BFH Beschluss v. - VII B 203/02

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist verantwortlicher Schiffsführer des Großseglers ”X”. Nachdem das Schiff in Polen aus- und umgebaut worden war, wurde es vom Kläger in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht und an den A-Verein verchartert. Nur die Mitglieder des Vereins sollten mit dem Schiff befördert werden.

Mit Bescheid vom setzte das Hauptzollamt Z, dessen Zuständigkeit zwischenzeitlich auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt —HZA—) übergegangen ist, gegen den Kläger ... DM Einfuhrumsatzsteuer fest, weil er am das Schiff von Helgoland nach B (Inland) verbracht habe, ohne es einer Zollstelle zu gestellen.

Nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom ) erhob der Kläger vor dem Finanzgericht (FG) Klage. Das FG bestimmte den Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme auf den . Am beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die ”vorläufige Aufhebung” des Termins. Der Kläger wolle auf jeden Fall persönlich an dem Termin teilnehmen. Er sei jedoch wegen eines für einen Monat abgeschlossenen Chartervertrags seit dem verhindert.

Das FG lehnte eine Verlegung des anberaumten Termins ab und wies die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, die Einfuhrumsatzsteuer sei entstanden, weil der Kläger als verantwortlicher Schiffsführer den einfuhrumsatzsteuerpflichtigen Großsegler ”X” in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht habe, ohne ihn in B der Zollstelle zu gestellen. Das Hauptzollamt Z sei auch von einer zutreffenden Bemessungsgrundlage ausgegangen. Der hinzugezogene Sachverständige habe in seiner Anhörung nachvollziehbar dargelegt, dass es für derartige Schiffe einen ständig wachsenden Markt gebe, auf dem ... DM zu erzielen seien.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Er habe als Kapitän des Schiffes und Angestellter der Reederei nicht über die Ein- oder Ausfuhr sowie die jeweiligen Reiseziele entscheiden können. Es sei zu klären, ob ein Arbeitnehmer für die Einhaltung der steuerlichen Pflichten seines Arbeitgebers in Anspruch genommen werden könne. Ungeklärt sei insoweit, ob etwa der erste Offizier für das Verbringen des Schiffes in das Zollgebiet der Gemeinschaft und die hierdurch entstehenden Abgaben verantwortlich sei, wenn der Kapitän wachfrei habe. Ferner habe er im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass er keine Möglichkeit gehabt habe, das Schiff der Zollstelle in B zu gestellen. Diese Zollstelle sei zum Zeitpunkt des Einlaufens in den Hafen nicht besetzt und auch nicht erreichbar gewesen. Darüber hinaus weise das Urteil des FG mehrere Unrichtigkeiten auf, die dem Beteiligtenvortrag und dem Inhalt der Akten widersprechen dürften. So sei das Schiff nur dann von einem Verein gechartert worden, wenn es innerhalb der Küstengewässer gefahren sei. Die Mitglieder des Vereins hätten für die Fahrten ein Entgelt zahlen müssen. Dem Verein sei zudem nachträglich die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Aus den dargestellten Gründen sei eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Für Kapitäne von Seeschiffen und Fahrer von LKW müsse im grenzüberschreitenden Verkehr Rechtssicherheit geschaffen werden. Des Weiteren liege ein Verfahrensmangel vor, weil ihm nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei. Das FG habe zu Unrecht seinem Antrag auf Verlegung des Termins vom nicht entsprochen. Er habe dem Sachverständigen auf Grund seiner Kenntnisse des Marktes für derartige Schiffe Fragen stellen und Vorhaltungen machen können. Ferner habe sich die Auffassung des FG vor der mündlichen Verhandlung offensichtlich mehrfach geändert. Auch hierzu habe er sich nicht äußern können.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdeschrift ein Grund, der zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) führen könnte, nicht schlüssig dargelegt ist, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.

Für die Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag, warum im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt, also ein Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308; , BFH/NV 2002, 1311, 1312).

a) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein Arbeitnehmer für die Einhaltung der steuerlichen Pflichten seines Arbeitgebers in Anspruch genommen werden könne, ist in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Diese Frage hat keinen konkreten Bezug zum Urteil des FG, das das Verbringen des Schiffes ”X” in das Zollgebiet der Gemeinschaft betrifft. Der Kläger zeigt zudem nicht auf, warum eine Entscheidung des BFH in einem Revisionsverfahren zu der von ihm formulierten Rechtsfrage im allgemeinen Interesse liegen soll. Er behauptet lediglich, für Kapitäne von Seeschiffen und Fahrern von LKW müsse im grenzüberschreitenden Verkehr Rechtssicherheit geschaffen werden, ohne darzulegen, warum insoweit Rechtsunsicherheit bestehen soll. Soweit der Kläger in der Art einer Revisionsbegründung eine unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG geltend macht, rügt er die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz. Dies kann indessen nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 39/00, BFH/NV 2001, 610; vom IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).

b) Unbeschadet dessen wäre die Rechtsfrage, ob ein Kapitän als Arbeitnehmer bei dem vorschriftswidrigen Verbringen von Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft Schuldner der hierdurch entstehenden Einfuhrabgaben werden kann, nicht klärungsbedürftig. Aus Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex) des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. L 302/1), der nach § 21 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes sinngemäß für die Einfuhrumsatzsteuer gilt, ergibt sich vielmehr eindeutig, dass die Person, die eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat, und nicht deren Arbeitgeber Zollschuldner ist. Das Verbringen einer Ware ist eine tatsächliche Handlung, ein Realakt, der von einem Handlungswillen unterlegt sein muss, der zwar den Erfolg, nicht aber auch die zollrechtlichen Folgen des Handelns zum Ziele haben muss (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 2/99, BFH/NV 2000, 99, 100). Verbringer einer Ware ist jedenfalls die Person, die diese —wie der verantwortliche Kapitän eines Schiffes— zur Beförderung übernimmt und tatsächlich in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbringt (vgl. Senatsbeschluss vom VII R 39/01, BFHE 198, 255, 263).

c) Eine in einem Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage wird auch nicht durch den Hinweis des Klägers auf sein erstinstanzliches Vorbringen aufgeworfen, wonach er keine Möglichkeit gehabt habe, das Schiff der Zollstelle in B zu gestellen. Hiermit formuliert der Kläger keine konkrete Rechtsfrage. Darüber hinaus wäre eine entsprechende Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Da der BFH als Revisionsgericht grundsätzlich an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), können Rechtsfragen, die sich nur stellen können, wenn von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 5/00, BFH/NV 2000, 1238, 1239; vom VIII B 30/01, BFH/NV 2002, 191). Nach den vom FG in seinem Urteil getroffenen und vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen hat er als verantwortlicher Schiffsführer den Großsegler ”X” der Zollstelle in B nicht gestellt. Das FG hat jedoch keinerlei Feststellungen dazu getroffen, dass dies dem Kläger —wie er behauptet— nicht möglich war. Das FG hat auch nicht festgestellt, dass der erste Offizier das Schiff in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat, so dass es in einem Revisionsverfahren gleichfalls nicht auf die vom Kläger als ungeklärt bezeichnete Frage ankommen könnte, ob dieser für die entstehenden Abgaben verantwortlich sein könne, wenn der Kapitän wachfrei habe.

d) Der Kläger hat einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht schlüssig dargelegt, sofern er mit seiner Behauptung, das Urteil des FG weise mehrere Unrichtigkeiten auf, einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten rügen sollte (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Für die schlüssige Rüge einer Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO müssen nicht nur die vom FG übergangenen Akten, Aktenteile oder Schriftsätze genau bezeichnet werden, sondern es muss außerdem dargelegt werden, welche Schlussfolgerungen sich dem FG —ausgehend von dessen materiell-rechtlicher Auffassung— nach Ansicht des Klägers auf Grund dieser Tatsachen hätten aufdrängen müssen; ferner muss die Erheblichkeit des gerügten Verfahrensmangels dargetan werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 76/96, BFH/NV 1997, 246; vom IX B 79/00, BFH/NV 2001, 456).

Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger trägt lediglich völlig unsubstantiiert vor, die von ihm gerügten Unrichtigkeiten ”dürften” dem Beteiligtenvortrag und dem Inhalt der Akten widersprechen. Er zeigt nicht auf, aus welchen Aktenteilen oder Schriftsätzen sich die behaupteten Unrichtigkeiten ergeben sollen. Der Kläger legt insbesondere nicht dar, inwiefern die von ihm geltend gemachten Unrichtigkeiten für die Entscheidung der Vorinstanz erheblich gewesen sein könnten.

e) Der Kläger hat eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 FGO) durch das FG gleichfalls nicht schlüssig dargelegt. Die schlüssige Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erfordert eine substantiierte Darlegung, was der Kläger bei einer ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieses Vorbringen möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des Gerichts hätte führen können (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 342/98, BFH/NV 2000, 194, 195 sowie vom VII B 21/99, BFH/NV 2000, 1335, 1336; , BFH/NV 2002, 526).

Der Kläger behauptet jedoch nur völlig unsubstantiiert, er hätte dem vom FG geladenen Sachverständigen auf Grund seiner einschlägigen Kenntnis des Marktes für derartige Schiffe unter Bezeichnung verschiedener Beispiele Fragen stellen und Vorhaltungen machen können, ohne darzulegen, was er konkret vorgebracht hätte. Hinsichtlich der behaupteten Änderung der Auffassung des FG ist der Beschwerdebegründung überhaupt nicht zu entnehmen, was der Kläger und/oder sein Prozessbevollmächtigter noch weiter vorgetragen hätten. Der Kläger, dessen Prozessbevollmächtigter sich auf die mündliche Verhandlung vor dem FG eingelassen hat, hat überdies nicht dargelegt, dass er keine Möglichkeit hatte, die geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs vor dem FG zu beanstanden, wie dies eine schlüssige Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör erfordert (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332, 1333; vom I B 96/01, BFH/NV 2002, 1469).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 527
BFH/NV 2003 S. 527 Nr. 4
NAAAA-70964