BFH Urteil v. - VI R 182/00

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

Der 1963 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloss seine Schulausbildung mit der mittleren Reife ab. Im Jahr 1979 begann er bei der Firma X eine Lehre als Bürokaufmann, die er im Jahr 1982 abschloss. Im Jahr 1985 wechselte er in die Personalabteilung. Ab 1992 belegte er bei der Volkshochschule Kurse für die Erlangung des Fachabiturs, das er im Jahr 1994 erwarb.

Ab September 1994 studierte der Kläger Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Ökonomie und Management (Staatlich anerkannte Hochschule für Berufstätige). Die Vorlesungen fanden mittwochs und freitags zwischen 18.00 Uhr und 21.15 Uhr sowie samstags von 8.30 bis 15.45 Uhr statt. Die tägliche Arbeitszeit bei der X von 8.00 bis 16.30 Uhr wurde hierdurch nicht berührt. Das Studium wird mit dem Titel ”Diplom-Betriebswirt (FH)” abgeschlossen.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1994 und 1995 machte der Kläger bei einem Bruttoarbeitslohn von ... DM (1994) bzw. ... DM (1995) Studienkosten in Höhe von 2 825 DM (1994) bzw. 7 842 DM (1995) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Die Aufwendungen errechneten sich wie folgt:


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1994
1995
Studiengebühren: 490 DM/Monat
1 960 DM (4 Monate)
5 860 DM (12 Monate)
Fahrtkosten (32 km x 0,52 DM)
865 DM (52 Tage)
1 762 DM (121 Tage)
Lerngemeinschaft
 
96 DM
Verpflegungsmehrauf- wendungen(8 Tage x 13 DM)
  ________
    104 DM
 
2 825 DM
7 842 DM

Zur Begründung reichte er eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vom ein, wonach es für ihn —den Kläger— notwendig sei, sein bisheriges betriebswirtschaftliches Wissen umfangreich zu erweitern und zu vertiefen, ”um die wachsenden Anforderungen an die Qualität der zukünftigen Aufgabengestaltung innerhalb des Personalwesens…bewältigen zu können”. Daher sei für ihn ein Studium unumgänglich.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah die Aufwendungen als Berufsausbildungskosten an und ließ diese nur mit dem Höchstbetrag von 900 DM nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben zum Abzug zu.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrten der Kläger und seine Ehefrau, die Klägerin, die betreffenden Aufwendungen in voller Höhe als Werbungskosten abzuziehen. Seit 1985 bis heute sei er in der Abteilung Personalwesen tätig. Da seine Studienschwerpunkte im Bereich des Personal- und Ausbildungswesens, der EDV und Organisation lägen und sich auch seine Diplomarbeit mit den Bereichen Personalwesen und Organisation beschäftige, sei sein Studium darauf gerichtet, im Wege einer Spezialisierung seine bisherigen beruflichen Kenntnisse zu ergänzen. Er habe sich zu dem Studium veranlasst gesehen, um einer drohenden Entlassung vorzubeugen. Bisher seien mehrere Arbeitsplätze weggefallen. Dass er noch nicht entlassen worden sei, führe er auf die Bildungsmaßnahme zurück. Im Falle eines erfolgreichen Abschlusses könne er in einer führenden Position im Bereich des Personalwesens eingesetzt werden. Dies sei ohne die angestrebte Zusatzqualifikation nicht möglich. Die Aufwendungen für das Studium stünden daher in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erzielung von höheren Einkünften.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 491 veröffentlichten Gründen ab. Zur Begründung nahm es im Wesentlichen auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung Bezug.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe bei der Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG außer Acht gelassen, dass der Wettbewerb auf dem freien Arbeitsmarkt sich im Hinblick auf die stetig steigende Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren drastisch verschärft habe. Arbeitnehmer ohne Hochschulabschluss hätten insbesondere im kaufmännischen Bereich auf Dauer keine Chance mehr, auf dem freien Arbeitsmarkt zu bestehen, wenn sie nicht bereit seien, sich weiterzuqualifizieren und fortzubilden. Die Ansprüche der Arbeitgeber an die Qualität ihrer Mitarbeiter hätten sich in den vergangenen Jahren erheblich erhöht. Der freien Wirtschaft stünden mehr Arbeitskräfte mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium zur Verfügung als benötigt würden. Dieser Entwicklung müssten die bereits seit Jahren im Beruf stehenden Steuerpflichtigen folgen, um ihren Arbeitsplatz und somit die Sicherung ihrer Einnahmen für die Zukunft zu gewährleisten.

Langjährig Erwerbstätigen, die im Rahmen ihres beruflichen Werdegangs zuvor kein Erststudium absolviert hätten, werde die Anerkennung der Kosten für ein solches Studium allein aufgrund der Tatsache versagt, dass es kein ”Zweitstudium” sei. Dies stelle eine nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung gegenüber Erwerbstätigen dar, welche die Möglichkeit gehabt hätten, ihren beruflichen Werdegang mit einem Erststudium zu beginnen.

Die Kläger beantragen, die vorinstanzliche Entscheidung aufzuheben und unter Änderung der Bescheide die Einkommensteuer für 1994 auf ... DM und für 1995 auf ... DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Die Aufwendungen für das berufsbegleitende Erststudium des Klägers sind dem Grunde nach als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Diese Aufwendungen sind keine Kosten der Berufsausbildung i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Mit Urteil vom VI R 137/01 wurde die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung aufgegeben, wonach Ausgaben für ein Erststudium an einer Universität oder Fachhochschule stets der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen und deshalb nur als Sonderausgaben begrenzt abziehbar sind. Zur Begründung im Einzelnen wird auf das genannte Urteil (DB 2003, 127) verwiesen.

Im Streitfall sind die Bildungsaufwendungen des Klägers beruflich veranlasst. Der berufliche Anlass ist gegeben, weil der Kläger nach Jahren der Berufstätigkeit das Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Personal- und Ausbildungswesen aufgenommen hat, um in seinem Beruf besser voranzukommen, seine Kenntnisse zu erweitern und seine Stellung in der Personalabteilung zu festigen. Das Studium diente dazu, den wachsenden Anforderungen des Arbeitgebers dauerhaft gerecht zu werden. Der Kläger hat die Studienkosten aufgewandt, um seine Einnahmen zu sichern, ggf. um höhere Einnahmen zu erzielen.

Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG keine Feststellungen zur Höhe der Bildungsaufwendungen getroffen hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 609
BFH/NV 2003 S. 609 Nr. 5
JAAAA-70828