimler rief etwa 700 Fahrzeuge zurück, um das Kältemittel auszutauschen, und kündigte an, in den Fahrzeugen dieser Typen auch nach Ablauf des Moratoriums im Januar 2013 das Kältemittel R134a anstelle des Kältemittels R1234yf, dessen Verwendung Grundlage für die Erteilung der entsprechenden Typgenehmigungen war, einzusetzen. Im November 2012 ersuchten die deutschen Behörden die Kommission, die Vorschriften der Klimaanlagen-Richtlinie nicht anzuwenden, weil die Sicherheit des Kältemittels R1234yf erneut überprüft werden müsse.

33 Vom 1. Januar bis zum verkaufte Daimler 133 713 Fahrzeuge der Typen 246, 176 und 117, die mit einer mit dem Kältemittel R134a betriebenen Klimaanlage ausgestattet waren.

34 Am forderte das KBA Daimler auf, darzulegen, welche Maßnahmen hinsichtlich der fehlenden Übereinstimmung der Fahrzeugtypen 246, 176 und 117 von ihr ergriffen worden seien. Hierauf legte Daimler am einen Aktionsplan vor, mit dem bis zum eine technische Lösung gefunden werden sollte. Am wies das KBA Daimler an, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Übereinstimmung wiederherzustellen, und drohte für den Fall, dass der Konformitätsverstoß nicht behoben werde, einen Entzug der entsprechenden Typgenehmigungen zum an.

35 Am teilte Daimler dem KBA mit, die Produktion der Typen 246, 176 und 117 endgültig eingestellt zu haben.

36 Am 17. Mai und am gab das KBA Anträgen von Daimler statt, die Fahrzeugtypgenehmigung 245G, die im Jahr 2008, d. h. vor der Anwendbarkeit der Klimaanlagen-Richtlinie, erteilt worden war, um weitere Varianten zu erweitern.

37 Die Kommission richtete am ein Auskunftsersuchen und am ein Aufforderungsschreiben an die Bundesrepublik Deutschland. Sie warf den deutschen Behörden vor, zwischen Januar und Juni 2013 zugelassen zu haben, dass 133 713 Fahrzeuge unter Verstoß gegen die maßgebliche Typgenehmigung hergestellt und in den Verkehr gebracht worden seien und die Klimaanlagen-Richtlinie umgangen worden sei, sowie es versäumt zu haben, Sanktionen gegen den Hersteller zu verhängen.

38 Die Bundesrepublik Deutschland antwortete darauf am . Hinsichtlich der nicht konformen Fahrzeuge berief sie sich auf das den nationalen Behörden durch die Rahmenrichtlinie eingeräumte Ermessen sowie auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Aufgrund der Angaben von Daimler habe Grund zu der Annahme bestanden, dass die Verwendung des Kältemittels R1234yf eine Gefahr für die Sicherheit darstelle.

39 Außerdem habe das KBA dem Antrag von Daimler auf Erweiterung der Genehmigung für den Typ 245G stattgeben müssen.

40 Am sandte die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Bundesrepublik Deutschland, in der sie die Vorwürfe aus dem Aufforderungsschreiben aufrechterhielt. Sie forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach deren Eingang nachzukommen.

41 Die Bundesrepublik Deutschland antwortete auf diese Stellungnahme mit Schreiben vom , in dem sie sich im Wesentlichen auf dieselben Argumente stützte wie in ihrer Antwort auf das Aufforderungsschreiben.

42 Da die Antwort der Bundesrepublik Deutschland sie nicht zufriedenstellte, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Erste Rüge: Verstoß gegen die Klimaanlagen-Richtlinie und die Rahmenrichtlinie, insbesondere die Art. 12 und 30

Vorbringen der Parteien

43 Mit ihrer ersten Rüge begehrt die Kommission die Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen die Klimaanlagen-Richtlinie und die Rahmenrichtlinie, insbesondere die Art. 12 und 30, verstoßen hat, indem sie es versäumt hat, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Übereinstimmung von Fahrzeugen der Typen 246, 176 und 117 mit ihren genehmigten Typen wiederherzustellen.

44 Die Kommission weist darauf hin, dass die Art. 12 und 30 der Rahmenrichtlinie vorsähen, dass der Mitgliedstaat, der eine Typgenehmigung erteilt habe, die Übereinstimmung der hergestellten Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ kontrollieren müsse und, wenn er eine Konformitätsabweichung der Produktion oder neuer Fahrzeuge feststelle, Maßnahmen ergreifen und erforderlichenfalls die Typgenehmigung entziehen müsse, um sicherzustellen, dass die hergestellten Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ in Übereinstimmung gebracht würden. Es gehe bei Art. 12, insbesondere Abs. 3, und Anhang IX der Rahmenrichtlinie nicht bloß darum, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um eine Konformitätsabweichung in der Produktion festzustellen, sondern insbesondere darum, die Konformität der Produktion zu wahren, indem bei Kenntnis einer Konformitätsabweichung die erforderlichen Maßnahmen getroffen würden.

45 Gemäß Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang IV der Rahmenrichtlinie und Art. 5 Abs. 4 der Klimaanlagen-Richtlinie hätten die Fahrzeugtypen 246, 176 und 117 nur unter der Voraussetzung genehmigt werden können, dass das Treibhauspotenzial des in der Klimaanlage dieser Fahrzeuge verwendeten Kältemittels nicht größer sei als 150. Daimler habe jedoch Neufahrzeuge der Typen 246, 176 und 117 hergestellt, die mit einem Kältemittel betrieben worden seien, dessen Treibhauspotenzial größer als 150 gewesen sei, und die daher nicht mit dem genehmigten Fahrzeugtyp übereingestimmt hätten.

46 Die deutschen Behörden hätten eingeräumt, gewusst zu haben, dass Daimler zwischen dem und dem  133 713 nicht konforme Fahrzeuge in den Verkehr gebracht habe.

47 Außer diesen 133 713 Fahrzeugen habe Daimler weiterhin Fahrzeuge hergestellt, die den Typen 246, 176 und 117 entsprächen, indem sie den Typ 245G, einen alten Fahrzeugtyp, für den die Anforderungen der Klimaanlagen-Richtlinie nicht gegolten hätten, auf diese Fahrzeuge erweitert habe. Abgesehen davon, dass ihre Klimaanlagen mit dem Kältemittel R134a betrieben würden, seien die Fahrzeuge der Klassen A…, B… und CLA, die der Erweiterung des Fahrzeugtyps 245G entsprächen, die gleichen wie diejenigen, die als Typen 246, 176, und 117 genehmigt worden seien. Nach einer Schätzung der Kommission seien somit zwischen Anfang 2013 und Ende 2016 ca. 800 000 Fahrzeuge in den Verkehr gebracht worden, die nicht mit ihrer Typgenehmigung übereinstimmten.

48 Die Kommission wirft der Bundesrepublik Deutschland vor, keine Maßnahmen ergriffen zu haben, die eine Wiederherstellung der Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hätten gewährleisten können, wie etwa der Entzug der Typgenehmigung oder der Rückruf und die Reparatur der betreffenden Fahrzeuge.

49 Dem Argument der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Sicherheitsbedenken hinsichtlich der Verwendung des Kältemittels R1234yf in den Fahrzeugen der Typen 246, 176 und 117 hält die Kommission entgegen, dass sich diese Bedenken inzwischen als unbegründet erwiesen hätten. Für die rechtliche Beurteilung der im vorliegenden Fall gerügten Rechtsverstöße komme es im Übrigen gar nicht darauf an, ob die deutschen Behörden aufgrund der Informationen, über die sie verfügten, davon ausgehen mussten, dass die Verwendung dieses Kältemittels ein Risiko für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die menschliche Gesundheit begründe.

50 Die Rahmenrichtlinie enthalte nämlich keine Ausnahmen, die es den Mitgliedstaaten erlaubten, die harmonisierten technischen Anforderungen bei Zweifeln an deren Geeignetheit außer Acht zu lassen, sondern vielmehr eine unbedingte Verpflichtung, die Einhaltung aller technischen Anforderungen zu gewährleisten. Insbesondere hinsichtlich Art. 30 der Rahmenrichtlinie befreiten die von der Beklagten geltend gemachten Verhältnismäßigkeitserwägungen diese nicht von der Verpflichtung, gegen Daimler die notwendigen Maßnahmen anzuordnen, um die Übereinstimmung der fraglichen Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ wiederherzustellen.

51 Schließlich macht die Kommission geltend, dass Art. 29 der Rahmenrichtlinie es dem betreffenden Mitgliedstaat ausnahmsweise erlaube, die Zulassung, den Verkauf oder die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, die trotz ihrer Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ „ein erhebliches Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr darstellen oder die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit ernsthaft gefährden”, für eine Dauer von höchstens sechs Monaten zu untersagen. Die Bundesrepublik Deutschland habe jedoch das hierfür vorgesehene Verfahren nicht durchlaufen.

52 Die Bundesrepublik Deutschland erklärt, dass Daimler sowie andere Organisationen, wie der Verband der Automobilindustrie und die Deutsche Umwelthilfe, gegen Ende des Jahres 2012 auf der Grundlage von ihnen durchgeführter Versuche davon ausgegangen seien, dass die Verwendung des neuen Kältemittels R1234yf in Fahrzeugen ein „nachgewiesenes Sicherheitsrisiko” darstelle. Diese Versuche, in die auch andere Fahrzeugtypen als die von Daimler einbezogen gewesen seien, hätten ergeben, dass es in bestimmten Situationen zu einer plötzlichen und heftigen Entflammung dieses Kältemittels habe kommen können, die einen Fahrzeugvollbrand und hochgiftige Expositionen von Fluorwasserstoff und Carbonylfluorid zur Folge gehabt habe, so dass von unmittelbarer Lebensgefahr für Fahrzeuginsassen und Personen in Fahrzeugnähe auszugehen gewesen sei. Außerdem hätten andere Fahrzeughersteller diese Sichtweise geteilt und im zweiten Halbjahr 2012 ihre Genehmigungen für Fahrzeuge mit dem neuen Kältemittel R1234yf ebenfalls auf ältere Typgenehmigungen umgestellt, die die Nutzung des Kältemittels R134a ermöglicht hätten.

53 Das KBA habe daher in diesem Stadium davon ausgehen müssen, dass die mit dem neuen Kältemittel R1234yf befüllten Fahrzeuge eine ernste Gefahr im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2001/95 darstellten, so dass ihm nicht vorgeworfen werden könne, Daimler nicht zur sofortigen Umrüstung der 133 713 zwischen dem 1. Januar und dem in den Verkehr gebrachten nicht typkonformen Fahrzeuge verpflichtet zu haben. Die Entscheidung des KBA, eigene Untersuchungen durchzuführen, um sodann eine fundierte Entscheidung treffen zu können, stehe völlig im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sei nach intensiver Überprüfung durch die Gemeinsame Forschungsstelle (JRC) der Union für richtig befunden worden. Auch wenn sich im Ergebnis keine hinreichenden Nachweise ergeben hätten, die das Eintreten einer ernsten Gefahr im Sinne der Richtlinie 2001/95 bestätigt und ein unmittelbares Eingreifen erforderlich gemacht hätten, seien gleichwohl Entflammungen und Fluorwasserstoffexpositionen festgestellt worden. Dies sei ein deutlicher Hinweis auf eine weiter gehende Problematik des Kältemitteleinsatzes von R1234yf in Klimaanlagen von Kraftfahrzeugen. Das KBA habe daher aus übergeordneten Sicherheitserwägungen mit Nachdruck empfohlen, weitere Untersuchungen durchzuführen, um potenzielle Risiken besser bewerten zu können.

54 Das KBA habe Daimler siebenmal aufgefordert, für eine Wiederherstellung der Übereinstimmung dieser nicht typkonformen 133 713 Fahrzeuge zu sorgen und die gegebenenfalls hierfür erforderlichen technischen Lösungen zu entwickeln. Mit Schreiben vom habe Daimler dem KBA die von ihr geplanten Maßnahmen zur Absicherung des Einsatzes des neuen Kältemittels in ihren Neufahrzeugen mitgeteilt und mit Schreiben vom 16. und , vom und vom die technischen Lösungen dargelegt, die in Betracht kämen, um die Übereinstimmung der 133 713 nicht typkonformen Fahrzeuge mit den genehmigten Typen durch Umrüstung wiederherzustellen. Da Daimler die Nachrüstung der Fahrzeuge wegen Bedenken hinsichtlich nicht ausreichender Montagequalität nicht vorgenommen habe, habe das KBA eine solche Nachrüstung durch Verwaltungsakt vom angeordnet. Daimler habe diese Anordnung jedoch angefochten, und das Verwaltungsverfahren, in dem sie geprüft werde, sei noch nicht abgeschlossen.

55 Die von der Kommission im Rahmen ihrer ersten Rüge angegebene Zahl von 800 000 Fahrzeugen sei unrichtig, da sie sich auf Fahrzeuge des Typs 245G beziehe.

56 Die Bundesrepublik Deutschland ist der Auffassung, nicht gegen Art. 12 der Rahmenrichtlinie verstoßen zu haben. Nach ihrem Verständnis betrifft diese Vorschrift nicht die Überwachung der Fahrzeuge selbst, sondern die Überwachung, ob entsprechende Vorkehrungen getroffen worden seien, die dann die Konformität der Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ sicherstellten. Im vorliegenden Fall bestünden keine Anzeichen dafür, dass das Qualitätsmanagement von Daimler nicht funktioniert habe. Anders als die Kommission meine, müsse in der Konformitätsabweichung nicht automatisch ein Verstoß gegen die Überwachung des Qualitätsmanagements liegen. Vielmehr sei das KBA frühzeitig informiert gewesen, dass es ab dem eine Abweichung dahin gehend geben würde, dass statt des vorgeschriebenen Kältemittels R1234yf weiterhin das Kältemittel R134a verwendet werde.

57 Die Bundesrepublik Deutschland habe auch nicht gegen Art. 30 der Rahmenrichtlinie verstoßen. Diese Vorschrift räume den Behörden der Mitgliedstaaten ausdrücklich einen Ermessensspielraum ein. In der in dieser Vorschrift enthaltenen Formulierung „ergreift er die notwendigen Maßnahmen” komme der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zum Ausdruck und werde das Gebot an die Mitgliedstaaten aufgestellt, gestaffelt vorzugehen und erst als ultima ratio die Typgenehmigung zu entziehen, wie sich aus der ebenfalls in dieser Vorschrift enthaltenen Formulierung „einschließlich erforderlichenfalls” ergebe.

58 Art. 30 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie sehe keine Frist vor. Die Frist von vier Monaten, die das KBA Daimler mit Schreiben vom gewährt habe, um die notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Übereinstimmung zu treffen, sei angesichts der in Art. 30 Abs. 3 und 4 vorgesehenen Frist von sechs Monaten nicht zu lang gewesen.

59 Der vom KBA in diesem Schreiben angedrohte Entzug der Typgenehmigung für den Fall, dass der Hersteller der Anordnung, die betreffenden Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ in Übereinstimmung zu bringen, bis zum nicht befolgte, habe nicht mehr erfolgen können, da Daimler die Produktion dieser Fahrzeuge vor Ablauf dieser Frist endgültig eingestellt habe. Im Übrigen enthalte die Rahmenrichtlinie keine Regelungen dazu, was mit bis zum Entzug der Typgenehmigung produzierten und in Verkehr gebrachten Fahrzeugen zu geschehen habe. Art. 32 dieser Richtlinie sehe den Rückruf von Fahrzeugen vor, allerdings nur wenn von ihnen „ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht”. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Der Konformitätsverstoß bedeute keine Risikoerhöhung in Bezug auf die Verkehrssicherheit und die öffentliche Gesundheit und lasse angesichts der Übergangsregelungen der Klimaanlagen-Richtlinie, die die Fortführung des Einsatzes des alten Kältemittels bei Millionen neuer Fahrzeuge bis zum Ende der sechsjährigen Übergangsfrist am gestattet hätten, und der zahlreichen Fahrzeuge wie Busse und Nutzfahrzeuge, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fielen, nur einen marginalen Einfluss auf die Umwelt erwarten.

60 Eine Anordnung der sofortigen Umrüstung der betreffenden Fahrzeuge hätte nach Auffassung der Bundesrepublik Deutschland angesichts des Umstands, dass eine solche Umrüstung zum damaligen Zeitpunkt unmöglich gewesen sei, zu einer faktischen Stilllegung der Fahrzeuge geführt und einen schweren wirtschaftlichen Schaden für die Fahrzeugeigentümer mit marktbeeinflussenden Auswirkungen für Daimler und angeschlossene Wirtschaftsunternehmen in der gesamten Union bedeutet.

Würdigung durch den Gerichtshof

61 Die beanstandeten Handlungen, die Auslegung von Art. 12 und Art. 30 der Rahmenrichtlinie sowie schließlich das von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachte Verteidigungsmittel bezüglich der Fahrzeugsicherheit sind nacheinander zu prüfen.

62 Die Handlungen, die der Bundesrepublik Deutschland von der Kommission vorgeworfen werden, betreffen insbesondere 133 713 nicht mit den genehmigten Typen 246, 176 und 117 übereinstimmende Fahrzeuge, die von Daimler zwischen dem 1. Januar und dem , dem Zeitpunkt zu dem Daimler dem KBA mitteilte, die Produktion dieser Fahrzeuge endgültig eingestellt zu haben, in den Verkehr gebracht wurden. Die Kommission beanstandet im Rahmen der ersten Rüge auch das Inverkehrbringen von etwa 800 000 nicht typkonformen Fahrzeugen zwischen Anfang 2013 und Ende 2016. Wie die Kommission in ihrer Erwiderung präzisiert hat, setzt sich die Zahl von etwa 800 000 Fahrzeugen zusammen aus den 133 713 nicht mit den genehmigten Typen 246, 176 und 117 übereinstimmenden Fahrzeugen sowie den diesen Typen entsprechenden Fahrzeugen, auf die der Typ 245G, ein älterer Fahrzeugtyp, für den die Anforderungen der Klimaanlagen-Richtlinie nicht galten, erweitert wurde. Um die letztgenannten Fahrzeuge geht es auch in der dritten Rüge der Kommission, mit der sie der Beklagten eine Umgehung dieser Richtlinie vorwirft.

63 Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission nicht gleichzeitig im Rahmen der ersten Rüge beanstanden kann, dass die genannten Fahrzeuge nicht in Übereinstimmung mit den genehmigten Typen 246, 176 und 117 produziert worden seien, und im Rahmen der dritten Rüge, dass für ihre Produktion eine Erweiterung des Typs 245G verwendet worden sei.

64 Da von der Kommission nicht bestritten wird, dass die Produktion von Fahrzeugen der genehmigten Typen 246, 176 und 117, wie Daimler dem KBA mitteilte, am endgültig eingestellt wurde, sind im Rahmen der vorliegenden Rüge andere Fahrzeuge als die 133 713 nicht mit diesen genehmigten Typen übereinstimmenden Fahrzeuge, die von Daimler bis zu diesem Zeitpunkt in den Verkehr gebracht wurden, nicht zu berücksichtigen.

65 Die Bundesrepublik Deutschland bestreitet nicht, dass diese 133 713 Fahrzeuge insofern nicht mit den nach dem genehmigten Typen 246, 176 und 117 übereinstimmten, als sie nicht mit dem für diese genehmigten Typen deklarierten Kältemittel R1234yf ausgerüstet waren, sondern mit einem Kältemittel, dessen Treibhauspotenzial den nach Art. 5 Abs. 4 der Klimaanlagen-Richtlinie vorgesehenen Referenzwert von 150 überschritt. Sie ist jedoch der Auffassung, dass sie weder gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 noch aus Art. 30 der Rahmenrichtlinie verstoßen habe, da zum einen das KBA seit Ende 2012 über die Konformitätsabweichung informiert gewesen sei, was zeige, dass die nach Art. 12 vorgesehene Überwachung des Qualitätsmanagements effizient funktioniert habe, und zum anderen Art. 30 den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum einräume. Im vorliegenden Fall sei das KBA unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit im Einklang mit dem Wortlaut dieser Vorschrift und der Notwendigkeit vorgegangen, für die Sicherheit und menschliche Gesundheit sowie den Schutz der Umwelt zu sorgen.

66 Was Art. 12 der Rahmenrichtlinie betrifft, bezieht sich die erste Rüge der Kommission im Wesentlichen auf Abs. 3 dieses Artikels, in dem es um die Maßnahmen geht, die von den Mitgliedstaaten zu ergreifen sind, wenn die Produktion von Fahrzeugen nicht mit einer Typgenehmigung übereinstimmt, und nicht auf dessen Abs. 1, der sich auf die Kontrolle der Vorkehrungen bezieht, die von den Unternehmen zu treffen sind, um sicherzustellen, dass die Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ übereinstimmen.

67 Der Bundesrepublik Deutschland wird nämlich nicht vorgeworfen, dass sie gegen die Verpflichtung zur Prüfung, ob Konformitätsabweichungen der Produktion bestehen, verstoßen habe, sondern dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um die Übereinstimmung der Produktion wiederherzustellen, obgleich Art. 12 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie vorsieht, dass ein Mitgliedstaat, der eine EG-Typgenehmigung erteilt hat, wenn er feststellt, dass die Vorkehrungen hinsichtlich der Übereinstimmung der Produktion nicht angewandt werden, erheblich von den festgelegten Vorkehrungen und Kontrollplänen abweichen oder nicht mehr angewandt werden, obwohl die Produktion nicht eingestellt wurde, „die erforderlichen Maßnahmen – einschließlich des Entzugs der Typgenehmigung – [ergreift]”, um sicherzustellen, dass das Verfahren zur Gewährleistung der Übereinstimmung der Produktion ordnungsgemäß eingehalten wird.

68 Auch Art. 30 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie sieht vor, dass ein Mitgliedstaat, der eine EG-Typgenehmigung erteilt hat, wenn er feststellt, dass neue Fahrzeuge, die mit einer Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind, nicht mit dem Typ übereinstimmen, für den er die Genehmigung erteilt hat, „die notwendigen Maßnahmen, einschließlich erforderlichenfalls eines Entzugs der Typgenehmigung [ergreift]”, um sicherzustellen, dass die Fahrzeuge mit dem jeweils genehmigten Typ in Übereinstimmung gebracht werden.

69 Aus dem Wortlaut dieser Vorschriften ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der Maßnahmen, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass die Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ in Übereinstimmung gebracht werden, über ein Ermessen verfügen.

70 Außerdem ergibt sich aus der Rahmenrichtlinie, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein genehmigter Typ eine ernste Gefahr darstellt, die erst nach der Genehmigung entdeckt wird. So sieht Art. 29 dieser Richtlinie vor, dass ein Mitgliedstaat die Zulassung oder den Verkauf oder die Inbetriebnahme neuer Fahrzeuge, Bauteile oder selbständiger technischer Einheiten in seinem Hoheitsgebiet untersagen kann, wenn er feststellt, dass sie ein erhebliches Risiko für die Sicherheit im Straßenverkehr darstellen oder die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit ernsthaft gefährden, obwohl sie den für sie geltenden Anforderungen entsprechen. Zudem betrifft Art. 32 der Rahmenrichtlinie den Fall, dass bereits verkaufte, zugelassene oder in Betrieb genommene Fahrzeuge zurückgerufen werden, weil von einem oder mehreren Systemen oder Bauteilen oder von einer oder mehreren selbständigen technischen Einheiten, mit denen diese Fahrzeuge ausgerüstet sind, ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht, unabhängig davon, ob sie nach der Rahmenrichtlinie ordnungsgemäß genehmigt sind.

71 Entsprechend sind die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, vom Hersteller der betreffenden Fahrzeuge darüber informiert werden, dass diese nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen, und wenn die fehlende Übereinstimmung mit der Vorlage objektiver zuverlässiger und ernsthafter Anhaltspunkte dafür, dass im Fall der Einhaltung der geltenden Anforderungen eine ernste Gefahr für die menschliche Gesundheit und Sicherheit oder die Umwelt besteht, begründet wird, im Rahmen der Art. 12 und 30 der Rahmenrichtlinie berechtigt, nicht sofort den Rückruf und die Umrüstung der betreffenden Fahrzeuge anzuordnen oder die betreffende Typgenehmigung zu entziehen, und eine eigene Risikobewertung vorzunehmen, bevor sie gegebenenfalls beschließen, den Rückruf und die Umrüstung oder sogar den Entzug der Typgenehmigung anzuordnen.

72 Wie in den Art. 29 und 32 der Rahmenrichtlinie vorgesehen, hat der Mitgliedstaat gleichwohl unverzüglich der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten die ernste Gefahr, von der er Kenntnis erlangt hat, und gegebenenfalls die Maßnahmen, die der Hersteller zur Beseitigung der fraglichen Gefahr vorgeschlagen hat, mitzuteilen.

73 Stellt sich jedoch nach dieser Bewertung heraus, dass die geltend gemachte ernste Gefahr nicht erwiesen ist, hat der Mitgliedstaat unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Übereinstimmung der fraglichen Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ wiederhergestellt wird.

74 Da nämlich das durch die Rahmenrichtlinie eingeführte Genehmigungsverfahren, wie aus dem zweiten Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, auf dem Grundsatz einer vollständigen Harmonisierung beruht, können die Mitgliedstaaten nicht aufgrund des ihnen in den Art. 12 und 30 der Rahmenrichtlinie eingeräumten Ermessen berechtigt sein, die Notwendigkeit, dieses Konformitätsziel zu erreichen, selbst zu bewerten.

75 Wie der Generalanwalt in Nr. 67 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, würde dem vereinheitlichten System der Typgenehmigung nach der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit den Rechtsakten jede praktische Wirksamkeit genommen, wenn den Mitgliedstaaten gestattet würde, die Notwendigkeit der Erreichung dieses Konformitätsziels selbst zu bewerten.

76 In diesem Zusammenhang kann als Anhaltspunkt noch darauf hingewiesen werden, dass nach Art. 30 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie der Mitgliedstaat, der die EG-Typgenehmigung erteilt hat, wenn er von einem anderen Mitgliedstaat aufgefordert wird, sich der Übereinstimmung zu vergewissern, die hierzu notwendigen Maßnahmen auf jeden Fall innerhalb von sechs Monaten ab dem Datum der Aufforderung zu ergreifen hat. Art. 30 Abs. 4 der Rahmenrichtlinie sieht unter den in diesem Absatz genannten Umständen ebenfalls eine Frist von höchstens sechs Monaten vor.

77 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass die deutschen Behörden mit der Kommission in ständigem Kontakt standen.

78 Gleichwohl haben sie verspätet auf die fehlende Übereinstimmung der Fahrzeuge der Typen 246, 176 und 117 mit den genehmigten Typen reagiert. Denn die von Daimler gehegten Zweifel an der Sicherheit des Kältemittels R1234yf waren ihnen im September 2012 mitgeteilt worden, am ersuchte die Kommission um Auskünfte und versandte am ein Aufforderungsschreiben sowie am eine mit Gründen versehene Stellungnahme. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass die deutschen Behörden bereits am nach Abschluss einer ersten Versuchsphase festgestellt hatten, dass keine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass sich die von Daimler geltend gemachten ernsten Gefahren für die menschliche Gesundheit und Sicherheit sowie die Umwelt verwirklichen würden. Zudem räumen die deutschen Behörden ein, dass Daimler mit Schreiben vom bestätigt hatte, Maßnahmen zur Absicherung des Einsatzes des neuen Kältemittels in ihren Neufahrzeugen gefunden zu haben, und bereits im Dezember 2015 technische Lösungen dargelegt hatte, die in Betracht kämen, um die Übereinstimmung der 133 713 nicht typkonformen Fahrzeuge mit den genehmigten Typen durch Umrüstung wiederherzustellen. Doch erst am , d. h. mehr als zwei Jahre nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme angegebenen Frist von zwei Monaten, hat das KBA durch Verwaltungsakt gegenüber dem Hersteller Daimler angeordnet, die 133 713 Fahrzeuge durch Umrüstung in Übereinstimmung zu bringen.

79 Nach alledem ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus der Klimaanlagen-Richtlinie und den Art. 12 und 30 der Rahmenrichtlinie verstoßen hat, indem sie es versäumt hat, innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgesehenen Frist die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Übereinstimmung von 133 713 Fahrzeugen der Typen 246, 176 und 117 mit ihren genehmigten Typen wiederherzustellen, die von Daimler vom 1. Januar bis zum in den Verkehr gebracht wurden, obwohl sie nicht mit dem für die genehmigten Typen deklarierten Kältemittel R1234yf, sondern mit einem Kältemittel ausgerüstet waren, dessen Treibhauspotenzial-Wert unter Verstoß gegen die Obergrenze in Art. 5 Abs. 4 der Klimaanlagen-Richtlinie über 150 betrug.

Zweite Rüge: Verstoß gegen die Klimaanlagen-Richtlinie und die Rahmenrichtlinie, insbesondere Art. 46 in Verbindung mit den Art. 5 und 18

Vorbringen der Parteien

80 Mit ihrer zweiten Rüge begehrt die Kommission die Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen die Klimaanlagen-Richtlinie und die Rahmenrichtlinie, insbesondere Art. 46 in Verbindung mit den Art. 5 und 18, verstoßen hat, indem sie nicht die zur Durchführung der Sanktionen notwendigen Maßnahmen ergriffen hat.

81 In ihrer Klageschrift macht sie geltend, Daimler habe Art. 5 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie nicht beachtet, wonach der Hersteller für die konsistente Einhaltung aller Anforderungen, die Voraussetzung für die Genehmigung des entsprechenden Fahrzeugtyps gewesen seien, Sorge zu tragen habe. Daimler produziere nämlich seit Januar 2013 Fahrzeuge der Typen 246, 176 und 117, deren Klimaanlagen im Widerspruch zu ihren genehmigten Typen mit einem Kältemittel betrieben würden, dessen Treibhauspotenzial über dem nach Art. 5 Abs. 4 der Klimaanlagen-Richtlinie erlaubten Höchstwert liege, und bringe diese Fahrzeuge in den Verkehr.

82 Daimler habe auch gegen Art. 18 in Verbindung mit Anhang IX der Rahmenrichtlinie verstoßen, wonach die Hersteller jedem Fahrzeug, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt worden sei, eine Übereinstimmungsbescheinigung beilegen müssten, wobei eine solche Bescheinigung, wie sich aus Anhang IX der Rahmenrichtlinie ergebe, eine Erklärung des Fahrzeugherstellers darstelle, in der er dem Fahrzeugkäufer versichere, dass das erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Union geltenden Rechtsvorschriften übereingestimmt habe. Ab Januar 2013, als die Typen 246, 176 und 117 nicht mehr in Übereinstimmung mit ihren genehmigten Typen hergestellt worden seien, habe die Erklärung von Daimler in den Übereinstimmungsbescheinigungen nicht mehr der Realität entsprochen.

83 Indem sie keine Sanktionen gegen Daimler verhängt habe, habe die Bundesrepublik Deutschland gegen Art. 46 der Rahmenrichtlinie verstoßen, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, für Rechtsverstöße der Hersteller gegen die Vorschriften der Rahmenrichtlinie in ihrem nationalen Recht wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen festzulegen.

84 Die Bundesrepublik Deutschland macht in ihrer Klagebeantwortung geltend, dass es erst zur Verhängung von Sanktionen kommen könnte, wenn die Nachrüstung der betreffenden Fahrzeuge angeordnet würde und Daimler dieser Anordnung nicht nachkäme. In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland erklärt, dass das KBA im Jahr 2017 eine Nachrüstungsmaßnahme angeordnet und Daimler diese Anordnung angefochten habe. Das Verwaltungsverfahren, in dem diese Anordnung geprüft werde, laufe noch. Ein Verstoß gegen Art. 46 der Rahmenrichtlinie liege nicht vor, da vor dem Abschluss dieses Verwaltungsverfahrens keine Sanktion möglich sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

85 Die Bundesrepublik Deutschland stellt nicht in Abrede, dass Daimler gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 5 und 18 der Rahmenrichtlinie verstoßen hat. Sie ist jedoch der Ansicht, dass die Nichterfüllung dieser Verpflichtungen durch Daimler nicht als solche zu ahnden sei, sondern nur als Folge der unterbliebenen Durchführung der Maßnahmen zur Wiederherstellung der Übereinstimmung nach den Art. 12 und 30 der Rahmenrichtlinie.

86 Die Art. 12 und 30 der Rahmenrichtlinie regeln die Pflichten, die den Mitgliedstaaten obliegen, damit gewährleistet ist, dass Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbständige technische Einheiten mit dem genehmigten Typ übereinstimmen, wohingegen die Art. 5 und 18 dieser Richtlinie die Pflichten der Hersteller betreffen. Diese sind u. a. für die Sicherstellung der Übereinstimmung der Produktion verantwortlich und für die Ausstellung einer Übereinstimmungsbescheinigung, die jedem Fahrzeug, das in Übereinstimmung mit dem genehmigten Typ hergestellt wurde, beizulegen ist. Nach Art. 46 der Rahmenrichtlinie legen die Mitgliedstaaten die Sanktionen fest, die bei Verstößen gegen diese Richtlinie anzuwenden sind, und ergreifen alle Maßnahmen, die für ihre Durchführung mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen erforderlich sind.

87 Wie der Generalanwalt in Nr. 95 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, werden mit Art. 46 der Rahmenrichtlinie andere Zwecke als mit den Art. 12 und 30 dieser Richtlinie verfolgt. Während Letztere die Beachtung der in den Rechtsakten enthaltenen technischen Anforderungen gewährleisten sollen, dient Art. 46 in erster Linie dem Ziel der Schaffung und des Funktionierens eines Binnenmarkts mit fairem Wettbewerb zwischen den Herstellern. Über diesen Zweck hinaus sollen die in Art. 46 der Rahmenrichtlinie vorgesehenen Sanktionen auch gewährleisten, dass der Käufer eines Fahrzeugs im Besitz einer Übereinstimmungsbescheinigung ist, die es ihm erlaubt, das Fahrzeug gemäß Anhang IX dieser Richtlinie in jedem Mitgliedstaat zuzulassen, ohne zusätzliche technische Unterlagen vorlegen zu müssen.

88 Jedenfalls ist erwiesen, wie in Rn. 79 des vorliegenden Urteils festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch, dass sie nicht innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgesehenen Frist die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat, um die Übereinstimmung von Fahrzeugen der Typen 246, 176 und 117 mit ihren genehmigten Typen wiederherzustellen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 12 und 30 der Rahmenrichtlinie verstoßen hat.

89 Daher ist der zweiten Rüge der Kommission stattzugeben und festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen die Klimaanlagen-Richtlinie und Art. 46 in Verbindung mit den Art. 5 und 18 der Rahmenrichtlinie verstoßen hat, dass sie nicht innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist die zur Durchführung der in Art. 46 der Rahmenrichtlinie genannten Sanktionen erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um dafür zu sorgen, dass die Hersteller die Art. 5 und 18 der Rahmenrichtlinie, die sich auf die Übereinstimmung der Produktion und die Ausstellung einer Übereinstimmungsbescheinigung beziehen, beachten.

Dritte Rüge: Verstoß gegen die Klimaanlagen-Richtlinie und die Rahmenrichtlinie, insbesondere Umgehung der Klimaanlagen-Richtlinie

Vorbringen der Parteien

90 Mit ihrer dritten Rüge beantragt die Kommission die Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen die Klimaanlagen-Richtlinie verstoßen hat, indem sie diese dadurch umgangen hat, dass sie am einem Antrag von Daimler auf Erweiterung des bestehenden Fahrzeugtyps 245G um Fahrzeuge stattgegeben hat, für die zuvor bereits eine andere Typgenehmigung erteilt worden war, auf die die neuen Voraussetzungen dieser Richtlinie anwendbar sind.

91 Sie führt aus, dass gemäß Art. 14 der Rahmenrichtlinie ein genehmigter Typ um weitere Fahrzeuge, die sich vom ursprünglich genehmigten Typ unterschieden, erweitert werden könne, wenn diese Fahrzeuge zum einen die rechtlichen Voraussetzungen erfüllten, die für die Erteilung der ursprünglichen Typgenehmigung gegolten hätten, und zum anderen dem ursprünglich genehmigten Typ so ähnlich seien, dass sie anhand der Merkmale des Anhangs II Teil B der Rahmenrichtlinie zu diesem Typ gezählt werden könnten.

92 Im vorliegenden Fall handele es sich nicht um eine solche Erweiterung des Fahrzeugtyps 245G. Der im Jahr 2008, also zu einer Zeit, als die Klimaanlagen-Richtlinie noch nicht gegolten habe, genehmigte Fahrzeugtyp 245G sei nämlich um Fahrzeuge erweitert worden, die zu einer Zeit, als diese Richtlinie galt, bereits als Typen 246, 176 und 117 genehmigt und hergestellt worden seien. Art. 6 Abs. 6 der Rahmenrichtlinie sehe jedoch vor, dass ein bereits genehmigter Fahrzeugtyp nicht erneut genehmigt werden könne. Folglich stelle der als Erweiterung des Typs 245G getarnte Austausch der Typgenehmigungen 246, 176 und 117 eine Umgehung des Unionsrechts dar.

93 Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, dass die Gültigkeit der Typgenehmigungen 246, 176 und 117 mit der Einstellung der Produktion der streitigen Typen durch das Unternehmen am erloschen sei. Der Fahrzeugtyp 245G sei von den deutschen Behörden ab Mai 2013 um weitere Varianten mit dem alten Kältemittel im Rahmen des gesetzlich Zulässigen erweitert worden.

94 Die Rahmenrichtlinie definiere den „Fahrzeugtyp” flexibel. Anhang II der Rahmenrichtlinie lasse ausdrücklich zu, dass der Hersteller den Umfang eines Typs und damit den Umfang der Typgenehmigung unter Beachtung der typabgrenzenden Merkmale selbst bestimmen könne. Zur Untermauerung ihrer Argumentation verweist die Bundesrepublik auf die Verordnung Nr. 678/2011, durch die die Rahmenrichtlinie, um die Ungenauigkeit der Kriterien dieser Richtlinie zu beheben, dahin geändert worden sei, dass die Begriffe „Typgenehmigung” und „Erweiterung” überarbeitet und die Kriterien zur Einordnung eines neuen Fahrzeugmodells als neuer Fahrzeugtyp genauer gefasst worden seien.

95 Die Kommission setze in fälschlich-vereinfachender Betrachtung den im Marketing verwendeten Begriff der Modellreihe bzw. der „Klasse” („A-Klasse”, „B-Klasse”, „neue B-Klasse”) mit der Typgenehmigung gleich. Die ab dem gebauten Fahrzeuge der A-Klasse, B-Klasse und CLA-Klasse auf Basis des Fahrzeugtyps 245G unterschieden sich von den alten Typen 246, 176 und 117 nicht nur in der Typbezeichnung, sondern auch in verschiedenen technischen Details und in den Systemgenehmigungen.

96 Hinsichtlich der Beachtung der Klimaanlagen-Richtlinie weist die Bundesrepublik Deutschland darauf hin, dass diese Richtlinie ausdrücklich eine Übergangsfrist bis zum vorsehe, bis zu der aufgrund alter erweiterter Typgenehmigungen noch Neuzulassungen von Fahrzeugen, die das alte Kältemittel verwendeten, hätten erfolgen dürfen. Somit handele es sich nicht um eine unzulässige Umgehung der Klimaanlagen-Richtlinie.

Würdigung durch den Gerichtshof

97 Mit ihrer dritten Rüge wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen vor, die Vorschriften der Klimaanlagen-Richtlinie umgangen und gegen die Rahmenrichtlinie verstoßen zu haben, indem sie am einem Antrag von Daimler auf Erweiterung der bestehenden Typgenehmigung 245G auf Fahrzeuge, die zuvor bereits als Typen 246, 176 und 117 genehmigt worden seien, stattgegeben habe. Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, dass diese Fahrzeuge nicht identisch gewesen seien.

98 Wie der Generalanwalt in Nr. 112 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nimmt die Kommission insoweit lediglich Bezug auf die Handelsnamen der von Daimler hergestellten Fahrzeuge. Darüber hinaus bringt sie in ihrer Klageschrift keinen konkreten Nachweis dafür bei, dass die technischen Eigenschaften der nach dem hergestellten Fahrzeuge, für die die Erweiterung des Typs 245G gewährt wurde, mit den Typen 246, 176 und 117 übereinstimmten.

99 Außerdem verschafft die vorliegend anwendbare Regelung, wie der Generalanwalt in den Nrn. 113 und 114 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dem Hersteller einen bestimmten Spielraum. Aus der Rahmenrichtlinie, insbesondere ihrem Anhang II, ergibt sich nämlich, dass der Hersteller den Umfang eines Fahrzeugtyps selbst bestimmen kann. Aus Kapitel V dieser Richtlinie ergibt sich zudem, dass die Erweiterung älterer Typgenehmigungen zulässig ist. Für die weite Auslegung der Rahmenrichtlinie spricht der dritte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 678/2011, durch die diese Richtlinie geändert wurde, wonach „[d]ie Erfahrung zeigt, dass die derzeitigen Kriterien zur Einordnung eines neuen Fahrzeugmodells als neuen Fahrzeugtyp zu ungenau sind”.

100 Aus alledem ergibt sich, dass die Kommission insoweit keine ausreichenden Belege für ihre dritte Rüge beigebracht hat.

101 Die Kommission trägt darüber hinaus im Wesentlichen vor, dass der Zweck der in Art. 14 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie vorgesehenen Erweiterung es nicht gestatte, dass sich ein Hersteller der Anwendbarkeit von Rechtsvorschriften, die für Fahrzeuge neuer genehmigter Typen gelten, dadurch entziehe, dass er einen anderen, vor dem Inkrafttreten dieser Vorschriften genehmigten Fahrzeugtyp auf neu zugelassene Fahrzeuge erweitere. Eine solche Erweiterung liefe dem Zweck der Rahmenrichtlinie zuwider, zu gewährleisten, dass neu zugelassene Fahrzeuge ein hohes Niveau an Sicherheit und Umweltschutz erfüllten.

102 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Art. 14 Abs. 2 der Rahmenrichtlinie ergibt, dass es sich um eine Erweiterung eines genehmigten Fahrzeugtyps handelt, wenn weitere Kontrollen oder neue Prüfungen erforderlich sind, wenn Angaben im Typgenehmigungsbogen geändert wurden und wenn neue harmonisierte technische Anforderungen, die für den betreffenden genehmigten Fahrzeugtyp gelten, in Kraft treten.

103 Wie der Generalanwalt in Nr. 121 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich jedoch weder aus Art. 14 noch aus einer anderen Vorschrift des betreffenden vereinheitlichten Systems, dass die beantragte Erweiterung unter dem Gesichtspunkt der Erreichung der Ziele der Rahmenrichtlinie in Bezug auf die Sicherheit und den Umweltschutz durch einen technischen Fortschritt vorherbestimmt sein muss.

104 Hinzu kommt, dass Art. 5 Abs. 5 der Klimaanlagen-Richtlinie ausdrücklich einen Übergangszeitraum bis vorsieht. Bis dahin konnten neue Zulassungen von Fahrzeugen, in denen das alte Kältemittel verwendet wurde, noch auf der Grundlage älterer, erweiterter Typgenehmigungen erfolgen, während die betreffenden technischen Anforderungen für neue Typgenehmigungen bereits ab in Kraft waren. Die Richtlinie verfolgt daher, wie der Generalanwalt in Nr. 123 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, einen schrittweisen Ansatz.

105 Aus dem Vorstehenden kann demnach nicht der Schluss gezogen werden, dass die von Daimler beantragte und vom KBA zugelassene Erweiterung der Typgenehmigung nicht mit der Rahmenrichtlinie und der Klimaanlagen-Richtlinie vereinbar war.

106 Infolgedessen hat die Kommission weder nachgewiesen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen die Rahmenrichtlinie verstoßen hat, noch, dass sie Daimler ermöglicht hat, die Klimaanlagen-Richtlinie zu umgehen.

107 Daraus folgt, dass die dritte Rüge der Kommission nicht begründet ist.

108 Nach alledem ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland

  • gegen ihre Verpflichtungen aus der Klimaanlagen-Richtlinie und den Art. 12 und 30 der Rahmenrichtlinie verstoßen hat, indem sie es versäumt hat, innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgesehenen Frist die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Übereinstimmung von 133 713 Fahrzeugen der Typen 246, 176 und 117 mit ihren genehmigten Typen wiederherzustellen, die von Daimler vom 1. Januar bis zum in den Verkehr gebracht wurden, obwohl sie nicht mit dem für die genehmigten Typen deklarierten Kältemittel R1234yf, sondern mit einem Kältemittel ausgerüstet waren, dessen Treibhauspotenzial-Wert unter Verstoß gegen die Obergrenze in Art. 5 Abs. 4 der Klimaanlagen-Richtlinie über 150 betrug,

  • gegen ihre Verpflichtungen aus der Klimaanlagen-Richtlinie und Art. 46 in Verbindung mit den Art. 5 und 18 der Rahmenrichtlinie verstoßen hat, indem sie es versäumt hat, innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist die zur Durchführung der in Art. 46 der Rahmenrichtlinie genannten Sanktionen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dafür zu sorgen, dass die Hersteller die Art. 5 und 18 der Rahmenrichtlinie, die sich auf die Übereinstimmung der Produktion und die Ausstellung einer Übereinstimmungsbescheinigung beziehen, beachten.

109 Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

Kosten

110 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

111 Im vorliegenden Fall haben die Kommission und die Bundesrepublik Deutschland beantragt, der jeweils anderen Partei die Kosten aufzuerlegen.

112 Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint. Im vorliegenden Fall sind der Bundesrepublik Deutschland gemäß dieser Bestimmung ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten der Kommission aufzuerlegen.

113 Die Kommission hat die Hälfte ihrer eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

  1. Die Bundesrepublik Deutschland hat

    • gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates sowie aus den Art. 12 und 30 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 371/2010 der Kommission vom geänderten Fassung verstoßen, indem sie es versäumt hat, innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgesehenen Frist die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Übereinstimmung von 133 713 Fahrzeugen der Typen 246, 176 und 117 mit ihren genehmigten Typen wiederherzustellen, die von der Daimler AG vom 1. Januar bis zum in den Verkehr gebracht wurden, obwohl sie nicht mit dem für die genehmigten Typen deklarierten Kältemittel R1234yf, sondern mit einem Kältemittel ausgerüstet waren, dessen Treibhauspotenzial-Wert unter Verstoß gegen die Obergrenze in Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2006/40 über 150 betrug, und

    • gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/40 und Art. 46 in Verbindung mit den Art. 5 und 18 der Richtlinie 2007/46 in der Fassung der Verordnung Nr. 371/2010 verstoßen, indem sie es versäumt hat, innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist die zur Durchführung der in Art. 46 der Richtlinie 2007/46 genannten Sanktionen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dafür zu sorgen, dass die Hersteller die Art. 5 und 18 dieser Richtlinie, die sich auf die Übereinstimmung der Produktion und die Ausstellung einer Übereinstimmungsbescheinigung beziehen, beachten.

  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  3. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten der Europäischen Kommission.

  4. Die Europäische Kommission trägt die Hälfte ihrer eigenen Kosten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2018:802

Fundstelle(n):
XAAAG-96388