Terminsgebühr bei fernmündlichem Vergleichsvorschlag des Klägeranwalts
Leitsatz
Die Terminsgebühr für die Mitwirkung an außergerichtlichen Besprechungen (Nr. 3104 i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG <juris: RVG-VV>) entsteht auch dann, wenn ein Prozessbevollmächtigter einen auf Erledigung des Verfahrens gerichteten fernmündlichen Vorschlag des gegnerischen Prozessbevollmächtigten zur Weiterleitung an seine Partei entgegennimmt.
Gesetze: § 87a Abs 1 Nr 5 VwGO, § 151 VwGO, § 165 VwGO, Vorbem 3 Abs 3 S 3 Nr 2 RVG-VV, Nr 3104 RVG-VV
Gründe
1Die Erinnerung des Klägers vom gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des für das Verfahren BVerwG 3 A 6.16 ist gemäß § 151 i.V.m. § 165 VwGO zulässig, aber nicht begründet.
2Über sie entscheidet der Berichterstatter des Senats gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 VwGO. Das vorbereitende Verfahren im Sinne dieser Vorschrift erfasst nach seinem Entlastungszweck auch Nebenentscheidungen (hier) über die Kosten, sofern das Verfahren ohne mündliche Verhandlung und ohne Entscheidung des Spruchkörpers beendet worden ist (vgl. 9 KSt 6.04 - NVwZ 2005, 466 <467>; Bamberger, in: Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 87a Rn. 16).
31. Der Kläger beanstandet die antragsgemäße Festsetzung einer 1,2-fachen Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG Anlage 1). Die Gebühr sei durch das zwischen seinem Prozessbevollmächtigten und dem Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen geführte Telefonat vom nicht entstanden. Das Gespräch sei nicht von beiden Seiten mit dem Ziel einer vergleichsweisen Erledigung des Klageverfahrens geführt worden. Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen habe sich auf den klägerseitigen Vergleichsvorschlag hin nicht einmal zur Vergleichsbereitschaft seiner Mandanten äußern können, sondern lediglich erklärt, er werde den Vorschlag an diese weiterleiten. Eine Diskussion habe nicht ansatzweise stattgefunden. Der Vorschlag habe auch nicht zur Erledigung geführt, weil die Beigeladenen ihn abgelehnt haben und die Klage ausschließlich wegen geringer Erfolgsaussichten zurückgenommen worden sei.
42. Nach dem unstreitigen Inhalt des Telefonats vom sind die Voraussetzungen für das Entstehen der Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG erfüllt.
5a) Ein Rechtsanwalt verdient die Terminsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG für die Mitwirkung an außergerichtlichen Besprechungen, die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtet sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, entsteht die Gebühr auch dann, wenn der gegnerische Anwalt - wie hier - die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Vorschläge zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei entgegennimmt (BGH, Beschlüsse vom - I ZB 14/09 - Zfs 2010, 286 Rn. 7 und vom - II ZB 9/06 - NJW-RR 2007, 286 Rn. 6 ff. unter Bezugnahme auf den Entwurf des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-Drs. 15/1971 S. 209). Das liegt in der Intention des Gesetzgebers, das Kostenrecht zu vereinfachen und an das Merkmal einer Besprechung keine besonderen Anforderungen zu stellen. Dem entspricht es, dass einem Rechtsanwalt außergerichtliche Besprechungen - einer gängigen Praxis folgend - auch fernmündlich möglich sind (ebenso BGH, Beschlüsse vom - II ZB 31/05 - NJW-RR 2006, 1507 Rn. 9 und vom - II ZB 9/06 - NJW-RR 2007, 286 Rn. 7; für Telefonate des Gerichts offengelassen in - juris Rn. 3).
6Eine Besprechung setzt daher nur die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten (vgl. OVG Weimar, Beschluss vom - 2 VO 350/15 - juris Rn. 7 und - juris Rn. 5). Dass sie darüber hinaus kausal für die Erledigung des gerichtlichen Verfahrens geworden ist, ist nicht erforderlich. Mit der Regelung über die Terminsgebühr soll das ernsthafte Bemühen eines Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts honoriert und damit zugleich - auch zur Entlastung der Gerichte - die außergerichtliche Streitbeilegung gefördert werden (BT-Drs. 15/1971 S. 209). Die Anreizfunktion der Gebühr würde beeinträchtigt, wäre die Honorierung der unter Umständen aufwändigen Einigungsbemühungen von ihrem Erfolg abhängig. Daher kommt es nicht darauf an, dass die Klage hier letztlich aus anderen Motiven, nämlich wegen geringer Erfolgsaussichten, zurückgenommen worden ist.
7b) Seine Bereitschaft zur Einigung hat der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen am verlautbart. Anders ist die Entgegennahme des klägerseitigen Vorschlags zur Weiterleitung an die Beigeladenen nicht zu verstehen. Ein Rechtsanwalt kann es in solchen Fällen nicht dabei belassen, seiner Partei den gegnerischen Vorschlag als Bote unkommentiert weiterzuleiten; er ist aufgrund seiner prozessualen Beratungspflicht im Gegenteil zu dessen Prüfung und zur Abgabe einer Empfehlung oder jedenfalls Stellungnahme verpflichtet. Hierin liegt die innere Berechtigung für das Entstehen der Terminsgebühr. Dem kann der Kläger nicht überzeugend entgegenhalten, dass bei dieser Sicht jedes Telefonat die Gebühr auslöse. Eine "Besprechung" kommt nämlich dann nicht zustande, wenn der Gegner von vornherein ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung verweigert oder ihm auf Erledigung zielende Erwägungen gar nicht abverlangt werden. Das kann der Fall sein, wenn nur ein Gespräch über die grundsätzliche Bereitschaft zur Streitbeilegung geführt wird oder die abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung ausgelotet werden soll (vgl. - Zfs 2010, 286 Rn. 7 m.w.N.). So aber lag der Fall hier nicht, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit einem konkreten Vergleichsvorschlag an den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen herangetreten war.
8Aus der vom Kläger zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich nichts anderes. In den Beschlüssen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom - 13 D 136/14 - (juris Rn. 5), des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom - 2 VO 350/15 - (juris Rn. 10) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom - 10 C 13.2563 [ECLI:DE:BAYVGH:2015:0902.10C13.2563.0A] – (juris Rn. 26) sind die Gerichte, soweit entscheidungserheblich, von den vorgenannten Grundsätzen ausgegangen, konnten aber eine Einigungsbereitschaft nicht feststellen.
93. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2018:030918B3KSt1.18.0
Fundstelle(n):
CAAAG-96074