BFH Urteil v. - II R 14/13

Keine Berücksichtigung der Zweckbindung nach dem Wohnraumförderungsgesetz bei Einheitsbewertung

Leitsatz

NV: Die nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt eingeführte Zweckbindung nach dem Wohnraumförderungsgesetz kann bei Nachfeststellungen oder Wertfortschreibungen nicht berücksichtigt werden.

Gesetze: BewG § 22 Abs. 4 Satz 2; BewG § 27; BewG § 79 Abs. 5;

Instanzenzug: (EFG 2013, 759),

Tatbestand

I.

1 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichtete im Jahr 2007 auf einem ihm gehörenden Grundstück unter Inanspruchnahme von Baudarlehen nach dem Wohnraumförderungsgesetz vom (BGBl I 2001, 2376) mit späteren Änderungen ein Haus mit sechs Mietwohnungen. Aufgrund dieser Förderung unterliegt der Kläger hinsichtlich der Wohnungen für die Dauer von 20 Jahren einer Miet- und Belegungsbindung (Zweckbindung).

2 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) stellte den Einheitswert für das Grundstück (Grundstücksart: Mietwohngrundstück, § 76 Abs. 1 Nr. 1 des BewertungsgesetzesBewG—) auf den durch Bescheide vom und durch Art- und Wertfortschreibung (§ 22 BewG) auf 70.762 € (138.400 DM) fest. Der gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 78 bis 80 BewG im Ertragswertverfahren erfolgten Feststellung des Einheitswerts legte das FA eine Jahresrohmiete von 14.275 DM und einen Vervielfältiger von 9,7 zugrunde. Die angesetzte Monatsmiete von 3,40 DM/qm schätzte das FA aufgrund der in einem Mietspiegel auf den für Gemeinden mit einer Einwohnerzahl bis 5 000 für frei finanzierte und nicht steuerbegünstigte Nachkriegsbauten mit guter Ausstattung ausgewiesenen Mietwertspanne.

3 Mit der Einspruchsentscheidung vom setzte das FA den Einheitswert ausgehend von einer Jahresrohmiete von 12.624 DM (3 DM/qm monatlich) auf 62.582 € (122.400 DM) herab.

4 Das Finanzgericht (FG) wies die auf Herabsetzung des Einheitswerts auf 42.120 € (82.400 DM) gerichtete Klage mit der Begründung ab, das FA habe den Einheitswert zu Recht unter Ansatz einer ortsüblichen Miete anstelle der Miete für öffentlich geförderte Wohnungen festgestellt. Die aufgrund der öffentlichen Förderung bestehende Zweckbindung könne bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden, weil das Wohnraumförderungsgesetz erst nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt erlassen worden sei und sich von der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Wohnbauförderung in verschiedener Hinsicht unterscheide. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 759 veröffentlicht.

5 Mit der Revision vertritt der Kläger die Ansicht, die aufgrund der öffentlichen Förderung bestehende Zweckbindung müsse bei der Bewertung berücksichtigt werden.

6 Auf den (BFH/NV 2015, 475) entschied das u.a. (Deutsches Steuerrecht —DStR— 2018, 791), dass die §§ 19, 20, 21, 22, 23, 27, 76, 79 Abs. 5, § 93 Abs. 1 Satz 2 BewG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes vom (BGBl I 1970, 1118), soweit sie bebaute Grundstücke außerhalb des Bereichs der Land- und Forstwirtschaft und außerhalb des in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiets betreffen, jedenfalls seit dem unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sind. Der Gesetzgeber ist nach dem Urteil verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellten Regeln über die Einheitsbewertung weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen die beanstandeten Regelungen für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum angewandt werden. Den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12, über die das BVerfG mit dem Urteil in DStR 2018, 791, ebenfalls entschied, gab das Gericht daher nur insoweit statt, als es feststellte, dass die angegriffenen BFH-Beschlüsse vom II B 74/10 und vom II B 110/11 sowie die vorangegangenen finanzgerichtlichen Urteile und Verwaltungsakte die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Aufgehoben wurden die Entscheidungen nicht. Es blieb daher auch bei den finanzgerichtlichen Kostenentscheidungen zulasten der Beschwerdeführer.

7 Der Kläger hat sich zu diesem Urteil nicht geäußert.

8 Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswert unter Änderung der Einheitswertbescheide auf den vom und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom auf 42.120 € (82.400 DM) festzustellen.

9 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.

10 Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

11 Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

12 1. Die im Streitfall anwendbaren Vorschriften über die Einheitsbewertung waren zwar im Feststellungszeitpunkt nicht mehr verfassungsgemäß. Sie dürfen aber nach dem BVerfG-Urteil in DStR 2018, 791 auf diesen Zeitpunkt angewandt werden.

13 2. Der vom FA in der Einspruchsentscheidung festgestellte Einheitswert ist nicht zu beanstanden. Wie der BFH im Beschluss in BFH/NV 2015, 475 (Rz 15 bis 17) im Einzelnen dargelegt hat, kann die nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt eingeführte Zweckbindung nach dem Wohnraumförderungsgesetz bei Nachfeststellungen oder Wertfortschreibungen nicht berücksichtigt werden, weil zu den Wertverhältnissen i.S. von § 22 Abs. 4 Satz 2, §§ 27, 79 Abs. 5 BewG auch Miet- und Belegungsbindungen aufgrund einer öffentlichen Förderung des Wohnungsbaus gehören. Darauf wird Bezug genommen.

14 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Danach fallen die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Dies gilt auch dann, wenn wie im Streitfall das BVerfG die dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Vorschriften zwar rückwirkend für verfassungswidrig erklärt, aber zugleich deren weitere Anwendung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugelassen hat und der Verwaltungsakt deshalb nicht aufzuheben oder zu ändern ist (, BFHE 173, 506, BStBl II 1994, 473). Diese Beurteilung steht im Einklang mit dem Urteil des BVerfG in DStR 2018, 791, das die mit den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 639/11 und 1 BvR 889/12 angegriffenen BFH-Beschlüsse vom II B 74/10 und vom II B 110/11 sowie die vorangegangenen finanzgerichtlichen Urteile einschließlich der getroffenen Kostenentscheidungen zulasten der Beschwerdeführer trotz des festgestellten Verfassungsverstoßes unverändert bestehen ließ.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:


Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2018:U.160518.IIR14.13.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2018 S. 1245 Nr. 12
AAAAG-96173