Erzielung von Mieteinkünften durch Miteigentümer
Gesetze: EStG § 21
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine frühere Ehefrau (die Beigeladene) waren im Jahr 1988 (Streitjahr) getrennt lebende Eheleute und zu je 1/2 Miteigentümer einer Eigentumswohnung. Die Wohnung war im Streitjahr fremdvermietet.
Im Rahmen der Feststellungserklärung für das Streitjahr machte der Kläger negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 19 447 DM geltend und begehrte, ihm diese allein zuzurechnen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) rechnete die Einkünfte dem Kläger und der Beigeladenen je zur Hälfte zu und stellte diese gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen am gesondert und einheitlich fest. Die Feststellung erfolgte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung —AO 1977—).
Im Juni 1992 beantragte der Kläger, den Feststellungsbescheid gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 dahin gehend zu ändern, dass die Einkünfte ihm allein zugerechnet werden. Dies lehnte das FA ab.
Der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg. Darüber hinaus änderte das FA im Rahmen der Einspruchsentscheidung den angegriffenen Feststellungsbescheid gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 und stellte unter Berücksichtigung von Sonderwerbungskosten der Beigeladenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 20 140 DM fest und verteilte sie in Höhe von ... DM auf den Kläger und in Höhe von ... DM auf die Beigeladene.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 775 veröffentlichten Urteil die Auffassung, für die steuerrechtliche Zurechnung der Einkünfte sei grundsätzlich das zivilrechtliche Beteiligungsverhältnis und das rechtliche und wirtschaftliche Eigentum maßgebend. Der Kläger sei nicht als alleiniger Vermieter der Wohnung anzusehen. Ginge man zugunsten des Klägers davon aus, dass er den Mietvertrag alleine abgeschlossen habe, läge ein Geschäft im Rahmen des § 1357 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vor. Auch die Absetzungen für Abnutzung (AfA) stünden ihm nicht in vollem Umfang zu, da grundsätzlich nur der Eigentümer den Wertverzehr geltend machen könne.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 1357 Abs. 1, § 1357 Abs. 3 BGB; § 2 Abs. 1 Nr. 6, § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes —EStG—; § 179 Abs. 1, § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977). Er allein sei Vermieter der Wohnung gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und den Feststellungsbescheid des FA für 1988 dahin gehend abzuändern, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 19 447 DM festgestellt und diese allein dem Kläger zugerechnet werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Sie bestreitet die alleinige Vermieterstellung des Klägers. Das Mietverhältnis sei beim Kauf der Wohnung übernommen worden. Der spätere Mietvertrag habe nur diesen Eigentumswechsel dokumentieren sollen, er sei zudem vom Kläger als Vertreter der Gemeinschaft geschlossen worden. Außerdem habe auch die Beigeladene die Lasten der Vermietung mitgetragen. Wie in den Vorjahren sei daher eine Zurechnung nach Eigentumsanteilen vorzunehmen.
II. 1. Die Revision ist zulässig. Der Kläger ist trotz seines Begehrens, die Einkünfte von ./. 20 140 DM auf ./. 19 447 DM zu erhöhen, durch die Anerkennung von Sonderwerbungskosten für die Beigeladene beschwert, weil er die Beteiligung der Beigeladenen an den Einkünften und damit auch ihre Berechtigung zum Abzug von Sonderwerbungskosten, die er selbst nicht geltend machen kann, bestreitet. In der begehrten, aber vom FG abgelehnten Erhöhung seines prozentualen Anteils an den Einkünften liegt seine Beschwer (vgl. , BFHE 125, 104, BStBl II 1978, 510; Urteil des Reichsfinanzhofs —RFH— vom VI 92/40, RStBl 1940, 642).
2. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat ohne ausreichende Feststellungen die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dem Kläger nur nach seinem Miteigentumsanteil zugerechnet.
a) Den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, wer die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, eines der in § 21 Abs. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter anderen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen und Träger der Rechte und Pflichten aus einem Miet- oder Pachtvertrag ist (, BFH/NV 2002, 1556; vom IX R 30/94, BFHE 182, 170, BStBl II 1997, 406; vom IX R 269/87, BFHE 170, 383, BStBl II 1994, 615).
Bei Miteigentümern muss dementsprechend zunächst geprüft werden, ob diese z.B. ein Gebäude oder einen Gebäudeteil gemeinschaftlich vermietet und somit den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG gemeinschaftlich verwirklicht haben. Festzustellen, wer den Tatbestand der jeweiligen Einkunftsart erfüllt hat, ist vorrangig gegenüber der Frage nach der Zurechnung ggf. gemeinschaftlich erzielter Einkünfte; die Frage nach der Zurechnung gemeinschaftlich erzielter Einkünfte stellt sich nicht mehr, wenn nur ein Miteigentümer allein den objektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung erfüllt (, BFHE 190, 82; in BFH/NV 2002, 1556).
b) Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Maßstäben. Das FG ist ohne ausreichende Feststellungen davon ausgegangen, dass auch die Beigeladene den objektiven Tatbestand des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt hat und deshalb dem Kläger und der Beigeladenen die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anteilig zuzurechnen sind.
Für die Bejahung des objektiven Tatbestands der Vermietung durch die Beigeladene reicht es nicht aus, wenn das FG auf ihre bürgerlich-rechtliche Stellung als Miteigentümerin und ihre Möglichkeit zur Verwertung des gemeinschaftlichen Wirtschaftsgutes und seiner Nutzungsmöglichkeiten am Markt abstellt. Denn daraus folgt nicht, dass sie tatsächlich Trägerin der Rechte und Pflichten des Mietvertrages war.
Dass die Beigeladene im Außenverhältnis Vermieterin war, folgt auch nicht aus § 1357 BGB, auf den das FG ergänzend Bezug genommen hat. Geschäfte der Vermögensanlage und -verwaltung sind keine Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie i.S. des § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. Palandt/ Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 62. Aufl., § 1357 Rz. 14; Wacke in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl., § 1357 Rdnr. 24; Heckelmann in Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Aufl., § 1357 Rz. 13); insbesondere gehört dazu nicht die langfristige Verpachtung (Urteil des Obersten Gerichtshofs der Britischen Zone vom IIa ZS 43/49, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1950, 307) sowie die An- oder Vermietung (vgl. u.a. Landgericht —LG— Marburg vom 5 S 36/00, WuM 2000, 691; , Grundeigentum 2002, 189).
c) Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang ermitteln müssen, wer tatsächlich Träger von Rechten und Pflichten aus dem Mietvertrag war.
Dazu wird es der von der Beigeladenen erstmals in der Revisionsinstanz vorgetragenen Behauptung nachgehen müssen, sie sei bei Erwerb der Eigentumswohnung gemäß § 571 BGB a.F. (jetzt § 566 BGB) kraft Gesetzes Vermieterin der Wohnung geworden. In diesem Zusammenhang wird das FG prüfen müssen, ob der Kläger den Mietvertrag über die Eigentumswohnung allein oder auch im Namen der Beigeladenen abgeschlossen hat. Sollte die Beigeladene bei Erwerb der Eigentumswohnung Vermieterin geworden sein, wird es der Frage nachgehen müssen, ob der spätere Mietvertrag lediglich zur Dokumentation des Eigentumswechsels abgeschlossen wurde oder ob die Beigeladene dadurch unter Abänderung des Mietvertrages aus ihrer Stellung als Vermieterin entlassen werden sollte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 190, 82, unter 3. b). Die Rechtsstellung als Vermieterin konnte die Beigeladene ggf. nicht durch Rechtshandlungen des Klägers und der Mieterin verlieren, sondern es bedurfte dazu einer Mitwirkung der Beigeladenen selbst (vgl. , NJW 1973, 455, unter 2.).
Gelangt das FG zu dem Ergebnis, der Kläger habe nicht in offener Stellvertretung für die Beigeladene gehandelt und die Beigeladene sei aus dem Mietverhältnis entlassen worden, wird es weiter der zwischen dem Kläger und der Beigeladenen streitigen Frage nachgehen müssen, ob der Kläger als mittelbarer Stellvertreter angesehen und sein Verhalten der Beigeladenen steuerrechtlich zugerechnet werden kann, weil der Kläger mit Wissen und Wollen der Beigeladenen den Mietvertrag abgeschlossen und durchgeführt hat und damit jedenfalls auch für ihre Rechnung tätig geworden ist, so dass die Beigeladene ebenfalls wirtschaftlich die Rechte und Pflichten des Mietverhältnisses getragen hat (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1556, m.w.N.).
Sollten dem Kläger die Einkünfte alleine zuzurechnen sein, ist zu der Frage, in welcher Höhe er zur Absetzung für Abnutzung berechtigt ist, auf die BFH-Beschlüsse vom GrS 4/92 (BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281) und vom GrS 5/97 (BFHE 189, 174, BStBl II 1999, 774) sowie auf das (BFHE 195, 211, BStBl II 2001, 796) zu verweisen. Das FG wird in diesem Fall ermitteln müssen, in welchem Umfang er sich an den Anschaffungskosten der Eigentumswohnung beteiligt hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1045
BFH/NV 2003 S. 1045 Nr. 8
KÖSDI 2003 S. 13866 Nr. 9
QAAAA-71546