Gesetze: Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜbkG, Art II § 6 Abs 1 Nr 3 IntPatÜbkG, § 21 Abs 1 Nr 4 PatG
Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Zigarettenpackung (europäisches Patent)" – Nichtigkeitsangriff wegen unzulässiger Erweiterung - nicht ursprünglich offenbarte einschränkende Merkmale – Erfordernis der korrigierenden zusätzlichen Prüfung der Patentfähigkeit unter Wegfall des ursprünglich nicht offenbarten einschränkenden Merkmals, und zwar losgelöst davon, ob ein Angriff wegen mangelnder Patentfähigkeit im Rahmen derselben Nichtigkeitsklage erfolgt ist – zur Einbeziehung weiterer Nichtigkeitsgründe und darüber hinausgehender Zulässigkeitsaspekte – zur Kennzeichnung der uneigentlichen Erweiterung durch einen Disclaimer – zur Zulässigkeit der Inanspruchnahme der Priorität einer früheren Anmeldung
Leitsatz
Zigarettenpackung
1. Der im Falle eines Nichtigkeitsangriffs wegen unzulässiger Erweiterung des Inhalts der Anmeldung nach Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜG (bzw. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) mögliche Rechtserhalt eines Streitpatents bei nicht ursprünglich offenbarten einschränkenden Merkmalen (uneigentliche Erweiterung) ist Resultat einer bereits teleologisch restriktiven Auslegung des Tatbestands und erfordert insoweit die in der Rechtsprechung (BGH GRUR 2011, 40 – Winkelmesseinrichtung; GRUR 2015, 573 – Wundbehandlungsvorrichtung) geforderte (inzidente) korrigierende zusätzliche Prüfung der Patentfähigkeit des verteidigten Anspruchs unter Wegfall des ursprünglich nicht offenbarten einschränkenden Merkmals, und zwar losgelöst davon, ob ein Angriff wegen mangelnder Patentfähigkeit im Rahmen derselben Nichtigkeitsklage erfolgt ist.
2. Es spricht viel dafür, im Rahmen der ergänzenden Beurteilung eines möglichen Rechtsbestands eines wegen unzulässiger Erweiterung des Inhalts der Anmeldung angegriffenen Streitpatents bei sog. uneigentlicher Erweiterungen nicht nur eine korrigierende zusätzliche Prüfung der Patentfähigkeit vorzunehmen, sondern auch die weiteren Nichtigkeitsgründe und darüber hinausgehende Zulässigkeitsaspekte einzubeziehen.
3. Aus Gründen der Rechtssicherheit erscheint es sinnvoll, die uneigentliche Erweiterung im Patentanspruch durch einen entsprechenden Zusatz („Disclaimer“) zu kennzeichnen.
4. Der Senat sieht es als folgerichtig an, dass in den o. g. Fällen bei gebotener modifizierter Prüfung auf erfinderische Tätigkeit, welche die Prioritätsfrage einschließt, auch die Inanspruchnahme der Priorität einer früheren Anmeldung zulässig ist, welche die Merkmale des verteidigten Anspruchs mit Ausnahme der uneigentlichen Erweiterung offenbart und insoweit prioritätsbegründend ist.
Tatbestand
Fundstelle(n): SAAAG-92953
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