Offenbare Unrichtigkeit bei Erstellung fehlerhafter Steuerbescheide durch fehlerhaft eingerichtetes Datenverarbeitungsprogramm
Gesetze: AO § 129
Gründe
I. Die zusammenveranlagten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wenden sich gegen den Abrechnungsbescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—), in dem u.a. die Abrechnung zu der Einkommensteuerfestsetzung 1989 und 1990 geändert und die nach § 233a der Abgabenordnung (AO 1977) entstandenen Zinsen neu berechnet worden sind. Diesem Bescheid vorausgegangen waren Änderungsbescheide, in deren Abrechnungsteil zugunsten der Kläger hohe Erstattungsbeträge und dementsprechend Erstattungszinsen ausgewiesen waren. Der angefochtene Abrechnungsbescheid beruht auf der Erkenntnis des FA, dass diese Abrechnungen und dementsprechend die Zinsfestsetzungen falsch waren. Dies führt das FA darauf zurück, dass bei der programmgesteuerten elektronischen Erstellung dieser Bescheide Beträge als bezahlt behandelt worden seien, die tatsächlich nicht gezahlt worden seien und deshalb gemäß § 233a Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 AO 1977 auch nicht hätten verzinst werden dürfen. Es handle sich insoweit um einen Programmfehler, der zum Tragen komme, wenn —wie im Falle der Kläger— die Einkommensteuerschuld aufgeteilt werde; dann würden Unterkonten für die Eheleute gebildet, während im Hauptkonto die Steuerschuld buchungstechnisch ausgeglichen werde. Bei Nachfolgebescheiden gehe das Programm hiervon aus, behandele also die zuvor festgesetzten Beträge unabhängig von der tatsächlichen Zahlung als bezahlt.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, die Abrechnung habe auf der Grundlage des § 130 AO 1977 zu Lasten der Kläger geändert werden dürfen, weil sich diesen die Rechtswidrigkeit der Abrechung hätte aufdrängen müssen. Die Änderung der Zinsfestsetzung sei jedenfalls nach § 129 AO 1977 berechtigt. Das Gericht sei vom Vorliegen eines mechanischen Fehlers bei der Programmierung überzeugt. Es sei nämlich angesichts der klaren Regelung in § 233a Abs. 3 Satz 3 AO 1977 nur rein theoretisch denkbar, dass der Programmierer einem Rechtsirrtum dahin erlegen sei, dass Erstattungszinsen unabhängig von der tatsächlichen Überzahlung von Steuern festzusetzen seien.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Kläger, mit der grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und ein Verfahrensfehler geltend gemacht werden.
II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) kann keinen Erfolg haben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Revisionszulassungsgrund (§ 115 Abs. 2 FGO), soweit er überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt ist, nicht vorliegt.
1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Auffassung des FG, der zunächst fehlerhaften Zinsberechnung liege ein mechanischer Fehler zugrunde, der nach § 129 AO 1977 berichtigt werden könne. Sie sieht insoweit eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage aufgeworfen, die sie indessen nicht genau bezeichnet. Aus dem Vorbringen der Beschwerde und seinem Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Urteil lässt sich nur entnehmen, dass die Beschwerde offenbar in dem angestrebten Revisionsverfahren die Frage geklärt wissen will, ob die Auffassung des FG zutrifft, der dem FA bei der Abrechnung in den Änderungsbescheiden vom und unterlaufene Fehler stelle eine ”ähnliche offenbare Unrichtigkeit” i.S. des § 129 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 dar. Diese Frage ist indes nicht rechtsgrundsätzlicher Natur, sondern betrifft lediglich die Feststellung des im Streitfall gegebenen Sachverhalts und seine richtige Subsumtion unter die Merkmale der vorgenannten Vorschrift. Sie zu klären verlangt weder das Interesse der Allgemeinheit an einer Fortentwicklung des Rechts und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) noch lässt sich daraus die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache herleiten (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die insofern inzident aufgeworfene Frage, ob Fehler bei der Einrichtung eines Datenverarbeitungsprogramms die Berichtigung mit Hilfe dieses Programms erstellter fehlerhafter Bescheide nach § 129 AO 1977 rechtfertigen können, ist jedenfalls in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits geklärt, wie die Kläger selbst vortragen (Hinweis auf das , BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509), und im Übrigen auf der Grundlage der in der Rechtsprechung aufgestellten allgemeinen Grundsätze zur Auslegung des § 129 AO 1977 offensichtlich zu bejahen.
2. Die Beschwerde rügt ferner sinngemäß, dass das FG den Klägern entgegengehalten habe, dass sie nicht erkannt hätten, dass Beträge zu Unrecht verzinst worden sind, obgleich selbst der Sachbearbeiter beim FA dies nicht bemerkt hat. Dieses Vorbringen kann die Zulassung der Revision schon deshalb nicht rechtfertigen, weil es nicht in Beziehung zu einem der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Gründe steht, aus denen eine Revision zugelassen werden kann. Überdies verkennt die Beschwerde, dass die von ihr in diesem Zusammenhang beanstandeten Ausführungen des FG sich nicht auf die Anwendung des § 129 AO 1977 beziehen —welcher auch keinerlei Verschuldensprüfung verlangt—, sondern auf § 130 AO 1977, welcher nicht voraussetzt, dass die Behörde, die den zu ändernden Bescheid erlassen hat, den ihr dabei unterlaufenen Fehler nicht erkennen konnte.
3. Wenn die Beschwerde schließlich rügt, das FG habe § 130 AO 1977 nicht anwenden dürfen, macht sie damit ebenfalls keinen Revisionszulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO geltend, sondern lediglich die materiell-rechtliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
4. Endlich rügt die Beschwerde einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), der darin bestehen soll, dass das FG die Kläger nicht auf § 130 AO 1977 hingewiesen habe; es handle sich insoweit um eine Überraschungsentscheidung. Diese Behauptung ist indes schon deshalb unzutreffend, weil bereits die Einspruchsentscheidung des FA ausdrücklich auf § 130 AO 1977 gestützt ist. Dass aufgrund des Verhaltens des FG im weiteren Verfahren bei den —im Übrigen sachkundig vertretenen— Klägern gleichwohl der Eindruck hätte entstehen können, es komme für die Entscheidung des Rechtsstreits auf diese Vorschrift bzw. überhaupt auf eine Rechtsgrundlage für die Änderung der der Zinsberechnung zugrunde liegenden Ausgangsbeträge nicht an, ist weder in der Beschwerdeschrift dargelegt noch wäre es der Fall.
Fundstelle(n):
EAAAA-71080