Zurückweisung eines Prozessbevollmächtigten
Gesetze: FGO § 62a
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer zu 1. (Kläger) hat den Beschwerdeführer zu 2. mit seiner Vertretung vor dem Finanzgericht (FG) in den Verfahren wegen Umsatzsteuer 1990, 1991 und 1994, Haftung Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 1990, 1991 und 1994, Haftung Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer IV/1995, Zinsen zur Umsatzsteuer 1990, 1991 und 1994 und Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 1994 bevollmächtigt. Während dieses Verfahrens (3 K 4995/98) wurde die Bestellung des Beschwerdeführers zu 2. als Steuerberater widerrufen und ihm die Zulassung zur Steuerberatung entzogen. Das FG wies den Beschwerdeführer zu 2. durch den angefochtenen Beschluss vom (3 K 4995/98) als Prozessbevollmächtigten zurück, weil er nicht mehr befugt sei, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten. Der Beschwerdeführer zu 2. hatte die Gelegenheit nicht genutzt, zu der ihm zuvor angekündigten Entscheidung Stellung zu nehmen.
Gegen diesen Beschluss wenden sich sowohl der Kläger als auch der Beschwerdeführer zu 2. mit der Beschwerde. Sie führen zur Begründung u.a. aus, der Widerruf der Bestellung des Beschwerdeführers zu 2. als Steuerberater sei noch nicht unanfechtbar, u.a. weil ein Wiederaufnahmeantrag beim Bundesfinanzhof (BFH) gestellt worden sei.
Der Beschwerdeführer zu 2. sei in den Niederlanden und in Belgien als Belastingadviseur bzw. als Belastingconsulent zugelassen und dürfe deshalb nach § 3 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) nicht als Prozessbevollmächtigter zurückgewiesen werden. Dadurch werde ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassener Steuerberater im Inland unzulässig diskriminiert. Über die Vereinbarkeit der Einschränkungen der Tätigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat zulässig steuerberatend tätigen Steuerpflichtigen im Inland müsse notfalls der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Vorabentscheidungsverfahren entscheiden.
Der Kläger und der Beschwerdeführer zu 2. beantragen, den aufzuheben.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hat auf eine Gegenäußerung verzichtet.
II. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
1. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger und der Beschwerdeführer zu 2. im Beschwerdeverfahren durch die Rechtsanwältin X vertreten werden. Damit sind die Beschwerden durch eine dazu berechtigte Person erhoben worden (§ 62a der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
2. Der Beschwerdeführer zu 2. ist als zurückgewiesener Prozessbevollmächtigter in dem Rechtsstreit des Klägers wegen Umsatzsteuer 1990, 1991 und 1994, Haftung Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 1990, 1991, und 1994, Haftung Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer IV/1995, Zinsen zur Umsatzsteuer 1990, 1991 und 1994 und Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 1994 im eigenen Namen beschwerdeberechtigt, weil er geltend machen kann, durch die Zurückweisung in seinen Rechten verletzt worden zu sein (vgl. dazu , BFHE 142, 355, BStBl II 1985, 215, m.w.N.).
Die Beschwerden sind aber unbegründet.
Das FG hat den Beschwerdeführer zu 2. nach § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO zutreffend zurückgewiesen, weil er nach den Vorschriften des StBerG nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt war (vgl. , BFH/NV 2000, 326).
a) Der Beschwerdeführer zu 2. war nicht nach § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, weil seine Bestellung als Steuerberater zum maßgebenden Zeitpunkt durch Bescheid des Finanzministeriums bestandskräftig widerrufen worden war. Der Widerrufsbescheid ist bestandskräftig, weil die gegen den Bescheid gerichtete Klage durch Urteil des FG zurückgewiesen und das Urteil durch Zurückweisung der dagegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde durch den , BFH/NV 2002, 1499, rechtskräftig geworden ist. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das nicht zur Entscheidung angenommen.
Das von dem Beschwerdeführer zu 2. gegen den anhängig gemachte Wiederaufnahmeverfahren (§ 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 5 der Zivilprozessordnung —ZPO—) änderte an der Rechtskraft dieses Beschlusses und damit an der Bestandskraft des Widerrufsbescheids nichts (, VII S 41/02, BFH/NV 2003, 714). Denn wenn auch die Wiederaufnahmeklage einen rechtsmittelähnlichen Charakter hat, ist sie doch kein Rechtsmittel, das den Eintritt der Rechtskraft des Senatsbeschlusses suspendiert (vgl. Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 23. Aufl., Vor § 578 Rn. 1). Solange die Wiederaufnahmeklage keinen Erfolg hat, bleibt es bei der Rechtskraft des Beschlusses vom VII B 35/02 und damit der Bestandskraft des Widerrufsbescheids (vgl. , BFHE 90, 454, BStBl II 1968, 119).
b) Auch nach § 3 Nr. 4 StBerG ist der Beschwerdeführer zu 2. nicht befugt, dem Kläger in seinen Steuerverfahren Hilfe zu leisten. Nach dieser Vorschrift sind Personen ”..., die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaats leisten, zur Hilfeleistung in Steuersachen auch im Inland befugt, soweit sie damit eine Dienstleistung nach Art. 50 EG-Vertrag erbringen”. Gemeint ist Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza (EG) vom (konsolidierte Fassung: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— 2002 Nr. C 325/1). ”Sie dürfen dabei nur unter der Berufsbezeichnung in den Amtssprachen des Niederlassungsstaats tätig werden, unter der sie im Niederlassungsstaat tätig werden.” Die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt der Beschwerdeführer zu 2. im Streitfall nicht.
Der Beschwerdeführer zu 2. ist in dem erwähnten finanzgerichtlichen Verfahren 3 K 4995/98 nicht als Belastingadviseur oder Belastingconsulent aufgetreten. Er ist als Steuerberater mit einer Anschrift in Deutschland aufgetreten. Einen Hinweis auf einen Sitz des Beschwerdeführers zu 2. in den Niederlanden oder in Belgien enthält erst die Beschwerdebegründung.
Selbst wenn der Beschwerdeführer zu 2. in Übereinstimmung mit § 3 Nr. 4 Satz 2 StBerG als Belastingadviseur oder Belastingconsulent aufgetreten wäre, wäre er nicht befugt, dem Kläger Hilfe in seinen Steuerverfahren zu leisten. Die Hilfeleistung ist nur als grenzüberschreitende, vorübergehende Dienstleistung zugelassen, wie sich durch die Bezugnahme auf Art. 50 EG ergibt (vgl. auch die Begründung zum 7. Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Tätigkeit der Steuerberater vom , BGBl I 2000, 874 in BTDrucks 14/2667, S. 27).
Dienstleistungen i.S. des Art. 50 EG sind zeitlich beschränkte Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Abs. 3 EG: ”vorübergehend”) in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (vgl. 205/84, EuGHE 1986, 3755, 3801 Rdnr. 21). Sind Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger in demselben Mitgliedstaat ansässig, liegt keine grenzüberschreitende Dienstleistung i.S. der Art. 49, 50 EG vor (vgl. Söhn in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 80 AO 1977 Rz. 314).
Der Dienstleister ist nicht nach den Regeln der Dienstleistungsfreiheit, sondern nach denjenigen der Niederlassungsfreiheit geschützt und muss die Anforderungen an die Bestellung als Steuerberater im Mitgliedstaat seiner Niederlassung erfüllen (EuGH-Urteil in EuGHE 1986, 3755, 3801 Rdnr. 21). Diese Voraussetzungen erfüllt der Beschwerdeführer zu 2. in Deutschland nicht mehr.
c) Der Senat ist —wie auch andere Senate des BFH (Beschlüsse in BFH/NV 2003, 714; vom VII B 335/02, VII B 42/02; vom III B 135/02, BFH/NV 2003, 1094; vom III B 137/02)— der Ansicht, dass die unterschiedliche Behandlung von ”niedergelassenen europäischen Rechtsanwälten” und ”europäischen niedergelassenen Steuerberatern” durch § 3 Nr. 1 StBerG keine dem EG-Vertrag widersprechende Diskriminierung europäischer Steuerberater gegenüber europäischen Rechtsanwälten darstellt. Sie ist im Allgemeininteresse geboten (BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 569/62, BVerfGE 21, 173, und vom 1 BvR 807/80, BStBl II 1982, 281).
Er hat insoweit auch keine Zweifel an der Auslegung der maßgebenden Vorschriften des EG-Vertrages (Art. 234 Abs. 1 Buchst. a EG), so dass er ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 EG entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers zu 2. nicht für erforderlich hält.
3. Die Beschwerde des Klägers gegen die Zurückweisung seines Prozessbevollmächtigten ist —sofern sie zulässig sein sollte— aus den gleichen Gründen unbegründet wie die entsprechende Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2.
Fundstelle(n):
XAAAA-70683