BFH Beschluss v. - IX B 110/02

Im Rahmen eines Restitutionsverfahrens an den Restitutionsberechtigten nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG gezahlte Mietzinsen als stpfl. Entschädigung

Gesetze: EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 21; VermG § 7

Gründe

I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) gehören einer Erbengemeinschaft an, die mit Erfolg die Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück in X nach den §§ 3 ff. des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) erwirkte. Der Besitz an dem Grundstück wurde der Erbengemeinschaft am übergeben. Außerdem kehrte die Wohnungsbaugesellschaft, die das Grundstück bis zur Übergabe verwaltete, als Verfügungsberechtigte an die Erbengemeinschaft nach § 7 Abs. 7 Sätze 2 ff. VermG Nutzungsentgelte für die Zeit vom bis zum im Gesamtbetrag von 287 870 DM aus.

Diese Beträge erfasste der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für den Veranlagungszeitraum des Zuflusses (1998, Streitjahr) neben weiteren, hier nicht streitigen Einkünften, als steuerpflichtige, nicht tarifbegünstigte Einkünfte gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Über die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.

Die Antragsteller haben —nachdem das FA einen entsprechenden Antrag abgelehnt hatte— beim FG beantragt, die Vollziehung des Bescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.

Das FG wies den Antrag als unbegründet zurück und folgte der Rechtsansicht der Finanzverwaltung (vgl. dazu die bundeseinheitlich abgestimmten Rundverfügungen der Oberfinanzdirektionen —OFD—, z.B. Steuererlasse in Karteiform —StEK—, Einkommensteuergesetz, § 21, Nr. 294).

Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde. Voraussetzung einer Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sei das Vorhandensein einer Einnahmequelle, auf die wegen des Eintritts eines schädigenden Ereignisses nicht zugegriffen werden könne. Daran fehle es aber im Streitfall: Die erst nach der Enteignung begonnene Vermietung könne nicht als Einnahmequelle des späteren Restitutionsberechtigten angesehen werden, die zu einer Einkunftserwartung hätte erwachsen können.

Die Antragsteller beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Vollziehung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist begründet.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IX B 142/93, BFHE 175, 421, BStBl II 1995, 778; vom VIII B 143/94, BFHE 176, 262, BStBl II 1995, 262, m.w.N.). Dabei brauchen die für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen (, BFH/NV 1999, 121). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. dazu , BFH/NV 1995, 116; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 120 f.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Tz. 122, m.w.N.).

2. Bei summarischer Prüfung aufgrund des aus den Akten und dem Vortrag der Beteiligten ersichtlichen Sachverhaltes ergeben sich ernstliche Zweifel, ob die Entgelte, die der Erbengemeinschaft nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG im Streitjahr zugeflossen sind, im dem angefochtenen Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr zu Recht nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als steuerbare und steuerpflichtige Entschädigungen erfasst wurden.

a) Gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gewährt werden. Entschädigungen sind Zahlungen, die eine finanzielle Einbuße ausgleichen sollen, die ein Steuerpflichtiger infolge einer Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter erlitten hat (ständige Rechtsprechung, vgl. das , BFHE 180, 433, BStBl II 1996, 516, m.w.N.). Die Rechtsgüter des Restitutionsberechtigten sind aufgrund der in § 1 Abs. 1 VermG aufgeführten (staatlichen) Maßnahmen beeinträchtigt worden (vgl. § 2 Abs. 4 VermG). Durch die Rückübertragung von Vermögenswerten nach § 3 VermG und den in § 7 VermG geregelten Wertausgleich soll der erlittene Verlust wieder gutgemacht werden (vgl. zum Zweck Redeker/Hirtschulz/Tank in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Kommentar, § 3 VermG Rz. 2 ff.).

b) Die nach § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG herauszugebenden Mietzinsen, die der Verfügungsberechtigte (§ 2 Abs. 3 VermG; hier: die Wohnungsbaugesellschaft) dem Restitutionsberechtigten (die Erbengemeinschaft) ab dem bis zur Rückübertragung vereinnahmt, sind Bestandteile dieses Wertausgleichs.

Ob sie die Voraussetzungen einer Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfüllen, ist zweifelhaft.

aa) Die Finanzverwaltung bejaht einen Zusammenhang der herauszugebenden Nutzungsentgelte mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und damit auch den Entschädigungscharakter von § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG ( StEK, Einkommensteuergesetz, § 21, Nr. 294).

bb) Der Anspruch gemäß § 7 Abs. 7 VermG kann aber ebenso als Ersatz für nicht steuerbare Vermögensverluste gewertet werden. Dafür spricht zunächst die systematische Stellung der Vorschrift in § 7 VermG, der den Wertausgleich betrifft. Der Anspruch ist Folge eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen dem Berechtigten und dem Verfügungsberechtigten nach Anmeldung des Restitutionsanspruchs (so Bundesgerichtshof —BGH—, Urteil vom V ZR 493/99, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht —WM— 2002, 613). Dadurch weist der Gesetzgeber ab dem dem Restitutionsberechtigten mit Bestandskraft des Rückübertragungsbescheides die Früchte aus Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnissen zu (vgl. , BGHZ 141, 232), um zu verhindern, dass der Verfügungsberechtigte die Mieterträge —statt damit die notwendigen Reparaturen vorzunehmen— für eigene Zwecke verwendet (vgl. BTDrucks 12/7588, S. 48; s. dazu auch BGH in BGHZ 141, 232). Dieser Zweck kommt auch in der Art und Weise zum Ausdruck, in der das Gesetz den Ausgleichsanspruch ermittelt. Nach § 7 Abs. 7 Satz 4 VermG vermindern Investitionen in die Erhaltung der zu restituierenden Immobilie den Ausgleichsanspruch. Entsprechende Werterhöhungen muss der Berechtigte nicht versteuern. Damit ist aber umgekehrt auch nicht ausgeschlossen, dass der Ausgleichsanspruch entsprechend seiner systematischen Stellung und seines Zwecks —wie der Restitutionsanspruch selbst— Wertminderungen ausgleichen soll, die entstehen, weil der Verfügungsberechtigte nach dem hier maßgebenden Stichtag notwendige Investitionen zurückgehalten hat.

3. Nach diesen Maßstäben hat das FG in dem angefochtenen Beschluss unzutreffend rechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheides verneint.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 776
BFH/NV 2003 S. 776 Nr. 6
KÖSDI 2003 S. 13790 Nr. 7
TAAAA-71396