BFH Beschluss v. - V B 239/02

Kein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Gerichtsakten

Gesetze: FGO § 78

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag des Prozessbevollmächtigten Dr. B der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) vom ab, den für den anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, durch Verfügung des Vorsitzenden vom ab. Darin beurteilte dieser die Ausführungen in dem Antragsschriftsatz, nach denen Dr. B ”bereits anderweitig verplant sei”, nicht als Darlegung eines erheblichen Grundes für eine Terminsverlegung. Hinzu komme, dass eine Vertretung durch ein anderes Mitglied der Sozietät, deren Mitglieder bevollmächtigt worden seien, erfolgen könne.

Dem ebenfalls gestellten Antrag auf Übersendung von Kopien der gesamten Steuerakten wurde nicht entsprochen, weil eine Akteneinsicht beim Amtsgericht Wiesbaden stattgefunden habe und deshalb die Aktenbestandteile bezeichnet werden könnten, die fotokopiert werden sollten.

Dagegen legte die Klägerin mit einem am beim FG eingegangenen Schriftsatz Beschwerde ein und beantragte, den Termin vom aufzuheben. Außerdem beantragte sie, nach erfolgter Aktenkopieübersendung und nach Ablauf ausreichender Zeit zur Erfassung des Akteninhalts, zur Erörterung der Sache und zum schriftsätzlichen Vortrag, eine Video-Hauptverhandlung an einem anderen Ort durchzuführen, der für die Kanzlei näher liege als das FG. Zur Begründung führte die Klägerin u.a. aus, den Tag der vorgesehenen mündlichen Verhandlung könne Dr. B wegen einer Vortragsverpflichtung nicht wahrnehmen.

Die bisher erhaltene Akteneinsicht sei unzureichend gewesen, weil es dafür möglich sein müsse, auch ”umfangreiche Aktenkopien zu ziehen”.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hat sich nicht zur Sache geäußert.

Der Beschwerde half das teilweise ab. Es gestattete der Klägerin und deren Bevollmächtigten —ebenfalls durch Beschluss vom —, sich während des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung (am um 9.45 Uhr) im Videoraum der Steuerberaterkammer aufzuhalten und von dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Es sicherte der Klägerin die Übersendung genau bezeichneter Seiten der Gerichtsakten in Form von Kopien zu. Im Übrigen half es der Beschwerde nicht ab und wies darauf hin, dass diese Entscheidung unanfechtbar sei.

Mit Schriftsätzen vom und beantragte die Klägerin, die Videoübertragung in L mit einem ihrer eigenen Geräte zu gestatten und die Gerichtsakten zur Akteneinsicht in die Kanzleiräume ihres Prozessbevollmächtigten zu senden; hilfsweise Akteneinsicht durch Fernkopie der Gerichtsakten und des Fallhefts des Betriebsprüfers in die Kanzleiräume zu gewähren.

Den Antrag auf Übertragung der mündlichen Verhandlung in ihre Geschäftsräume nach L nahm die Klägerin am wieder zurück und teilte mit, ihre Prozessbevollmächtigten würden sich während der mündlichen Verhandlung im Video-Raum der Steuerberaterkammer aufhalten. Am ging bei dem FG ein Antrag auf Verlegung des Termins vom ein, weil Herr M, ein ”Ansprechpartner der Klägerin bezüglich…materiell-rechtlicher Fragen”, nicht persönlich anwesend sein könne, weil er sich der Behandlung eines Krebsleidens unterzogen habe. Mit Schriftsatz vom beantragte die Klägerin erneut Akteneinsicht. Das FG wies die Anträge durch Beschluss vom zurück.

Das FG führte am eine mündliche Verhandlung durch. Den Beteiligten war gestattet worden, sich an der Verhandlung per Videokonferenz (§ 91a der FinanzgerichtsordnungFGO—) zu beteiligen. Nachdem das FG sechs Ablehnungsanträge gegen den Vorsitzenden und zwei Ablehnungsanträge gegen einen anderen Berufsrichter abgelehnt hatte, wurde der Sach- und Streitstand durch den Berichterstatter vorgetragen, ein Zeuge vernommen und die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Die Beteiligten stellten weitere Beweisanträge. Nachdem die Streitsache darauf eingehend mit den Beteiligten erörtert und die Sache vom FG beraten worden war, wurde sie vertagt.

II. 1. Die Beschwerde der Klägerin in dem Schriftsatz vom gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung am ist unzulässig, weil die Entscheidung des in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom gemäß § 128 Abs. 2 FGO i.V.m. § 227 Abs. 4 Satz 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) unanfechtbar ist.

Im Übrigen hat sich das Begehren der Klägerin erledigt, nachdem die mündliche Verhandlung am in Anwesenheit des ursprünglich verhinderten Dr. B und eines weiteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin durchgeführt worden ist und die Beteiligten eingehend zur Sache verhandelt haben.

2. Die Beschwerde der Klägerin (§ 128 Abs. 1 FGO) in dem Schriftsatz vom gegen die Ablehnung des Antrags auf Anfertigung von Aktenkopien (§ 78 Abs. 1 FGO) in der Verfügung des ist zulässig aber unbegründet.

a) Die Beschwerde ist nicht durch § 128 Abs. 2 FGO ausgeschlossen. Denn die Entscheidung über die Art und Weise von Akteneinsicht stellt keine prozessleitende Verfügung im Sinne dieser Vorschrift dar (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—, vgl. Beschlüsse vom VII B 65/02, BFH/NV 2003, 59; vom VI B 162/98, BFH/NV 1999, 649; vom

XI B 174, 175/95, BFH/NV 1996, 415, m.w.N.).

b) Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Das Recht auf Abschriften usw. besteht nur, soweit die Erteilung von Abschriften usw. geeignet und erforderlich ist, die Prozessführung zu erleichtern; umfängliche Abschriften können dann nicht verlangt werden, wenn ein Beteiligter sein Ziel auch durch Akteneinsicht erreichen kann. Aus § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO lässt sich kein Anspruch auf Überlassung von Fotokopien der gesamten Gerichtsakten und der gesamten dem Gericht vorgelegten Akten ableiten (BFH-Beschlüsse vom XI B 28/93, BFH/NV 1994, 567; vom II B 29/92, BFH/NV 1993, 111; Klein/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 78 Rz. 11, m.w.N.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Tz. 14 zu § 78 FGO).

Im Übrigen hat der Vorsitzende der Klägerin in der angefochtenen Entscheidung nicht verweigert, Fotokopien von bezeichneten Teilen der Akten anfertigen zu lassen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 800
BFH/NV 2003 S. 800 Nr. 6
JAAAA-70627