Umsatzsteuerliche Behandlung von Biogasanlagen
Zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Biogasanlagen gilt – ergänzend zu Abschn. 2.5 Abs. 17 UStAE – Folgendes:
1. Biogas- und Energieerzeugung durch pauschalierende Landwirte zur Verwendung im landwirtschaftlichen Betrieb
Wird die im Rahmen einer Biogasanlage aus Biomasse erzeugte Energie (Strom und Wärme) insgesamt im eigenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verwendet und geht sie ausschließlich in Umsätze ein, die der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG unterliegen, ist ein Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Anlage sowie aus den laufenden Kosten nicht zulässig (§ 24 Abs. 1 Satz 4 UStG).
2. Biogas- und Energieerzeugung durch pauschalierende Landwirte
Auf eigenen oder gepachteten Flächen erzeugte Biomasse (z. B. Mais) oder bei der Erzeugung von Pflanzen und Tieren im eigenen Betrieb angefallene Abfallstoffe (z. B. Gülle) sind landwirtschaftliche Erzeugnisse (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG). Die Verarbeitung von Biomasse zu Biogas ist keine landwirtschaftliche Verarbeitungstätigkeit, weil das Erzeugnis „Biogas” aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers kein landwirtschaftliches Erzeugnis ist (Abschn. 24.2 Abs. 2 Satz 2 UStAE).
Umsätze aus der Abgabe von Biogas oder daraus erzeugter Energie fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 24 UStG. Wird die erzeugte Energie teilweise im land- und fortwirtschaftlichen Betrieb verwendet, ist die Vorsteuer aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und dem laufenden Betrieb der Anlage insoweit nicht abzugsfähig und die Vorsteuern sind in entsprechender Anwendung der Grundsätze des § 15 Abs. 4 UStG im Verhältnis der Strom- und Wärmemengen aufzuteilen (Abschn. 2.5 Abs. 20 Satz 1 i. V. mit Abs. 12 Satz 3 UStAE, Abschn. 24.7 Abs. 2 UStAE). Bei geänderten oder stark schwankenden Nutzungsverhältnissen kann in nachfolgenden Jahren eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG in Betracht kommen.
3. Biogas- und Energieerzeugung durch gemeinschaftliche Betriebe oder durch Genossenschaften
Erfolgt die Biogas- und Energieerzeugung durch Zusammenschluss mehrerer Land- und Forstwirte in einer gemeinschaftlich betriebenen Anlage oder durch eine Genossenschaft, unterliegen der gemeinschaftliche Betrieb oder die Genossenschaft der Regelbesteuerung. Eine nach Menge oder Energiegehalt bemessene Vergütung für die Abgabe von selbst erzeugter Biomasse oder von selbst erzeugten Pflanzensubstrat im Rahmen einer Gehaltslieferung durch den Landwirt an den Zusammenschluss oder die Genossenschaft ist Leistungsentgelt (Abschn. 1.6 Abs. 3 UStAE) und unterliegt der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG.
Dienstleistungen einzelner Gesellschafter/Genossen für den gemeinschaftlichen Betrieb oder für die Genossenschaft sind Dienstleistungen, die nicht der landwirtschaftlichen Erzeugung dienen und unterliegen daher der Regelbesteuerung (Abschn. 24.3 Abs. 5 Satz 4 bis 6 UStAE).
4. Bemessungsgrundlage beim Tausch von Biomasse gegen Gärsubstrat
Düngemittelfähiges Substrat (Biogasgülle, Gärrest) ist Reststoff der zum Betrieb einer Biogasanlage eingesetzten Biomasse und der eingesetzten Abfallstoffe. Liegt eine Gehaltslieferung nicht vor, handelt es sich bei der Hinlieferung von Biomasse und der Rücklieferung von düngemittelfähigem Substrat um einen Tausch (§ 3 Abs. 12 UStG).
Biogasanlagen sind nach dem Gesetz über Erneuerbare Energien sowie der Düngeverordnung verpflichtet, Bilanzen über Einsatzstoffe und abgegebene Reststoffe zu erstellen. Der als Bemessungsgrundlage anzusetzende gemeine Wert (§ 10 Abs. 2 Satz 2 UStG) des düngemittelfähigen Substrats wird von den jeweiligen Nährstoffgehalten (Stickstoff, Phosphat, Kali) beeinflusst. Auch örtliche Verhältnisse (z. B. viehstarke Regionen mit großen Güllemengen) oder größere Entfernungen zwischen Biogasanlage und den zur Ausbringung bestimmten Wirtschaftsflächen mindern die örtlichen Verbrauchspreise.
Zur Prüfung der vom Biogasanlagenbetreiber in Gutschriften und Rechnungen angesetzten Werte bzw. zur Schätzung bisher nicht angesetzter Werte für düngemittelfähiges Substrat kann bei durchschnittlichen Verhältnissen von einem Nährstoffwert von 8,50 €/m3 ausgegangen werden. Werden bei den Entfernungen „Anlage/Wirtschaftsflächen” durchschnittliche Verhältnisse angenommen, kann für Prüfungszwecke ein Nettowert von etwa 3 €/m3 als Anhaltswert angenommen werden.
Düngemittelfähiges Substrat aus pflanzlichen und tierischen Rückständen unterliegt dem ermäßigten Steuersatz. Das durch Vermischung von Biogasgülle mit Erde entstandene Erzeugnis „Pflanzenerde” unterliegt dem Regelsteuersatz.
5. Gehaltslieferung bei der Überlassung von Biomasse gegen Rücknahme des Gärsubstrats
Nach § 3 Abs. 5 UStG beschränkt sich der Inhalt einer Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands, der dem Abnehmer verbleibt, wenn der Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle zurückzugeben hat, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen.
Bei Biogasanlagen liegt eine Gehaltslieferung vor, wenn die am Rechtsgeschäft Beteiligten ausdrücklich vereinbaren oder wenn ihr Wille darauf gerichtet ist, dass von der hingegebenen Biomasse nur ein Bestandteil Gegenstand der Lieferung sein soll, und dass die bei der Verarbeitung entstehenden Abfallprodukte oder Nebenerzeugnisse an den Lieferer der Biomasse zurück zu gewähren sind. Erhält der Lieferer nicht die aus seinen übergebenen Stoffen erzeugten Nebenerzeugnisse und Abfallstoffe zurück, reicht es aus, wenn Produkte gleicher Art und Güte überlassen werden. Gegenstand der Lieferung sind die in Biogas durch Fermentation umgewandelten Inhaltsstoffe der Biomasse. Nicht erforderlich ist es, dass der Gehalt in dieser Form bereits im übergebenen Stoff enthalten ist (, BStBl 2017 II, 1264). Die Gehaltslieferung unterliegt der Durchschnittssatzbesteuerung mit dem Durchschnittssatz des § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG von 10,7 %, wenn die Biomasse vom Landwirt selbst erzeugt wurde.
6. Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG
Eine Biogasanlage besteht aus verschiedenen Teilen (z. B. Fermenter. Silos, Gaskühler, Rührwerke, Blockheizkraftwerk, Gebäude). Berichtigungsobjekt i. S. des § 15a Abs. 1 UStG sind nicht die Einzelteile, sondern die Biogasanlage als Ganzes.
Bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile beträgt der Berichtigungszeitraum zehn Jahre (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG). Dieser Berichtigungszeitraum gilt auch für nicht fest verbundene Betriebsvorrichtungen, die dem Gebäude sein charakteristisches Gepräge geben (Bestandteile i. S. des § 94 Abs. 2 BGB, vgl. , BStBl 2010 II, 1086). Für Biogasanlagen beträgt daher der Berichtigungszeitraum zehn Jahre.
OFD Karlsruhe v. - S 7410
Fundstelle(n):
UStB 2018 S. 327 Nr. 11
CAAAG-94172