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FG Mecklenburg-Vorpommern Urteil v. - 1 K 246/14 EFG 2018 S. 1732 Nr. 20

Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3, GrEStG § 1 Abs. 2a, GrEStG § 6 Abs. 2, GrEStG § 6 Abs. 4, AO § 122, AO § 124, AO § 5, AO § 182 Abs. 1 S. 1, FGO § 74

Sinn und Zweck des § 6 Abs. 4 GrEStG

einschränkende Auslegung

Erwerb eines Grundstücks von einer Gesamthand durch einen Gesamthänder, der zuvor mindestens 95% der Anteile an der Gesamthand erworben hatte, wofür jedoch keine Steuer erhoben worden war

an einen nicht mehr existierenden Rechtsträger gerichteter Steuerbescheid ist unwirksam

Verfahrensaussetzung im Hinblick auf anhängigen Rechtsbehelf gegen einen Grundlagenbescheid

Leitsatz

1. § 6 Abs. 4 GrEStG soll Steuerumgehungen verhindern, die dadurch eintreten können, dass innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit nach dem Erwerb oder dem Hinzuerwerb von Beteiligungen, nach dem Eintritt oder dem Austritt von Gesamthändern, nach Änderungen im Personenstand der Gesellschaft oder im Beteiligungsverhältnis der Gesamthänder, nach Festsetzung oder anderweitiger Festsetzung von Auseinandersetzungsquoten (usw.) von den in Betracht kommenden Gesamthändern Grundstücke aus dem Vermögen der Gesamthand wegen Begünstigungen nach § 6 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG steuerfrei übernommen werden.

2. Für die „Objektivität” einer Steuerumgehung kann es im Rahmen der den Gesetzeswortlaut des § 6 Abs. 4 S. 1 GrEStG einschränkenden Auslegung nicht entscheidend sein, aus welchem Grund eine Steuer nicht erhoben wurde, weil etwa der Vorgang überhaupt nicht steuerbar war, die Steuer nicht festgesetzt oder nur nicht erhoben wurde.

3. Die Voraussetzungen einer einschränkenden Auslegung sind am Sinn und Zweck der auszulegenden Vorschrift zu messen. In diesem Zusammenhang kommt auch der sog. wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht Bedeutung zu.

4. Geht ein Grundstück von der grundbesitzenden Gesamthand (KG) im Wege der Anwachsung auf einen Gesamthänder über (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) und beträgt der vom Gesamthänder zuvor erworbene Anteil an der KG mindestens 95% der Anteile (Fall des § 1 Abs. 2a GrEStG), gibt es keinen wirtschaftlich einleuchtenden Grund, bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG von dessen Anwendung zugunsten der Begünstigung des Anwachsungsvorgangs nach § 6 Abs. 2 GrEStG abzusehen, wenn die Grunderwerbsteuer für den Anteilserwerb (§ 1 Abs. 2a GrEStG) aus Gründen, die sich aus dem Festsetzungs- oder Erhebungsverfahren ergeben, tatsächlich nicht erhoben bzw. gezahlt wird. Im Streitfall war die Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang (§ 1 Abs. 2a GrEStG) spätestens mit dem Abschluss des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG als nicht angemeldete Insolvenzforderung nicht mehr durchsetzbar.

5. Ein an einen erloschenen und damit nicht mehr existierenden Rechtsträger gerichteter Bescheid ist unwirksam.

6. Ein Klageverfahren ist nicht gem. § 74 FGO bis zur Entscheidung über einen anhängigen Rechtsbehelf gegen einen Grundlagenbescheid auszusetzen, wenn in beiden Verfahren verschiedene Rechtsfragen streitig sind und der Rechtsstreit über den Grundlagenbescheid im Erfolgsfall nur zu einer niedrigeren Bemessungsgrundlage im Folgebescheid, aber nicht zu dessen Aushebung führen würde.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
EFG 2018 S. 1732 Nr. 20
GmbH-StB 2018 S. 352 Nr. 11
HAAAG-93719

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